Vernichtendes Arbeitszeugnis

  • Hallo ihr Lieben,


    nachdem mein Jahresvertrag während meiner Elternzeit auslief, habe ich heute mein Arbeitszeugnis zugeschickt bekommen und war doch ziemlich geschockt.
    Erst dauerte es zig Wochen, bis sich die Bezirksregierung, die laut ehem. SL zuständig sei, meldete.
    Dort sagte man mir, dass sie seit 2013 gar nichts mehr damit zu tun haben und nun kam eben folgendes Zeugnis an:


    (von bis gearbeitet als, wobei die Wochenstundenzahl nicht stimmt)


    Ihren dienstlichen Aufgaben kam Frau XY gewissenhaft und zuverlässig nach.
    Sie verhielt sich kooperativ in der Arbeit mit Kollegium und Schulleitung
    und erwies sich auch in Phasen hohen Arbeitsaufkommens als belastbar.


    Wir wünschen Frau XY für Ihre berufliche und private Zukunft alles Gute.


    Im Klartext heißt das, ich habe ganz ok gearbeitet und bekomme dafür noch eine 4, oder ?


    Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass die SL äußerst selten bis nie Arbeitszeugnisse ausstellt.
    Wie kann ich denn auf nette Art und Weise deutlich machen, dass das Zeugnis eine Katastrophe ist und ich hiermit nicht einverstanden bin?


    Danke für eure HIlfe :)

  • Nun, "vernichtend" ist das nicht, aber schon ziemlich schlecht.


    Generell ist natürlich die Frage, was Du mit diesem Zeugnis willst und ob irgend jemand von einer Schulleitung erwartet, dass sie vernünftige Arbeitszeugnisse schreiben kann (im Zweifelsfall: eher nicht). Aber gut, da man nicht weiß, wozu es gut ist, wäre etwas besser sicher nicht verkehrt.


    Ich weiß nicht, ob es eine diplomatische Lösung gibt. Mögliche Strategien:


    1. Du könntest erschrocken tun, der SL signalisieren, dass Du den Eindruck hast, man hätte Deine Arbeit als nicht besonders gut wahrgenommen - und um ein nachträgliches Gespräch auch mit Blick auf eigene Weiterentwicklungsmöglichkeiten bitten (vielleicht mit jemandem vom PR dabei, birgt aber das Risiko, dass die SL sich unter Druck gesetzt fühlt). WENN die SL nun im Gespräch sagt "nein nein, Sie haben nicht schlecht gearbeitet, sondern absolut zufriedenstellend/gut/sehr gut" wäre der nächste Schritt, vorsichtig anzumerken, dass sich das in dem Zeugnis nach Deinem Empfinden nicht niederschlägt.


    2. Du kannst auch einfach Deine Irritation äußern und darum bitten, dass Deine SL Deine Leistungen mit einer Note einschätzt - WENN sie dann z. B. sagt "gut", siehe oben.


    3. Etwas diplomatischer geht es vielleicht auch so: Ruf in der Schule an, bitte um ein Gespräch und sage dann, Du wolltest Dich in irgendeiner Firma/Branche bewerben. Nun hätte ein Freund, der sich auskennt, Dein Zeugnis gesehen und gesagt, DAMIT könntest Du Dich da nicht bewerben, das entspräche sicher den Regeln der Schule, nicht aber denen von Branche X. Der Freund hätte Dir auch einige Formulierungsratschläge gegeben - oder sogar eine Kopie von Formulierungen, die üblich seien (kannst Du aus einem beliebigen Ratgeber kopieren). Dann kannst Du mit der SL klären, in welchem Notenbereich sie Dich sähe und vorschlagen, das Zeugnis "nur für Branche X" anzupassen.


    4. Wenn Dir das alles zu viel Bohei ist, ruf in der Schule an, sag, dass Du nicht zufrieden bist und begründe kurz (nicht mit: die SL hat Mist gebaut, sondern mit: das entspricht nicht außerschulischen heutigen Zeugnissen). Sag dann, Du willst ein besseres Zeugnis.


