Trennungskinder

  • Liebes Forum,


    Ich habe die Information, dass es für das Wohl der Kinder fast immer am besten ist, wenn Eltern, deren Beziehung nicht gut läuft, zusammen bleiben, statt sich zu trennen. Eine Trennung sei schlimmer als eine lebenslang in dieser Hinsicht angespannte Familiensituation; zumindest solange die Kinder Kinder/Jugendliche sind.
    Ich bin -leider- in einer solchen Situation aufgewachsen und kann, so meine ich, diese These bestätigen.


    Nur zur Klarstellung: Dass wenn es zu Gewalt kommt eine Trennung vorzuziehen ist, ist dabei klar. Allerspätestens wenn das Blut spritzt, muss eine andere Lösung her...


    Mich interessieren hier weniger Eure Erfahrungsberichte aus Eurem Schul- oder Privatleben, sondern vielmehr Untersuchungen/Literatur, die man sich zu diesem Thema durchlesen kann. Was uns Lehrern das "bringt" steht auf einem anderen Blatt, aber es ist eine sehr interessante Frage.


    Denn manche hier sind sehr gut belesen, fiel mir schon mal auf. Pädagogische/Psychologische Literatur zählt bei mir hingegen nicht so zu den häufig konsultierten Schriften...


    Vielen Dank für Eure Beiträge.


    Hamilkar

  • hm - da Menschen und Familien äußerst individuelle Gebilde sind und die Psychologie eine eher ungenaue Wissenschaft, wirst du wohl für beide Ansätze Beweisliteratur finden. ..

  • hm - da Menschen und Familien äußerst individuelle Gebilde sind und die Psychologie eine eher ungenaue Wissenschaft, wirst du wohl für beide Ansätze Beweisliteratur finden. ..

    Nein, nicht unbedingt. Mein Bruder (Psychologe) arbeitete während der ersten großen Koalition im Gesundheitsministerium unter Ulla Schmidt und arbeitete genau an solchen Studien, wie sie hier angesprochen wurden. Er erfuhr aber erst später, dass er für den Papierkorb gearbeitet hatte, das Ergebnis war politisch nicht erwünscht (und es war nicht die CDU, die das so wollte...). Es gibt mit Sicherheit nicht allzuviel Literatur darüber, wegen fehlender politischer Opportunität ist die finanzielle Unterstützung für solche Studien auch nicht so rosig. Wenn man sich da allerdings einlesen will, empfehle ich Literatur von Christa Meves.

  • Ich frage mich immer, was solche Thesen bewirken sollen.
    Wenn man in der Schule nun ausgerechnet das einzige Kind vor sich sitzen hat, das mit der gewählten Variante nicht klar kommt nützt es doch auch nichts, wenn man ihm sagt "Also nach Studie so und so gehts dir aber doch ganz gut"...
    Der Mensch ist anpassungsfähig und kommt bei gut entwickeltem Selbstvertrauen auch mit unwägbarsten Situationen klar.
    Vieleicht sollte man sich wieder trauen die Kinder zu stärken statt sie in Syndrome etc zu zwängen.
    Heute kommt doch kaum noch ein Kind ohne irgendeine Form der Therapie durch die ersten 12 Lebensjahre.

  • Wenn man in der Schule nun ausgerechnet das einzige Kind vor sich sitzen hat, das mit der gewählten Variante nicht klar kommt nützt es doch auch nichts, wenn man ihm sagt "Also nach Studie so und so gehts dir aber doch ganz gut"...

    ...Müller (2027) argumentiert hingegen, Dir ginge es schlecht und belegt das mit einer Metastudie, in die Daten aller relevanten Studien der 1970er - 90er Jahre einflossen. Aktueller Stand der Wissenschaft ist nun, dass [...] - Also, nachdem ich nun den Sachverhalt umfassend untersucht habe und feinfühlig auf Deine individuelle Situation eingegangen bin: was HAST Du denn nun eigentlich, liebes Kind?"


