Nachteilsausgleich "mehr Zeit" - wie umsetzen ohne Unruhe zu erzeugen?

  • Ich schreibe bald meine erste Arbeit mit einer 5. Klasse (Brandenburg, Grundschule). Von 30 Kindern werden 15 Nachteilsausgleiche gewährt. Dies dreht sich meistens um LRS bzw. "Anzeichen von LRS" (ich wusste gar nicht, dass es dafür auch einen NA gibt).


    Wie kann ich konkret handeln, d.h. nach regulärer Arbeitszeit die Arbeiten von Kindern ohne Ausgleiche einsammeln, ohne dass diese Kinder dann unruhig werden, wodurch sich die anderen nicht mehr konzentrieren können?

  • Bei einer derart hohen Anzahl von Nachteilsausgleichen (und generell Kindern in einer Klasse...mh):
    - Logicals für die fertigen Schüler
    - im Buch lesen lassen

    • Offizieller Beitrag

    ich habe dafür immer irgendwelche Rätsel zur Hand. Zur Not bei den Kleinen auch Mandalas. Ruhig müssen sie natürlich trotzdem sein, was ihnen nach getaner Arbeit (verständlicherweise) nicht ganz leicht fällt.
    oder kannst du einen Teil der Klasse auslagern, d.h. von jemand Anderem betreuen lassen? Gibt es z.B. Sozialpädagogen, Bufdis, Praktikanten?

  • Sudokus, Kreuzworträtsel oder kurz Arbeitsblätter die bei angedrohter Hinrichtung schweigend zu bearbeiten sind. Meine Kids malen auch gerne mal ein Bild während sie warten. Ein Weihnachtsbild einer Sechstklässlerin hängt über meinem Schreibtisch.
    Ich bin bisher meist ganz gut damit gefahren, der Klasse vor der Klassenarbeit (also in einer vorangegangenen Stunde) zu erklären, wie sie sich zu verhalten haben wenn sie fertig sind. Mit einer entsprechenden Begründung sehen die das auch ein und verhalten sich normalerweise auch ruhig wenn man ihnen Material zur stillen Beschäftigung anbietet.

  • Ich nutze auch meist Ausmalbilder oder weißes Papier zum freien Malen. Damit kann man auch noch Sechstklässler kriegen.
    Wenn es klappt, dürfen die Kids bei mir allgemein abgeben, wenn sie fertig sind. Sie kommen dann leise nach vorn, geben ab und nehmen sich ein Malblatt. Für Geografie habe ich sogar Malbücher, die thematisch Bilder bieten. Voll toll.
    Ist die Arbeitszeit dann zu Ende, gehe ich rum und sammle vom Rest ein. Nur die Kids mit NTA dürfen dann noch weiterarbeiten.


    Gruß, littleStar

  • Ich bespreche immer vor der Arbeit, was die Kinder machen MÜSSEN, wenn sie abgegeben haben, bei einer Deutscharbeit zB dann etwas einfaches in Mathe... Wdh. also etwas, wozu sie keine Fragen haben, womit sich aber alle sinnvoll und leise beschäftigen können. Wenn jemand dies nicht tut, leise blkeibt und einfach durchatmet und die Arbeit "verdaut", finde ich das auch in Ordnung. Wenn es demjenigen dann langweilig wird, weiß er aber, was zu tun ist. Die Aufgaben zeige ich den Kindern vor der Arbeit (sehr kurz, stets selbsterklärende Aufgaben) und schreibe sie an eine feste (immer die gleiche) Stelle an die Tafel, so dass die Kinder sich nichts im Kopf merken müssen, aber genau wissen, wo sie dann gucken, was nach der Arbeit zu tun ist. Falls doch einer fragt, zeige ich nur stumm auf die Tafel. Es bleibt sehr leise - die Kinder sind es gewohnt, Rücksicht auf die anderen mit Nachteilsausgleich zu nehmen. 3./4. Kl. bis zu 1 Zeitstunde kein Problem und bei dir sind sie ja noch älter!

  • Ich nutze auch meist Ausmalbilder oder weißes Papier zum freien Malen. Damit kann man auch noch Sechstklässler kriegen.


