Der Schulleiter und die Sonderfall-Schüler

  • Jugendlicher wird aus Haft entlassen, kommt mitten im Jahr zurück und benimmt sich entsprechend haltlos.


    Um immer abgesichert zu sein, objektiv zu bleiben und Ruhe zu bewahren ist das Einhalten der Reihenfolge von z.B. Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen sicher sinnvoll. Aber aus menschlicher Sicht, z.B. um Kollegen und Mitschüler zu schützen oder das psychisch erkrankte Kind selbst: muss eine Schule denn jeden Hansel aufnehmen und dann wieder bei Null anfangen? "jetzt rufen wir erst mal die Eltern an"- während der Teenie Gegenstände wirft zum Beispiel und die Eltern, das Jugendamt und die Therapeuten schon vor Jahren das Handtuch geworfen haben. "Therapiemüde". Aber Schulpflicht besteht natürlich!


    Ich weiß, dass es durchaus Schulleiter gibt, die ganz offen sagen: "aus der und der Familie nehmen wir keinen". Bei uns jedoch wird jeder mit zerstörter Vergangenheit mit Kusshand aufgenommen ("die anderen Schulen machen so viel falsch, wenn sie erst mal hier sind, gehts bestimmt bald besser"). Ist ja schön, sollen ja alle ihre Chance haben, aber wieso müssen dann die jungen, unerfahrenen Kollegen, die die unbeliebtesten Gruppen aufs Auge gedrückt kriegen damit alleine fertig werden? Manche sind einfach nicht in der Lage, sich bei einem gestörten 16-jährigen (oder auch 8-jährigen) durchzusetzen und die idealen Rahmenbedingungen zu schaffen. Manchmal hab ich den Eindruck, dass bei uns schwarz-weiß gedacht wird. Entweder jemand lernt, die Füße auf den Boden zu kriegen oder er muss sich halt krank schreiben bzw. versetzen lassen. Alles oder nix, egal wer dabei über die Klinge springt. Oder mancher Schulleiter hat selber Schiss vor Eltern, Schulamt, Jugendlichen und traut sich nicht, für Ruhe und Ordnung zu sorgen? In letzter Sekunde werden angekündigte Maßnahmen zurückgezogen, weil eine Mutter sich über den Kollegen beschwert.


    Wo beginnt und endet die Verantwortung über schwierige Schüler beim Schulleiter, was meint ihr?

  • Die Grenze wäre für mich erreicht, wenn sich ein Schüler in der Klasse befindet, der objektiv die Gesundheit der anderen Schüler bzw. der Lehrkraft gefährdet. Falls er mit gefährlichen Gegenständen (z.B. schwere Gegenstände, Scheren) durch den Raum wirft, wäre das z.B. so ein Fall.


    Den Schulleiter schriftlich auf die Missstände aufmerksam machen und dabei feststellen, dass man sich außer Lage sieht, die Gesundheit der anderen Schüler zu garantieren. Auch auf die Gefahren für die eigene Gesundheit hinweisen. Natürlich auch darauf, dass unter den gegebenen Umstände die Erreichung der diversen Bildungsziele gefährdet erscheint. Wenn man das nämlich nicht macht, wird man selber als Lehrkraft in Haftung genommen.


    Den Schulleiter dabei zu unverzüglicher(!) Abhilfe auffordern. Er trägt schließlich die Gesamtverantwortung für die Zustände in der Schule und hat auch die Fürsorgepflicht gegenüber den Lehrkräften. Den Eingang des Schreibens sich schriftlich bestätigen lassen, ggf. unter Zuhilfenahme von Zeugen ("Herr Schulleiter, ich übergeben ihnen hiermit ein Schreiben, um auf die Missstände bzgl. Schüler X in Klasse Y hinzuweisen"). Das ganze natürlich in Kopie an den Personalrat, denn man eingebunden halten sollte.