    Last but not least: Wenn eine dieser Strategien fruchtet, würde ich der SL vorschlagen, ihr einen "Formulierungsvorschlag" zu unterbreiten. Den ich dann auch ganz korrekt machen würde. (Wenn die SL also sagt, Note "gut", würde ich auch ein "gutes" Zeugnis formulieren.) Normalerweise wird die SL dankbar sein. Wenn das Gespräch gut gelaufen ist, würde ich also auf keinen Fall die SL bitten, das Zeugnis selbst neu zu formulieren, sondern ich würde es vorschreiben und z. B. als Word-Vorlage an die SL geben.


    Das würde ich bei Arbeitszeugnissen, die nur für mich selbst sind, ohnehin immer machen, sobald ich merke, dass mein Chef sich mit der Textsorte schwer tut oder überlastet ist. In der Regel freut es den Chef und solange er den Bewertungsrahmen vorgibt, sind alle happy. Zeugnisformulierungen findet man dann in der Ratgeber-Literatur.

  • Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass die SL äußerst selten bis nie Arbeitszeugnisse ausstellt.
    Wie kann ich denn auf nette Art und Weise deutlich machen, dass das Zeugnis eine Katastrophe ist und ich hiermit nicht einverstanden bin?


    Natürlich hat ein Schulleiter keine Ahnung von "richtigen" Arbeitszeugnissen. Der Anwalt, den ich kürzlich wegen einer Verkehrssache konsultierte, erzählte mir, dass er regelmäßig Schulleitern erklären muss, dass "hat sich bemüht" KEINE gute Bewertung darstellt... Mein Tip: Schreib das Zeugnis selbst. Wenn Du Glück hast, hat der SL wirklich wenig Ahnung, und Du kannst Dir ein 1,0-Zeugnis ausstellen.


    The hard way: Klagen. Jede unterdurchschnittliche Bewertung im Zeugnis muss gerichtsfest belegbar sein.


    Sei Dir aber auch darüber im Klaren: Du hattest einen Jahresvertrag. Befristete Kräfte "kommen und gehen wie Kellner in einem Restaurant", wie Stephen King es mal im Bezug auf Freunde formuliert hat. Wenn Du Glück hast, erinnert sich der Typ noch an Dein Gesicht...




    Viele Grüße
    Fossi

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Das würde ich bei Arbeitszeugnissen, die nur für mich selbst sind, ohnehin immer machen, sobald ich merke, dass mein Chef sich mit der Textsorte schwer tut oder überlastet ist.

    Die unterstrichene Passage lässt mich ahnen, dass Du durchaus in der Lage wärst, ein Arbeitszeugnis zu formulieren, bei dem der Chef nicht merkt, was er da unterschreibt. :P

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Falls du deinem Schulleiter einen Vorschlag und rechtssichere Tipps zur Neuformulierung geben möchtest:
    Linktipps zu Formulierungshinweisen und Anleitungen für dienstliche Beurteilungen, Schulleitergutachten und Arbeitszeugnisse sind hier zu finden:
    http://www.autenrieths.de/links/linkdiagnose.htm

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Da ich im Referendariat bin, wird mein Schulleiter erst im Sommer das Gutachten über mich schreiben. Natürlich hoffe ich auch, dass es gut ausfällt :)

    Ihren dienstlichen Aufgaben kam Frau XY gewissenhaft und zuverlässig nach.


    Sie verhielt sich kooperativ in der Arbeit mit Kollegium und Schulleitung


    und erwies sich auch in Phasen hohen Arbeitsaufkommens als belastbar.


    Ich finde, das klingt doch positiv! Zumindest "gut" hört sich das an. Warum ist das denn ziemlich schlecht? Wieso gibt es keine eindeutigen Formulierungen? Wieso kann es nicht so geschrieben sein, wie es auch gemeint ist? Wenn man es ja doch umdeuten muss. Wo bleibt da die Klarheit? Naja, das ärgert mich eben, ich wollte das mal loswerden. :daumenrunter:

  • Bei mir klingt das sehr ähnlich, wenn auch deutlich mehr geschrieben wurde. Die Schulleitung ist ausgesprochen zufrieden mit mir. Finde auch nicht, dass es schlecht klingt.

