Elternwille bei der Wahl der Schulart

  • In HH ist Elternwille angesagt, Schulen die noch freie Plätze haben, müssen aufnehmen. Bei uns gehen Kinder mit 5 in Deutsch und 5 in Mathe zum Gymnasium... Unfassbar...

  • Es läuft in NRW auf ein zweigliedriges Schulsystem hinaus: Gymnasien und Gesamtschulen. Die Sekundarschule scheitert gerade an mehreren Orten und wird dort zur Gesamtschule ausgebaut. Eltern akzeptieren inzwischen keine Schule ohne Gymnasiale Oberstufe mehr.
    Für die Gesamtschulen bedeutet das, hart um Kinder mit uneingeschränkter Gymnasialempfehlung kämpfen zu müssen, um nicht zur Sekundarschule mit Alibi-Oberstufe zu werden.


    An dem Ort, in dem meine Gesamtschule liegt, hat man einfach die Hauptschule geschlossen, ohne für Ersatz zu sorgen. Und nun bemerkt das Schulamt, dass sie nicht wissen, wohin mit all den Schülern mit Hauptschulempfehlung. :autsch:

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.


  • Weil ja auch jede allgemeine Hochschulreife, die nicht auf einem "echtem Gymnasium" erworben wurde, vollkommen wertlos ist... :wacko:


    Nele



    Ich verstehe das anders, er/sie meint, dass das Problem die Schülerzahlen sind. Also effektiv in der Sek 1 eine Sekundarstufe mit ein paar Schülern in der Oberstufe.

  • Weil ja auch jede allgemeine Hochschulreife, die nicht auf einem "echtem Gymnasium" erworben wurde, vollkommen wertlos ist... :wacko:


    Nele

    Na ja, fairerweise muss man sagen, dass ein Abi am Gymnasium MEISTENS (zumindest in NRW) schon anspruchsvoller ist, als an der Gesamtschule.
    Wenn ich an meine eigene Schulzeit (besonders Oberstufenzeit) am Gymnasium zurück denke, waren da einige SuS, die es bei uns nicht gepackt haben, in vielen Fächern 5 oder schlechter standen, dann zur Gesamtschule gewechselt haben und problemlos ein gutes Abi geschafft haben. Das gab mir schon damal zu denken.


    Jetzt kann man in NRW natürlich herrlich mit dem Zentralabi argumentieren. Wisst ihr, was an "meiner" Gesamtschule passiert ist, nachdem das Zentralabi eingeführt wurde? Im ersten Jahrgang waren maximal eine Hand voll SuS dabei, die nicht wegen einer Abweichung nach UNTEN in die Nachprüfung mussten. Viele nicht nur in einem, sondern in allen drei schriftlichen Fächern. Die mündlchen Nachprüfungen liefen und laufen seeehr wohlwollend, weil man ja nicht plötzlich so viele Drchfaller haben darf. Ich erinnere mich an Gespräche diesbezüglich im LZ, von denen ich mir gewünscht hätte, sie nicht mitbekommen zu haben...


    Das lässt sich doch nicht einfach weg diskutieren. Sicher ist es nicht an allen Gesamtschulen (oder anderen Bildungsinstitutionen, an denen man das Abi erwerben kann) so, aber dennoch auf vielen, denn die gleiche Erfahrung wie ich haben Kollegen an anderen Gesamtschulen ebenfalls gemacht.


    Ich bin keinesfalls ein Befürworter des gegliederten Schulsystems. Wenn es mir nach ginge, gäbe es eine Gesamtschule bis zur 10 Klasse und keine andere Schulform mehr daneben. Dann würde sich die leiddige Diskussion um die Wertigkeit des Abiturs von alleine erledigen und tatsächlich nur die Besten jeden Jahrangs dazu zugelassen.
    Kinder nach der vierten Klasse zu selektieren ist absoluter Wahnsinn und die Erfahrung zeigt, dass es immer wieder Kinder gibt, die das Abi trotz anderer/schlechter Prognose nach der 4. Klasse schaffen. Von den 25 SuS, die in der 11. Klasse zu uns ans Gymnasium gekommen sind, waren 22 Realschüler und drei Hauptschüler. Davon haben nur sieben mit uns das Abi geschafft, darunter alle drei(!) ehemaligen Hauptschüler.


    Ich kann die Eltern durchaus verstehen, ihr Kind nicht an eine Hauptschule geben zu wollen (würde ich auch nicht wollen). Nicht, weil ich denke, dass dort schlechte Arbeit geleistet wird (im Gegenteil), sondern weil es heutzutage den völligen sozialen Abstieg bedeutet. In den meisten Bundesländern gibt es ja Alternativen. Bei allen Überlegungen muss man den Eltern aber schon klar machen, dass sie in ihren Überlegungen realistisch bleiben müssen.

