Lehrer werden ohne Lehramtsstudium eingestellt

  • weil ja Lehrer jeder kann

    Nein, sicher nicht. Ich kann verstehen, dass es Dich und viele andere hier immens stört, dass ihr ein Studium gemacht habt, das - wie die Situation im benachbarten Ausland eben sehr schön zeigt - relativ sinnlos ist und plötzlich keine rechte Daseinsberechtigung mehr hat, wenn scheinbar "jeder" daherkommen und mal eben Lehrer werden kann. Das ist nicht eure Schuld aber das deutsche System der Lehrerausbildung ist meiner Ansicht nach eben ein Witz. Ich habe es in einem anderen Thread schon mal geschrieben, ich halte es für absurd, dass es in Deutschland eine akademische Ausbildung mit einem einzigen, ganz konkreten Berufsziel gibt. Wir sind hier an den schweizer Gymnasien eben Fachpersonen mit der Zusatzqualifikation "Lehrer" und das funktioniert ganz wunderbar so. Ich halte das schweizerische Bildungssystem für qualitativ sehr viel besser, als das deutsche. Das ist jetzt mein subjektiver Eindruck, den aber wiederum viele meiner Bekannten teilen. Bestimmt gibt es irgendwo Statistiken dazu, ich habe gerade keine Lust, nach sowas zu suchen.


    Die Selektion funktioniert bei uns wie auf dem "ganz normalen" Arbeitsmarkt in der Wirtschaft. Jemand bewirbt sich an einer Schule für eine ausgeschriebene Stelle und wird für ein Vorstellungsgespräch und eine Probelektion eingeladen. Verläuft beides gut, bekommt er einen befristeten Arbeitsvertrag, der innerhalb einer gesetzlichen Probezeit von 3 Monaten von beiden Seiten gekündigt werden kann. Dem neuen Kollegen wird dann ein Mentor zur Seite gestellt, der ihn im Unterricht beobachtet. Bei erheblichen Mängeln in der fachlichen Unterrichtsqualität bzw. - und das ist ein viel gewichtigeres Kriterium! - sollte es Probleme in der Schüler-Lehrer-Beziehung geben, wird eben die Kündigung ausgesprochen. Das passiert leider immer mal wieder, aber sicher nicht häufiger, als sich im deutschen System "Rohrkrepierer" ins Referendariat verirren und dort aussortiert werden.


    Es ist ein anderes System, es funktioniert und es funktioniert mindestens genauso gut, wenn nicht besser, als das deutsche. Von daher bekomme ich echt jedes mal leicht schwitzige Hände, wenn hier im Forum oder im real life in meinem deutschen Bekanntenkreis die Diskussion über vermeintlich inkompetente Quereinsteiger und "echte" vs. "falsche" Lehrer ausbricht.

  • Zitat

    Weil ja Lehrer jeder kann.

    Naja. Fachdidaktische und -pädagogische Veranstaltungen von Leuten, die ihren Lebtag noch vor keiner Schulklasse gestanden haben, machen den Kohl nun auch wieder nicht fett als solides Grundlagenwissen für den praktischen Beruf.


    Ich habe nach einem Doppelhauptfachstudium auf Magister meine pädagogische "Ausbildung" auch nebenher gemacht. War aus der heutigen Rückschau nach 11 Jahren im Dienst völlig verzichtbar und setzte den Eindruck aus meinem allerersten Proseminar Pädagogik auf der Uni (nach dem ich das Lehramtsstudium an den Nagel gehängt hatte) ohne Bruch fort.


