Sollte ich überhaupt Lehrer werden?

  • Hallo, ich grüße euch! :) Möglicherweise könnt ihr mir mit meinem Problem helfen. Ich hoffe es zumindest...


    Im Kern geht es darum, dass ich überhaupt nicht weiß, was ich studieren soll. In den letzten fünf Jahren habe ich zuerst meinen Hauptschulabschluss, danach meinen Realschulabschluss und in diesem Frühjahr dann mein Abitur nachgemacht. Nun bin ich 29 und habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll.


    Meine Leistungskurse im Abitur waren Englisch und Soziologie. Dort gehörte ich zu den Besten und hatte durchgehend 14 - 15 Punkte. Da mir das zudem sehr viel Spaß machte, dachte ich mir, dass ich beides auch studieren könnte. Dementsprechend habe ich mich in Wuppertal und Essen auf ein Studium für Sozialwissenschaften und Anglistik auf Lehramt beworben – und wurde von beiden genommen.


    Doch bin ich überhaupt als Lehrer geeignet?


    Mir sagte man zwar immer, ich könne gut erklären und tatsächlich habe ich auch Freude daran, anderen etwas beizubringen. Aber könnte ich allein deswegen ein guter Lehrer sein? Im Übrigen macht es mir zwar Spaß, anderen etwas beizubringen – ich bin aber relativ ungeduldig. Wenn etwas nach dem dritten oder vierten mal nicht verstanden wird, dann bin ich schon ein wenig genervt. Ich weiß auch überhaupt nicht, ob ich mit Heranwachsenden – denn es wird entweder Berufskolleg oder Gymnasium sein – umgehen kann. Es wäre echt der Horror, wenn ich als Lehrer zum Beispiel auf Typen treffen würde, wie ich damals einer war: immer einen blöden Spruch auf den Lippen, Handy in der Hand, Kaugummi im Mund usw.


    So viel zu meinen Bedenken. Auf der anderen Seite stehen da die Vorzüge, die – so buchhalterisch es sich jetzt auch anhört – natürlich auch eine Menge wiegen. Lehrer in meiner anivisierten Stufe werden vergleichsweise gut bezahlt, es ist eine Verbeamtung möglich (in NRW bis weit über 40) und demnach ein sicherer Job und man bekommt eine Pension, die deutlich höher als die Rente ausfällt.


    Letzteres ist besonders gut, da ich bisher nichts dafür getan habe. Bislang habe ich drei Jahre lang in meinem Leben gearbeitet – als Spüler in einem Cafe. Da habe ich 7,50 Euro in der Stunde bekommen, womit ich am Ende des Monats dann circa 1500 - 1600 Euro brutto hatte. Das ist der Niedriglohnsektor. Darüber hinaus bin ich überhaupt nicht der Typ dafür, sein Gehalt selbst auszuhandeln. Das liegt mir einfach nicht und als Beamter müsste ich das auch nicht.


    Ich könnte allerdings auch noch Politikwissenschaften studieren. Für dieses Fach habe ich mich bei drei weiteren Universitäten beworben und wurde ebenfalls angenommen. Tatsache ist: ich liebe Politik. Einfach alles daran – und am meisten Außen- und Sicherheitspolitik. Aber ich bin 29 Jahre alt verdammt! Wenn ich mit dem Bachelor fertig bin, werde ich 33 Jahre sein. Und wenn ich anschließend den Master dranhänge, was ja im Grunde obligatorisch ist, bin ich 35.


    Wer würde denn einen 35 Jahre alten Politikwissenschaftler einstellen, der noch keinen einzigen Tag in seinem Studienfach gearbeitet hat? Das bereitet mir am meisten Sorgen. Dann habe ich alle meine Schulabschlüsse nachgeholt, den Bachelor und Master gemacht – und am Ende lande ich dann wieder im Jobcenter, die vermitteln mich in irgendein Cafe (denn dort habe ich ja „Berufserfahrung“) und spüle wieder Teller und schrubbe Pfannen.


    Mit Familie und Freunden kann ich darüber nicht reden. Das sind alles sehr, sehr ferne Welten für sie – der höchste Bildungsabschluss, den es dort gibt, ist der Hauptschulabschluss. Was soll ich also machen: Auf Nummer sicher gehen und Lehrer werden? Oder Politikwissenschaften mit ungewissen Zukunftsaussichten studieren?


