Promovieren als Lehrer


  • Äh, WTF? ich habe ja schon manche Attribute die gängige Didaktik betreffend gehört, aber "neoliberal" ist ein Novum.



    Schreib doch erst mal deine Diss zu Ende, bevor du über irgendeine universitäre Tätigkeit nachdenkst.


    Nele


    Genau das letztere habe ich auch jetzt vor. Und glaub mir, ich weiß genau, wie hart das wird neben Schule und wie viel Disziplin dafür nötig ist. Zu "neoliberal": ist dir noch nie aufgefallen, dass die ganzen Termini von wegen z.B. "Kompetenzen", die in den Studienseminaren als Lernziele gepredigt werden, aus der neoliberalen Ecke stammen, die Menschen quasi passgerecht aufteilt und vierteilt, um sie für die Wirtschaft kompatibel zu machen ? Ich teile dieses Denken, das hinter diesem Bildungsbegriff steht, ganz und gar nicht !

    Bildung ist nicht das Befüllen von Fässern, sondern das Entzünden von Flammen. (Heraklit)

  • An meiner Uni hatten (haben) wir im Bereich Fachdidaktik Philosophie auch einen abgeordneten Lehrer. Dieser hatte aber noch keine abgeschlossene Dissertation, sondern schrieb (bzw. schreibt) sie eben gerade jetzt, wo er an der Uni ist. Es geht also definitiv auch ohne Doktortitel. Wie genau er an die Stelle gekommen ist weiß ich aber nicht, nur dass der Fachdidaktik-Prof (an dessen Lehrstuhl er arbeitet) sehr daran interessiert ist den Bereich Philosophie-Fachdidaktik in Deutschland zu stärken/ auszubauen und ein ganz toller Mensch ist. Eventuell könntest du mal vorsichtig bei ihm anfragen, ob er dir Hinweise geben könnte, wie dir ein (befristeter) Wechsel an die Uni gelingen könnte. Bei Interesse kann ich dir den Namen per PN schicken - aber versprechen möchte ich natürlich nichts, denn ein Berufsberater ist er natürlich nicht.



    Danke für die hilfreiche Antwort. Das Problem ist, dass ich gar nicht so große Lust auf Fachdidaktik habe, ich würde im Bereich Philosophie lieber inhaltlich arbeiten ohne dieses Pädagogik-Gedöns. Muss man, wenn man Fachdidaktik an der Uni gibt, sich eigentlich nur mit der pädagogischen Vermittlung beschäftigen oder kann man beides machen: Inhalt und Pädagogik ?


    Besagter abgeordneter Lehrer hat immer Inhalte mit Didaktik verknüpft, also "Inhalt X" besprochen und im Anschluss die Fragen "warum sollte/wie kann man Inhalt X in der Schule behandeln?" thematisiert. Allerdings waren diese Inhalte ziemlich basal - Schulthemen eben, kein Stoff wie in den fachwissenschaftlichen Seminaren. Dass es das ist, was du dir wünschst, wage ich zu bezweifeln. Wenn es dir wirklich um ein anspruchsvolleres (fachwissenschaftliches) Niveau geht, wäre der Weg in die Fachdidaktik für dich wohl der falsche.

    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

  • Eventuell könntest du mal vorsichtig bei ihm anfragen, ob er dir Hinweise geben könnte, wie dir ein (befristeter) Wechsel an die Uni gelingen könnte.

    Was ich ein großzügiges Angebot finde!


    Ich denke auch, dass es sinnvoller ist, sich mit Leuten zu unterhalten, die bereits an der Uni arbeiten. Erstens hättest du konkrete Antworten von Menschen, die den Weg geschafft haben und zweitens finde ich persönlich, dass ein Lehrerforum kein geeigneter Ort ist, zu erzählen, dass Lehrer bieder und geistlos sind und du Schüler für Pappnasen hältst.


    (Tip noch, bevor du dich an die Uni wendest: vorher die grundlegenden Grundlagen nachlesen, was eine Abordnung ist und wo man Stellenanzeigen findet z.B. Kommt geistreicher ;) ).


    Viel Erfolg!