    Nele

  • Ich bin in Bremen vor einigen Jahren ohne Lehramtsstudium eingestellt worden. Allerdings ins Referendariat. Dieses habe ich dann regulär absolviert und zusätzlich das Seminar "Pädagogik für Seiteneinsteiger" (80 Stunden) belegt. Da damals das Ref noch im Oktober begann, durfte ich erstmal 3 Monate ( wie alle anderen) hospitierte. Das habe ich genutzt und dabei viel von meinem Mentor gelernt.
    Im Seminar lief es auch gut. Bei Studenten so verschiedener Unis gab es immer einzelne, die etwas noch nie gemacht hatten (z.B. eine didaktische Analyse schreiben). Und im Bereich Psychologie hatte ich zum Teil mehr Veranstaltungen gehabt als die Lehrämter ( medizinische Psychologie, vor allem Entwicklung und Kommunikation, hat mir im Ref gut geholfen).
    Ich habe besser bestanden, als ich es erwartet hatte, wenn auch nicht mit Glanznote. Jetzt bin ich seit 5 Jahren fertig. Ich glaube nicht, dass ich mit Lehramtsstudium eine bessere Lehrerin geworden wäre.


    So, das musste mal raus. Ich bin keine Lehrerin zweiter Klasse, nur weil ich einen anderen Weg gewählt habe.
    In Bremen sind übrigens über drei Viertel aller Physiklehrer Seiteneinsteiger oder Direkteinsteiger.

  • Wenn man "Lehrer kann doch jeder" konsequent zu Ende denkt, stellt sich die Frage, warum überhaupt ein Studium? Abitur sollte reichen. Man stellt die Kandidaten einfach vor die Klasse, und dann sieht man ja, was passiert. Würde auch die Landeshaushalte ungemein entlasten, denn der "Lehrer kann doch jeder"-Lernbegleiter wird sicherlich nicht nach A13 / E 13 bezahlt: TV-L Lehrer fängt ja auch schon mit E6 an, das spart dann schon mindestens 40% der Kosten.


    Also: Weg mit der spezifischen Lehrerausbildung, weg mit dem Studiums-, schlimmer noch Master-Zwang. Der "Lehrer kann doch jeder"-Lernbegleiter ist die Zukunft für die moderne Schule und die Schuldenbremse!


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Ich finde immer, dass die Pauschalschelte "Seiteneinsteiger sind die, die in ihrem Beruf gescheitert sind!" sehr stark nach der Pauschalschelte "Lehreramtsstudenten sind die, die für ein richtiges Fachstudium zu schlecht sind!" klingt. Nur so mein Eindruck.


    Was den pädagoischen/psychologischen/didaktischen Teil des Studiums angeht: Das war sicherlich vom Umfang her recht überschaubar, aber in Bayern legt man zumindest auch Staatsexamensprüfungen in Psychologie, allg. Pädagogik, Schulpädagogik und in seinen Fachdidaktiken ab. Spätestens hier habe ich durchaus Dinge gelernt, die ich im Berufsalltag ab und an mal hervorzaubern kann. Das kann man sich aber alles sicherlich als Quer-/Seiteneinsteiger, der selbst einen Hochschulabschluss hat, auch recht schnell autodidaktisch aneignen. Das sollte nicht so sehr das Problem sein. Deswegen würde ich das Lehramtsstudium auch nicht so hoch hängen, solange noch ein Referendariat absolviert wird.


    Ich störe mich an den Fällen, in denen Fachkräfte direkt an die Schulen wechseln und nicht mal ein Referendariat machen müssen. Das finde ich dann doch etwas extrem. Das scheint ja dann auch in der Schweiz nicht so zu sein, wenn Wollsocken von der "Zusatzqualifikation Lehrer" schreibt.
    Ich muss aber auch sagen, dass ich von solchen Fällen bisher nur gelesen habe - und zwar v.a. hier im Forum. Selbst kenne ich keinen solchen Fall. Aus einem anderen Bundesland kenne ich eine Kollegin, die als Seiteneinsteiger ihr Ref berufsbegleitend noch mitgemacht hat. Das finde ich wiederum okay, wobei ich mich frage, wie man das zeitlich schaffen kann.