    Danke fürs Lesen! :)

  • Im Übrigen macht es mir zwar Spaß, anderen etwas beizubringen – ich bin aber relativ ungeduldig. Wenn etwas nach dem dritten oder vierten mal nicht verstanden wird, dann bin ich schon ein wenig genervt. Ich weiß auch überhaupt nicht, ob ich mit Heranwachsenden – denn es wird entweder Berufskolleg oder Gymnasium sein – umgehen kann. Es wäre echt der Horror, wenn ich als Lehrer zum Beispiel auf Typen treffen würde, wie ich damals einer war: immer einen blöden Spruch auf den Lippen, Handy in der Hand, Kaugummi im Mund usw.

    Als Lehrer wirst du viele Sachen mehrmals erklären müssen, wenn du dabei schnell "genervt" wirst... daran müsstest du arbeiten.


    Und "Typen" mit einem "blöden Spruch" auf den Lippen, die wirst du heutzutage in jeder Schulform treffen, auf der Hauptschule wohl mehr als auf dem Gymnasium. Aber es gibt keine Garantien, dass du (selbst mit Gymnasiallehrramt) dann wirklich auf dem Gymnasium landest.


    Vielleicht solltest du erst einmal ein Praktikum, vielleicht sogar in einer "schwierigen" Schule, machen, um zu sehen, wie du mit dem Beruf klar kommst? Die Zusammenarbeit mit Schülern ist immerhin der Kern der Tätigkeit als Lehrer und wird jahrzehntelang den Schwerpunkt deiner Arbeit bilden.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    Einmal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • Ein Lehramtsstudium ist nicht "Nummer sicher"! Du musst erst mal alle Prüfungen bestehen und das Referendariat erfolgreich abschließen. Und dann musst du auch noch eine Stelle finden. Das ist ein langer Weg.


    Du hast jetzt auch nicht die gefragtesten Fächer. Du solltest dich über die Einstellungschancen schlau machen.

  • man bekommt eine Pension, die deutlich höher als die Rente ausfällt.

    Eine Pension, die höher als die Durchschnittsrente ausfällt, was aber auch kein Wunder ist, da man auch einen höheren Bildungsstand hat. Ob man in 35 Jahren noch eine üppige Pension bekommt - fraglich. Die Besoldung ist ja auch quasi irgendwo an die allgemeine Gehaltsentwicklung gekoppelt, wenn die selber nicht so rosig ausfällt, passiert das gleiche mit der Besoldung. Und das wirkt sich auf die Pension aus.

  • Eine Pension, die höher als die Durchschnittsrente ausfällt, was aber auch kein Wunder ist, da man auch einen höheren Bildungsstand hat.

    Der Zusammenhang zwischen dem persönlichen Bildungsstand und der zu erwartenden Altersruhebezüge ist zumindest mir nicht ganz klar.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Der Zusammenhang zwischen dem persönlichen Bildungsstand und der zu erwartenden Altersruhebezüge ist zumindest mir nicht ganz klar.

    Menschen höheren Bildungsstandes haben im statistischen Mittel ein höheres Einkommen und damit auch höherer Ruhebezüge. Das ist einfach so, da gibt es qualitativ nichts zu diskutieren.

  • Mir sagte man zwar immer, ich könne gut erklären und tatsächlich habe ich auch Freude daran, anderen etwas beizubringen. Aber könnte ich allein deswegen ein guter Lehrer sein? Im Übrigen macht es mir zwar Spaß, anderen etwas beizubringen – ich bin aber relativ ungeduldig. Wenn etwas nach dem dritten oder vierten mal nicht verstanden wird, dann bin ich schon ein wenig genervt. Ich weiß auch überhaupt nicht, ob ich mit Heranwachsenden – denn es wird entweder Berufskolleg oder Gymnasium sein – umgehen kann. Es wäre echt der Horror, wenn ich als Lehrer zum Beispiel auf Typen treffen würde, wie ich damals einer war: immer einen blöden Spruch auf den Lippen, Handy in der Hand, Kaugummi im Mund usw.

    Da hilft nur ausprobieren. Bei mir ist es so ... wen ich einem Bekanntem z. B. zum dritten mal was erkläre und der macht immer noch einen auf doof, dann werde ich fuchsig. Bei den Jugendlichen habe ich damit praktisch nie ein Problem. Ich denke mir immer ... frag doch, ich bekomme Geld dafür es dir zu erklären ;) Mein Verständnis von meinem Beruf ist, dass es in erster Linie eben ein Beruf ist, den ich furchtbar gerne mache und auch keinen anderen machen wollte aber ich stehe eben NICHT als Privatperson vor der Klasse.



    Lehrer in meiner anivisierten Stufe werden vergleichsweise gut bezahlt, es ist eine Verbeamtung möglich (in NRW bis weit über 40) und demnach ein sicherer Job und man bekommt eine Pension, die deutlich höher als die Rente ausfällt.

