Die gekaufte Schule

  • Interessanter und lesenswerter Beitrag im Spiegel dieser Woche:

    Zitat von Spiegel 45/2015


    "Die gekaufte Schule"
    Die Wirtschaft nutzt die Finanznot der Schulen, um Einfluss auf den Lehrstoff zu bekommen. Schüler müssen mit Unterrichtsmaterialien arbeiten, die einseitig oder unvollständig sind.Kritische Inhalte werden bekämpft.

    Kostenfreie Unterrichtsmaterialien aus dem Netz oder Referenten für den Unterricht müssen kritisch darauf betrachtet werden, welche Interessen und Inhalte transportiert werden. Der Artikel schlägt Alarm.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Kostenfreie Unterrichtsmaterialien aus dem Netz oder Referenten für den Unterricht müssen kritisch darauf betrachtet werden, welche Interessen und Inhalte transportiert werden.

    Ich habe den gesamten Artikel nicht vorliegen, aber nur aufgrund des Zitats sehe ich jetzt den großen Skandal nicht wirklich. Ich prüfe doch jedes Material, das ich einsetze kritisch, egal ob aus dem Netz oder in gedruckter Form bzw. egal ob kostenlos oder bezahlt.
    Da fällt es mir doch auch, wenn es nicht differenziert oder kritisch genug ist...

  • Zahlreiche Materialien scheinen vordergründig objektiv zu sein, sind jedoch zum Zweck der Meinungsbildung von Industrie und Marketing erstellt worden. Im Spiegelartikel werden Beispiele genannt, die so subtil sind, dass sie kaum auffallen.
    Während zugelassene Lehrbücher einen langen, von demokratisch legitimierten Institutionen begleiteten Zulassungsprozess durchlaufen müssen, finden PR-Materialien mit kaum verhehltem Werbecharakter über Internet und kostenfreie Zusendung den Weg in die Schule und die transportierten Inhalte den Weg in die Köpfe der Schüler.


    Die Warnung vor subtilen, tendenziösen und manipulativen Unterrichtsmaterialien, mit denen die Einstellungen der Heranwachsenden geprägt werden, ist ernst. Der versteckte Charakter und das Ziel dieser Materialien ist oft auf den ersten Blick kaum erkennbar - da sind Werbeprofis am Werk. Der kleinste Teil der Lobby-Arbeit findet in den Parlamenten statt. An den Schulen wird ein Mehrfaches der Mittel eingesetzt.


    Nach der Lektüre dieses Artikels werde ich verwendete Materialien viel kritischer hinterfragen.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Lobbycontrol schlägt Alarm:
    https://www.lobbycontrol.de/sc…kt/lobbyismus-an-schulen/


    Lobbycontrol war auch auf der Didacta unterwegs und hat Beispiele von "hahnebüchenen" Materialien dokumentiert:
    https://www.lobbycontrol.de/20…uf-bildungsmesse-didacta/


    Fragwürdig ist besonders das Material von "Wirtschaft und Schule", das vordergründig neutral daherkommt.
    https://www.lobbycontrol.de/20…p-von-der-industrielobby/
    Lobbycontrol zeigt, dass dort massiv Promotion für TTIP betrieben wird.


    Die Broschüre von Lobbycontrol kann hier heruntergeladen werden:
    https://www.lobbycontrol.de/wp…Lobbyismus_an_Schulen.pdf

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Der kleinste Teil der Lobby-Arbeit findet in den Parlamenten statt. An den Schulen wird ein Mehrfaches der Mittel eingesetzt.

    Na, nun übertreibe mal nicht. Alleine in Berlin (d.h. Bundestag und -rat) sind tausende von (Vollzeit-) Lobbyisten unterwegs:

    Zitat

    Etwa 5000 Lobbyisten tummeln sich mittlerweile in der Hauptstadt. Sie arbeiten für Verbände, Unternehmen, Gruppen. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hat hier seinen Sitz, genau wie der Wirtschaftsverband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa). Auch Greenpeace oder der Bundesverband der Verbraucherzentrale sind vertreten. Dazu kommen jede Menge PR-Agenturen und Kanzleien.

    http://www.spiegel.de/politik/…-fluesterer-a-709288.html



    Dazu kommen natürlich noch die Lobbyisten bei den Landesparlamenten und der EU.



