Flüchtlingsdiskussion - auf Bitte ausgelagert

  • das sind ganz hervorragende und imo extrem wichtige fragen!


    die gesellschaft wird zusammengehalten vom befolgen gemeinsamer "regeln", die meisten davon nicht schriftlich fixiert. nennt sich auch soziale rollen, organisationen (im soziologischen sinne) etc. in der funktional ausdifferenzierten gesellschaft.
    das funktioniert seit spätestens 1900 rum im deutschsprachigen raum ziemlich gut, auch ohne wertgemeinschaft.


    am einfachsten ist das eventuell nachzuvollziehen, wenn man tönnies gesellschaftsbegriff vs. seinen gemeinschaftsbegriff rezipiert: freilich ohne die pejorative haltung gegenüber der gesellschaft, die tönnies (zeitbedingt) noch vertritt. heute ist die "gesellschaft" hauptgegenstand der soziologie.


    aus der unterscheidung von gesellschaft und gemeinschaft entsteht quasi die soziologie als wissenschaftliche disziplin: eine bewährte einführung in diese art, gesellschaft zu beobachten, ist berger/luckmann. persönlich habe ich auch gute erfahrungen mit nassehi: soziologie. zehn einführende vorlesungen. wenn man es sich so richtig geben will: luhmann, immer wieder und immer noch. (auch, weil sich der linker umtriebe ganz gewiss niemals schuldig gemacht hat.)

  • Ich habe in den letzten Tagen viel über die von Stille Mitleserin ins Spiel gebrachte Verantwortung und ihre Konsequenz für unser Verhalten (als Einzelpersonen und als Teil eines Staates) in Hinblick auf die Flüchtlingsdiskussion nachgedacht. Klar, ich stimme Dir zu: ich habe die Pflicht, meinen Kindern einen Lebensraum zu hinterlassen, in dem sie möglichst frei und unbeschwert leben können, ich muss ihren Wohlstand ebenso schützen wie ihr Bedürfnis nach Sicherheit.
    Trotzdem beziehungsweise gerade deswegen glaube ich, dass wir uns einen Bärendienst erweisen wenn wir Krisen in der Welt, Flüchtlingsströme und soziale Ungerechtigkeiten ausschließlich unter nationalen Gesichtspunkten in den Blick nehmen.
    Deine Argumentation geht ja vor allem in die Richtung, dass man – um unser Land und unseren Wohlstand zu schützen – möglichst viele Leute, die hier reinwollen, genau davon abzuhalten. Dafür muss man unter anderem die Grenzen weitgehend schließen und diese dann auch adäquat kontrolleren. Das kostet allerdings in vielerlei Hinsicht richtig viel Geld:
    Man braucht Personal, eine große Gruppe an Grenzmanuelneuers, die analog zu ihrem Namensvetter keinen Unberechtigten reinlassen (Personen statt Ball). Zuerst muss man geeignete Leute finden. Damit das möglichst schnell und effektiv passiert, muss man andere Personen von ihren Aufgaben abziehen. Hat man genügend Leute gefunden, müssen sie ausgebildet werden, danach muss der Staat sie mit einem angemessenen Gehalt bezahlen, sonst will das ja keiner machen. Sie müssen mit Uniform und diversen Geräten ausgestattet werden, sie brauchen Büros bzw. Wachen und dergleichen mehr. Grenzstationen müssen wieder in Betrieb genommen und unterhalten werden. Areale müssen so baulich verändert werden, dass man sie auch sinnvoll überwachen kann. Vielleicht entsteht irgendwann die Situation, dass man all diese Leute nicht mehr braucht. Dann kosten sie den Staat aber trotzdem noch Geld: einige werden umgeschult oder in andere Sicherheitsbereiche gebracht. Einige bekommen Abfindungen usw. All das kostet für den Arbeitszeitraum mindestens einer Generation richtig Geld.
    Sicherlich werden Teile der Wirtschaft durch die damit verbundenen staatlichen Aufträge angekurbelt, aber letztendlich zahlt der Staat ja dafür die Rechnungen. Ich wage zu bezweifeln, dass das ohne Steuererhöhungen oder drastische Sparmaßnahmen an anderer Stelle (zum Beispiel Bildung) funktionieren wird.


