Grenzen der Binnendifferenzierung/ individuellen Förderung

  • Ich habe zunehmend heterogene Klassen, darunter SuS, die einfach nicht mitkommen, andere, die sich langweilen, dann auch welche mit Migrationshintergrund, die sprachlich Probleme haben, teilweise sehr große.


    Und ich reagiere natürlich mit Binnendifferenzierung - also z.B. halte ich immer Aufgaben bereit für die schnellen, auch habe ich Aufgaben mit verschiedenem Schwierigkeitsgrad und die SuS dürfen sich entscheiden, was sie machen. Ich glaube, man nennt das "Lerntheke".


    Da taucht bei mir aber folgendes Problem auf:
    Viele "schwache" SuS nehmen schwierige Aufgaben und haben keine realistische Einschätzung ihres Könnens, während aber auch manchmal die ganze Klasse zu den einfacheren Aufgaben greift, aber ich einzelnen Schülern die schwierigeren Aufgaben zutraue.


    Wie macht ihr das? Weist ihr die SuS darauf hin?


    Hat Binnendifferenzierung nicht etwas diskriminierendes? Ich finde das alles sehr schwierig...


    Was unternehmt ihr generell in puncto "Binnendifferenzierung"/ "individuelle Förderung"?

    • Offizieller Beitrag

    damit die Schüler die differenzierten Aufgaben ihrem Niveau entsprechend bearbeiten, weise ich sie ihnen ganz einfach zu ;)


    "Schüler A,F, K und L bearbeiten dies uns jenes,
    Schüler B, E, M, N und X folgende Aufgaben" usw.


    Leistungs- oder Niveaubezogene Aufgabenstellung.


    Bei freier Aufgabenwahl wählen oft die stärkeren sSchüler die leichtesten Aufgaben, oder ...grrrrrr: alle machen einfach das, was als Erstes auf dem Aufgabenblatt steht.



    Bislang hat sich noch niemand beschwert wegen angeblicher Diskriminierung. Die Schüler wissen sehr gut, ob sie stark oder schwach sind im jeweiligen Fach.



    Und den schwächeren unter ihnen tut es oft richtig gut, Aufgaben zu bekommen, die sie schaffen können!

  • eine Idee wäre evtl noch Aufgaben zu gestalten, die im Schwierigkeitsgrad steigen. Dann fangen alle bei a) an aber nur die Starken kommen bis g).
    Bei der Art von Aufgabe muss natürlich klar sein, dass es kein Defizit ist, nicht alles zu schaffen. Je nach Art der SuS kann das zu produktivem Wettbewerb führen. Oder zu Frust. Das musst Du einschätzen bzw entsprechend vermitteln :)

  • Ich finde Denken - Austauschen - Besprechen auch ganz gut als 'Differenzierungs'maßnahme. Klappt nicht immer, aber zuweilen schon.

  • Je nachdem wie das Klima in der Klasse ist, gebe ich sehr leistungsstarken SuS auch schon mal stundenweise frei während der Rest noch Zeit hat, die Aufgaben fertig zu bearbeiten. Funktioniert natürlich nur, wenn die schwächeren dann nicht gleich neidisch und gefrustet werden und setzt auch voraus, dass dieses Vorgehen an der Schule grundsätzlich toleriert ist. Aufgaben lösen ist schön und gut, ich habe aber durchaus Verständnis dafür, wenn ein Schüler irgendwann keine Lust mehr zum üben hat, weil er es einfach schon kann. Dann soll er von mir aus frei haben oder sich anderweitig beschäftigen dürfen.


    Ach ja ... manchmal klappt es auch, dass die sehr guten den schwächeren noch helfen. Aber auch da habe ich Verständnis, wenn einer nicht immer den Erklärbär spielen will. Ich zwinge Teamarbeit und Peer Teaching grundsätzlich niemandem auf.

    • Offizieller Beitrag

    stundenweise frei geben wäre bei uns nicht möglich (kommt mir auch fragwürdig vor), und etwas üben, was man schon kann, braucht man nicht, wenn die Aufgaben zielorientiert gestellt werden.
    Für schwache wie für starke Schüler.


    die starken Schüler dürfen dann bei mir etwas Kreatives machen, das machen sie meist ganz gerne

  • stundenweise frei geben wäre bei uns nicht möglich (kommt mir auch fragwürdig vor)

    Wieso ist das fragwürdig? Später im Studium teilt sich auch jeder selbst die Zeit ein. Es ist ja nicht so, dass ich jede Woche irgendwo eine Stunde ausfallen lasse. Typischerweise passiert das, wenn ich die SuS eine Unterrichtssequenz selbständig erarbeiten lasse. Ich gebe dann vor, wie lange sie maximal Zeit haben alle Aufgaben zu bearbeiten und wer früher fertig ist, kann von mir aus gehen. Selbstverständlich lasse ich mir die Unterlagen vorher zeigen.



    und etwas üben, was man schon kann, braucht man nicht, wenn die Aufgaben zielorientiert gestellt werden.