    Die paar Personen, die sich da für die Schulen "engagieren" kannst du wohl im Vergleich dazu vernachlässigen. Obwohl deren Einflussversuche sicherlich unbestreitbar sind. Lobbyismus findet primär dort statt, wo die Gesetze gemacht werden und es um's große Geld geht.




    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Zitat

    Der kleinste Teil der Lobby-Arbeit findet in den Parlamenten statt. An den Schulen wird ein Mehrfaches der Mittel eingesetzt.

    Dieses Zitat stammt von Lobbycontrol - und die sollten es wohl wissen.


    An den Schulen werden die Köpfe der zukünftigen Parlamentarier, Wähler und Kunden gefüllt - momentan besuchen 8,3 Millionen Kinder und Jugendliche die Allgemein Bildenden Schulen. Dagegen sind 631 Abgeordnete "Peanuts" - auch was die eingesetzten Finanzmittel betrifft - sicher nicht pro Kopf - da sind wir uns einig, aber in der Summe ;)


    Die Werbewirtschaft beschäftigt in Deutschland 350.000 Mitarbeiter. Die Gesamtinvestitionen in Werbung beliefen sich letztes Jahr auf 25,27 Mrd. Euro. Da rollt mancher Euro durch Schultüren - und soll dort etwas bewirken.


    Meine Hinweise - und die von Lobbycontrol - sollen nur dazu beitragen, dass die Lehrerkollegen ihre Sinne schärfen und die "Geschenke" kritisch auf die darin enthaltenen Sprengstoffe untersuchen, bevor sie diese im Unterricht verwenden.


    Nochmals: Lest den Artikel im Spiegel und die Unterlagen von Lobbycontrol. Mit geschenkten Materialien wird der Lehrplan im Sinne bestimmter Interessengruppen verschoben und ausgehebelt.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    2 Mal editiert, zuletzt von alias ()

  • Dieses Zitat stammt von Lobbycontrol - und die sollten es wohl wissen.

    Da würde ich doch erst einmal konkrete Zahlen sehen wollen. Wie viele Personen sind schwerpunktmäßig mit "Lobbyismus an Schulen" beschäftigt, was wird in dem Bereich in Euro umgesetzt?


    Behaupten kann man vieles. Nur weil man sich "Lobbycontrol" nennt, stellt man sich noch lange kein Qualitätssiegel aus...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Ich finde das Ganze nicht so dramatisch, da ich jedes Unterrichtsmaterial, das ich einsetze, vorher prüfe.
    Ich hab auch schon in zugelassenen und geprüften Schulbüchern die hanebüchensten Fehler gesehen.


    Viel schlimmer als den Versuch Einfluss zu nehmen finde ich allerdings, dass die finanziellen Rahmenbedingungen der Schulen derart mies sind, dass eine billige Strategie wie "kostenloses Unterrichtsmaterial" für die Lobbyisten erfolgversprechend ist.


    Gleiches gilt auch bei den immer mal wieder kritisierten Wettbewerben von Firmen. Wenn z.B. in Technik die Wettbewerbs-/Projektteilnahme die einzige Chance ist, um an Gelder für besondere Unterrichtsprojekte zu kommen, dann läuft da nichts bei den Firmen falsch, sondern bei der Finanzierung unseres Schulsystems.