  • Ich habe mich nach einem Fachstudium gegen den Quereinstieg entschieden und habe den Eindruck, dass sich das Lehramtstudium sehr wohl "lohnt". Viel der Kritik an den Univeranstaltungen kann ich nicht bestätigen, da habe ich wohl Glück mit der Uniwahl.
    Natürlich hatte ich auch Seminare, die man in die Tonne klopfen konnte, genau wie im Fachstudium auch. Aber ich hatte auch Seminare und Vorlesungen von Lehrern in Abordnung und von ehemaligen Lehrern. Mein bisher nutzlosestes Seminar wurde übrigends von einem Lehrer geleitet. Das war so schlecht, das war mich schon peinlich.
    Ich habe Seminare, in denen Theorie mit Anwendung in der Schule verknüpft wurde und Veranstaltungen, die rein theoretisch waren, meiner Ansicht nach aber eine gute Grundlage für das Handwerkszeug legen, was man im Unterricht später braucht.


    Ich denke, die Diskussion krankt auch ein wenig daran, dass Quereinsteiger gar nicht beurteilen können, ob sie nicht mit Studium vielleicht doch noch bessere Lehrer wären (wie auch immer man das bemessen sollte).
    Und daran, dass generelle Fragen mit persönlichen "Schicksalen" (falsches Wort, sorry, mir fällt das richtige gerade nicht ein) beantwortet werden.
    Es gibt sicher gute Lehrer, die quer eingestiegen sind. Aber genausogut gibts da Quereinsteiger die völlig banane sind. Die die falschen Vorstellungen haben, nicht zurechtkommen und aufgeben oder sich weiter durchquälen. Diese äußern sich in so einem Forum natürlich nicht.


    Die Frage ist doch: möchte man über ein Try and Error-System feststellen, welche Quereinsteiger gute Lehrer abgeben, oder möchte man versuchen über ein möglichst gutes Studium (ja, es gibt immer etwas zu verbessern) systematisch gute Lehrer zu bekommen.
    Meiner Ansicht nach kann übrigends auch ein guter studierter Lehrer, der sein Studium für völlig umsonst hält, eigentlich nicht wirklich umfassend beurteilen, ob es tatsächlich so ist (ich schreibe das, weil ich auch das öfter lese bzw höre). Wer kann schon wirklich beurteilen, ob in den letzten 5 Jahren nichts gelernt wurde, man sich nicht entwicklet hat, das Gehörte, Gelesene und (auswendig?)Gelernte nicht vielleicht doch eine Grundlage gelegt haben, die einen nun zum guten Lehrer macht...


    Liebe Quereinsteiger, die ihr heute gute Lehrer seid, ihr seid meiner Ansicht nach einfach gute Lehrer. Nicht "Lehrer" und auch nicht Lehrer zweiter Klasse oder was auch sonst. Aber ich würde doch das systematische Vorziehen, ich halte ein Studium immer noch für das bessere System.

    • Offizieller Beitrag

    Die Frage ist doch: möchte man über ein Try and Error-System feststellen, welche Quereinsteiger gute Lehrer abgeben, oder möchte man versuchen über ein möglichst gutes Studium (ja, es gibt immer etwas zu verbessern) systematisch gute Lehrer zu bekommen.
    Meiner Ansicht nach kann übrigends auch ein guter studierter Lehrer, der sein Studium für völlig umsonst hält, eigentlich nicht wirklich umfassend beurteilen, ob es tatsächlich so ist (ich schreibe das, weil ich auch das öfter lese bzw höre). Wer kann schon wirklich beurteilen, ob in den letzten 5 Jahren nichts gelernt wurde, man sich nicht entwicklet hat, das Gehörte, Gelesene und (auswendig?)Gelernte nicht vielleicht doch eine Grundlage gelegt haben, die einen nun zum guten Lehrer macht...

