Fragwürdige Songs im Musikunterricht. Was denkt ihr?

  • Hallo zusammen,


    ichunterrichte in Berlin in den Klassen 1-6. In meinem Englisch-und Musikunterricht singe ich gerne, besonders mit den Klassen 4,5,6, englische Popsongs mit den Schülern. Das motiviert sie zum Mitsingen, Sprechen, erweitert ihren Wortschatz etc... Gerne habe ich dazu die Songs selbst ausgewählt. "Everything at once" von Lenka und "Happy" von Pharrell Williams eignen sich dazu hervorragend. Meine 6. Klasse wünscht nun dass wir Lieblingssongs singen und sie sich dazu Tänze überlegen. Prinzipiell super. "Hey Mama" von David Guetta ist z.B. so ein Song. Wenn man sich jedoch den Text ansieht, denkt man anders… Zitate der deutschen Übersetzung:


    Du spielst auf meiner „Trommel“ etwas wie dum di di dey
    Ich liebe den schmutzigen Rhythmus, den du drauf hast
    Ich will hören, wie du meinen Namen sagst
    So was wie hey Mama, Mama, Mama, hey Mama, Mama
    Bumst die Trommel wie in etwa dum di di dey
    Ich weiß, dass du es so dreckig wie möglich willst
    Ich will hören, wie du meinen Namen sagst
    So was wie hey Mama, Mama, Mama, hey Mama, Mama
    Also Baby, wenn du das willst, dann sag’s mir
    Ich werde brav sein, ich werde böse sein, für mein Baby
    Pass auf, dass er seinen Scheiß bekommt, pass auf, dass seine Kleine auf ihn achtet
    Pass auf, Mama, auf deinen Knien
    Halt ihn bei der Stange, befriedige ihn, von ganz unten, sei eine Dame und ein Verrückte.


    Auf der anderen Seite: Viele Schüler hören die Lieder sowieso. Was meint ihr???
    Ich bin sehr interessiert, was ihr zu diesem Thema denkt.


    Vielen Dank!
    Kitty

  • Hallo,


    also ich würde auf diesen Song verzichten. Klar hören die Schüler solche Lieder privat, aber nicht alles, was die privat tun, ist auch für den Unterricht geeignet. Entweder verstehen die Schüler selbst nicht so ganz genau, was da gesungen wird (Klasse 6), oder sie verstehen es und versuchen leicht zu provozieren (Mal schauen, was die Lehrerin so macht). Auf jeden Fall verstehen die Eltern den Text und das könnte unerfreulich enden. Es gibt sicher genug Lieder, die die Kinder mögen und die trotzdem jugendfrei sind. Schließlich willst du sicher auch auf den Inhalt eingehen, wenn ihr euch Tänze ausdenkt, das stelle ich mir hier schon etwas..... merkwürdig vor. ;)

  • Ich glaube, dass wahrscheinlich alle Schüler (und auch die meisten Erwachsenen) nicht wirklich auf den Text achten. Das ist vielen zu anstrengend. Wenn ich ein Lied aber in der Schule behandel, würde ich sehr wohl auf den Text achten und dieses Lied auch nicht nehmen.

  • Das sehe ich genauso. Wahrscheinlich hört keiner genau auf den Text und privat wird diese Musik gehört. In der Schule allerdings sollte man solche Lieder nicht behandeln, gerade weil man da ja auch mal auf die Aussage des Liedes eingehen will und dafür muss man übersetzen.

  • Meine Schüler müssen in Musik Referate halten. Gern dürfen sie den Lieblingssänger oder -rapper nehmen, aber das ausgewählte Liedmaterial höre ich vorher an und wenn der Text nicht "passt" (nicht jugendfrei oder gewaltverherrlichend z.B.), dann muss ein anderes Lied bzw. ein anderer Sänger gewählt werden.


    Niemals würde ich ein solches Lied wie oben im Unterricht anhören oder gar singen lassen. Originaltext hier:
    http://www.azlyrics.com/lyrics/davidguetta/heymama.html
    Der strotzt nicht nur vor sexuellen Anspielungen, sondern ist komplett frauenverachtend in meinen Augen.

  • Ich habe meine letzten 6er auch Lieblingslieder im Musikunterricht vorstellen lassen, einzelne haben mich vorher gefragt, ob sie denn auch einen Rapsong nehmen dürften, auch wenn da "böse Wörter" drin vorkamen. Ich habe das erlaubt (spannenderweise haben viele das dann doch nicht gemacht, vielleicht doch komisch, das vor der Lehrerin vorzuspielen ;) ) und ich habe mit den Kindern die Sprache thematisiert. Das war tatsächlich eine dehr interessante und ertragreiche Diskussion, warum bestimmte Musikrichtungen sich bevorzugt solcher Sprache bedienen.

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Ich würde das Lied auch nicht nehmen, denke aber, dass man viele Texte, die Anspielungen beinhalten auch selbst übersetzen kann, so dass die Anspielung heraus genommen wird. Beispiel: "Banging the drum" ... da würde ich die Brücke schlagen zu "banging on the door", also an die Türe (sehr fest) klopfen, sprich, die Trommel wird sehr fest angeschlagen. Mir ist schon klar, dass der Text doppeldeutig ist und anders gemeint ist, aber das kann man häufig noch umgehen.
    Die Doppeldeutigkeit ist dann doch oft so schwer durchschaubar, dass es auf der Interpretationsebene bleibt.


