Schulbücher im Unterricht- Ja oder Nein?

  • Für die Erstellung eines Schulbuches haben Lehrer (Praktiker), Dozenten (Theoretiker) und Lektoren der Verlage sowie Grafikdesigner viel Zeit und Hirn investiert, um ein Werk zu erstellen, das lehrplankonform und didaktisch passend ist. Bei Fremdsprachen sind CDs mitTexten von Native Speakers, Arbeitsblätter, Folien und passende Seiten im Web zum Buch vorhanden. In Mathe kann ich mich darauf verlassen, dass die Grundlagen zu den gestellten Aufgaben in den vorherigen Kapiteln oder im Vorjahresbuch gelegt wurden. Wenn ich das passende Arbeitsheft verwende, sind die Arbeitsblätter chronologisch sortiert, kranke Schüler können die Aufgaben problemlos nacharbeiten und ich muss mich nicht damit plagen, ob ein Schüler das Blatt erhalten hatte.


    Ich kann mich darum kümmern, gute Erklärungen und differenzierende Materialien zu entwickeln.
    Als Reffi hatte ich Arbeitsblattschlachten geschlagen und meinte, das sei ein Zeichen guten Unterrichts. Heute arbeite ich strikt nach Schulbuch. Die Schüler wissen, was wir geschafft haben und sehen, was noch vor uns liegt.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

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  • Hallo,


    ich bin da fächerbedingt zweigeteilter Meinung. Im Unter-und Mittelstufenunterricht in Deutsch benutze ich meist das Buch/Arbeitsheft (und eigene Ergänzungen), allerdings gibt es spätestens in Kl. 10 jeweils mind. ein Drama und einen Erzähltext, für die ich das Buch nicht nutzen kann. In der Oberstufe arbeite ich auch schwerpunktmäßig an den Lektüren, greife aber insofern auf das Buch zurück, als dass es zur ersten Informationssammelanlaufstelle wird z.B. um Inhalte der Mittelstufe zu wiederholen oder um methodische Hilfestellungen bzgl. des Verfassens von Analysetexte zu bekommen. Ich lege auch Wert darauf, dass sich die Schüler mit Hilfe des Buches einen Epochenüberblick verschaffen. Das ist dann die gemeinsame Ausgangsbasis und erfordert kein mühsames Zusammenführen von Informationen aus Wikipedia oder anderen (fragwürdigen) Internetquellen.


    In Bio sehe ich ein großes Problem, wenn ich durchweg bzw. möglichst oft problemorientiert im Sinne des naturwissenschaftlichen Erkenntnisganges unterrichten möchte. Im Normalfall präsentieren deutsche Biobücher nämlich kein Problem/Phänomen, sondern hübsche Bildchen und Graphiken mit der Erklärung im Text nebendran. Deswegen kopiere ich oft die Abbildungen aus anderen Lehrwerken, damit die Schüler sich mit dem Problem befassen ohne ständig auf die Erklärungen im Text zu schielen. Auch ein echtes kontextorientiertes Lernen ist mit den gängigen Lehrwerken nicht möglich. Ich habe mir ein britisches Lehrwerk gekauft , das die Kontextorierung zu verschiedenen Oberstufenthemen ganz gut umsetzt. Das benutze ich auch ab und an im Unterricht.


    lg Sunrise1982

  • In Bio sehe ich ein großes Problem, wenn ich durchweg bzw. möglichst oft problemorientiert im Sinne des naturwissenschaftlichen Erkenntnisganges unterrichten möchte. Im Normalfall präsentieren deutsche Biobücher nämlich kein Problem/Phänomen, sondern hübsche Bildchen und Graphiken mit der Erklärung im Text nebendran. Deswegen kopiere ich oft die Abbildungen aus anderen Lehrwerken, damit die Schüler sich mit dem Problem befassen ohne ständig auf die Erklärungen im Text zu schielen. Auch ein echtes kontextorientiertes Lernen ist mit den gängigen Lehrwerken nicht möglich. Ich habe mir ein britisches Lehrwerk gekauft , das die Kontextorierung zu verschiedenen Oberstufenthemen ganz gut umsetzt. Das benutze ich auch ab und an im Unterricht.