    So ist es.
    Und diese Lehrer, die "im Studium nichts Sinnvolles gelernt haben" (*) und "nur Idioten als Fachleiter hatten" werden dann Schüler haben, die ihnen zu ihrem großen Erstaunen mitteilen, dass sie lauter "Lehrer haben, die einem nichts beibrigen" in "sinnlosen Fächern, die keiner jemals mehr im Leben braucht!". :D
    Die, bei denen noch Hoffnung besteht, entdecken dann Parallelen zum eigenen Denken und verstehen was.


    Die anderen sind weiter der Meinung, es auch ohne input von außen aus eigener Genialität besser als alle zu machen und nie irgendetwas von dem gebraucht zu haben, an dem sie sich früher reiben mussten.
    Die haben übrigens eine Überschneidungsquote von über 80% mit denen, über die die Schüler die Augen rollen ... :P




    (*) = wer innerhalb einer Ausbildungssituation absolut gar nichts lernt/mitnehmen kann, ist in meinen Augen übrigens - mindestens im jungen oder späteren Erwachenenalter - zu fast 100% selbst dran schuld. Der hatte nämlich nicht den Arsch in der Hose im Seminar mal zu sagen "Ich möchte gerne mal über (Thema X, Y, Z sprechen, und zwar so, dass ich es anwenden kann = konkreter Voschlag") oder selbst mal input zu geben, der hat offensichtlich nicht mitdiskutiert/gedacht und nicht gefragt. Im Prinzip wie die Schüler, die im Unterricht rein gar nichts mitnehmen. Das musste schon selbst wollen.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Wenn man "Lehrer kann doch jeder" konsequent zu Ende denkt, stellt sich die Frage, warum überhaupt ein Studium?

    Ich störe mich an den Fällen, in denen Fachkräfte direkt an die Schulen wechseln und nicht mal ein Referendariat machen müssen. Das finde ich dann doch etwas extrem.

    Wenn ich mir diese Aussagen so durchlese stelle ich eines fest: Ihr unterschätzt den Punkt "Fachkompetenz" ganz enorm. Ich unterrichte am Gymnasium, das bedeutet in der Nordwestschweiz 10. - 13. Klasse, und da muss ich an aller erster Stelle mal fachkompetent sein. Ich muss gerade in so einem abstrakten Fach wie Chemie meinen Schülern ganz enorm weit voraus sein um jeder Zeit zu jedem chemischen Thema mühelos egal welche Frage beantworten zu können. Es gelingt mir nicht immer, hin und wieder muss ich sagen "warten Sie bis zur nächsten Stunde, ich muss da noch mal in mich gehen" aber in sagen wir 90 % der Fälle trifft das so zu. Ich muss ein Thema wirklich im Kern verstanden haben um es fachlich korrekt an meine Schüler weitergeben zu können und ich muss mir jederzeit im Klaren darüber sein, welche Vereinfachungen ich treffen kann ohne etwas grundsätzlich Falsches zu erzählen. Die berufliche Qualifikation eines Gymnasiallehrers besteht für mich (und für den Grossteil meiner Kollegen wird diese Annahme ebenfalls zutreffen) zu 70 - 80 % aus Fachkompetenz. Also bringt nach meiner Auffassung jeder Quereinsteiger bereits den grössten Teil seiner beruflichen Qualifikation durch sein Fachstudium mit. Der Rest ist Didaktik und das ist eben das, was man uns an der Pädagogischen Hochschule beibringt oder versucht beizubringen.


    Abgesehen davon schrieb ich ja, dass man einen Berufseinsteiger hier nicht einfach so wurschteln lässt, sondern dass der in der Regel ein ganzes Schuljahr lang sehr eng von einem Mentor begleitet wird. Viele Schulen machen das auch noch, wenn jemand das Lehrdiplom schon hat, aber sagen wir erst 1 Jahr Berufserfahrung vorweisen kann.