  • In Baden-Württemberg entscheiden die Eltern - nach einer Beratung durch den Klassenlehrer - darüber, welche Schulart ihr Kind nach der Grundschule besuchen soll.


    Anekdote aus dem Beratungsverfahren:
    Lehrer: "Ihre Tochter steht in fast allen Fächern auf der Note 5. Ich empfehle Ihnen daher, das Kind an der Hauptschule anzumelden"
    Mutter:"Nein. Meine Tochter geht auf das Gymnasium. Ob sie am Gymnasium oder auf der Hauptschule 5er schreibt, ist egal. Aber dann schreibt sie sie die 5er wenigstens am Gymnasium."


    Dagegen ist kaum ein Argument zu finden. :autsch:

    Es ist ja auch kein Argument zu finden, gegen das, was der Lehrer gesagt hat. Wenn ein Kind nach 4 (!) Jahren in allen Fächern auf 5 steht ist wohl auch die letzten Jahre was falsch gelaufen.
    Was soll die Hauptschule jetzt noch reißen? Die Hauptschule soll die Kinder auf eine Berufsreife vorbereiten. Ein Kind, was entweder gar nichts kapiert oder (wahrscheinlicher) noch weitere Verhaltens- und Motivationsprobleme voweist, ist auch für die Hauptschule nicht reif.


    Das ist eben genau das Problem, warum Hauptschulen so konfliktbelastet und unbeliebt sind, weil sie das Sammelbecken für Problemfälle ist. Frage mich, wie sich der Grundschullehrer das gedacht hat, er sollte mehr Argumente FÜR (eine bestimmte) Hauptschule haben, als "ihr Kind ist grottenschlecht und zu doof fürs Gymnasium".

  • Da hätte schon längst eine sonderpädagogische Förderung bzw. entsprechendes Verfahren (je nach Bundesland) eingeleitet werden müssen. Wenn das Ende der 4. Klasse so unbekümmert hingenommen wird, finde ich das etwas dubios.

  • Es ist ja auch kein Argument zu finden, gegen das, was der Lehrer gesagt hat. Wenn ein Kind nach 4 (!) Jahren in allen Fächern auf 5 steht ist wohl auch die letzten Jahre was falsch gelaufen.
    Was soll die Hauptschule jetzt noch reißen? Die Hauptschule soll die Kinder auf eine Berufsreife vorbereiten. Ein Kind, was entweder gar nichts kapiert oder (wahrscheinlicher) noch weitere Verhaltens- und Motivationsprobleme voweist, ist auch für die Hauptschule nicht reif.


    Als Hauptschullehrer muss ich dir entgegenschleudern: Das ist unser täglich Brot - und wir schaffen das in der Mehrzahl der Fälle. Wir haben einen ziemlichen Anteil von Kindern, die verhaltensgestörte Eltern haben (siehe Eingangspost). Die Selektion in Klasse 4 ist eine unselige Einrichtung, die schon oft genug von einer gleichschrittingen Entwicklung der Kinder ausgeht.
    Als Hauptschullehrer bauen wir in Klasse 5 das Ego der Kinder wieder auf und schließen Defizite, die in Klasse 3 und 4 durch das Tempo entstanden sind. Dadurch lassen sich einige Verhaltens- und Motivationsprobleme beheben. Dass diese in Klasse 8 und 9 wieder aufbrechen, liegt jedoch nicht an der Hauptschule - in dieser Altersstufe ist das nicht schulartspezifisch, sondern nennt sich Pubertät.


    Leider sind die kleinen, überschaubaren wohnortnahen Hauptschulen wegen des Schülerrückgangs finanziell nicht mehr zu halten.
    Die wirklichen Probleme stehen uns erst bevor - sobald es nur noch große Schulzentren mit anonymem Massenbetrieb gibt. Darin liegt m.E. das Hauptproblem der Gesamtschulen.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • An dem Ort, in dem meine Gesamtschule liegt, hat man einfach die Hauptschule geschlossen, ohne für Ersatz zu sorgen. Und nun bemerkt das Schulamt, dass sie nicht wissen, wohin mit all den Schülern mit Hauptschulempfehlung. :autsch:

    In meiner Gegend sind die Gesamtschulen die neuen Hauptschulen, mal platt formuliert.
    Viele Eltern wollen ihr Kind mit Realschulempfehlung nicht mehr auf die Gesamtschule schicken, weil sich dort eben "alles sammelt" - neben den Hauptschülern vor allem auch Kinder mit Förderbedarf in L und ES.