    100% Zustimmung. Problemorientierter Unterricht ist bei mir weder in Bio noch in Chemie mit Hilfe der Bücher möglich. Einen neuen Sachverhalt problemorientiert einführen kann man nur, wenn man sein eigenes Material entwickelt. Lediglich um manche Definitionen als Tafelanschriebe zu übernehmen oder Infotexte zum Nachlesen von Sachverhalten für die SuS bereit zu stellen eignet sich das Schulbuch.
    Ich beneide die Englischlehrer mit ihren Workbooks und Büchern. Wie oft habe ich Englisch Vertretungsunterricht fachfremd gehalten, indem die SuS in ihren Workbooks arbeiteten oder einfach Aufgaben aus dem Buch gemacht haben. Die Aufgaben waren sinnvoll und gut strukturiert und ich kam damit sofort klar.
    Für mich ist es weniger anstrengend fachfremd Englisch mit einem Workbook zu unterrichten, als eine Stunde in meinem eigenen Fach vorzubereiten. Dass das natürlich keine Glanzstunden sind, ist mir klar. Aber selbst wenn ich wollte, kann ich so arbeitsunaufwändig nicht einmal in meinem Fach unterrichten.
    Das ist das Traurige an Biologie und Chemie. Man kann nicht wirklich mit den Büchern arbeiten.
    Wie soll der Schüler Erkenntnisse an einem Experiment gewinnen, wenn das passende Modell direkt auf derselben Seite beschrieben ist? Die Vorgabe ist Biologie und Chemie induktiv zu unterrichten, aber arbeiten mit dem Buch ist deduktiv (zumindest sind alle Bücher, die ich kenne, aufgebaut).
    Eine Kollegin von mir mit Englisch / Bio braucht nach ihrer Aussage drei bis viermal so lange eine Biologie Stunde vorzubereiten, wie eine Englischstunde. Eine weitere Kollegin braucht deutlich mehr Zeit eine Chemiestunde, als eine Mathestunde vorzubereiten.
    Vielleicht erklärt sich aus dieser unterschiedlichen herangehensweisen in den Fächern (problemorientierter Unterricht in Naturwissenschaft) die unterschiedliche Belastung?
    Ich zumindest halte 26 Wochenstunden mit zu problemorientierten Fächern, wo man das Buch kaum sinnvoll einsetzen kann, für schlicht nicht leistbar.

  • Natürlich benutze ich Schulbücher, wenn auch nicht immer im gleichen Umfang. Für Englisch: Durchweg, und iun Unter- und Mittelstufe unverzichtbar. Siehe oben. Für Deutsch: Weniger oft, aber auch. Für Informatik: In den meisten Jahrgangsstufen arbeite ich sehr viel mit dem Buch, in einer weitgehend ohne, weil das Buch nicht geeignet ist. Informatik ist da auch eher problemorientiert.


    Arebtisblätter: je weniger, desto besser, aber es sind immer noch zu viele. Andererseits schätze ich das an Lehrern, alles besser wissen zu müssen und selber machen zu wollen. Das Problem mit den Deutschbüchern: Seit zwanzig Jahren oder mehr gibt es keine Lesebücher mehr, sondern kombinierte Lese-Sprach-Bücher mit notgedrungen wenig Textauswahl. Das kommt meinem Stil nicht entgegen.


    Was ich nach meinen ersten zwei Jahren gar nicht mehr benutze: Gekauftes Begleitmaterial zu Lektüren. Ichs uche mir lieber was im Web oder habe selber Ideen.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Für den Geschichtsunterricht (ich unterrichte nur in der Qualifikationsphase) finde ich ein Lehrbuch absolut unverzichtbar - allein schon deshalb, weil das ein Handbuch mit relevantem und verfügbarem Hintergrundwissen ist, dass für die Schüler Verlässlichkeit schafft - diese Inhalte müssen gewusst werden, die Arbeitsmethoden werden dann im Unterricht behandelt, bei Bedarf kann ich Material zufüttern, wie ich will.