    Ich frage mich vielmehr, wo/wie dieses "Wissen" eingesetzt werden soll ?( . Möchte man als Lehrer den Eltern mithilfe des angelesenen (selektiven) Wissens ihre Lebenslage erklären bzw. sie "beraten", was denn der richtige Weg sei, Kind/er & Trennung unter einen Hut zu bringen? In dem Fall würde ich sagen: geht ganz klar am Berufsauftrag vorbei. Dafür reicht das dünne Eis des angelesenen Wissens nicht aus, es braucht noch andere Kompetenzen, über die ein Lehrer nicht verfügt und für die es Fachpersonal in Familienberatungsstellen und staatlichen Institutionen wie z.B. Jugendamt gibt.


    Aus meiner Position als Mutter: ich würde mich bedanken, wenn die Lehrperson eines meiner Kinder doziert, wie nun meine Lebensführung im Hinblick auf das Kindeswohl zu bewerten ist. Das empfände ich als extrem übergriffig.

    • Offizieller Beitrag

    Wenn man so anfängt, pädagogische / psychologische Literatur abzutun, mit dem Hinweis darauf, dass jeder Mensch anders reagiert, könnten wir uns einen Großteil unseres Studiums sparen und einfach nur einen Kurs in "Empathie" und "Vielfalt" machen...


    Ich kann leider nicht mit Literatur dienen, das Thema würde mich auch durchaus (theoretisch) interessieren, es wird aber sicher auf der Interessenliste ein bisschen nach unten rutschen, es gibt so viele spannende Themen... :(


    Nur doch aus dem eigenen Leben: ich bin ein typisches "Nicht-Trennungskind" und glaub mir, ich habe mir mehr als einmal gewünscht, ich wäre eins. (und körperliche Gewalt war nicht besonders alttäglich) Wie man es hat, ist nie richtig.


    chili

  • Wenn man so anfängt, pädagogische / psychologische Literatur abzutun, mit dem Hinweis darauf, dass jeder Mensch anders reagiert, könnten wir uns einen Großteil unseres Studiums sparen und einfach nur einen Kurs in "Empathie" und "Vielfalt" machen...


    Ich tue sicherlich pädagogische/psychologische und erst recht empirische Literatur nicht ab (siehe Profil 8_o_) ).



    Allerdings liest sich das Start-Posting auch nicht wirklich wissenschaftlich

    Zitat

    Ich habe die Information, dass es für das Wohl der Kinder fast immer am
    besten ist, wenn Eltern, deren Beziehung nicht gut läuft, zusammen
    bleiben, statt sich zu trennen. Eine Trennung sei schlimmer als eine
    lebenslang in dieser Hinsicht angespannte Familiensituation; zumindest
    solange die Kinder Kinder/Jugendliche sind.


    Zitat

    Allerspätestens wenn das Blut spritzt, muss eine andere Lösung her..


    Zitat

    Pädagogische/Psychologische Literatur zählt bei mir hingegen nicht so zu den häufig konsultierten Schriften...


    und ich weiss nicht, ob jemandem mit so diffuser Ausgangslage und Ziel die reine "wissenschaftliche" Literatur anzuraten ist. Ich sehe es an unseren Studierenden (Lehramt) wie sie sich auch noch im letzten Studienjahr schwer tun, mit empirischen Daten etwas anzufangen - d.h., Schlüsse zu ziehen, was die Aussagen der Daten für ihren Unterricht/ihr pädagogisches Wirken/ihr Berufsbild/whatever bedeuten (zumal empirische Daten gar keine "Ratschläge" geben, was denn nun eigentlich mit ihnen anzufangen ist, d.h., man benötigt ausser Leseverständnis noch weitere Fähigkeiten, mit den Daten etwas anzufangen).