    Übrigens halte ich eine – partielle oder vollständige – Schließung von Grenzen für Deutschland für schwieriger und teurer durchzuführen als in den meisten anderen Ländern Europas. Erstens wollen Flüchtlinge bevorzugt nach Deutschland, so dass eine Schließung der Grenze nach Österreich langfristig nicht ausreichend sein wird und zweitens haben wir (fast) nur Landgrenzen. Wenn – um ein extremes Beispiel zu nennen – Schweden seine Grenzen für Flüchtlinge schließt, ändert sich wenig: man muss die Fähren aus Dänemark besser kontrollieren und das war es im Wesentlichen. Eine Einreise über Norwegen ist schwachsinnig (zu langer Seeweg), über Finnland kommt keiner weil er an Russland vorbei muss, also kann Schweden einfach ein paar mehr Pässe und LKWs kontrollieren und sich ansonsten in der Signalwirkung des Statements der Grenzschließung sonnen. Da haben wir es deutlich schwerer….


    Dann haben wir als Land, das viel internationalen Handel treibt noch ein weiteres Problem: wenn wir eine Schließung der Grenzen ernst meinen, müssen wir so ziemlich jedes Verkehrsmittel kontrollieren. Unsere Wirtschaft fußt aber in vielen Bereichen auf Geschwindigkeit, knapp kalkulierten Preisen und Just-in-Time-Lieferungen. Das hat mehrere Konsequenzen:
    Man braucht mehr LKWs und mehr Fahrer: wenn von 10 LKWs einer europaweit agierenden Spedition einer an irgendeiner Grenze steht, braucht es einen zusätzlichen Truck nebst Fahrer um diesen Umstand zu kompensieren. Die dadurch steigenden Kosten zahlt ultimativ der Endkunde. Wenn Deutschland dadurch weniger konkurrenzfähig ist als seine Nachbarn verlieren wir Arbeitsplätze und damit Wohlstand. Aber den wollten wir doch erhalten. Der Staat hätte dann weniger Einnahmen durch diverse Steuern und mehr Ausgaben (z.B. ALG1 und 2)
    Der Kostendruck wird an den Fahrern ausgelassen. Wenn es überhaupt noch deutsche Firmen gibt, die sich auf diesem Markt behaupten können, werden die Löhne und Gehälter für Fahrer noch weiter gedrückt, so dass vom Einzelnen noch weniger Geld als bisher in den Wirtschaftskreislauf eingebracht wird als aktuell.
    Grenzübergreifende Just-in-Time-Lieferungen werden noch schwieriger zu kalkulieren sein, es müssen stärkere Vorhalte einkalkuliert werden, um Produktionsstops zu vermeiden. Das kostet Geld.
    Warum hat man die Grenzen geöffnet? Genau aus diesen Gründen. Warum hat man Teile seiner Souveränität an die EU abgegeben? Genau aus diesen Gründen. Es war die deutlich kleinere Kröte, die man schlucken musste. Und nun soll eine Rückkehr zum Nationalstaat der Heilsbringer sein? Die Wirtschaft wird leiden und wir mit.


    Meine Überlegungen sind sicherlich nicht vollständig, vielleicht mache ich an der einen oder anderen Stelle auch einen Denkfehler, aber ich stelle mir tatsächlich die Frage, ob wir – unabhängig von moralischen Überlegungen, Heldenepos oder Schuldgefühlen – langfristig nicht besser fahren, wenn wir Einwanderer ausbilden und integrieren, gerade wenn sie jung zu uns kommen. Klar, kurz und mittelfristig ist das ein verdammt dickes Brett, das sicherlich auch zu Steuererhöhungen und Einsparungen führen wird. Aber irgendwann zahlen die, die bleiben, nicht nur in den Staatshaushalt ein, sondern produzieren auch Güter, die wiederum Wert erwirtschaften. Unsere Gesellschaft wird immer älter, immer mehr Menschen wollen im Ruhestand von immer weniger Arbeitnehmern finanziert werden. Eine Heerschar an Grenzschützern produziert ja nichts, sondern kostet nur, auch wenn natürlich Teile dieser Kosten durch Konsumausgaben, Steuern und Abgaben wieder zurückfließen. Das sollte mal jemand durchrechnen, der Ahnung und valide Zahlen zur Verfügung hat.


    Auf jeden Fall sollten wir unsere Verantwortung ernst nehmen und erst über die Folgen nachdenken, bevor wir eine Lösung propagieren. Stellt Euch mal vor, meine Überlegungen stimmen und wir machen tatsächlich einen langfristigen Schnapp wenn wir möglichst viele Flüchtlinge aufnehmen. Dann würden wir uns im Umkehrschluss ja wirtschaftlich aus dem Spiel nehmen wenn wir diese Möglichkeit anderen überlassen. Verantwortung?