    Ich finde es übrigens unverantwortlich, wenn Fachleiter bei der Referendarsausbildung Schulbücher so zur Seite drängen, als ob die ohnehin schlecht wären und nur selbst erstellte Materialien die wahren Ansprüche des Lehrerberufs erfüllten. Schulbücher sind Alltagswerkzeuge des Lehrers. Wenn die Fachkonferenz beschließt, dass ein Schulbuch eingesetzt wird, dann hat man das als Lehrer umzusetzen! Natürlich muss auch der Einsatz von Schulbüchern im Unterricht in der Referendarsausbildung vermittelt werden.

  • Mit Schulbüchern habe ich unterschiedliche Erfahrungen gemacht: Es gibt sehr gute, sehr gute, die durch eine Neuauflage schlechter werden, und Bücher, auf die man besser verzichtet. In der Langform Latein haben wir früher mit Prima gearbeitet - ein (nicht nur meiner Ansicht nach) grottenschlechtes Buch: Infantile Texte mit vielen Germanismen, seltsame Vokabelverwendung, manch relevante Grammatik (NcI, Futurum exactum) steht nicht drinnen. Deshalb habe ich fast nur mit eigenen Dingen gearbeitet. Dann sind wir umgestiegen auf ein anderes Buch (medias in res), das ich für sehr gut halte - leider wurde es von Neuauflage zu Neuauflage schlechter. In der Lektürephase "lebe" ich praktisch nur von http://www.thelatinlibrary.com (und vergleichbaren Datenbanken), da die Lektürebücher viele Texte enthalten, die ich nicht brauche, bzw. nicht lesen will, und dafür viele nicht, die ich für sehr wichtig erachte. Außerdem lernen die Schüler besser, mit dem Wörterbuch umzugehen, wenn nicht jedes dritte Vokabel im Buch angegeben wird. Außerdem könnten wir aus Kostengründen gar nicht für jedes Lektüremodul jedem Schüler ein Buch zur Verfügung stellen.
    In Geschichte halte ich das Buch, das wir haben, für sehr schlecht: Es wurde versucht, möglichst alles hineinzupacken. Jetzt findet sich da drinnen fast alles, aber nichts wirklich umfassend. Außerdem sind die beigegebenen "Quellen" (abgesehen davon, daß eine Übersetzung keine Quelle ist) insoferne manchmal merkwürdig, als sie nicht immer etwas mit dem Fließtext zu tun haben. Ich verwende das Geschichtsbuch also wenn überhaupt nur als Art historischer Atlas: Karten, etc. Ich hege allerdings die Hoffnung, daß das Buch der nächsten Klasse besser ist - dann kann man vielleicht wieder damit arbeiten.
    Jedenfalls finde ich, daß man sich die Frage stellen muß: Was will ich und womit erreiche ich das? Wenn ich mein Ziel mit dem Buch erreiche, dann ist es gut. Wenn nicht, muß ich auf eigene Materialien, Datenbanken, o.ä. zurückgreifen...


    Liebe Grüße,


    Peter

  • Bei dem hohen Aufwand an DIfferenzierung sind Schulbücher so wie früher fast nicht mehr einsetzbar - in der Grundschule. In Mathematik und Deutsch habe ich mich von Büchern fast ganz verabschiedet. Ich habe noch Lesebücher im Einsatz, aber kein Sprachbuch mehr. Auch in Mathe: Nur noch Verbrauchsmaterial (Arbeitshefte sind o.k.), denn ein gleichschrittiges Vorangehen im "Rechenbuch" ist nicht mehr möglich. In Sachkunde: Eine mittelgroße Bibliothek an Sachbüchern, Lexika, alte Sachkundebücher für ganz wenige Themen.
    Was ich immer noch gern mache ist ein Fibeleinsatz in Klasse 1, aber nach einem Vierteljahr dröselt sich das auch in ganz verschiedene Richtungen auf. Insofern bin ich gut vorbereitet für die Inklusion. :sterne:
    L.G. Pia

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