    Ich habe in meiner Naivität auch als Abiturientin den "Tag am Meer" von den Fantastischen Vier erst einige Jahre später verstanden. ... Diese Naivität spreche ich auch den Schülern der Unterstufe zu.


    Off Topic Dejana: Hast du noch ein paar ähnliche Liedervorschläge wie "The Name of my Frog"? Ich muss in diesem Jahr wieder ein paar Sternstunden in Englisch zeigen. Der Frog-Song ist klasse, aber ein wenig mehr Anspruch brauche ich, da meine Schüler keine Anfänger mehr sind, aber trotzdem sehr schwach. Dennoch habe ich ihn mir für die Zukunft vorgemerkt. Danke!! Gerne per PN.

  • Ich würde das Lied auch nicht nehmen, denke aber, dass man viele Texte, die Anspielungen beinhalten auch selbst übersetzen kann, so dass die Anspielung heraus genommen wird.

    Ehe du das Lied im Unterricht kaputtmachst, benutze es besser überhaupt nicht.

  • Erstmal vielen Dank für eure vielen Rückmeldungen! Ich stimme euch zu und werde dieses Lied, und viele andere, definitiv nicht im Unterricht behandeln. Ich habe es den Schülern heute erklärt. Sie hatten es schon geahnt, weil sie das Video (den Text kennen sie ja nicht...) auch nicht für 6. Klässler geeignet finden. Da ich den Song nicht zerrupfen will und sie nicht erst auf den Inhalt aufmerksam machen will, singen wir ihn einfach gar nicht.


    Unfassbar fand ich übrigens, was meine Kollegin heute schilderte: Bei der 100-Jahr-Feier ihrer letzten Schule haben die 6. Klassen unter Leitung der Musiklehrerin (!?) das Lied "Blow my whistle baby" präsentiert :staun:


    @ Dejana: danke für die Liedertipps!

    • Offizieller Beitrag

    Bei der 100-Jahr-Feier ihrer letzten Schule haben die 6. Klassen unter Leitung der Musiklehrerin (!?) das Lied "Blow my whistle baby" präsentiert

    Ich das die Hymne aller Schiedsrichter? ^^

  • Meiner Meinung nach haben solche Texte absolut nichts im Unterricht verloren, schon allein zum Schutz der Schüler.


    Ansonsten würde ich noch generell in Frage stellen, warum man überhaupt Popsongs und "Lieblingsrapper" im Musikunterricht behandelt, anstatt den Schülern deutsches Volksliedgut und klassische Komponisten nahezubringen. Wo sollen die Kinder das sonst kennen und schätzen lernen, wenn nicht im Musikunterricht?

  • Außerdem kann man mit diesem völkisch unwerten Liedgut überhaupt nicht anständig im Gleichschritt marschieren! :)


    Aber zum Glück kann man auf bewährte Kulturgüter zurückgreifen, die auch den Ansprüchen eines Claudius' Genüge tun werden!



  • Ansonsten würde ich noch generell in Frage stellen, warum man überhaupt Popsongs und "Lieblingsrapper" im Musikunterricht behandelt, anstatt den Schülern deutsches Volksliedgut und klassische Komponisten nahezubringen.


    Weil im Musikunterricht eben das Fach Musik unterrichtet wird und nicht das Fach deutsche Musikgeschichte.


    Grundsätzlich finde ich es gut, Musik in ihrer ganzen Bandbreite zu behandeln. Leider ist es mit der Offenohrigkeit (das ist ein Terminus innerhalb der Musikpsychologie) von Kindern bereits in der Sek. 1 nicht mehr weit her. Das heißt, die Entscheidung, welche Musik "cool" ist und welche "scheiße", ist bis dahin in der Regel bereits gefallen, und zwar gegen "klassische" Musik und für die verschiedenen Formen der "populären" Musik. Offener sind die Kinder, die selbst Orchesterinstrumente oder Klavier spielen, aber wie viele sind das schon ...


    Ich wollte den Kindern etwas über Musik beibringen, über das, was Bach und Cro gemeinsam haben. Individuelle Biographien und die genaue Kenntnis einzelne Stücker stehen dahinter zurück. Und ich wollte die Kinder selbst Musik machen lassen. Das geht mit aktuellen Popsongs einfacher, weil die Kinder mit dieser Musik mehr verbinden und weniger Widerstände zu überwinden sind. Ich habe meine Aufgabe nicht darin gesehen, den Musikgeschmack der Kinder zu verändern. Einblicke in klassische und Volksmusik, bspw. über Peter und der Wolf, Karneval der Tiere oder manche deutsche Kanons, gab es bei mir aber natürlich auch.

  • Meiner Meinung nach haben solche Texte absolut nichts im Unterricht verloren, schon allein zum Schutz der Schüler.


    Ansonsten würde ich noch generell in Frage stellen, warum man überhaupt Popsongs und "Lieblingsrapper" im Musikunterricht behandelt, anstatt den Schülern deutsches Volksliedgut und klassische Komponisten nahezubringen. Wo sollen die Kinder das sonst kennen und schätzen lernen, wenn nicht im Musikunterricht?

    Muss schön sein in einer Schwarz-Weiß-Welt... wer sagt denn bitte, dass das eine das andere ausschließt? Du machst in deinen Fächern also auch nur ein Thema?
    So'n Unfug...

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

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