  • Liebe/r Indigo,


    du hast ganz recht mit deinen Ausführungen, ein Schließen und Bewachen der Grenzen kommt teuer und ist nicht produktiv.


    Grundsätzlich brauchen wir Zuwanderung- ganz dringend sogar. Ich frage mich aber mittlerweile, ob es zukunftstechnisch clever ist, ganz auf die Einwanderung der Ärmsten zu setzen. Als hochindustrialisiertes Land haben wir keine einfachen Jobs mehr zu vergeben und brauchen in den nächsten Jahren diese einfachen Jobs, wenn wir mit der Inklusion ernst machen wollen. Ich hatte auch gehofft, dass qualifizierte junge Flüchtlinge zu uns kommen, und es sind auch qualifizierte Personen dabei, die sich mit wenig Aufwand zu braven deutschen Steuerzahlern machen lassen (wollen).


    Aber ein großer Teil ist auch ungebildet, in meiner Klasse sind mehrere Analphabeten, die aber große Träume vom leichten Geldverdienen träumen. Jeder zweite will Arzt, Anwalt oder Ingenieur werden. Eine Ausbildung als Altenpflger, in der Gastronomie oder in einem der einfacheren Berufe,in denen man auch nicht ganz so gut verdient, wird bisher noch schockiert abgelehnt.


    In der Berufsschule fällt es (auch statistisch!) auf, dass insbesondere die jungen Männer mit Migrationshintergund große Probleme haben, sich in der Lehre einzugewöhnen. Viele lassen sich ungern Dinge sagen, werden schnell mal ruppig und nehmen es mit Pünktlichkeit und Einsatzbereitschaft nicht immer so genau. Diese Probleme haben zwar auch deutsche Jugendliche, die Zahl unter den Migranten ist aber höher. Hier reden wir von einer Personengruppe, die in der Regel schon in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland lebt.


    Wenn du das auf die Flüchtlinge beziehst, redest du von wirklich dicken Brettern.


    Vielleicht wäre es klüger, Hochleistungskräfte aus dem Ausland zu rekrutieren und so gleichzeitig ein bestimmtes Kontingent an Flüchtlingen betreuen zu können? So machen es klassische Einwanderungsländer auch.


    In anderen threads war zu lesen, dass Asyl ein Grundrecht ist - damit bin ich einverstanden.


    Mir schwebte auch zu keinem Zeitpunkt vor, die Grenzen zu schließen und niemanden hereinzulassen.


    Was mir vorschwebt:


    - niemand darf ohne Papiere ins Land, die Personen werden sofort erkennungsdienstlich aufgenommen und erhalten eine Art Asylpass, mit dem Sie sich (so älter als 16 Jahre) auszuweisen haben. Wenn sich Flüchtlinge nicht ausweisen können, werden sie festgehalten, bis die Identität festgestellt ist.


    - Es werden Personen aufgenommen, die die Voraussetzungen für das Asylverfahren nach GG, den Flüchtlingsschutz nach den Genfer Konventionen oder subsidiären Schutz in Frage kommen (laut EU derzeit ca. 40% der flüchtenden Personen) - 60 % sind Wirtschaftsflüchtlinge. Der Großteil dieser Personen wird nicht ins Land kommen, wenn sie keine Chance auf staatliche Hilfe haben, ergo brauchen wir gar keinen massiven Grenzschutz. An den Grenzübergängen werden Wirtschaftsflüchtlinge abgewiesen.


    - die Zahl der aufzunehmenden Personen wird gedeckelt, so dass ausreichend Plätze und Ressourcen für die aufgenommenen Personen vorhanden sind. Es werden bei der Aufnahme Prioritäten eingeräumt - Familien, Kinder, Frauen und alte Menschen haben den Vortritt.


    - Ein Familiennachzug kann erst dann erfolgen, wenn der hier lebenden Flüchtling den Bedarf der Familie durch eigenen Verdienst decken kann.


    - Die aktive Aufnahme von Flüchtlingen wird verstärkt (siehe Sonderkontingent in BAWÜ)- insbesondere traumatisierte Frauen, Kinder, Kranke und Behinderte werden aktiv aus den Flüchtlingslagern der Nachbarländer Syriens ausgewählt und nach Deutschland gebracht, um hier zu gesunden.


    - Man sucht ernsthaft nach Lösungen, wie man Straftäter abschieben kann. Gewaltauffällige Personen werden bis zu einer Verurteilung festgesetzt und müssen nach Verurteilung so lange in Haft bleiben, bis sie abgeschoben werden können. Ansonsten bleiben sie in Haft.