  • An meiner Uni hatten (haben) wir im Bereich Fachdidaktik Philosophie auch einen abgeordneten Lehrer. Dieser hatte aber noch keine abgeschlossene Dissertation, sondern schrieb (bzw. schreibt) sie eben gerade jetzt, wo er an der Uni ist. Es geht also definitiv auch ohne Doktortitel. Wie genau er an die Stelle gekommen ist weiß ich aber nicht, nur dass der Fachdidaktik-Prof (an dessen Lehrstuhl er arbeitet) sehr daran interessiert ist den Bereich Philosophie-Fachdidaktik in Deutschland zu stärken/ auszubauen und ein ganz toller Mensch ist. Eventuell könntest du mal vorsichtig bei ihm anfragen, ob er dir Hinweise geben könnte, wie dir ein (befristeter) Wechsel an die Uni gelingen könnte. Bei Interesse kann ich dir den Namen per PN schicken - aber versprechen möchte ich natürlich nichts, denn ein Berufsberater ist er natürlich nicht.



    Besagter abgeordneter Lehrer hat immer Inhalte mit Didaktik verknüpft, also "Inhalt X" besprochen und im Anschluss die Fragen "warum sollte/wie kann man Inhalt X in der Schule behandeln?" thematisiert. Allerdings waren diese Inhalte ziemlich basal - Schulthemen eben, kein Stoff wie in den fachwissenschaftlichen Seminaren. Dass es das ist, was du dir wünschst, wage ich zu bezweifeln. Wenn es dir wirklich um ein anspruchsvolleres (fachwissenschaftliches) Niveau geht, wäre der Weg in die Fachdidaktik für dich wohl der falsche.


    Das klingt sehr interessant, was du berichtest - Inhalte mit Didaktik verknüpfen wäre schon mein Ding ... komme gerne vielleicht später auf dich zu. Vielen Dank, macht Mut !

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  • Na ja, ein Lehrerforum ist auch nicht dazu da, die Dinge schön zu reden. Und jeder, der wie ich an einer Brennpunktschule arbeitet, weiß, wovon ich spreche. Und ein Lehrerforum sollte auch dazu da sein, dass man hier mal dumme Fragen stellen kann. Deswegen bin ich kein Hirni.

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  • Die Frage, wieso du denn in die Fachdidaktik willst, bleibt offen.
    Wenn es also mit der Fachwissenschaft nicht klappt - und dass eine solche Anstellung zu finden fast unmöglich ist, scheint hier ja Konsens zu sein -, wieso willst du dann in die Fachdidaktik? Nur, um an der Uni zu arbeiten? Du hast Pädagogik hier als "Gedöns" beschrieben und klar herausgestellt, dass das für dich schon eine Überwindung wäre, eine solche Stelle anzunehmen...was sind also deine Beweggründe, dir dies trotzdem als Ziel zu stecken?
    Sorry, ich glaube dir gern, dass du Praktikerin durch und durch bist - aber das macht dich imho noch nicht zu einer guten Fachdidaktikerin an einer Uni, vor allem wenn man deine Grundeinstellung im Hinterkopf hat. Natürlich werden dort Inhalt und Didaktik verbunden - im Normalfall sollte der Inhalt aber nur dazu dienen, dass deine Seminare etc. nicht nur reines Trockenschwimmen sind. Der Fokus muss ganz klar darauf liegen, wie man diese Inhalte im Unterricht vermitteln kann. Dafür solltest du nicht nur fachdidaktische Kenntnisse in der Praxis (die du ja deiner Aussage nach zur Genüge hast), sondern auch in der Theorie haben - eine theoretische Fundierung sollte gerade an universitären Kursen sehr wichtig sein. Die eigentliche praktische Ausbildung findet erst im Ref und an den Studienseminaren statt, als Fachdidaktikerin an der Uni ist es deine Aufgabe, die Basics zu vermitteln an auch nicht immer unbedingt super interessierte Studierende. Und neben den einschlägigen fachdidaktischen Theorien solltest du dich auch in der Allgemeindidaktik, auch theoretisch, sehr auskennen - und je nachdem, wann du ausgebildet wurdest, kann sich da auch schon eine ganze Menge getan haben.
    Die Fachwissenschaft ist hier also eher Mittel zum Zeck - die Studierenden dürfen natürlich nichts Falsches behaupten, aber du hast dich "nur" darum zu kümmern, dass sie es schaffen, aus Gegenständen Themen für den Unterricht zu machen - und dann dazu noch eine sinnvolle Reihe/Stunde zu planen.
    Wenn du bisher nicht fachdidaktisch gearbeitet hast (jetzt nur auf die Theorie bezogen), ist fraglich, ob du das notwendige Wissen hast, eine gute Fachdidaktikerin zu sein - eine solche muss beides können: Theorie UND Praxis, nicht nur Praxis.
    Ich will dir hier nicht unterstellen, dass du das nicht kannst, aber für mich lassen sich deine Beiträge eher nicht so lesen, als hättest du dich in den letzten Jahren sonderlich für die Fachdidaktik an sich interessiert.
    Und von daher frage ich mich weiterhin, was dich in die Fachdidaktik treibt, wenn es nicht die Fachdidaktik ist? Und dass sie es nicht ist, davon kann ich durch deine Aussagen hier jawohl ausgehen. Geht es also nur darum, an einer Universität zu lehren?
    Vielleicht solltest du dann lieber für dich selbst den Lehrerberuf an sich etwas aufwerten und nicht als schlechtere Version universitärer Lehre ansehen, sondern, gerade auch in den Brennpunken, in denen du wohl arbeitest oder gearbeitet hast, als anspruchsvolle, herausfordernde Tätigkeit, die in ihrem Wert der an einer Universität doch in nichts nachsteht - insbesondere, wenn man das, was man an der Uni machen würde, eigentlich gar nicht machen will.
    Ich weigere mich auch einfach mal zu glauben, dass jemand wie du, die die Fachdidaktik nur als Ersatz für die nicht erreichbare fachwissenschaftliche Arbeit ansieht, jemals so gut in diesem Job sein kann wie jemand, der das mit vollem Herz macht, für den die Fachdidaktik nicht der saure Apfel ist, in den er beißen muss, sondern die Erfüllung seines Jobtraums.