    Sozialkompetenz lernt man nicht an der PH und auch nicht in einem deutschen Lehramtsstudium. Die hat man entweder, oder man hat sie nicht. Wer sie nicht hat, der ist für den Lehrerberuf nicht geeignet. Zur Sozialkompetenz zähle ich auch das Gespür dafür, dass die Klasse das, was man gerade möglicherweise viel zu kompliziert erklärt hat, nicht verstanden hat. Da helfen alle didaktischen Methoden nichts, die man theoretisch mal während was auch immer für einer Ausbildung gelernt hat, wenn man einfach situativ nicht schnallt, dass gerade was vollkommen schief läuft. Umgekehrt nützt es auch nicht, ganz sozialkompetent zu bemerken, dass sich gerade ein Verständnisproblem aufgetan hat, wenn man fachlich nicht kompetent genug ist, einen anderen/besseren Erklärungsweg zu finden - und zwar spontan!


    Übrigens ist bei uns für das Lehramt Primarschule nicht mal die gymnasiale Matura nötig. Es reicht die Fachmatura im Berufsfeld Pädagogik und dann bildet die Pädagogische Hochschule aus. Um Primarschüler zu unterrichten braucht es eben zu 80 % Sozialkompetenz und über den Rest kann man sich dann streiten. ;)

  • Ich glaube nicht, dass ich die Fachkompetenz unterschätze. Und ich arbeite auch seit über 10 Jahren am Gymnasium, überwiegend in der Oberstufe, als ich weiß ich auch, dass man da eben fachlich fit sein muss.
    Zum Unterrichten gehört aber eben mehr als Fachwissen uns Sozialkompetenz. Auch am Gymnasium, auch in der SekII. Man braucht das notwendige Handwerkszeug. Das kann man nun gerne nachlernen und muss es nicht an der Uni mitgenommen haben, aber irgendwann muss man eben auch die methodischen, didaktischen, pädagogischen etc. Basics lernen. Dafür ist in Deutschland das Ref da. In vielen BLs läuft das übrigens auch so ab, dass die Refs erstmal in die Klassen geworfen werden und nebenbei betreut werden. Also widerspricht meine Aussage dem Vorgehen der Eidgenossen nicht wirklich, wenn man genau hinsieht.

  • Dafür ist in Deutschland das Ref da.

    Das reicht aber meiner Ansicht nach. Ich bin überhaupt nicht gegen das Ref - an dem Punkt sind wir uns zu 100 % einig. Man muss an irgendeinem Punkt mal lernen, wie man das mit dem Unterrichten eben angeht. Methodenkompetenz oder so ;) Ich finde das Konzept "Lehramtsstudium" absurd. Ich mag mich dran erinnern, dass wir im Hauptstudium das Studentenlabor mit den Lehrämtlern geteilt haben. Die haben Nylonfäden gezogen, während wir organische Synthesen gemacht haben. Also ehrlich ... wie man Nylonfäden zieht, dafür brauche ich kein extra Studium. Lass die Leute ein "richtiges" Fachstudium machen, dann steht ihnen die berufliche Welt am Ende offen - für den nicht so abwegigen Fall, dass man während des Refs dann merkt "oh ... das mit den Schülern ist doch nicht so meins". Wer klug ist und mit dem Gedanken spielt, den Beruf zu ergreifen, kann sich ja freiwillig ein Praktikum organisieren oder eine Zeit lang hospitieren. Habe ich ja auch so gemacht, bevor ich mich an der PH angemeldet habe.

  • ich halte es für absurd, dass es in Deutschland eine akademische Ausbildung mit einem einzigen, ganz konkreten Berufsziel gibt. Wir sind hier an den schweizer Gymnasien eben Fachpersonen mit der Zusatzqualifikation "Lehrer" und das funktioniert ganz wunderbar so. Ich halte das schweizerische Bildungssystem für qualitativ sehr viel besser, als das deutsche.