    - Die Infos werden auch in den nichteuropäischen Medien gestreut, damit Deutschland als Fluchtland unattraktiver wird. (Das hat Malta recht "geschickt" gemacht - erzkatholische und sozialistische (!) Malteser sind stolz darauf, dass die Flüchtlinge auf der Insel erst mal alle in den Knast gehen - ohne Ausnahme. Das Ziel ist, dass die Flüchtlinge per mobile nach Hause berichten, wie furchtbar es ist.)


    Das wäre so auf die Schnelle mein Paket, um der Verantwortung der Gesellschaft gerecht zu werden, das Ganze bezahlbar zu halten, Integrationschancen anbieten zu können und eine Sicherheit für die Bevölkerung und die Flüchtlinge herzustellen. Eine gesamteuropäische Lösung wäre mir zwar lieber, die wird aber noch schwieriger und langwieriger zu finden sein.


    Über Entwicklungshilfe und Aufbauhilfen in den entsprechenden Ländern müssen wir hier nicht sprechen, auch in der Entwicklungshilfe gilt schon lange das Montessori-Prinzip: Hilf mir, es selbst zu tun.


    Auch über das militärische Vorgehen gegen des IS brauchen wir hier nicht zu streiten - der IS wäre zwar bei einer miltärischen Intervention mit gut ausgebildeten Bodentruppen nach 14 Tagen Geschichte, aber die Gefahr, dass dadurch neuer Hass entsteht, ist natürlich groß.

  • Liebe stille Mitleserin,
    ich bin gerade ein wenig in Zeitdruck, deswegen nur eine kurze und undifferenzierte Antwort.
    Vielen Dank für diesen konstruktiven Beitrag. Vielen Punkten stimme ich zu, an einigen Stellen würde es jedoch Probleme mit der praktischen Durchführbarkeit geben, z.B. mit der Forderung, dass niemand ohne Papiere ins Land darf. Auch wenn man die Grenzen nicht komplett schließt, muss man wie oben beschrieben eine Infrastruktur schaffen, die eine möglichst engmaschige Kontrolle ermöglicht. Auch die Frage nach den Möglichkeiten der Abschiebung wirft mehrere Schwierigkeiten auf: wohin, wenn die Leute keinen Pass haben? Was, wenn das Ursprungsland ihnen die Einreise verweigert?
    Die Frage mit dem Familienzuzug sehe ich aus persönlichen Gründen ein wenig anders. Dazu aber an anderer Stelle vielleicht mehr.
    LG
    Indigo

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    - niemand darf ohne Papiere ins Land, die Personen werden sofort erkennungsdienstlich aufgenommen und erhalten eine Art Asylpass, mit dem Sie sich (so älter als 16 Jahre) auszuweisen haben. Wenn sich Flüchtlinge nicht ausweisen können, werden sie festgehalten, bis die Identität festgestellt ist.

    Dass das absolut unrealistisch ist, ist klar, oder?
    Ich bin vor einiger Zeit den Rheinradweg von Andermatt bis Basel mit dem Fahrrad gefahren und habe in der Zeit unzählige Male die Grenze Schweiz - Deutschland gewechselt. Heimlich nach Deutschland einzureisen ist überhaupt kein Problem. Es sei denn, wir errichten (wieder) eine Mauer.


    @Firelilly, da du ja doch noch hier schreibst. Du hattest vor ein paar Seiten gesagt, dass du Angst hast, wegen der Terrorgefahr in größere Städte zu reisen. Ich nehme mal an, dass du aufgrund der Erstickungsgefahr beim Essen, das Risiko daran zu sterben ist ungleich größer, auch nicht isst. Oder?


    kl. gr. frosch

  • Wir haben seit vielen Jahren sogenannte "Illegale" im Land. Interessanterweise hört man von denen ausgesprochen wenig.
    Warum?
    Die Illegalen sind massiv darauf angewiesen sich perfekt zu assimilieren. Jede Aufälligkeit, einmal Schwarzfahren oder Pöbeln mit Polizeiansprache kann zur Ausweisungshaft führen. Diese Personen verhalten sich also perfekter als die hier Lebenden, um dem zu entgehen.


    Ein Wirtschaftsflüchtling kommt nach Deutschland, um sein Leben zu verbessern und die Sozialsysteme zu genießen - z.B Kindergeld für seine in der Heimat lebenden Kinder. Was bei uns zu relativer Armut führt ist auf dem Balkan Reichtum. Das ist gar nicht zu verurteilen. Wenn die Schweiz das Grundeinkommen für alle eingeführt hätte, hätte ich das auch spannend gefunden.