    Kommt keine Reaktion, den Schulleiter ruhig darauf ansprechen, dass man sich gezwungen fühlt, im Interesse der Schülerinnen und Schüler sowie der eigenen Sicherheit, vorgesetzte Behörden einzuschalten. Je nach Verhalten des Schulleiters ggf. zusätzlich eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen.


    Wichtig: Jeden Schritt schriftlich dokumentieren, sich Zeugen suchen, sich strikt an Verwaltungsvorschriften halten und natürlich "Verbündete" im Kollegium suchen.


    Zum Punkt Ordnungsmaßnahmen: Als Klassenlehrkraft ruhig bei jedem Vorkommnis eine Klassenkonferenz einberufen. Auch wenn es viel Arbeit ist. So bewegt man sich rechtlich auf "sichererem" Gebiet und es ist leichter, die Ordnungsmaßnahmen zügig zu eskalieren.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    • Offizieller Beitrag

    Das ist ein klassischer Fall für eine Überlastungsanzeige:

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Das Problem ist ja, dass es uns das Beamtenrecht verbietet, bei sowas einfach mal die Polizei zu rufen... Wenn sich der SL quer stellt, ist es schwierig.


    Wenn man mich persönlich angreifen würde, frage ich doch nicht erst den Schulleiter um Erlaubnis, die Polizei zu rufen...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Hallo und danke für eure Antworten.


    Das Problem sehe ich in der Verhältnismäßigkeit. Klar, wenn einer mitm Messer auf mich zukommt, das ist das eine, da frag ich niemanden um Erlaubnis. Aber wenn einer Müll durch den Raum wirft, wenn der Lehrer gerade das Zimmer betritt, hat das wieder einen anderen Beigeschmack.


    Mir geht es vor allem um die Kollegen, die nicht genügend Durchsetzungskraft haben, ganz jung sind etc. Jemand der sich bei den Teenies durchsetzt sagt auch der Schulleitung, wo seine Grenze erreicht ist ;)
    Dabei klingt für den Berufseinsteiger z.B. "Überlastungsanzeige" nach "ich packs halt nicht". Und Polizei einschalten, wenn der Schulleiter sagt "Ball flach halten" wirkt überkandidelt bzw. frech. Dienstaufsichtsbeschwerde? Wer hat den Stand im Kollegium, so auf Konfrontation zu gehen?
    Dabei spielt es, denke ich, keine Rolle, dass sich ein Kollege bedroht fühlt, weil ein krimineller Jugendlicher offensichtlich gewaltbereit ist. Was hat man in der Hand? Auch wenns praktisch glasklar ist, theoretisch bleibts schwammig.


    Ich nehme für mich mit: Die Situation "Objektivieren", Verantwortung abgeben- Klassenkonferenz, Personalrat, Überlastungsanzeige bei wirklich bedrohlichen Vorkommnissen.

  • jemand wirft müll durchs zimmer, während der lehrer reinkommt. mal im ernst, deshalb so einen stress? der herr/die dame darf den müll einsammeln, wegwerfen und wir beginnen derweil mit dem unterricht. ein messer zu ziehen in aggressiver absicht ist meiner meinung nach eine ganz andere liga.


  • jemand wirft müll durchs zimmer, während der lehrer reinkommt. mal im ernst, deshalb so einen stress? der herr/die dame darf den müll einsammeln, wegwerfen und wir beginnen derweil mit dem unterricht. ein messer zu ziehen in aggressiver absicht ist meiner meinung nach eine ganz andere liga.


    Darum gehts doch gerade. Um die empfundene Bedrohung aufgrund der Vorgeschichte, der Statur und dem Auftreten eines Schülers.