    Soso. Dazu zwei Anmerkungen:


    1. Ich kann nicht für die Naturwissenschaften sprechen, aber mein Studium der Germanistik und Anglistik für das Lehramt an Gymnasien war deutlich anspruchsvoller als das entsprechende Magisterstudium - mehr Hauptseminare (mit jeweils einer Hausarbeit, die heute locker als Bachelorarbeit durchgehen würde), eine Zulassungsarbeit, deren Umfang und Anspruch der Magisterarbeit gleichstand (viele haben sie denn auch zusätzlich als Magisterarbeit eingereicht) und am Schluss ein Staatsexamen, dem gegenüber die Magisterprüfung ein besserer Witz war.
    Insofern bin ich auch (und lege da auch Wert drauf!) "Fachperson" (komischer Ausdruck. Helvetismus?) mit der Zusatzqualifikation (erworben durch ein Staatsexamen in Psychologie und Pädagogik sowie durch das Referendariat) "Lehrer". Ich weiß also nicht, was Du mit "akademische Ausbildung mit einem einzigen Berufsziel" meinst.


    2. Von welchem "deutschen Bildungssystem" sprichst Du eigentlich? Also konkret, von welchem der 16?

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Von welchem "deutschen Bildungssystem" sprichst Du eigentlich? Also konkret, von welchem der 16?

    Oh jetzt werden wir spitzfindig. Ich vergleiche natürlich auch nur mit einem Bildungssystem von 26 verschiedenen. Aber ehrlich ... soooo verschieden sind sie am Ende dann doch nicht, auch wenn alle sich das immer gerne einbilden wollen. Das nennt man Lokalpatriotismus, oder? Ich sag da nur: Kniet nieder, ich habe das Zentralabi in Bayern gemacht (hab ich wirklich!!).



    Ich kann nicht für die Naturwissenschaften sprechen, aber mein Studium der Germanistik und Anglistik für das Lehramt an Gymnasien war deutlich anspruchsvoller als das entsprechende Magisterstudium - mehr Hauptseminare (mit jeweils einer Hausarbeit, die heute locker als Bachelorarbeit durchgehen würde), eine Zulassungsarbeit, deren Umfang und Anspruch der Magisterarbeit gleichstand (viele haben sie denn auch zusätzlich als Magisterarbeit eingereicht) und am Schluss ein Staatsexamen, dem gegenüber die Magisterprüfung ein besserer Witz war.

    Der Punkt geht an Dich. In den Naturwissenschaften geht die Schere ganz weit auseinander, da ist das Lehramtsstudium halt ein ziemlicher Witz. Trotzdem verstehe ich nicht, wozu es einen "Master of Education" braucht.

  • Ich vergleiche natürlich auch nur mit einem Bildungssystem von 26 verschiedenen. Aber ehrlich ... soooo verschieden sind sie am Ende dann doch nicht, auch wenn alle sich das immer gerne einbilden wollen. Das nennt man Lokalpatriotismus, oder? Ich sag da nur: Kniet nieder, ich habe das Zentralabi in Bayern gemacht (hab ich wirklich!!).

    Ach ja, das gute bayerische Abi. Hab ich auch hinter mir, kannst mir damit also nicht imprägnieren. Ist auch nicht mehr, was es mal war. Dennoch: "Das" deutsche Bildungssystem gibt es einfach nicht, genauso wenig wie "das" schweizerische. Und im Detail gibt es dann doch sicher deutliche Unterschiede, wobei die Vorstellung, dass irgendwelche in die Politik gegangenen Bergbauern aus Appenzell-Innerrhoden so ganz eigenständig über die Bildungspolitik in ihrem Kantönli bestimmen können, schon irgendwie gruselig ist. Aber mei, es scheint zu funktionieren.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Und im Detail gibt es dann doch sicher deutliche Unterschiede