    In dem Moment, in dem die Personen an die Sozialsysteme nicht herankommen (und hier als Illegale ohne Einkommen leben müssten) und illegalen Auswüchse (Bettlerbanden, Einbruchsbanden, mafiöse Strukturen etc.) massiv bestraft werden würden würden diese Leute auch wegbleiben. Übrig bleiben die, die Hilfe benötigen und die sind mir willkommen.


    Keine Mauer nötig.


    Beim Thema Abschiebung ist es nicht ganz so einfach, wie Meike schon erkläutert hat. Aber auch Schweden lässt niemanden mehr ohne Papiere ins Land. Ich kann mir auch kaum vorstellen, dass alle Pässe im Mittelmeer untergegangen sind, die Handys aber nicht. Wenn die Leute wissen, dass sie Papiere benötigen, wird nur ein Bruchteil ohne Papiere kommen (die man auch abfotografieren kann etc.) Eine Lösung für Menschen ohne Pass und Staatenlose habe ich nicht so schnell zur Hand, da ist sicher eine Einzelfallprüfung erforderlich. Mit den meisten Ländern bestehen diplomatische Beziehungen und viel läuft über die türkische/kurdische Regierung (wenn das auch nicht einfach ist).
    Die nordafrikanischen Staaten sind sehr an Entwicklungshilfe und Wirtschaftsbeziehungen interessiert, ich bin überzeugt, dass man hier verhandeln kann.


    Aber Meike hat recht, das geht nicht sofort. Aber man kann ja mal anfangen.(Und ganz klar - Verhandlungen durch eine EU sind hier viel schlagkräftiger.)


    Wenn die Leute einen Pass haben kann man sie auch abschieben.


    Soviel auf die Schnelle, meine Bolognese brennt an.
    Ein fertiges programm habe ich nicht, ich würde mir aber wünsche, dass die Parteien anfangen, sich Gedanken zu machen. ich will keine AFD als Regierung!

  • Gemeinsamer Wertekanon ist unser Grundgesetz. Demokratie ist sehr wohl, wir haben Gewaltenteilung!


    Und die Zusammenarbeit besteht darin, dass wir morgens die Brötchen kaufen, die ein anderer gebacken hat mit Getreide, dass ein dritter großzog. Dass wir mit der Straßenbahn fahren können oder ein Auto kaufen, dass der Staat Lehrer für die Schüler des Landes einstellt. Dass wir Sozialkassen haben, aus denen man im Notfall Hilfe bekommt und nicht auf der Straße leben muss. Ist nicht das ganze Leben ein Abhängigkeitsverhältnis aller Menschen miteinander?


    Bis auf solche vielleicht, wie Dr. Wolf-Dieter Storl und selbst der verdient an seinen Büchern, wie ich vermute.

  • An den Grenzübergängen werden Wirtschaftsflüchtlinge abgewiesen.

    Hier würde ich einhaken. Aus meiner Sicht handelt es sich bei allen nach Deutschland strebenden "Flüchtlingen" um Wirtschaftflüchtlinge, die einfach nur in das Land mit dem höchsten materiellen Wohlstand wollen. Jeder "Flüchtling" durchstreift auf seinem Weg nach Deutschland etliche sichere Drittstaaten bzw. EU-Staaten. Aber diese Leute wollen eben nicht in Länder wie die Türkei oder Griechenland oder Mazedonien, sondern nach Deutschland. Und das hat alles nichts mit "Flucht" vor Krieg und Verfolgung zu tun zu, sondern mit Wirschaftsmigration. Es zieht diese Leute in die Länder mit dem höchsten Lebensstandard. Kein Mensch durchquert tausende Kilometer bis nach Deutschland, weil er Schutz vor Krieg und Verfolgung sucht. Das ist Unsinn.


    Vernünftige und wirklich humanitäre Hilfe kann meiner Meinung nach nur so aussehen, dass wir z.B. gezielt ein vorher festgelegtes Kontingent an verwaisten Kindern, Müttern mit kleinen Kindern und kranken Greisen mit eigenen Flugzeugen direkt aus dem Krisengebiet nach Deutschland ausfliegen. Hier erhalten sie medizinische Versorgung und eine materielle Grundversorgung, so lange bis in ihrer Heimat wieder halbwegs sichere Zustände herrschen und sie dann zurückkehren dürfen und auch müssen. Die Kinder bekommen Unterricht in Arabisch und der Kultur ihres Landes und werden auf ihr späteres Leben in ihrem Heimatland vorbereitet.