    Seltsam ... das Argument spielt für fast alle eine Rolle, die in Deutschland Lehrer werden wollen, oder? Ich finde es schon schick, dass ich jetzt irgendwann mal einen unbefristeten Arbeitsvertrag unterschrieben habe, aber genauso schick finde ich die Vorstellung, dass ich notfalls jederzeit kündigen kann, falls bei uns an der Schule irgendwas echt blödes passiert. Ich muss keinen komischen Antrag auf Versetzung oder sowas stellen, ich geh dann einfach und such mir was neues. Mich hat bisher noch keiner davon überzeuge können, dass eine Verbeamtung wirklich cool ist. Ich verstehe das Prinzip einfach nicht. Und das mit der Rente ... ich glaub das kannst Du Dir in die Haare schmieren. Schreibe ich jetzt mal so salopp. Ich glaub das können wir alle, die wir jetzt Anfang/Mitte 30 sind. Wer weiss schon, was in 30 Jahren ist?




    Wer würde denn einen 35 Jahre alten Politikwissenschaftler einstellen, der noch keinen einzigen Tag in seinem Studienfach gearbeitet hat? Das bereitet mir am meisten Sorgen.

    Wenn Du was kannst, was sonst keiner kann oder nur wenige können, dann stellt Dich schon einer ein. So läuft das immer im Leben ;) Klar hast Du recht, dass es schwieriger wird, je älter man wird. In meinem Fachbereich würde ich sagen, mit der Biographie brauchst Du Dich vielleicht nicht mehr bei der BASF oder so bewerben, aber es gibt ja noch 1000 andere Firmen, die vielleicht ein kleineres Gehalt zahlen aber trotzdem gut sind. Wichtig ist immer, die eigenen Chancen realistisch einschätzen zu können.

  • Ich bin zwar selbst noch Student und ein paar Jahre jünger als du, aber ich stand vor einem ähnlichen Problem, daher schildere ich dir mal meine Vorgeschichte, Gedankengang und meine letztendliche Entscheidung.


    Ich habe mit 19 Abitur gemacht und bin der erste in meiner Familie, der Abitur hat und von daher war es für mich ebenfalls schwer sich danach zu orientieren und für ein Studium zu entscheiden. Meine Leistungskurse waren Politik, Englisch und Mathe. Generell hatte ich schon damals eher einen Hang zu den Geistes- und Sozialwissenschaften. Da mich die Soziologie damals am meisten interessiert hat, habe ich ein Studium der Soziologie in Trier begonnen. Dieses habe ich dann bereits nach einem Semester abgebrochen. Das Studium selbst war so stark mit VWL und BWL gekoppelt, dass ich mich gar nicht als Soziologie-Student gefühlt habe (eines meiner aktuellen Lehramtsfächer ist Politikwissenschaft/Wirtschaftswissenschaft und selbst da ist der Wirtschaftsanteil weitaus geringer als bei meinem Soziologie Studium, was ich damals ohne Beifach VWL oder BWL studiert habe) und weiterhin sind die Jobchancen mit solch einem Studium generell nicht so gut, noch schlechter in einem eher strukturschwachen Bundesland wie dem Saarland (in das ich damals unbedingt zurück wollte) und noch einmal schlechter wenn man nicht in die Felder Marketing, Firmenpsychologie etc. gehen will.


    Da ich dann zum Anfang des Sommersemesters abgebrochen hatte, hatte ich eine Menge Leerlauf. Diesen habe ich damit gefüllt in der Schülerhilfe als Nachhilfelehrer zu arbeiten und später auch noch gleichzeitig ein FSJ in einer Realschule zu machen um Einblick in die Lehrtätigkeit zu bekommen, da ich schon vor meinem Soziologiestudium zwischen einer Sozialwissenschaft und der Lehramtstätigkeit gehadert habe.
    Dann bin ich mit meiner Freundin umgezogen und habe an ihrem Studienort leider erstmals keinen Studienplatz bekommen, sodass ich gejobbt habe um meinen Teil zum Lebensunterhalt beizutragen. Diese zwei Jahre Überbrückung habe ich dann noch einmal verwendet um mir Gedanken über meinen weiteren beruflichen Werdegang zu machen.