    Der Threadstarter scheint ja - wie immergut auch schreibt - noch gar nicht in die Datenwelt eingetaucht zu sein. Ohne vernünftige Recherche (wünscht er/sie sich die von uns?) kriegt man die Bandbreite der Studienergebnisse nicht zusammen, und da wäre dann doch zu überlegen, ob nicht die "aufbereitete Ratgeberliteratur" die bessere Wahl ist...


    Wobei ich mich immer noch frage: WOZU braucht es genau dieses Wissen, ob sich nun eine Familie am besten trennen sollte oder nicht - das liegt doch ausserhalb der Einflussnahme der Lehrperson! D.h., im Zweifelsfall suche ich als Lehrperson nach Literatur über Auswirkungen von Trennungen auf Kinder und die Möglichkeiten des schulischen Umgangs mit Trennungssituationen, aber nicht nach Literatur darüber, ob es nun besser ist, wenn Eltern sich trennen oder nicht. Das ist ein Paradebeispiel, dass es Wissenschaftlichkeit im Schulalltag scheinbar doch braucht: die Fähigkeit, genaue Fragestellungen zu bilden.

  • Zitat Hamikar :

    Zitat

    Ich habe die Information, dass es für das Wohl der Kinder fast immer am besten ist, wenn Eltern, deren Beziehung nicht gut läuft, zusammen bleiben, statt sich zu trennen. Eine Trennung sei schlimmer als eine lebenslang in dieser Hinsicht angespannte Familiensituation; zumindest solange die Kinder Kinder/Jugendliche sind.

    Kann sein, kann auch nicht sein ! Da es für meinen Schulstubenunterricht nicht relevant ist und wir als Schule eh nicht darauf Einfluss nehmen können und dürfen, ob Elternpaare zusammen bleiben sollten oder nicht, interessiert mich diese Fragestellung nicht.-Die Menschen machen eh, was sie wollen.

    Zitat

    Ich bin -leider- in einer solchen Situation aufgewachsen und kann, so meine ich, diese These bestätigen.

    Kann es vielleicht sein, geehrter Hamikar, dass Du Dich jetzt wieder in dieser Situation befindest, diesmal in der Rolle eines Elternteils ? Wenn ja, können Dir Bücher/Studien auch nicht weiterhelfen. Und wir auch nicht. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Oje... Also


    - Nein, ich finde das alles nicht "krude", sondern höchst interessant. Natürlich darf Moderatorin ICKE gern weiterhin nur das lesen, denken und sagen, was er/sie schon immer gelesen, gedacht und gesagt hat.


    - In der Tat, ich habe dazu noch nicht in einer Bib recherchiert. Seht es meinetwegen als Bequemlichkeit an, dass ich eine gezielte Frage hier stelle anstatt mich in stundenlanger und mühevoller Arbeit in die Abteilung 'Psychologie' in der nächsten Bib einzuarbeiten.


    - Jede/r schreibt hier das, was er/ sie möchte. Ich bin nur deshalb nicht in erster Linie an Euren Erfahrungen und Beobachtungen interessiert, weil das oft subjektive Theorien sein werden und/ oder ganz falsch sein kann. Wir als Lehrer können in derartigen Situationen doch nur ansatzweise das Ganze beurteilen.
    Vielmehr suche ich bei dieser meiner Frage nach Antworten, die a) von Fachleuten b) in einem methodisch reflektierten Verfahren gefunden wurden.


    - Dass wissenschaftliche Erkenntnisse verallgemeinernde Aussagen sind und dass wir als Lehrkräfte es immer mit Einzelpersonen und -schicksalen zu tun haben, weiß ich und beherzige das bei meinen pädagogischen Interaktionen in der Schule.