    Zitat von Stille Mitleserin

    Ich will keine AFD als Regierung!

    Alle im Bundestag vertretenen Parteien befürworten die wahnsinnige "Flüchtlingspolitik" der Bundesregierung.

  • Hallo Schantalle,


    du nennst als gemeinsamen Wertekanon die Verfassung und die Demokratie an sich.


    Dabei habe ich Bauchweh.


    Demokratie: Nur noch eine kleine Mehrheit geht überhaupt wählen, bei uns leben auch eine Menge Personen, die gar nicht wählen dürfen. Aus meinen Klassen schallt mir oft ein Ruf nach einem starken Mann entgegen, der mit der korrupten Politikerschaft aufräumen möge. Auch die Diskussionen in der Politik werden als negativ empfunden, manche wünschen sich, dass die Opposition um der Harmonie willen doch endlich der Regierung zustimmen möge. Oder man wünscht sich eine Partei, die endlich allein das Sagen hat.


    Verfassung: Ein Großteil meiner Schüler kennt die Verfassung gar nicht. Sie wird in den allgemeinbildenden Schulen offenbar nicht so oft angesprochen, kaum einer hat sie gelesen. Ich bin dankbar, wenn meine Schüler den Artikel 1 kennen (was viele tun). Aber danach hört es auf. Meine Kinder haben in ihrer Schullaufbahn noch keine Bekanntschaft mit der Verfassung gemacht, das erledige ich hier zu Hause. Ich bin mir ziemlich sicher, dass viele in Deutschland lebende Menschen die Verfassung nicht kennen, geschweige denn, komplett damit einverstanden sind. Das merke ich an Diskussionen um die Gleichberechtigung der Frau - da ist kein Konsens in Sicht. Wie kann also die Verfassung ein gemeinsamer Wertekanon sein?


    Ich habe auch Bauchweh dabei, wenn hier im Forum gesagt wird, es sei in Ordnung, dass jeder die Werte lebt, die ihm sinnvoll scheinen, auch, wenn sie von der Verfassung abweichen. Ich denke an Frauen, Behinderte und Homosexuelle, und zu den Themen muss ich keine Flüchtlinge befragen.


    Die Hilfsbereitschaft untereinander zeigt sich zu Katastrophenzeiten - wenn hier die Nachbarschaft überspült wird. Dann ist die ganze Straße auf den Beinen und es tut den Biodeutschen gut, dass der italienischstämmige Nachbar mit Wasser schippt und die türkische Nachbarin Blätterteigteilchen für alle backt und verteilt. Das schweißt unser Dorf zusammen und sorgt dafür, dass man sich schätzen lernt.


    Also mehr Naturkatstrophen?


    Ich muss dabei bleiben: Ohne festgelegte Werte (Leitkultur?) bleibt unser Zusammenleben schwammig. Übrigens: Wenn man die Integration wirklich ernst nimmt, dann müssten auch die Migranten wählen dürfen und eigene Parteien haben.


    Claudius: Diese Form der aktiven Aufnahme gibt es. Musterländle macht es, nennt sich Sonderkontingent.
    Ich wünsche mir sehr, dass die etablierten Parteien noch die Kurve kriegen und Lösungen vorlegen, sonst habe ich ein Wahlproblem. AFD kommt nicht in Frage, ohne Lösungen kann ich aber auch niemanden wählen.


    Ich meine, dass sich bisher keiner traut (außer der CSU, klar), weil sie Angst haben, als rechts zu gelten. Interessanterweise kam eine entsprechene Meldung von den Linken (Wagenknecht), die dafür aber auch niedergebügelt wurde. Irgendwer muss den ersten Schritt machen!


    Ansonsten sehe ich braun für die nächste Wahl!

  • @Firelilly, da du ja doch noch hier schreibst. Du hattest vor ein paar Seiten gesagt, dass du Angst hast, wegen der Terrorgefahr in größere Städte zu reisen. Ich nehme mal an, dass du aufgrund der Erstickungsgefahr beim Essen, das Risiko daran zu sterben ist ungleich größer, auch nicht isst. Oder?