    Ich habe mich dann aus folgenden Gründen für das Studium auf Lehramt entschieden:
    -Ich will ein klassisches Familienleben haben. Das heißt in einem Ort bzw. einer Region sesshaft werden, dort ein Haus haben und nicht ständig umziehen müssen und die Kinder dauernd in andere neue Umgebungen zwingen. Weiterhin will ich nicht eine Zweitwohnung haben, in der ich dann alleine lebe während ich meine Kinder Zuhause nur wochenends sehe. Generell haben viele Berufe (gerade wenn du eine akademische Laufbahn in der Sozialwissenschaft einschlägst) keine Konsistenz und vor allem mit einer Unilaufbahn muss man einfach damit rechnen alle paar Jahre quer durch die Bundesrepublik zu ziehen.
    -Mir macht es eine Freude mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten.
    -Wichtiger als ein besonders hohes Einkommen - auch wenn das Einkommen eines Lehrers weitaus höher als das ist was ein Großteil meiner Familie nach abgeschlossener Berufsausbildung und Arbeiten in dem Job verdient - ist mir die Sicherheit und gerade mit einer Verbeamtung habe ich diese.
    -Weiterhin habe ich an mich selbst den Anspruch, dass mein Job gesellschaftlich förderlich ist und dies sind soziale Berufe nun einmal (fast) immer.


    Wie mein Studium aussieht:
    Ich studiere inzwischen Lehramt auf Gymnasien für die Fächer Geschichte und Politikwissenschaft/Wirtschaftswissenschaft und komme damit ins 7. Fachsemester. Damit kann ich in Baden Württemberg (an allgemeinbildenden Gymnasien, an beruflichen Gymnasien gibt es ja oft mehrere Wirtschaftsfächer, die ich damit auch unterrichten kann) die Fächer Geschichte und Gemeinschaftskunde unterrichten und weiterhin soll ja bald das Fach Wirtschaft hinzu kommen, dass ich damit ebenfalls unterrichten werden kann. Ferner bin ich im 3. Fachsemester für Philosophie was es mir ermöglicht zusätzlich noch Philosophie und Ethik zu unterrichten, da bin ich jedoch noch am überlegen das dritte Fache nicht doch zu Gunsten von Deutsch zu wechseln.
    Da ich noch nicht so viele Veranstaltungen in Philosophie hatte, schildere ich dir mein Studium für meine zwei ersten Fächer. Vom Aufwand her empfinde ich das Studium weitaus aufwendiger als ein Bachelor-Studium. Jedes meiner beiden Fächer studiere ich um Umfang fast so viel wie der Bachelor sein Hauptfach und damit natürlich auch weitaus mehr als der Bachelor sein Nebenfach. Hinzu kommen noch (zugegeben wenige) Veranstaltungen für das Bildungswissenschaftliche Grundstudium sowie Verantstaltungen für die Geschichts- und Politikdidaktik. Fast alle Fächer und Schwerpunkte, die der Bachelor Politikwissenschaften hat kann und muss ich auch belegen bzw. auswählen. Das heißt im späteren Verlauf des Studium könnte ich mich auch für Internationale Beziehungen und somit Außenpolitik spezialisieren (ich lege meinen Schwerpunkt aber auf politische Soziologie). Vor allem in Geschichte weiß ich, dass mein Fachwissenschaftlicher Bildungsstand sich kaum bis gar nicht mit dem eines Masters unterscheidet und in PoWi wird es wohl ähnlich sein.


    Was ich dir raten würde:
    Nimm das Studium auf Lehramt und schau dass du durch Nebentätigkeiten wie der Arbeit in einer Nachhilfeorganisation oder dem Tutorium von Studenten in niedrigeren Semestern berufsähnliche Erfahrungen einholst. Wie ich bereits gesagt habe, sind die Überschneidungen mit dem Bachelor-Studium groß. In den ersten paar Semestern ist es daher sehr einfach von Lehramt auf Bachelor zu wechseln und das natürlich auch direkt in das gleiche Fachsemester was du sowieso schon hast. In den ersten zwei Semestern geht es eigentlich problemlos, da du wirklich einen Großteil der Bachelor-Kurse automatisch mit abdeckst und selbst später sollte das auch noch relativ einfach möglich sein. Einer meiner Dozenten in einem Proseminar hat zum Beispiel auch hier auf der Uni Lehramt studiert, ist dann kurzfristig auf Bachelor gewechselt, hat hier seinen Master gemacht und ist jetzt auch Doktorand. Sowas ist also möglich.


    Bitte beachte, dass ich natürlich nur von den Erfahrungen auf meiner Uni und in meinem Bundesland spreche. Wie einfach der Wechsel von Bachelor auf Lehramt auf anderen Unis und vor allem in anderen Bundesländern ist, kann ich natürlich nicht sagen. Das lässt sich ja aber einfach herausfinden, wenn du die Studienordnungen liest ;)

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