    Nachtrag: Das ist alles nicht böse gemeint: Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass die Uni entweder ein lange gehegter Traum von dir ist oder du schlichtweg noch nicht so richtig weißt, was am Ende genau das ist, was du tun willst - du bist ja schon sehr unterschiedliche Tätigkeiten nachgegangen, wie man deinen Beiträgen hier entnehmen kann. Lässt dich ja vielleicht eine gewisse Ziellosigkeit diagnostizieren? Auch das: Nicht böse, nur ging es mir genauso. Nach der Schule wusste ich nicht so wirklich, was ich machen will und habe mich schließlich für das Lehramtstudium entschieden. Dann wollte ich auch lange Zeit lieber promovieren und an der Uni bleiben, als in die Schule zu gehen. Mittlerweile hat sich das geändert und die Fachdidaktik macht mir mindestens genauso viel Spaß wie viele fachwissenschaftliche Fragen, in gewissen Teilbereichen sogar mehr. Für mich ist daher mittlerweile klar, dass es in die Schule geht - und darauf und darüber freue ich mich auch. Nur kann ich gut nachvollziehen, wie es ist, wenn man nicht sicher ist, was das eigentliche Ziel ist. Sollte (!) dem so sein, und das weißt am Ende sowieso nur du, dann ist es auch mehr als fraglich, ob du auf einer fachdidaktischen Stelle glücklicher wirst als in der Schule - denn auch das ist ja nicht das, was du wirklich willst.

  • Ich halte es für keine gute Idee, wenn jemand, der Schüler öffentlich als "tumbe (!) Pappnasen" bezeichnet, angehende Lehrer ausbilden soll. Und wenn er noch so viel Praxiserfahrung hat. Schon Kurt Tucholsky wusste: "Man kann seine Sache auch 20 Jahre lang falsch machen."

  • An solche Lehrer kann ich mich noch erinnern- aus meiner eigenen Schulzeit. Lehrer, die sich eigentlich zu Höherem berufen fühlten und für die wir Schüler eben, tja, das tumbe Schulpöbelvolk waren. Die uns das auch immer spüren ließen, weswegen man sich mit dem Unterrichten natürlich auch besonders wenig Mühe geben musste. Ob du auch dazu gehörst, C.B., will ich dir natürlich nicht unterstellen. Wenn man aber von den Bedingungen der Arbeit an einer Uni so derartig wenig Plan hat außer dass man da unbedingt hin muss, finde ich das schon....irgendwie traurig :( Hoffe, vom Unterrichten weißt du mehr.

