Hallo,
ich bin gerade ein wenig ratlos und hoffe, dass ihr mir hier vielleicht helfen könnt.
Ganz kurz zu mir: Ich arbeite an einer Grundschule in NRW. Das Einzugsgebiet würde ich schon als Brennpunkt bezeichnen. Es ist meine erste eigene Klasse und wir befinden uns jetzt im zweiten Schuljahr.
So weit, so gut. Nun das Problem:
Ich habe in diesem Schuljahr ein neues Kind in die Klasse bekommen, welches nun bei mir die zweite Klasse wiederholt. Es konnte nicht lesen oder schreiben und hatte auch in Mathe große Schwierigkeiten sich im Zahlenraum bis 100 zu orientieren. Das Kind kann diese Probleme aber enorm gut verbergen. Wenn man sich mit ihm unterhält, würde man diese Probleme gar nicht glauben wollen. Es kann sich gut ausdrücken, hat ein recht gutes Sachwissen und( was an unserer Schule auch echt selten ist) spricht gutes Deutsch. Wenn es "liest", denkt es sich oft die tollsten Geschichten aus, die zu den Bildern passen könnten. Leider hat es allerdings nie viel mit richtigem Lesen zu tun. Übt man das Lesen an einem bestimmten Text mit ihm, kann er den Text nach kurzer Zeit auswendig und "liest" ihn dann auch vor.
Kurzum das Kind brauchte sehr viel Förderung, die es auch im Rahmen meiner und der schulischen Möglichkeiten bekommen hat. So hatte es wöchentlich 1 Förderstunde Deutsch und Mathe in einer Kleingruppe von 5 Kindern, eine Lesestunde mit einer Lesementoren in Einzelförderung, 1 LRS Stunde in einer Kleingruppe und an zwei Nachmitttagen die Woche für jeweils eine Stunde Lernförderung in Deutsch und Mathe. Selbstverständlich gab es auch im Unterricht verschiedene Differenzierungen für das Kind. Die Fortschritte hielten sich aber in Grenzen und waren nur gering und auch nicht sonderlich nachhaltig. Die Mutter ist zwar bemüht, aber stößt auch schnell an ihre Grenzen. Eine Sonderpädagogin, die an unserer Klasse zur Zeit hospitiert hat dann auch auf Wunsch der Mutter einen IQ-Test durchgeführt und dabei stellte sie einen IQ von 83 fest, was wohl einer Lernbehinderung entspricht.
Als abzusehen war, dass das Kind auch in diesem Jahr die Ziele des zweiten Schuljahres nicht erreichen wird, habe ich mich mit der SL zusammengesetzt und über ein AOSF gesprochen. Da ich so etwas bisher noch nie eröffnet habe, benötigte ich einige Hilfen von ihr. So sagte sie mir auch, dass es eine Frist gäbe, das Schulamt diese aber nicht so genau nehmen würde und wir noch etwas Zeit hätten.
Als ich es dann geschrieben hatte und auch die Mutter darüber informiert war, legte ich es der SL vor. Diese hat dann mit dem Schulamt telefoniert, welches zurückmeldete dass es nun viel zu spät dafür sei.
Das teilte mir die SL am Dienstag mit. Darüber habe ich mich natürlich geärgert, denn nun war die ganze Arbeit umsonst. Gestern sagte mir die SL, dass sie noch einmal mit dem Zuständigen telefoniert habe und wir das AOSF nun doch noch einreichen könnten. Es muss allerdings so schnell wie möglich zum Schulamt kommen. Am besten schon am Montag. Vorher muss jedoch noch einmal die Mutter informiert werden und ich soll den Förderort angeben. Bisher sind wir noch keine GL / GU Schule.
Die SL hätte gerne, dass das Kind bei uns bleibt. Sie meint, dass wir über kurz oder lang ja eh eine GL-Schule werden und wir dann ja eh "solche Kinder" haben. Jetzt könnte man das Ganze recht entspannt mit nur einem LB-Kind angehen.
Es wird aber wohl so sein, dass wir (sollte das AOSF durchgehen und das Kind wirklich bei uns bleiben) keine bis sehr wenig Unterstützung durch einen Sonderpädagogen bekommen, da dies das einzige I-Kind an unserer Schule wäre. Das würde bedeutet, dass ich das Kind nach dem Lehrplan der Förderschule unterrichte und auch ein anderes Zeugnis für das Kind schreiben werde, aber keinerlei sonstige Unterstützung bekomme???
Ist das wirklich die Realität?
Ich habe das AOSF ja geschrieben, weil meine Fördermöglichkeiten ja ausgeschöpft sind und das Kind nicht genügend Lernfortschritte zeigt. Wenn es nun aber an unserer Schule bleibt, bekommt es "nur" den anderen Lehrplan der sich wahrscheinlich in einer Klasse mit 25 Kindern und 0 Stunden Teambesetzung nur schwer umsetzen lässt, oder?
Natürlich denke ich immer an das Wohl des Kindes und frage mich, was wohl das Beste für es wäre.
Es ist beliebt in der Klasse, fand sehr schnell Anschluss und hat auch keine großen Probleme damit, dass es nicht die gleichen Dinge machen kann wie die anderen Kinder.
Auf der anderen Seite stehen die geringen Lernfortschritte. Da denke ich ganz klar, dass es an einer Förder- oder GL- Schule besser aufgehoben ist, weil man dort einfach viel besser auf seine Bedürfnisse eingehen kann. Ich bin nunmal kein ausgebildeter Sonderpädagoge und in einer Klasse mit 25-27 Kindern bleibt mir am Tag kaum Zeit mich intensiv mit ihm zu beschäftigen, zumal ich noch nichtmal alle Hauptfächer in der Klasse unterrichte. Die SL meinte, dass die Klassen in den GL-Schulen teilweise noch größer wären. Aber dafür gibt es ja auch noch die Sonderpädagogen, die (wenn auch nur für ein paar Stunden) da sind.
Was würdet ihr der Mutter nun am Montag raten. Sie würde das Kind gerne an unserer Schule lassen (ich glaube nur weil es für sie die bequemste Möglichkeit ist), dies geht aber nur wenn ich mich ausdrücklich dazu bereit erkläre, da wir offiziell noch keine GL-Schule sind. Die SL möchte das Kind auch gerne an unserer Schule behalten, aber ich finde es irgendwie nicht richtig, das ganze auf meinem und den Rücken des Kindes zu lasten, wenn es keinerlei weitere Unterstützung gibt.
Über Antworten würde ich mich sehr freuen.