    - Ich stellte diese Frage einfach deshalb, weil mich das interessiert. Punkt. Ich will und kann mich nicht in das Leben der Eltern einmischen. Ich will und kann Schüler dieser Hinsicht nicht beraten. Ich könnte mir nichts für dieses Wissen 'kaufen'. Ich bin übrigens auch nicht ein Vater, für dessen privates Leben meine neuen Erkenntnisse von Bedeutung wären. Einfach nur so will ich das wissen.


    - Ich weiß, dass der Inhalt einer (populärwissenschaftlichen) Publikation nicht allein deshalb richtig sein wird, weil sie von Professor xy veröffentlicht wurde. Kritisches Denken ist mir nicht so ganz fremd...


    Hamilkar

  • Kann man sich in der Freizeit nicht mit etwas Schönerem beschäftigen ?
    Gerade für uns Lehrer ist es wichtig, dass wir in unserer Freizeit was völlig anderes machen, um wieder Kräfte für den anstrengenden Schulstubenalltag zu gewinnen. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Du findest unter dem Suchwort "Trennungskinder" schnell etwas dazu, hierzum Beispiel, da gibt es auch Literaturhinweise. Da fällt der Ausdruck "happy talk" für das Sichschönreden von allen möglichen Zumutungen, mit denen Kinder angeblich so gut fertig werden.


    Ich musste jetzt auch an eines meiner Lieblingsbücher aus meiner Teenagerzeit denken: "Wenn jemand einfach weggeht" von Anna-Greta Winberg. Da wird die Trennung aus der Sicht einer Fünfzehnjährigen sehr ergreifend dargestellt. Gerade in dieser Phase ist ja so eine Trennung nur eine von vielen Baustellen.


    Ich finde es ziemlich lächerlich, wenn jemand eine eindeutige Frage stellt und dann so dämliche Gegenfragen kommen wie: Was soll das bringen, was willst du damit, bist du persönlich betroffen, beschäftige dich doch mal mit was Schönerem ... Du meine Güte. Wenn man nicht antworten will oder kann, wie wäre es mit Schweigen?!

  • Danke für die Antworten, v.a. für Alhimari und Piksieben.


    Eure Links waren punktuell bzw. insgesamt sehr interessant. Ich habe ein paar Ideen zum Weiterdenken und evtl Weiterarbeiten gewonnen.
    Aber wer weitere Ideen hat, bitte posten! Eigentlich stell(t)e ich mir vor, dass es KollegInnen geben müsste, die durchaus sehr auskunftsfähig zu diesem Thema sind, weil sie sich dadrin schon eingearbeitet haben.


    Was dieses Thema zu einem merkwürdigen Thema macht, ist die Mischung daraus, dass es eben interessant und traurig zugleich ist.


    Hamilkar

  • Ich finde es ziemlich lächerlich, wenn jemand eine eindeutige Frage stellt und dann so dämliche Gegenfragen kommen wie: Was soll das bringen, was willst du damit, bist du persönlich betroffen, beschäftige dich doch mal mit was Schönerem ... Du meine Güte. Wenn man nicht antworten will oder kann, wie wäre es mit Schweigen?!


    Wieso ist es lächerlich, wenn man fragt "Wofür brauchst Du etwas?" Ich hatte Scheidungssoziologie als Thema in der Diplomprüfung und könnte dem Threadstarte mehrere wissenschaftliche Untersuchungen nennen, die aber zum Grossteil aus schwer verständlichen Statistiken bestehen. Wenn ich jedoch z.B. Eltern berate, die mich fragen, wie sie ihre Kinder möglichst unbeschadet durch die Trennung bringen können oder Trennungskinder in der Klasse habe, die ich "verstehen" will, sind diese Korrelationskoeffizientenschleudern absolut wertlos und es würden vielleicht eher Artikel aus der "Psychologie heute", aus der Ecke der Ratgeberliteratur o.ä. passen.



    Zitat

    Ich habe ein paar Ideen zum Weiterdenken und evtl Weiterarbeiten gewonnen.

    Verrätst Du uns, woran Du (weiter)arbeitest?

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