    Was auch immer genau vorfällt, die Frage bleibt, ob ein SL reihenweise offensichtlich komplizierte Kinder aufnehmen muss und inwiefern er sich dann auch um die Kollegen mit diesen Kindern kümmern sollte, die sich nicht durchsetzen können. Sein Bier oder nicht? (...beim Messer ist es ja schon zu spät)

    Einmal editiert, zuletzt von Pausenbrot ()

  • ich glaube nicht, dass man einem kind seine statur zum vorwurf machen sollte. der schulleiter hat eine fürsorgepflicht, der lehrer hat eine dienstpflicht und muss sehen, dass er seinen job gebacken bekommt. sicher gibt es irgendwo eine grenze, aber ich glaube kaum, dass man die so allgemein festklopfen kann.

  • der schulleiter hat eine fürsorgepflicht, der lehrer hat eine dienstpflicht und muss sehen, dass er seinen job gebacken bekommt. sicher gibt es irgendwo eine grenze, aber ich glaube kaum, dass man die so allgemein festklopfen kann.

    Es ist eher die Summe, als die schwere der Disziplinkonflikte. Die Menge der Psychokinder und der, der mitten im Jahr kommt, und das Fass zum Überlaufen bringt. Und es gibt natürlich immer Klassen, die schwieriger sind und wenn dann wiederholt dieselben Kandidaten gegen die Hausordnung verstoßen, finde ich, dass der Schulleiter Ideen liefern sollte, wie damit umzugehen ist. Mir ists letztlich wurscht, ich mach alles, was ansteht. Aber ich finds schlimm, wenn immer wieder KollegInnen dauerhaft krankgeschrieben sind, weil sie sich eben nicht durchsetzen können und dann unter den permanent rumpöbelnden, Unterricht verweigernden, ausflippenden Kids leiden und von oben nur Schulterzucken kommt. Finde es nicht gut, sich darauf auszuruhen, dass der Rest des Kollegiums irgendwie den Laden schmeißt.


    Dasselbe gilt natürlich nicht nur für die Förderschule, sondern auch für viele Hauptschulen (oder welchen Euphemismus man auch inzwischen dafür nutzt).



    Gibts denn noch andere BrennpunktkollegInnen hier, die ein paar Konzepte für ihre Schulen haben?

  • Oder mancher Schulleiter hat selber Schiss vor Eltern, Schulamt, Jugendlichen und traut sich nicht, für Ruhe und Ordnung zu sorgen?

    Das spielt in manchen Fällen sicherlich auch eine entscheidende Rolle. Hinzufügen würde ich noch Angst vorm Anwalt (der Eltern).

    Und es gibt natürlich immer Klassen, die schwieriger sind und wenn dann wiederholt dieselben Kandidaten gegen die Hausordnung verstoßen, finde ich, dass der Schulleiter Ideen liefern sollte, wie damit umzugehen ist.
    (...) und von oben nur Schulterzucken kommt.

    Es macht natürlich Sinn, sich mal zusammen zu setzen und mögliche Ideen, wie mit solchen Kandidaten umzugehen ist, zu diskutieren. Vielleicht ist der Schulleiter selbst hilflos und zeigt es nur nicht. Letztendlich bin ich aber auch der Meinung, dass er in der Pflicht ist, sich darum zu kümmern. Wenn er es nicht tut, würde ich ebenfalls weitere Schritte gehen, wurden hier ja auch schon genannt.


    Problematisch wird es dann, wenn der Schulleiter Rückendeckung vom Schulamt bekommt und selbst das Schulamt nichts unternimmt, getreu dem Motto "Seht zu, wie ihr klar kommt!"


  • Es macht natürlich Sinn, sich mal zusammen zu setzen und mögliche Ideen, wie mit solchen Kandidaten umzugehen ist, zu diskutieren. Vielleicht ist der Schulleiter selbst hilflos und zeigt es nur nicht. Letztendlich bin ich aber auch der Meinung, dass er in der Pflicht ist, sich darum zu kümmern. Wenn er es nicht tut, würde ich ebenfalls weitere Schritte gehen, wurden hier ja auch schon genannt.

    Find ich gut, kann aber nicht "gefällt mir" klicken ;)

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