  • Lobbycontrol besteht nicht aus ein paar Abiturienten, die sich wichtig machen wollen.
    Das ist eine wissenschaftlich arbeitende Institution, die seit mehr als 10 Jahren mit größer werdendem Mitarbeiterstab fundierte Forschung in diesem Bereich betreibt - guggst du hier:
    https://www.lobbycontrol.de/in…er-lobbycontrol-vorstand/



    Im Oktober 2010 startete der Verein das Wiki-basierte Onlinelexikon Lobbypedia, welches über Lobbyismus aufklären soll.[26] In thematisch sortierten Artikeln werden Fälle von Lobbyismus dokumentiert.[27] 2012 wurde die Lobbypedia für ihre „sorgfältige Zusammenstellung des Lobbyismus in Deutschland“, so die Jury-Begründung, mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.[28]

    Wenn man für seine Arbeit den Grimmepreis bekommt, ist das schon ein Qualitätssiegel ;)

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Wenn "Lobbycontrol" so "wissenschaftlich" arbeitet, dann dürfte es doch kein Problem sein, die Behauptung mit ein paar Zahlen zu untermauern, so ganz "wissenschaftlich", oder?


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Na dann such doch... das Material steht online, Zitate hab' ich dir oben hingelegt.
    Oder ruf an.


    Aber vorher lies doch einfach die PDF-Datei, die ich bereits oben verlinkt hatte:
    https://www.lobbycontrol.de/wp…Lobbyismus_an_Schulen.pdf

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • Wer etwas behauptet oder sich auf eine Behauptung beruft, der sollte sie bei Bedarf auch "beweisen" können. So habe ich das gelernt, damals in der Schule. Aber das waren wahrscheinlich noch andere Zeiten...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Ich kann dir den Anteil der Werbeetats, die für Kinder und Jugendliche an Schulen eingesetzt werden nicht beziffern. Ich bleibe dabei, dass dieser Betrag die Kosten für den Lobbyismus im Bundestag bei weitem übersteigt. Da genügt mir etwas logisches Denken und eine überschlägige Schätzung, indem ich die Kosten für 8.370.000 Schüler gegen Kosten für 631 Parlamentarier abwäge.
    Deine Forderung ist abstrus und soll vom Kern des Themas ablenken:


    Wer darf die Lehrinhalte an den Schulen bestimmen?
    Lassen wir uns als Lehrer wissentlich zur Manipulation der Schüler für die Interessen der Wirtschaftsverbände einspannen?
    Lassen wir Lobbyismus an Schulen zu?

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Ja, dann mach' doch mal deine "überschlägige Schätzung".


    Leider ist es ein Zeichen der Zeit, dass sich die Diskussion in der "veröffentlichten" Meinung in Deutschland immer stärker in Richtung qualitative Argumente verlagert ohne die Aussagen mit nachprüfbaren Fakten zu unterlegen. Aber das ist jetzt kein Vorwurf an dich persönlich.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    • Offizieller Beitrag


    Ich prüfe doch jedes Material, das ich einsetze kritisch, egal ob aus
    dem Netz oder in gedruckter Form bzw. egal ob kostenlos oder bezahlt.
    Da fällt es mir doch auch, wenn es nicht differenziert oder kritisch genug ist...

    Ja, DU!


    Wir haben hier das Thema Lobbyismus mittlerweile fest auf die TO der Personalräte-Aufbauschulung genommen, weil nicht jedes Material kritisch hinterfragt wird und auch nicht jeder Sponsor von Ausstattungen in Schulen und eil es da von Jahr zu Jahr steigenden bzw wachsenden Wildwuchs gibt. Es erreichen uns laufend Anfragen, von Personalräten, von Schulleitern, von Kollegen, sogar aus anderen Bezirken, wie man damit umgehen kann / soll, ob und wie das der Mitbestimmung von Gremien unterliegt, und ob wir dazu mal mehr Aufklärung betreiben können. Das ist ein blitzartig wachsendes Thema.


    Die Lobbycontrol-Seite ist extrem hilfreich.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Deshalb gehört das Fach Wirtschaft auch an allgemein bildenden Schulen in die Hände ausgebildeter BWL-Lehrer und nicht von Politiklehrern mit einer Einführungsvorlesung BWL/VWL.


    Aber solange diese stupide Trennung zwischen allgemeinem und beruflichen Schulwesen existiert ist man selbst Schuld.

  • Was hat das mit der Trennung zwischen allgemeinem und beruflichen Schulwesen zu tun? In Bayern wurde für das Fach Wirtschaft & Recht der Studiengang Lehramt Gymnasium Wirtschaftswissenschaften geschaffen.

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