    Ja im Detail ... ich habe aber mehr so grundsätzliches im Kopf. Beispielsweise haben wir keine feste Lehrplanbindung und keine zentralen Prüfungen. Ganz charakteristisch für die Naturwissenschaften ist, dass die meisten Kollegen ohne Lehrbuch unterrichten. Jeder setzt hier seine eigenen Schwerpunkte, eben nach persönlichem Interesse. Auch der Unterschied zwischen Langzeit- und Kurzzeitgymnasien ist nur ein formeller. Am Langzeitgym ist Sek I und Sek II im gleichen Schulhaus, am Kurzzeitgym halt nicht. Trotzdem sind die Strukturen in der Oberstufe, also Sek II, am Ende in Zürich wie in Basel mehr oder weniger die gleichen und eben grundsätzlich andere als in Deutschland. Hier gibt es keine beliebigen Kombinationen aus Leistungskursen, sondern man wählt eines von fest vorgegebenen Profilen als Schwerpunktfach, z. B. Bio/Chemie, Mathe/Physik, Zeichnen, Musik, Spanisch, ... . Es gibt auch keine Abwahl von Fächern. Manche Fächer enden einfach irgendwann, aber bis dahin muss sie jeder belegen.


    Das darf man jetzt natürlich keinen Zürcher wissen lassen, die halten die Basler ja für das allerletzte in Sachen Bildung. Meine persönliche Erfahrung ist freilich eine andere. Ich hab im erzkonservativen Aargau unterrichtet und bin dann ins hochliberale Baselbiet gezogen - ich stelle in meinen Prüfungen die gleichen Fragen und bekomme die gleichen Antworten. Und wenn ich dann an meine eigene Schulzeit im schönen Bayern zurückdenke oder mich mit deutschen Kollegen aus Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen unterhalte stelle ich fest, dass es da zwischen der Schweiz und Deutschland einen grundlegenden Unterschied gibt. Ebenjenen, der schon Albert Einstein hat die Flucht ergreifen lassen: Man mag es kaum glauben, aber die Eidgenossen sind in ihrem ganzen Denken sehr viel liberaler als die Deutschen und Unterricht ist hier viel mehr "Lernen fürs Leben" als "Teaching to the test". Amen. :)


    P.S.: Beleidige er die Appenzeller Bauern nicht!!

  • Nein, es bewerben sich diejenigen an der Schule, die als Mathematiker, Physiker usw. nichts in der "freien Wirtschaft" gefunden haben, weil deren fachlicher Schwerpunkt zu exotisch ist oder weil sie (aus welchen Gründen auch immer) "freigesetzt" wurden.


    Dass das Lehramt für Mathematiker, Physiker usw. zu unattraktiv ist, siehst man an den Studienanfängerzahlen. Es schreiben sich deutlich weniger Leute dafür ein, als Bedarf vorhanden ist. Also werden die Lücken mit (man muss es so hart sagen) in der "freien Wirtschaft Gescheiterten" aufgefüllt. Wäre der Lehramts-Beruf attraktiv genug, was Bezahlung, Arbeitsbedingungen usw. betrifft wäre das nicht nötig. Wobei man sich klar sein muss: Die "Attraktivität" der Arbeit als Lehrer ist hoch fachspezifisch. Dem durchschnittlichen Geisteswissenschaftler kann kaum etwas besseres passieren, als Lehrer zu werden. Bei den Naturwissenschaftlern ist es genau anders herum.


    Gruß !

    Das glaubst du doch selber nicht.

  • Eher andersherum. Weil echte Mathematiker, Physiker usw. keine Lust aufs Lehramt haben. Warum sollte man sich als fauler Sack, als Depp der Nation beschimpfen lassen, wenn man in der "freien und gnadenlosen" Wirtschaft bei einer 35-Stunden-Woche (IG-Metall) nach ein paar Jahren das Doppelte verdienen kann? Und das bei geregelten Arbeitszeiten, mit Firmenwagen und Einzelbüro?


    Gruß !

    Ironie?

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