    Es geht für die Kinder ohne NTA also bei jeder Arbeit Lernzeit verloren, weil sie auf die anderen warten müssen?


    Und nein: Ausmalbilder sind für Sechstklässler keine pädagogisch sinnvolle Beschäftigung.

  • Sudokus, Kreuzworträtsel oder kurz Arbeitsblätter die bei angedrohter Hinrichtung schweigend zu bearbeiten sind. Meine Kids malen auch gerne mal ein Bild während sie warten.


    Offen gesagt finde ich es ziemlich fahrlässig, wie hier mit der Lernzeit der Kinder umgegangen wird. Wieso sollten sie "warten" müssen? Es ist Aufgabe der Schule, bzw. der Lehrkraft, das so zu organisieren, dass der Unterricht normal weitergehen kann, wenn die reguläre Prüfungszeit zu Ende ist.

  • Es geht für die Kinder ohne NTA also bei jeder Arbeit Lernzeit verloren, weil sie auf die anderen warten müssen?

    Offen gesagt finde ich es ziemlich fahrlässig, wie hier mit der Lernzeit der Kinder umgegangen wird.

    Hm, ich bin mir nicht sicher, ob ich deutlich machen kann, was ich sagen will. Ich versuche es mal.
    Ich stimme dir eigentlich zu. Wie mit der Lernzeit der Kinder umgegangen wird, ist unverantwortlich und ziemlich fahrlässig. Aber das ist ein generelles Problem, das weit über die Prüfungszeit hinausgeht. Die Kinder verlieren Unmengen an Lernzeit durch Unterrichtausfall, der aufgrund mangelnder Personaldecke unzureichend aufgefangen werden kann (vgl. Thread zu Vertretungkonzepten), durch eine Vielzahl an standardisierten Tests mit zweifelhaftem diagnostischem Wert (Jahrgangsstufentests, VERA etc.) übertriebenem Exkursionswahn einzelner Kollegen, Schulgottesdiensten etc. Die Zeit, die Kinder wegen des NTA damit totschlagen, dass sie Bilder malen, gehört da absolut dazu, ist aber nur Teil einer generellen Einstellung zur Unterrichtszeit, die zum Teil durch das System bedingt wird und deshalb hausgemacht ist. Dieses spezielle Problem gibt es an meiner Schule nicht, da meine Schulleitung uns bei solchen Fällen viel logistische und organisatorische Hilfe zukommen lässt. Das geht sogar so weit, dass wir NTA-Kinder zum Teil im Direktorat weiterschreiben lassen können, wenn sich keine andere Betreuungsmöglichkeit findet. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es auch Schulen gibt, in denen die Kollegen mit solchen Problemen alleine gelassen werden. Dass man dann irgendwann einfach Mandalas austeilt, kann ich nachvollziehen.

    • Offizieller Beitrag

    erst gestern hatte ich bei einer Klassenarbeit ein Kind mit Zeitverlängerung. Als die eigentliche Arbeitszeit um war, habe ich die Klasse gebeten, die Arbeit ohne zu reden bei mir abzugenben, und das Kind mit NTA hat neben mir gewartet. Als ich alle Arbeiten hatte, habe ich das Kind in einen der Ruheräume begleitet, wo es weiterschreiben durfte. Die Klasse war also für 90 Sekunden alleine. Überhaupt kein Problem, doch wie um alles in der Welt das bei 15 Schülern (!!) zeitgleich machen will, ist mir schleierhaft. Bei uns könnte man sie allenfalls ins Lehrerzimmer setzen.....


    kann es denn wirklich sein, dass die Hälfte einer Klasse eine solche Diagnose hat?