    Häh? Erkläre mir das an einem konkreten Beispiel. Wenn ich jetzt z. B. in der organischen Chemie irgendeinen Reaktionsmechanismus bespreche dann gibt es eben die, die es nach dem ersten Beispiel verstanden haben und es gibt die, die es an vielleicht zwei weiteren Beispielen noch mal durchdenken müssen um es final begriffen zu haben. Da möchte ich weder den einen zusätzliche Übungsaufgaben aufzwingen wenn sie z. B. gerade noch für einen Französisch-Vokabeltest lernen könnten und den anderen will ich die zwei weiteren Beispiele nicht vorenthalten.



    die starken Schüler dürfen dann bei mir etwas Kreatives machen, das machen sie meist ganz gerne

    Das mit dem kreativ sein funktioniert in den Phil-I-Fächern eben ein bisschen anders als bei uns. Wir haben andere Unterrichtsgefässe, in denen sich unsere starken SuS kreativ austoben können, z. B. den Projektunterricht. Der Theorieunterricht ist bei mir (und auch bei allen anderen Chemie-Kollegen an meiner Schule) von der Struktur her recht konservativ und lässt für eine "kreative" Binnendifferenzierung nicht viel Spielraum. Das hat seine Gründe und ich finde es obendrein völlig OK, wenn die SuS in unterschiedlichen Fächern verschiedene Unterrichtsformen kennen lernen. Es muss ja nicht jeder den gleichen Zirkus veranstalten.

    • Offizieller Beitrag

    Selbstredend.

  • Oh ... das hast Du mich missverstanden. Ich sag meinen SuS natürlich nicht, sie dürfen jetzt nach Hause gehen. Der Chemieunterricht ist für sie dann eben beendet. Das heisst, sie dürfen entweder im Schulzimmer bleiben und sich leise mit etwas anderem beschäftigen, sie dürfen aber auch rausgehen, wenn sie möchten. Aufsichtspflicht habe ich sowieso nicht, da ich ja nur Oberstufe unterrichte. Ergo haben wir auch keine betreute Lernzeit, wie Du das beschreibst. Meine SuS haben im 11. Schuljahr gerade 36 Lektionen pro Woche Unterricht, da sind die heilfroh, wenn sie einfach irgendwann mal nach Hause gehen können. Wann sie ihre Vokabeln lernen, also zu Hause oder in einer Zwischenstunde (deren es bei uns grundsätzlich nur sehr wenige gibt) entscheiden die höchst selbst.


    Aber das sind grundsätzliche Dinge, um die es gar nicht ging. Ich habe nur den Vorschlag einer etwas liberalen Lösung der Binnendifferenzierung gemacht, sofern das eben im Rahmen der Möglichkeiten liegt. Hin und wieder passt es mir auch Lerngruppen zu bilden und dann bilde ich eben mit 3 - 4 schwächeren Schülern eine Frau-Wollsocken-erklärt-nochmal-von-vorne-Seziallerngruppe ;)

  • Die Grenzen der Binnendifferenzierung / individuellen Förderung sind für mich ganz klar durch die Arbeitszeit gesetzt, für die ich bezahlt werden: Alles in allem ca. 1800 Zeitstunden im Jahr!


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Die Grenzen der Binnendifferenzierung / individuellen Förderung sind für mich ganz klar durch die Arbeitszeit gesetzt, für die ich bezahlt werden: Alles in allem ca. 1800 Zeitstunden im Jahr!


    Gruß !

    Wohl wahr. Man kann auch nicht erwarten, dass man in jeder Stunde jeden Schüler individuell optimal betreuen kann. Das wäre auch lebensfern. In der Welt da draußen wartet auch keiner auf einen. Wenn ein Mathe-Abi zu schreiben ist und ich habe Schüler, die sehr schwach sind, kann ich die trotzdem nicht bis kurz vor knapp mit Bruchrechenaufgaben beschäftigen, obwohl das vermutlich sinnvoll für sie wäre. Mit unterschiedlichen Aufgaben habe ich auch keine guten Erfahrungen gemacht. Allerdings kann man Aufgaben gründlicher oder weniger gründlich bearbeiten, auf Details achten, Zusatz- und Sternchenfragen stellen usw. Wie sich die Schüler einschätzen, hat tatsächlich nicht unbedingt viel mit ihrem tatsächlichen Können zu tun, speziell in Informatik überschätzen sich viele.


