Ich denke einige geben sich zu vielen Illusionen hin, was leistungsgerechte Entlohnung in der "Freien Wirtschaft"(tm) betrifft.
Über die Hälfte der Beschäftigten - das trifft auch die meisten Akademiker - ist mit Tarifverträgen abgedeckt. In einigen Branchen sind individuelle Leistungsprämien zwar möglich, werden aber von den Gewerkschaften skeptische gesehen (als indirekte Lohnkürzung) und spielen in der Praxis kaum eine Rolle.
Da sitzen bei Daimler, Bosch, Siemens und Co. dann Armeen an Ingenieuren, tüfteln, und sind erstmal alle durch den IG-Metall-Tarif abgedeckt, selbst in jenen Beförderungsposten, in denen sie erstmals Personalverantwortung bekommen. Ein Ingenieur ist unproduktiv und nutzt jede Gelegenheit sich krank schreiben zu lassen, der andere ist ein Überflieger - beide bekommen exakt das selbe Gehalt. Sofern die Firma nicht gerade ihr Struktur im großen Stil reformiert, wird sie einzelne Ausfälle auch nicht los - einer starken Gewerkschaft und Kündigungsschutzgesetzen sei dank.
Generell gilt: je größer die Firma, desto weniger kann der wirtschaftliche Erfolg auf die Arbeit des Einzelnen zurück geführt werden. Und dann spielen für Beförderungen umso mehr andere Faktoren eine Rolle. Für Überflieger und echte Leistungsträger wird es auch hier eine Aufstiegsmöglichkeit geben. Aber nicht jeder Ingenieur kann Teamleiter von 10 anderen Ingenieuren sein. Oder Abteilungsleiter von 7 Teams. Die Masse der Beschäftigten bekommt damit unabhängig vom tatsächlichen Einsatz ihren 100% identischen Tariflohn. In großen Firmen auch ohne zusätzliches Kündigungsrisiko, sofern man rechtskonform bleibt (also physisch zur Arbeit erscheint).
Der einzige Unterschied ist, dass bei der Besetzung der Berufsgruppen unterschiedliche Marktumstände bestehen. Man zahlt Altenpflegern nur so-und-so-viel Euro? Ok, dann gibt es eben zu wenige. Man möchte einen Elektrotechnikingenieur oder Informatiker einstellen? Dann muss man eben tiefer in die Tasche greifen als bei einer Bürokraft, da es andere Firmen gibt, welche einem den E-Techniker sonst abwerben. Sobald man denjenigen aber eingestellt hat, gibt es außer bei Beförderungen kaum noch Leistungskontrollmöglichkeiten die Konsequenzen nach sich ziehen. Und in Zeiten flacher Hierarchien kann eben nur ein kleiner Teil der Leute Häuptling sein.
Aus meiner Sicht gleicht sich das System bei Lehrern damit aus. Jemand mit Deutsch-Geschichte oder Deutsch-Englisch hat viel zu korrigieren, dafür aber einen Job, mit dem er sehr viel mehr Geld verdient, als er es in der "Freien Wirtschaft"(tm) könnte. Ein Informatik/Mathe-Kollege hat weniger zu korrigieren, hätte mit einem vollem Fachstudium aber auf dem freien Markt ungleich bessere Chancen als der Deutschkollege, da die Nachfrage höher ist.