  • Dumme Fragen kann man natürlich stellen; aber ob man mit einem breiten Pinselstrich Schüler als "tumbe Pappnasen" und Lehrer als "nett aber geistlos" malen sollte, wenn die eigenen Fragen ein wenig den Eindruck einer - wie soll man sagen? - generell uninformierten und unbeholfenen Naivität machen, weiß ich nicht so wirklich...


    Nele


    P.S. Hättest du tatsächlich Zeit in einem Universitätsinstitut verbracht, würde das auch deine Vorstellungen vom sprühenden Esprit und dem geistreichen Austausch unter waschechten Akademikern in den Geisteswissenschaften relativieren.

    Einmal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • ...es gibt viele, sehr viele nette, geistlose lehrer. es gibt aber auch durchaus tolle kollegien, wo die leute nicht durch die bank ständig erzählen, dass sie "ihr examen nicht mehr gebraucht haben" im schuldienst und andersrum die fachlich fitteren nicht ständig das gefühl haben "an der schule zu versauern".

  • [...] wo die leute nicht durch die bank ständig erzählen, dass sie "ihr examen nicht mehr gebraucht haben" im schuldienst [...]

    Bei solchen Kollegen habe ich immer das Gefühl, dass mal gar nichts verstanden haben. Zumindest fachlich kann ich sie dann auch nicht mehr ernst nehmen!

  • Nur um sagen zu können, dass du an der Uni unterrichtest?

    So manchem dürfte das reichen. So nebenbei beim Küchengespräch auf der Party fallengelassen, macht das schon was her.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Der Thread scheint seinem Ende zuzueilen, deshalb vielleicht zum Abschluss ein Beispiel aus der Praxis:


    Ein Freund von mir ist habilitierter Politikwissenschaftler. Nach der Habilitation hat er sich nach etlichen anderen Stationen mit einer Aushilfsstelle am Gymnasium durchgeschlagen, wo er vier Jahre Sozialkunde unterrichtet hat und dafür fürstlich mit E 11 entlohnt wurde (wegen fehlenden Staatsexamens). Während dieser Zeit hat er sich natürlich auf alle möglichen Uni-Stellen beworben und ist jetzt seit ein paar Jahren an einer NRW-Uni (250 km von seiner Familie entfernt) in der Fachdidaktik tätig, wo er - Wunder! - eine A 13-Stelle ergattern konnte. Der Mann ist aber mehr als zehn Jahre jünger als die TE, und dass die Fachdidaktik nicht sein Lebenstraum war, ist auch klar. Genauso wie die Tatsache, dass er sich auf eine Professur kaum noch Hoffnungen zu machen braucht.



    Viele Grüße
    Fossi

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • ...und solche geschichten sind in der forschung die regel, nicht die ausnahme. wenn man sich irgendeinen anderen job als forschung vorstellen kann: machen.

  • Übrigens kann man intellektuelle Befriedigung auch außerhalb der Schule finden. Ich für meinen Teil schreibe literarisch und lerne sehr viel bzw. bilde mich sehr viel im IT-Bereich fort. Also in einer ganz anderen Sparte als in meinem originären Fachgebiet. Von stetigem Lernen im allgemein naturwissenschaftlichen Bereich mal abgesehen. Selbstredend hat das wiederum positive Auswirkung auf meine Arbeit als Lehrer - auch, wenn das nicht die eigentliche Motivation ist. Der Lehrerberuf ist da nicht schlecht - wenn man sich gut organisiert, hat man die Luft, eigenen Interessen nachzugehen, und das Geld für die Brötchen ist gesichert.