    Lustiger Spruch, aber allein schon, dass das Risiko an Unternährung zu versterben deutlich größer ist, als das Risiko sich tödlich zu verschlucken, diktiert ja, dass man logischerweise das kleinere Risiko der Erstickung in Kauf nimmt.
    Wenn ich Flüchtlinge und Orte, wo diese hauptsächlich vorkommen oder Anschläge verüben meide, dann entgeht mir was? Nur die Möglichkeit in mich in einer stinkenden, von teilweise abgewrackten Obdachlosen überlaufenen Großstadt zu bewegen. Das ist nichts, was ich per se vermissen würde. Ich habe schon immer lieber in kleineren Städten eingekauft, hasse shopping und bestelle eh am liebsten übers Internet.
    Da gehe ich lieber in die Natur oder treffe mich in Kleinstädten in einem Restaurant etc.
    Zur Minimierung des Terroristenrisikos und des Risikos von ungewaschenen, gröhlenden Flüchtlingen (alles schon erlebt!) angemacht bzw. nachgepfiffen zu werden, habe ich also persönlich keine / kaum Kosten, stattdessen aber einen Gewinn an Lebensqualität.


    Ich minimiere die mit der Nahrungsaufnahme verbundene Gefahr auf ein Erträgliches. Es ist eine Abwägungssache. Ich trinke beispielsweise recht wenig Alkohol, ernähre mich verhältnismäßig gesund (nicht zu fettig, oft Obst und frisches Gemüse, abwechslungsreich). Dies mache ich auch aus einem Sicherheitsdenken, denn, obwohl mal Krebs nicht vermeiden kann, so kann man sein Risiko doch signifikant verringern, wenn man auf Risikolebensmittel verzichtet oder den Kontakt zu ihnen zumindest gering hält. Und es schmeckt auch gesund, wenn man es richtig macht. Ich esse schonmal Chips auf einer Party, aber der Gesundheit (und meiner Bikini-Figur) zuliebe einfach eher selten und sehr wenig. Genauso werde ich mich auch nicht in Gebiete begeben, wo man große Ansammlungen von Flüchtlingen hat. Köln wäre der Horror gewesen in der Sylvesternacht.
    Nein nein, sollen doch die multi-kulti Frauen zu den Opfern werden, ich mit Sicherheit nicht.

  • Ich esse schonmal Chips auf einer Party, aber der Gesundheit (und meiner Bikini-Figur) zuliebe einfach eher selten und sehr wenig.

    Das ist hochinteressant! Gerne möchte ich noch mehr von deinen Essgewohnheiten erfahren und natürlich von allem anderen, aus deinem Privatleben, um das sich das Universum dreht. Z.B. dass du Urlaub in der dörflichen Heimat bevorzugst, deine Einkäufe aber im Internet erledigst klingt sehr konsequent. In etwa, wie: ich kaufe jedes Jahr ein neues Handy, das ist einfach schöner, so ein neues Gerät und immer aktuell ausgestattet! Von Blut, das an Bodenschätzen klebt, möchte ich nichts wissen. Die sind ja so dreckig, diese Coltanminenarbeiter, pfui. Schnell weg mit dem bösen Gedanken!


    Du bist einer von rund 7 Milliarden Menschen, du profitierst jeden Tag deines Lebens von dem, was andere auf der ganzen Welt tun. Du kannst dich nicht von dieser Welt lossagen und letztlich selber ausgrenzen, in dem du dich von anderen, dir weniger gut erscheinenden Menschen, abzuschotten versuchst. Du kannst vielleicht jetzt gerade so tun als ob, das ist aber nur deine ganz private Wahrheit.

  • Das sollte sich jeder mal anschauen, vielleicht denkt man danach etwas anders über unsere aktuelle Flüchtlingspolitik. Es geht zwar um die USA, jedoch kann man viele Parallelen zu Deustchalnd erkennen:


    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne deine Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklärst du dich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

  • Guter Film, gute Beispiele.
    Zeigt, wie wichtig und zentral gute Entwicklungspolitik ist.


    In diesem Zusammenhang nochmals mein Tipp zum Film "Der Krieg des Charlie Wilson" - einem Spielfilm mit Tom Hanks, der auf wahren Tatsachen beruht und die Absurdität der amerikanischen Politik bestens illustriert - man fände vermutlich ähnliche Beispiele in Deutschland.
    Der Kongressabgeordnete Wilson schaffte es, die Mudschaheddin in Afghanistan im Krieg gegen die Sowjetunion mit Mitteln des Kongresses jährlich mit 500 Millionen Dollar zu unterstützen:

    Zitat von Wikipedia


    Wilson schafft es über seine Beziehungen, das Budget schrittweise immer wieder aufzustocken zu lassen, bis es schließlich 500 Millionen US-Dollar erreicht, wobei Saudi-Arabien die US-Zahlungen verdoppelt und man somit eine Milliarde US-Dollar für den Krieg der Mudschahedin bereitstellt.
    ...
    Wegen der ständig steigenden Verluste im wirtschaftlich eher unbedeutenden Afghanistan zieht sich die Sowjetarmee schließlich zurück. Am 14. April 1988 unterzeichnet die Sowjetunion in Genf ein Abkommen über den Abzug sowjetischer Truppen aus Afghanistan.
    Nachdem 500 Millionen für den Krieg genehmigt wurden, versucht Wilson nach Kriegsende, wenigstens eine Million für den Aufbau in Afghanistan bewilligt zu bekommen, was ihm jedoch verweigert wird, da sich niemand für Schulen in dem fernen Land interessieren würde.