  • Wieso kann es nicht so geschrieben sein, wie es auch gemeint ist? Wenn man es ja doch umdeuten muss. Wo bleibt da die Klarheit?


    Es gibt in der Berufswelt durch die Gesetzgebung und die Rechtsprechung Vorgaben, wie ein Arbeitszeugnis auszusehen hat und was enthalten sein darf. So dürfen keine negativen Beurteilungen verfasst werden, die dem Arbeitnehmer die Stellensuche erschweren. Aus diesem Grund hat sich ein "Code" eingebürgert, der mit positiven Formulierungen die Notenskala abbildet.
    Welche Formulierung dabei welche Note repräsentiert, kannst du unter dem Link nachlesen, den ich oben gelistet habe.


    Netter Satz am Rande: "Ich gebe meinen schlechtesten Mitarbeitern immer die besten Zeugnisse. Ich will ja, dass sie von der Konkurrenz eingestellt werden."

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

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  • Da ich im Referendariat bin, wird mein Schulleiter erst im Sommer das Gutachten über mich schreiben. Natürlich hoffe ich auch, dass es gut ausfällt :)


    Ich finde, das klingt doch positiv! Zumindest "gut" hört sich das an. Warum ist das denn ziemlich schlecht? Wieso gibt es keine eindeutigen Formulierungen? Wieso kann es nicht so geschrieben sein, wie es auch gemeint ist? Wenn man es ja doch umdeuten muss. Wo bleibt da die Klarheit? Naja, das ärgert mich eben, ich wollte das mal loswerden. :daumenrunter:

    Dazu soviel:


    1. Ein Schulleitergutachten ist kein Arbeitszeugnis. Daher rührt ja das Problem des TE.


    2. Die von Dir zitierten Formulierungen sind zum Einen nicht durch Attribute wie "sehr", "immer" oder "stets" qualifiziert --> Note 3 oder 4. "Sie verhielt sich kooperativ" kann vieles heißen und könnte durchaus als "beredtes Schweigen" gedeutet werden. Es könnte z.B. auch heißen, dass sie nicht gleich das Messer aus der Tasche geholt hat, wenn man etwas von ihr verlangt hat, aber auch nicht sonderlich engagiert zur Sache ging. "Gewissenhaft und zuverlässig" heißt auch genau letzteres, nämlich dass Frau XY auch keinen Strich mehr getan hat, als sie musste. "Belastbar" ist auch zu schwammig formuliert (und wird damit im Zweifelsfall eher negativ ausgelegt). Wir haben hier natürlich nur einen kurzen Ausschnitt vorliegen; es müsste aber auf jeden Fall noch eine Aussage über die Eigeninitiative von Frau XY rein, um aus diesen Formulierungen Positives abzuleiten.



    Viele Grüße
    Fossi

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Warum ist das denn ziemlich schlecht? Wieso gibt es keine eindeutigen Formulierungen? Wieso kann es nicht so geschrieben sein, wie es auch gemeint ist?


    Eine berechtigte Frage, zu der die wesentlichen Antworten ja schon gegeben wurden. Man könnte sie vermutlich an viele Wortzeugnisse richten, auch an schulische Zeugnisse.


    Abgesehen von dem, was schon gesagt wurde: Die notorische Problematik von Wortzeugnissen kommt (a) aus ihrer pädagogischen Überformung (gesetzlicher oder selbstauferlegter Zwang zur positiven Formulierung), (b) aus der Tatsache, dass der Wert einzelner Äußerungen sich nur relational ergibt, die Skala von möglichen Äußerungen aber unbedarften Beobachtern meist unklar ist (anders als bei Ziffernnoten, die hier auch ihre primäre Leistungsstärke haben), (c) aus der Tatsache, dass einzelne Äußerungen sich vor einem Erwartungshorizont beweisen müssen, der oft auch unklar ist ("verhält sich kooperativ" ist bei einem ausgebildeten Akademiker KEINE gute Bewertung, sondern schlichte Selbstverständlichkeit - erwartet wird natürlich weit mehr, nämlich Engagement, das selbstständige Erkennen von Bedürfnissen und Notwendigkeiten und entsprechendes proaktives Verhalten.)

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