Frage zum selbstentdeckenden Lernen

  • In der Didaktik gilt ja generell und fächerübergreifend die vernünftige Regel, dass die SuS ihre Lernziele selbst entdecken sollten, dass man also als LK nicht - wie ich es noch überwiegend erleben durfte - anschreibt und diktiert und vorsetzt, was die SuS dann schlucken sollen, egal wie. Meine Frage (als nicht studierter Pädagoge) ist nun: gibt es auch Ausnahmen von dieser Regel, die sinnvoll sein können, und wann gibt es die?


    EIn Beispiel: in Deutsch werden die Ergebnisse einer Hausaufgabe (Textanalyse einer Dramenszene) am Folgetag als Tafelbild visualisiert und schematisiert, und ein Großteil der Aspekte, die der Lehrer vorbereitet hat, komt von den Schülern selbst. Aber eben nicht alle. Außerdem bietet es sich bei dem Thema an, die Ergebnisse in einen historischen Kontext einzuordnen, den die SuS (noch) nicht kennen. Ist es hier pädagogisch sinnvoll, dass man im Anschluss an die gemeinsame Erarbeitung einfach das Tafelbild durch entsprechende historische Begriffe ergänzt - oder wird das sich sowieso keiner merken? Wie würdet ihr das machen?


    Verzeihung für die komplizierte oder etwas dämliche Frage...

  • Ich finde die Frage sehr spannend, weil sie für mich die grundlegende Frage von Didaktik ist. Und warum freie Grundschulen relativ häufig sind aber freie weiterführende Schulen, nach Montessori z.B., Mangelware.


    Eine Schule, an der die Schüler ihre Lernziele selbst entdecken ist wohl eher selten, weil Genehmigung schwierig. Normalerweise gibt es einen Lehrplan, der die Ziele vorgibt. Wenn du sie eine Textsorte verfassen lässt, mit der Intention, dass sie Merkmale derselben herausfinden, ist das Ziel ebenfalls vorgegeben. Und dann würde ich sagen: wenn du willst, dass sie am Ende alle Merkmale kennen, musst du sie auch benennen. Sie könnens ja nicht erraten.


    Bei der historischen Einordnung kannst du Begriffe vorgeben, wenns nur ums Auswendiglernen von Fremdwörtern/ neuen Begriffen geht. Wenn sie einen historischen Kontext kennenlernen und begreifen sollen, braucht das m.E. mehr Raum, als bloßes Abschreiben der Begriffe. Je nach Zeit, die man hat und genauem Ziel bedarf es unterschiedlicher Herangehensweisen ans Thema.

  • Ich komme aus einem ganz anderen Bereich, daher antworte ich nicht konkret sondern allgemeiner.
    Deine Frage ist, ob es Situationen gibt, wo es didaktisch besser ist nicht-selbstentdeckendes Lernen zu machen?


    Ja natürlich gibt es die. Entdeckendes Lernen ist doch nur eine Methode unter vielen und es gibt Situationen, wo diese sinnvoll eingesetzt werden kann und wo nicht.
    Ich würde das auch nicht als "vernünftige Regel" bezeichnen sondern als Unterrichtsmethode. Ich kann doch von Schülern nicht erwarten, dass sie den gesamten Stoff nachentdecken, vor allem nicht wenn man mal die Zeit, die ich in der Schule habe mit der Zeit vergleicht, die so manches was heute Schulwissen ist für die "Entdeckung" benötigte.


    Ich finde entdeckendes Lernen auch toll, aber nur wenn es auch angebracht ist. Konkrete Beispiele kann ich Dir nicht geben, da ich völlig andere Fächer habe. Aber Du bringsr ja selbst das Beispiel des historischen Kontextes, den die Schüler noch nicht kennen.

  • Möchte das Thema mal wieder ein wenig auffrischen.


    Denn wir wurden nun von der Schulleitung "gebeten" vermehrt auf Entdeckendes Lernen zu setzen. Wie jabberwocky allerdings bereits angemerkt hat, gibt es nun mal Fächer in denen das bestimmt angebracht ist und in anderen mehr oder weniger sinnlos ist. Vor allem ab einer gewissen Schulstufe ist das durch die komplexeren Inhalte nicht mehr möglich. Zumindest meiner Meinung nach.
    Habe mich [Link mit Verdacht auf Werbung entfernt von Moderation] auch vermehrt in die Thematik eingelesen und selbst nur "Tipps" für die Grundschulstufe erhalten.


    Was meint ihr? Ist Entdeckendes Lernen in der Oberstufe noch sinnvoll? Ich kann mir vorstellen, dass das bspw. in den Naturwissenschaften oder Kreativfächern bis zum Abiturjahr relevant sein kann. Aber doch nicht in Mathematik und Spanisch, oder was sagt ihr?

  • Gerade der Unterricht in der Oberstufe soll ja auch auf das Studium vorbereiten. Wie sieht das eigentlich derzeit an den Universitäten aus? Lernen die Studenten da auch entdeckend? Oder gibt es noch Vorlesungen und Praktika wie zu meiner Zeit?
    Ich unterrichte viel in der Oberstufe und gerade bei meinen beiden Naturwissenschaften habe ich keine andere Möglichkeit als den Stoff in direkter Instruktion zu vermitteln, weil ich sonst keine Chance habe, ihn bis zum Abitur durchzubekommen. Teilweise teile ich auch Skripte aus, um die Zeit zum Aufschreiben zu sparen. Vor allem müssen die Fakten, Regeln etc. am Ende richtig im Schülerheft stehen und da ist mir beim entdeckenden Lernen das Risiko zu groß, dass ich letztlich doch alles wieder richtig stellen und korrigieren muss.


    Sarek

  • Gerade der Unterricht in der Oberstufe soll ja auch auf das Studium vorbereiten. Wie sieht das eigentlich derzeit an den Universitäten aus? Lernen die Studenten da auch entdeckend? Oder gibt es noch Vorlesungen und Praktika wie zu meiner Zeit?

    Aus erster Hand (Freundin ist Professorin im NaWi-Bereich): Vorlesungen, Praktika, Labore. Also erstmal alles wie "früher".


    Was aber neu ist: Zu unserer Zeit gab es das Vordiplom bzw. beim Staatsexamen die "Zwischenprüfung" einfach durch erreichen einer bestimmten Kombi aus vorgenannten. Inzwischen ist eine Bachelorarbeit anzufertigen, die zumindest in den NaWi und IngWi eine Art "Forschungsanteil auf niedrigem Niveau" (keine eigene Forschungsleistung, eher so eine Art "Dinge erforschen, die es schon gibt, damit man's lernt) inklusive Mitarbeit am Lehrstuhl beinhaltet. Das könnte man schon als selbstgesteuertes/entdeckendes Lernen ansehen.


    Gruß,
    DpB

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