    Ich merke auch, dass ich das je nach Lerngruppe unterschiedlich angehe; in einigen Klassen funktioniert das mit dem gegenseitigen Helfen wunderbar, in anderen gar nicht. Einige Schüler fragen viel, andere sitzen schweigend da und lassen sich nicht anmerken, dass sie nichts verstehen. In einer großen, unruhigen Klasse würde ich wohl keine Lerntheke ausbreiten.

  • Genau das stelle ich auch immer wieder fest - in manchen Klassen klappt es, in anderen nicht. Ich finde es sehr schwierig und bleibe bei den Aufgaben mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad als "bestes" Mittel.
    Außerdem finde ich regelmäßige Gespräche über Leistung und Kompetenzen unabdingbar. Schüler brauchen Rückmeldungen, genauso wie Lehrer. Danke für die ganzen Meinungen und Anregungen.

  • Wie sich die Schüler einschätzen, hat tatsächlich nicht unbedingt viel mit ihrem tatsächlichen Können zu tun, speziell in Informatik überschätzen sich viele.

    Das stimmt ... ich finde es daher sehr wichtig, mit den SuS an der Stelle wirklich Klartext zu sprechen. Zu den "Luftpumpen" bin ich hin und wieder gemein und lasse sie öffentlich auflaufen. Ich weiss nicht wie es euch geht, aber ich kämpfe praktisch in jeder Klasse neben dem üblichen Leistungsgefälle grundsätzlich auch gegen ein Männer-Frauen-Gefälle. Die schon erwähnten "Luftpumpen" sind in der Regel Männer, die man hin und wieder in ihrer Selbstbeweihräucherung bremsen muss und auf der anderen Seite sitzen da Frauen, die vor lauter Mäuschen den Mund nicht aufbekommen (was ich fast anstrengender finde, als die plappernden Männer ...). Je nach Stimmung in der Klasse kann es da hilfreich sein, mal gezielt Männer und Frauen in Gruppen zu mischen in der Hoffnung die Männer lernen von den Frauen sich mal ernsthaft auf EINS zu konzentrieren und die Frauen lernen, gegen die Männer anzuplappern. :)

  • Es gibt Schulen, in denen nur Mädchen sind, da haben die Mädchen dann weniger Hemmungen, gegen "Schreier und Blender" anzukommen.
    Dementsprechend wählen Mädchen dann auch viel mehr naturwissenschaftliche Leistungskurse. Das Umfeld bestimmt die Entwicklung mit.
    Wie man hier steuern kann, ist wirklich schwer, hängt sehr von der Entwicklung und Vorgeschichte der Jugendlichen ab.
    Am geschicktesten wäre es, wenn es Aufzeichnungen gäbe, die die Aktionen der Jugendlichen dokumentieren. Dann hat es etwas mehr
    Verbindlichkeit, was man als Schüler tut. Eine andere Schiene wäre die gegenseitige Achtung aufgrund der Beziehung der Jugendlichen untereinander.
    Da würde man sich ja vor dem Mädchen schämen, wenn man Blödsinn labert, aber bei ihr gut ankommen möchte


    Zur Differenzierung: mein Traum wäre eine Schule, in der die Schüler sich z.T. gegenseitig unterrichten. Da ist die Differenzierung dann auch
    kein Problem mehr, sondern eine Chance, so dass die schnelleren Schüler die anderen gleich mit unterrichten.
    Entsprechende Lernmaterialien sind allerdings aufwändig in der Herstellung, aber vielleicht lohnt sich der Aufwand auf Dauer.

  • Es gibt Schulen, in denen nur Mädchen sind, da haben die Mädchen dann weniger Hemmungen, gegen "Schreier und Blender" anzukommen.

    Ja ... finde ich schrecklich. "Nur Mädchen" hat mit der Wirklichkeit ja nichts zu tun. Jungs und Mädchen müssen lernen, miteinander zurecht zu kommen. Mädchen müssen lernen den Mund aufzumachen, Jungs müssen lernen, ihn im Zweifelsfall auch mal zu halten. Ich kann gar nicht klagen, was die Belegung mit naturwissenschaftlichen Fächern angeht. Wir haben bei uns an der Schule im Profil "Bio/Chemie" einen deutlichen Frauen-Überhang und die Frauen sind im Schnitt auch deutlich leistungsstärker in dem Bereich. Nur die absoluten Spitzen - sowohl in die positive wie in die negative Richtung - sind immer Männer. *seufz"

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