  • Ich kann jetzt nur für meine eine Geografiestunde pro Woche sprechen. Da rede ich von vielleicht 5 Minuten mehr Zeit für diese Kinder, da Geoarbeiten in der Grundschule ja noch keine Ewigkeiten gehen. Da wir auch nicht wöchentlich größere Arbeiten schreiben, geht dabei nicht derart viel Lernzeit verloren, wie man vielleicht denken könnte. Es ist auch gar nicht selten, dass die Kinder die zusätzliche Zeit gar nicht brauchen.
    Wir sind eine sehr große Grundschule mit über 600 Kindern. Unsere Räume sind praktisch abgezählt und auf den Fluren ist meist keine Möglichkeit zum Arbeiten. Doppelsteckung ist mehr als selten und auch oft wegen Vertretungen nicht möglich. Also ja, wir sind, wie so viele andere auch, "Systemopfer". Ich verliere aber deutlich mehr Lernzeit durch immer stärker zunehmende Disziplinprobleme/Verhaltenauffälligkeiten, um die ich mich immer und immer wieder kümmern muss. DAS wurmt mich wirklich. Und je mehr "inklusive Kinder" wir bekommen, ohne dass wir überhaupt eine inklusive Schule wären, desto schlimmer wird es. Die Schulleitung tut was sie kann, aber daran können wir an der Basis fast nichts ändern. Somit heißt es einmal mehr "mach das Beste draus".

  • Hat alles super geklappt. Es ist aber auch eine super disziplinierte Klasse. Es ging insgesamt um etwa 7 Minuten mehr Zeit und übrigens brauchten die gar nicht alle, denen die Zeit offiziell zustand. Der Knaller war ein Kind mit einer LRS Diagnose, der in der gesamten Arbeit genau einen Rechtschreibfehler gemacht hat, der auch noch Standard war und für mich nichts mit LRS zu tun hat - aber gut. Das ist sicherlich ein anderes Thema.
    Ich hatte heute den Eindruck, dass die Klassenlehrerin da in puncto soziales Lernen richtig was erreicht hat.


    PS: ich habe auch angeschrieben, was nach der Arbeit zu tun ist. Eine leichte Übung im Buch oder "ausruhen". Das finde ich ok und das hat für mich nach einer Arbeit absolut nichts mit verloren gegangener Lernzeit zu tun. Denn Lernzeit ist so viel mehr als nur Fachliches. Aber das schrieb ich bereits.

  • Zitat von »Indigo1507«
    Sudokus, Kreuzworträtsel oder kurz Arbeitsblätter die bei angedrohter Hinrichtung schweigend zu bearbeiten sind. Meine Kids malen auch gerne mal ein Bild während sie warten.


    Offen gesagt finde ich es ziemlich fahrlässig, wie hier mit der Lernzeit der Kinder umgegangen wird. Wieso sollten sie "warten" müssen? Es ist Aufgabe der Schule, bzw. der Lehrkraft, das so zu organisieren, dass der Unterricht normal weitergehen kann, wenn die reguläre Prüfungszeit zu Ende ist.