    Die Inhalte der Schulbildung, auch in der Sek II im Leistungskurs, sind bestenfalls trivial. Andererseits muss ich natürlich sagen, dass ich kontinuierlich in meinem Unterricht aus meiner gesamten fachwissenschaftlichen Bildung schöpfe - denn selbstredend organisiere ich Unterrichtsinhalte, Unterrichtsstruktur und das konkrete Unterrichtsvorgehen anhand wissenschaftstheoretischer Prinzipien; selbst wenn ich nichts von dem universitären didaktischen Geplappere halte. Deshalb empfinde ich auch das Unterrichten als eine sehr befriedigende Angelegenheit. Ich habe einen Draht zu meinen Schülern, ich kann ihnen spannende Dinge über Sprache und die Vergangenheit erzählen, genau so wie über das rational kritische Denken, und ich erhalte ein konkretes Feedback, dass meine Schüler das auch begrüßen und interessant finden. ich stehe als Lehrer für die Inhalte meines Unterrichts. Das ist die Grundvoraussetzung für Schule als funktionierende Bildungsvermittlung.


    Wenn ich Schule und Unterrichten Scheiße finde und sowohl meine Schüler als auch meine Kollegen verachte (ich persönlich habe übrigens ganz regelmäßg unglaublich spannende Gespräche mit Kollegen, von denen ich viel über deren Fachgebiete lerne), wenn ich also meine Umgebung verachte, dann kann ich natürlich kein guter Lehrer sein. Und erst recht habe ich dann nichts an der Uni als didaktischer Lehrer für Lehramtsstudenten zu tun. Schlechte Didaktiker, die aus der Schule geflohen sind, gibt es ohnehin zu viele. Schlimm genug, wenn die in der Schule wirken, als potenzielle Multiplikatoren muss man die auf jeden Fall aus der Universität fernhalten.


    Nele

    2 Mal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • selbst wenn ich nichts von dem universitären didaktischen Geplappere halte.


    Ich glaube (und hoffe), dass sich da in den letzten Jahren einiges getan hat. Ich weiß ja nicht, wie weit die universitäre Ausbildung bei dir zurückliegt, aber heutzutage wird schon versucht, möglichst praxisnah zu arbeiten. Natürlich stehen sich theoretischer Anspruch und praktische Umsetzungsmöglichkeit mitunter fast unvereinbar gegenüber (insbesondere, wenn ein Lehrer relativ festgefahren und Neuem gegenüber nicht so offen ist - und Neues ist ja nicht immer unbedingt besser oder schlechter, sondern manchmal eben schlichtweg neu). Damit wird man leben müssen, weil es doch auch einfach unterschiedliche Lehr- und Lerntypen gibt und nicht jeder didaktische Zugang für jeden passend ist.
    Einfach nur geplappert wird heutzutage also bestenfalls nicht, sondern es soll eine theoretische Basis geschaffen werden, auf die die Studierenden in Praktika/Praxissemester und später im Referendariat dann aufbauen können sollen.
    Ich halte das auch nicht für sinnlos, weil man so einigermaßen objektive Vorschläge hat, wie man Unterricht gestalten etc. kann - das könnte einem helfen, seinen eigenen Unterricht einmal selbst kritisch zu hinterfragen. Und das sollte imho jeder irgendwann mal tun.


    Ich glaube, dieses Geplappere, wenn es das heute noch gibt, kommt dann auch eher von den gescheiterten Praktikern, die aus der Not heraus Fachdidaktiker geworden sind - von daher bin ich mit dir ganz auf einer Linie, wenn es darum geht, dass diese Menschen als Didaktiker nichts an der Uni verloren haben.

  • Hilbert Meyers Ertrag jahrzehntelanger Forschung, die Prinzipien des "was ist guter Unterricht", ist von 2004 und eine völlige Umkehrung seines vorherigen Denkens. (Was daran liegt, dass er endlich mal empirische anstatt ideologische Methoden angewandt hat.) Diese Prinzipien sind für jeden Praktiker mit mehr als zwei Jahren Berufserfahrung völlig banal und nicht weniger erbauend als die Vorstellung, dass man bei Regen nass wird.


    Ja. Universitäre Didaktik ist weiterhin inhaltsleeres Geplapper von Amateuren ohne praktische Erfahrung, die dem Steuerzahler auf der Tasche liegen.


    Nele

  • Es ist ja schön, dass diese Erkenntnisse für Praktiker mit Berufserfahrung banal sein sollen - Studierende sind aber eben noch keine Praktiker mit Berufserfahrung...was willst du denn in fachdidaktischen Modulen an der Uni anderes vermitteln als so etwas? Es ist doch sicherlich sinnvoll, wenn man diese Prinzipien schon im Studium kennenlernt und dann seine praktischen Anfangsversuche darauf aufbauen kann.