  • Hä? In meinem 5/5 er Fall bekommt das Kind natürlich seit 3 Jahren additive und auch inklusive Förderung. Sie ist einfach sehr schwach. Aber kein Fall für den Sonderpädagogen. Sie ist weder körperlich, noch geistig, noch sprachlich "behindert" und auch keine Autistin.

    Da hätte schon längst eine sonderpädagogische Förderung bzw. entsprechendes Verfahren (je nach Bundesland) eingeleitet werden müssen. Wenn das Ende der 4. Klasse so unbekümmert hingenommen wird, finde ich das etwas dubios.


    In


  • Als Hauptschullehrer muss ich dir entgegenschleudern: Das ist unser täglich Brot -

    Ich weiß! du musst nicht schleudern ;)


    Ich meinte nur: die Idee der Hauptschule war ursprünglich ja die der verschiedenen Begabungen, in etwa, manche habens halt intellektuell mehr, andere sind eher handwerklich geschickt... Chancen bestanden auch für einen guten Absolventen. Aber jetzt hat die Hauptschule in erster Linie mit Verhaltensauffälligen, mangelnden Sprachkenntnissen und Analphabeten zu kämpfen. Und das verschlimmert sich m.E. auch dadurch, wenn die allgemeine, vereinfachte Sicht eben diese ist: wenn Hopfen und Malz verloren ist -> Hauptschule.

  • Nach meiner Erfahrung besteht die vorherrschende allgemeine, vereinfachte (und unzutreffende) Sicht darin, dass sich an der Hauptschule nur noch die verhaltensauffälligen, gewalttätigen, sprachbehinderten und geistig zurück gebliebenen Migranten befinden .. :pfeifen:


    Weil sich jedoch niemand dieser Gruppe zugehörig fühlt, schicken die Eltern auch keine Kinder mehr auf die Hauptschule.
    Da haben auch die Real- und Gymnasialkollegen die Hauptschule über Jahre schlechtgeredet - nun kommt die Quittung: Die hochgeistigen, fachwissenschaftlichen Naserümpfer dürfen sich nun ebenfalls das pädagogische und psychologische Rüstzeug für den Umgang mit nicht stromlinienförmigen Schülern beschaffen. :pirat:

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • Ich meinte nur: die Idee der Hauptschule war ursprünglich ja die der verschiedenen Begabungen,


    Das trifft nicht zu, das ist eine nachträgliche Rationalisierung und ein pädagogischer Mythos, der durch regelmäßige Wiederholung nicht richtiger wird.


    Historisch gesehen ist die Hauptschule die Schule für das Volk und die kleinen Leute, deshalb früher Volksschule und wurde danach immer noch als die prinzipiell bedeutsamste Schulform angesehen, deshalb Hauptschule. Die Aufgabe der Volksschulen war immer die Vermittlung einer begrenzten Grundbildung, die die Lerner befähigte, in der Gesellschaft eine produktive Tätigkeit wahrzunehmen. Die Realschule hat ihre ersten Ursprünge in der Endperiode des frühmodernen Staates, als die Wirtschaftsentwicklung und die Technisierung eines kameralwirtschaftlich organisierten, komplexer werdenden Staates neben einer funktionierenden Handarbeiterschaft auch eine gute ausgebildete technische und administrative Facharbeiter- und Angestelltenschicht notwendig machte. Die Entwicklung der Realschule, die Schule, die sich mit den Realien, den praktisch greifbaren Dingen befasste, steht historisch parallel zur hierarchischen Ausdifferenzierung der bürgerlichen Schicht, sie wurde die Schule der Angestellten und des fachlichen Arbeiteradels. Das Gymnasium war von jeher die Schule der "besseren Leute", die dort mit einem humboldtschen Bildungsideal versehen werden konnten, die dem Pädagogenmythos zum Trotz, seit jeher die Ideologie der sehr kleinen, elitären Schicht war, die sich derartiges finanziell und zeitlich leisten konnte.


    Schule in Deutschland ist und war seit jeher ein Instrument sozialer Selektion. Und daran hat sich recht wenig geändert, wie man sattsam an den Untersuchungen zum Schulwechsel sehen kann. Es geht bei der Frage um den Schulwechsel ganz konkret um die Frage sozialen Aufstiegs und Abstiegs und es wäre naiv, das bei der Diskussion außer Acht zu lassen. Stigmatisierung ("Hast du gehört, der Sohn von Dr. Müller muss auf die Hauptschule") ist ebenso real wie Aufstiegshoffnungen.


    Nele


    P.S. Ich erlebe gymnasiale Arroganz als sehr real und das Gefühl der hierarchischen Höherstellung ist ja nicht nur rechtlich in der Stellung des Studienrates als Beamter des höheren Dienstes verfasst sondern wird ja auch bei der Diskussion um Bezahlungsangleichungen erbittert verteidigt. Das ist kein Klischee.