    So sieht es weltweit auch noch heute aus.


    BTW: Wer den Aufbau von Schulen in Afghanistan unterstützen möchte, kann dies über die Kinderhilfe Afghanistan tun. Die Organisation von Bundesverdienstkreuzträger Reinhard Eroes und seiner Familie baut und unterhält seit vielen Jahren Mädchenschulen in Afghanistan:
    http://www.kinderhilfe-afghanistan.de



    @DaVinci
    Dein Filmbeispiel bringt jedoch die Diskussion in der Flüchtlingspolitik keinen Millimeter weiter.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • unter staatsangehörigkeit versteht man die zugehörigkeit zu einer "nation". diese wiederum sind völkerrechtliche gebilde, die irgendwann im 19. jahrhundert erfunden wurden. man gehört ihnen an, indem man ihr staatsbürger wird/ist. deine begriffe haben also etwas unterschiedliche konnotationen, sind aber von der referenz her identisch.

    Also m.E. nach Bestimmt sich die Nationalität durch die sozial-kulturelle Prägung, die Staatsangehörigkeit ist das, was im Pass steht bzw. das, wessen Gesetzgebung man sich unterwirft.


    Wenn ich nach Russland auswandere und die russische Staatsangehörigkeit annehme, dann bin ich (und verstehe ich mich) nach wie vor als Deutscher, meine Staatsangehörigkeit ist dann eine andere.


    Wir haben übrigens, ganz ohne Migrations- u. Flüchtlingsdiskussion) derartige Beispiele auch in Deutschland:
    Die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein und die Sorben in der Lausitz.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • nation = sozio-kulturelle prägung - kann man als defintion verwenden. ist aber haargenau die definition, die auch von der identitären bewegung verwendet wird, einer rechtsradikalen jugendbewegung im populistischen, modernen gewand. siehe auch "ethnopluralismus".


    wie gesagt, man muss sehr aufpassen, mit wem man sich gemein macht und die eigenen semantiken deshalb sehr genau reflektieren. dazu zwingt uns die geschichte des zwanzigsten jahrhunderts und die aktuelle politische situation.


    positiv an der ganzen sache: wir alle sprechen endlich mal darüber, was "deutsch" eigentlich bedeutet. das ist sehr begrüßenswert, längst überfällig und wichtig auf dem weg hin zur politischen und persönlichen realisierung der tatsache, dass deutschland seit mindestens zwanzig jahren, wenn nicht viel länger schon, ein einwanderungsland ist und beantwortung der frage, wie man mit dieser tatsache umzugehen gedenkt. ignorieren hat ja eher so semi bis gar nicht funktioniert (vgl. gastarbeiter aus südeuropa/türkei der 60er und 70er: "die gehen doch alle wieder nach hause" - nee, eben nicht).

    Einmal editiert, zuletzt von kecks ()

  • Was mir in den Ausführungen von Stille Mitleserin und im Besonderen claudius aufgefallen ist, dass hier rein nach marktradikalen Verwertungsmechanismen "humanen Kapitals" argumentiert wird. Statt die Flucht respektive die Migration eines Menschen als notwendige Maßnahme oder freiwillige beziehungsweise legitime Maßnahme anzunehmen, wird zunächst auf die Bedürfnisse der deutschen Wirtschaft geschaut. Hier handelt es sich wieder um eine Wertfrage, die in diesem Thread ja zu gerne geführt wird: Ist mir der Mensch beziehungsweise die Gleichheit aller Menschen wichtig (was mit einer an ökonomischer Gewinnmaximierung orientierten Sichtweise eben aufgrund der Differenzierung Inländer/Ausländer nicht der Fall ist mitnichten der Fall ist) oder beharre ich darauf, weiterhin auf Nationalismen zu setzen statt diese endlich zu überwinden, um zur Abwechslung soziale Gerechtigkeit herzustellen. Außerdem: Das Wort "Illegale" als Bezeichnung für Menschen ist meiner Meinung nach abartig.

Werbung