    Ok, Scooby, da hst Du recht. Meine Formulierung ist mehr als irreführend. Hier die Klarstellung:
    1. An "meiner" Schule wird darauf Wert gelegt, dass bei Klassenarbeiten Ruhe herrscht bis alle abgegeben haben. Ein Grund dafür ist, dass man sich sonst angreifbar mache wenn die "Langschreiber" sich aufgrund eines steigenden Lärmpegels am Ende schlechter konzentrieren können als die "Kurzschreiber". Dementsprechend wird von uns erwartet, dass wir diese Ruhe herstellen. Auf der anderen Seite ist es bei uns recht schwierig, Kinder mit Nachteilsausgleich woanders zu parken. Ergo müssen wir in der Regel alle Kinder in einem Raum behalten.
    2. Wenn ich eine Doppelstunde habe und für die Nachschreiber in die zweite der beiden Stunden hininschreibe, gebe ich in der Regel Arbeitsblätter, sofern sie an dieser Stelle Sinn machen und selbsterklärend sind. Zu vielen meiner Themen habe ich Material, das diese Anforderungen erfüllt. Bei anderen Themen muss ich halt noch ein wenig basteln. Wenn ich keinen sinnvollen Stillarbeitsauftrag habe, dürfen die Kids auch was malen, ein Sudoku lösen o.Ä. Es sind ja i.d.R. nur 10 Minuten, das kann man dann mal verkraften. Wenn mich nach einer Einzelstunde ein Kollege ablöst, ist es seine Entscheidung, genauso wie ich umgekehrt mein DIng mache, wenn ich beispielsweise die Deutschkollegin ablöse und 10 Minuten meiner Stunde opfere. Ob ich an dieser Stelle fachspezifische Arbeitsblätter anbiete oder etwas ganz anderes, hängt einfach auch davon ab, ob es an dieser Stelle in meiner Reihe sinnvoll ist.
    3. Meist schreibe ich meine Klassenarbeiten am Ende einer Unterrichtseinheit, so dass eigentlich für den Moment alles gelernt und geübt ist. Demnach ist es an der einen oder anderen Stelle schwer, ein sinnvolles Arbeitsblatt einzugeben. Kreuzworträtsel zu Vokabeln gehen immer, sind aber noch nicht für jedes Thema in jeder Klasse vorhanden.
    4. Ich bemerke bei "meinen" Kids, dass sie nach einer Klassenarbeit erstmal recht platt sind. Ob ein didaktisch sinnvolles Arbeitsblatt dann für jeden auch mental Sinn macht, wage ich zu bezweifeln. Es gibt Schüler, die in dieser Situation einfach besser fahren, wenn sie sich mit etwas völlig anderem leise beschäftigen und nach Abgabe aller, einmal Durchlüften, kurz smalltalk halten und dem verspäteten Unterrichtsbeginn wieder "voll da" sind.
    5. Ich biete demnach verschiedene Angebote an und berate vorher ein wenig. Aber es ist für mich ok wenn Schüler nach einer Englischarbeit erstmal kein Englisch sehen wollen. Doof, wenn sie eine Doppelstunde bei mir haben. :P
    6. Meine Erfahrung ist, dass man zu unterrichtsaktuellen Themen problemlos ein Arbeitsblatt oder einen Stillarbeitsauftrag eingeben kann. Die Schüler sind im Thema zumindest soweit drin, dass sie keine inhaltlichen Nachfragen haben. Bei Wiederholungen zu Zeiten beispielsweise taucht doch immer mal wieder ein gewisser Grad an Unsicherheit auf "Herr Indigo, ist die Verneinung von went didn't go oder don't went?" Ich wollte doch aber vermeiden, dass die Schüler sprechen (siehe 1).
    Das war dann die Langfassung meines obigen Beitrags. Ich hoffe, man spricht mich offiziell vom Vorwurf der fahrlässigen Verdummung von Schülern frei. ;)

  • Dass man dann irgendwann einfach Mandalas austeilt, kann ich nachvollziehen.


    Ich auch. Und ich bitte um Entschuldigung, wenn sich jemand durch meine Kritik in eine Verteidigungshaltung gedrückt sieht; so war das nicht gedacht. Was ich kritisiere: Da regnet's offenbar in großen Mengen Gutachten für alle möglichen Förderbedarfe und Nachteilsausgleiche, aber am Ende steht die Lehrkraft mal wieder allein da und soll sich was Schlaues ausdenken, wie die Situation gelöst werden kann. Das kann's doch nicht sein!


    Was mich dann ärgert ist, dass offenbar viele KollegInnen sich in diesem Alleingelassensein arrangieren und Lösungen wie "Mandala malen" als Empfehlung aussprechen. Ich kann voll verstehen, dass das die Ultima Ratio sein kann; grundsätzlich ist es aber eine politische Aufgabe, sowas zu lösen. Und dann muss man halt auch mal Männchen machen und der Schulleitung mitteilen, dass eine Prüfungssitation nur mit zwei Lehrkräften bewältigt werden kann. Gut, nicht bei 7 Minuten Zeitzuschlag; bei mir geht es aber teilweise um Zeiten von einer halben bis zu einer Stunde und das ist dann ohne weitere Lehrkraft nicht zu stemmen. Und wenn die nicht zur Verfügung steht, sollte man seine Bedenken der Schulleitung zumindest mal schriftlich mitteilen...


    Und jetzt haben wir über Inklusion noch gar nicht gesprochen...

  • Auch die Kinder ohne Nachteilsausgleich werden bei mir mit einer Zeitdifferenz von 20 bis 25 Minuten feritg. Die will ich doch nicht jedes Mal warten oder malen lassen. Also bei mir gibts AUfgaben, die jedem klar sind und ich finde es kein Probem, wenn einer nicht direkt damit anfängt, sondern erstmal durchschnauft, solange er eben leise schnauft.

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