  • Dir ist aber schon klar, dass ich an einer Gesamtschule arbeite?


    Nein, das war mir nicht klar. Deine Aussage über die "Alibi-Oberstufe" war nicht ganz klar und das kleine "Ge" habe ich nicht als "Gesamtschule" identifiziert. Aber wenn du das so gemeint hast, um so besser!


    Nele

  • Zunächst sollt ihr wissen, dass ich obwohl ich an einer Stadtteilschule in HH arbeiten muss die Gesamtschulen (deutscher Machart) ablehne.
    Aber wie wäre es denn wenn es nur noch Gymnasien mit Aufnahmeprüfung gäbe und ansonsten nur noch Gesamtschulen mit strikter innerer Leistungseinteilung. Das heißt ich bin zum Beispiel im Einserkurs oder Erweiterungskurs in Englisch weil ich gut in Sprachen bin. Gleichzeitig im Grund- bzw. Zweierkurs in Mathematik weil ich schlecht in Mathe bin. Die entsprechenden Abschlüsse schaffe ich nur mit entsprechenden mündlichen und schriftlichen Abschlussklausuren.
    Das Problem: Das scheitert an der Gymnasiallobby (Gymnasialeltern, Gymnasiallehrer etc, etc.). Deren "Extravaganz" durch die Möglichkeit des Filters genannt Hauptschule oder Gesamtschule erst möglich ist. Denn die halten auch bei aufweichendem Trend immer noch die Gymnasien relativ frei von den bildungsfernen Schichten.


    Nur so ein Traum ... :wink_1:

  • Schule in Deutschland ist und war seit jeher ein Instrument sozialer Selektion. Und daran hat sich recht wenig geändert, wie man sattsam an den Untersuchungen zum Schulwechsel sehen kann. Es geht bei der Frage um den Schulwechsel ganz konkret um die Frage sozialen Aufstiegs und Abstiegs und es wäre naiv, das bei der Diskussion außer Acht zu lassen. Stigmatisierung ("Hast du gehört, der Sohn von Dr. Müller muss auf die Hauptschule") ist ebenso real wie Aufstiegshoffnungen.

    Der Sohn von Dr. Müller muss aber niemals auf die Hauptschule. Erstens kann sich Dr. Müller um Nachhilfe, Hausaufgaben und co kümmern und 2., wenn überhaupt, geht dessen Sohn auf die private TÜV-Oberschule. Und er argumentiert schlauer, als die Mutter aus dem Ausgangspost.

  • Da haben auch die Real- und Gymnasialkollegen die Hauptschule über Jahre schlechtgeredet .

    Das stimmt nicht, geehrter alias ! Wir Realkollegen werben bereits bei den Neuanmeldungen sowie in unseren 5. Klassen durchaus für die Hauptschule, wenn wir merken, dass sich Schüler bei uns quälen. Wir plädieren bei den Eltern, ihre Kinder spätestens Ende Klasse 5 zur Hauptschule wechseln zu lassen. Meistens parken die Eltern ihre Kinder bis Ende Klasse 6 bei uns. Die sie sind dann durch Serien von Misserfolgserlebnissen dann komplett schulfrustriert.


    In unserem eigenen Interesse werben wir auch darüberhinaus für die Hauptschule. Wir (Realschule) können uns zur Zeit vor Anmeldezahlen nicht retten, weil die allermeisten Eltern aus dem Umland die Gemeinschaftsschule nicht wollen (Die Eltern gehen da mittlerweile auf die Barrikaden), ebensowenig (zu recht) die Gesamtschule. Naja und die Hauptschule wurde in den letzten Jahren politischerseits kaputtgeredet, obwohl die Kollegen dort eine hervorragende Arbeit leisten, so dass die Anmeldezahlen bedrohlich wenig geworden sind.


    Wir werben für die Hauptschule nach dem Motto : Wenn dort der Laden läuft, wird die Realschule langfristig weiterexistieren und uns bleibt die günrotideologisierte und DDR-inspirierte Einheitsschule, man nennt sie Gemeinschaftsschule, erspart.


    Deine o.g. Behauptung ist so nicht ganz richtig, geehrter alias ! 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • DDR-inspirierte Einheitsschule,

    Lustig, dass du gerade das sagst. Im Osten ist man überzeugt davon, dass im Westen keine Disziplin und Leistungsorientierung herrscht.


    Und Gemeinschaftsschulen funktionieren deswegen nicht, weil sie kompliziertere Hauptschulen sind. Solange das Gymi ab Klasse 5 bestehen bleibt, bleiben die Probleme. Einheitsschulen funktionieren in anderen Staaten bestens.

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