    Nein, universitäre Didaktik ist kein inhaltsleeres Geplapper, sondern ein erster und notwendiger Schritt, die Inhalte des Faches mit didaktischem Wissen zu verbinden, damit auch Referendare nicht mehr nur Fachidioten sind, sondern zumindest eine kleine Basis fachdidaktischen Wissens haben. Es wäre erschreckend, wenn auf didaktische Inhalte in einem Studiengang, der Lehrer/innen ausbilden soll, verzichtet wird. Und mit dem mittlerweile eingeführten Praxissemester wurde der Versuch gestaltet, auch das Studium schon praxisnäher zu gestalten (und gleichzeitig Geld zu sparen, weil damit ein halbes Jahr aus dem Ref schön in die Uni verlegt werden konnte).


    Und wie gesagt, da scheint sich einiges geändert zu haben, weil es zumindest an meiner Uni viele abgeordnete Lehrer/innen gibt, die durchaus praktische Erfahrung haben.



    Aber gut, wir müssen uns bei dieser Frage ja auch nicht einig sein :).

  • Und wie gesagt, da scheint sich einiges geändert zu haben, weil es zumindest an meiner Uni viele abgeordnete Lehrer/innen gibt, die durchaus praktische Erfahrung haben.


    Das ist natürlich ein Schritt in die richtige Richtung. Wer sonst sollte den Praxisbezug gewähleisten außer den Praktikern. Gleichzeitig eröffnet sich dort ein anderes Problem, v.a. in Bezug auf das universitäre Selbstverständnis. Auch das wurde schon oben beschrieben:

    Sorry, ich glaube dir gern, dass du Praktikerin durch und durch bist - aber das macht dich imho noch nicht zu einer guten Fachdidaktikerin an einer Uni, vor allem wenn man deine Grundeinstellung im Hinterkopf hat. Natürlich werden dort Inhalt und Didaktik verbunden - im Normalfall sollte der Inhalt aber nur dazu dienen, dass deine Seminare etc. nicht nur reines Trockenschwimmen sind. Der Fokus muss ganz klar darauf liegen, wie man diese Inhalte im Unterricht vermitteln kann. Dafür solltest du nicht nur fachdidaktische Kenntnisse in der Praxis (die du ja deiner Aussage nach zur Genüge hast), sondern auch in der Theorie haben - eine theoretische Fundierung sollte gerade an universitären Kursen sehr wichtig sein. Die eigentliche praktische Ausbildung findet erst im Ref und an den Studienseminaren statt, als Fachdidaktikerin an der Uni ist es deine Aufgabe, die Basics zu vermitteln an auch nicht immer unbedingt super interessierte Studierende. Und neben den einschlägigen fachdidaktischen Theorien solltest du dich auch in der Allgemeindidaktik, auch theoretisch, sehr auskennen - und je nachdem, wann du ausgebildet wurdest, kann sich da auch schon eine ganze Menge getan haben.

    Dieser Spagat aus Praxisanspruch und theoretischem, wissenschaftlichem Unterbau kann eigentlich nur eine durchdachte Mischung aus Theoretikern und Praktikern geleistet werden. Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, dass die Studierenden mit beiden "Gruppen" in Kontakt kommen können.


    Ich für meinen Teil habe seit ein paar Jahren richtig Spaß an der Didaktik, nachdem ich sie als Student nur als lästiges Beiwerk wahrgenommen habe. Ich habe deshalb auch schon überlegt, mich in Richtung Uni zu orientieren. Neben den ungünstigen Rahmenbedingunen (Abordnung quasi unmöglich; Lehrauftrag inakzeptabel) bin ich ich zu dem Schluss gekommen, dass ich mit meinem Hintergrund dem wissenschaftlichen Anspruch einer universitären theoretischen Ausbildung nicht gerecht werden würde.
    Seitdem konzentriere ich mich auch die Referendarsausbildung und auf die Betreuung von Prakitkanten. Dort kann ich mein neues didaktisch-methodisches Interesse ausleben, und zwar im Austausch mit den Refs/Praktikanten und deren Ideen/Input, ohne mich zu sehr mit der Wissenschaft und der Theorie belasten zu müssen. Für mich hat sich das als die sinnvollste Orientierung erwiesen.

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