Die Lehrerbedarfsprognose(n) und ich

  • Moin,


    ich habe mir gerade die Lehrerbedarfsprognosen angesehen. Man darf sich natürlich davon nicht verrückt machen lassen, und für mein Bundesland alleine kann ich im Netz keine finden oder wurden keine erstellt bisher (Bremen), aber wie seid ihr damals mit einer schlechten Prognose umgegangen? Habt ihr euer Fach gewechselt?


    Ich bin ernsthaft am überlegen, ob ich nicht etwas ganz anderes machen soll. Einerseits mag ich Englisch und Politik gerne, auf der anderen Seite bin ich schon über 25. Wenn ich jetzt 6-7 Jahre studiere (Kind braucht Zeit), dann Referendariat auf welches ich ggf warten muss wegen zuwenigen Plätzen in Bremen und/oder zu schlechtem Schnitt, sagen wir ich wäre dann so 34 wenn ich mit allem durch bin. Nur um dann keinen Job zu finden? Klar, mit Englisch findet man auch privat etwas und mit politischer Bildung kann man auch etwas anfangen, aber Lehrer werden ist mein Traum und dafür habe ich das Abitur nachgeholt. Andere Fächer kann ich mir kaum vorstellen... und dann noch eine Ausbildung machen wird auch mehr als schwierig?


    Auf der anderen Seite sollen wohl Englischlehrer an Sek 1 Schulen seltener sein, also Oberschulen. In Bremen studiert man ja immer Gym/Oberschule. Was meint ihr? Soll ich das Studium durchziehen? Es ist auch nur Lehramts"option", ich kann also einzelne Module nachholen bzw nebenbei machen und dann einen "richtigen" Fachmaster oben drauf, also zB in Politik.

  • Ich kann mich nur immer wieder wiederholen: Such Dir andere Fächer oder lass es. Das ist eine sehr pauschale Aussage, ich weiß - aber die geisteswissenschaftlichen Fächer sind auf absehbare Zeit weitgehend tot. Geh in Dich und stell Dir die Frage, ob es nicht doch für Mathe und/oder Physik reichen würde (vielleicht ja nur für Sek1?). Immerhin: Englisch/PoWi ist nicht Deutsch/Geschichte... aber sehr nah dran, was den künftigen Bedarf angeht.



    Viele Grüße
    Fossi

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Aufgrund der kommenden Flutwelle an GyGe-Refs würde ich meine Scheine packen und mich an deiner Stelle umschreiben, vielleicht wird alles 1:1 vom Prüfungsamt angerechnet. Falls dir Heranwachsene liegen, dann in das Lehramt Berufskolleg/Berufsbildende Schule, falls du eher Teenies unterrichten möchtest, dann in das Lehramt Sek I. Theoretisch können sich GyGe-Absolventen an Berufskollegs bewerben, praktisch hat der Bewerber BK Vorrang (zurecht - den wird nämlich bestimmt kein Gymnasium einladen, trotz Sek II Abschlusses). Gleiches Spielchen in der Sek I, dort wird nur zu schulfremden Lehrern gegriffen wenn sich ansonsten keiner findet, und an Haupt- und Realschullehrern gibt es flächendeckend genug, sodass GyGe-Lehrer dort absolut keine Chance haben reinzukommen. Packe deine Scheine und schreibe dich um, du scheinst sehr auf Sicherheit aus zu sein, hier in NRW kommen in schulscharfen Verfahren mittlerweile bis zu 200 Bewerber auf eine Stelle Deutsch/x, Englisch/x usw. an Gymnasien, anders sieht das an BKs, Sonderschulen oder Haupt-/Realschulen aus.

  • Wie gesagt, in Bremen wird kein Unterschied mehr gemacht zwischen Gymnasium und Oberschule. Es gibt an der Uni hier auch nur noch Gym/Oberschule (zusammen) und Grundschullehramt. Ich könnte also auch Real- und Haupt unterrichten.


    Was man hier auch studieren kann ist tatsächlich Berufsschullehramt mit verschiedenen Fachrichtungen. Das fände ich in der Tat sehr interessant. Es gibt auch nur ein Mathemodul für 6 CP und das ganze ist Zulassungsfrei. Allerdings hatte ich im Abi den Mathe LK gewählt und schon einige Probleme, im Abi hatte ich dann nur 7 Punkte. Auf der anderen Seite ist es kein spezifisches Lehramtsstudium und man ist schon mit dem Bachelor berufsqualifiziert im privaten Bereich.


    Zumal ich ganz ehrlich sagen muss, hier in Bremen kann man auch unglaubliches Pech haben mit der Schule. Da fliegen auch schon Stühle. An der Berufsschule wird wenigstens eine kleine Vorauswahl getroffen.


    Auf der anderen Seite muss ich sagen... ich hab erst meinen Realschulabschluss nachgeholt, dann das Abitur. Das dauerte schon ein paar Jahre. Und mit 26, 27 findet man schon noch eine Ausbildung, zumal ich ein sehr gutes Abitur hatte (1,8 )

  • Du scheinst zwei Punkte als Kernaussagen zu haben, die sich stetig wiederholen und Dir damit wohl sehr wichtig sind:


    1. "hier in Bremen" - Du willst scheinbar, egal wie, in der Hansestadt bleiben.
    2. die negativen Seiten des Systems Schule, obgleich Du anmerkst, dass Lehramt Dein beruflicher Traumjob ist.


    Zum Ersteren: im kleinen Bremen zu bleiben könnte schwer werden - und selbst wenn Du eine Ausbildung machst, welche dort als absolutes Mega-Superduper-Brauchenwirunbedingt-Mangelfach gilt, heißt das noch lange nicht, dass Du dort eine Stelle bekommst. Selbst wenn nur Du dieses Studium in HB erfolgreich durchlaufen hast - gibt ja noch andere Hochschulen und Seminarstandorte in Deutschland. Komme selbst aus einer Mangelfachrichtung und habe das bei Kolleginnen und Kollegen mehrfach erlebt. Da wäre mein Rat: schau ruhig auch mal über die Stadtgrenze zu uns - wir haben Kekse ;) derzeit könnten wir eine Lehrkraft (Gymnasium, auch Haupt- oder Realschule) für Politik und Englisch gebrauchen. Aber das ist eine Momentaufnahme - Prognosen für 2024 können nicht durchgeführt werden, da die Kristallkugel beschlagen ist.


    Zum Zweiten: ob es in einer Klasse drunter und drüber geht ist in meinen Augen eine Typfrage - man denke an die eigene Schulzeit. Es gab Lehrkräfte da hätten wir uns nie getraut Blödsinn zu machen und es gab die anderen. Und Stühle können auch an der BBS fliegen - allerdings auch angehende Hairstylistinnen, wie dies einer Mitreferendarin regelmäßig im Unterricht passierte (die haben sich dann tatsächlich in die Haare gekriegt). Lehramt an berufsbildenden/beruflichen Schulen/Berufskollegs bedingt zumeist eine entsprechende praktische Ausbildung (bspw. bei Agrar Jahrespraktikum) und teilweise Berufspraxis nach dem Master (bspw. bei mir damals zwei Jahre Berufspraxis). Das kann die Studienzeiten, und solche bis zum Eintritt in das angestrebte Lehramt, ebenfalls verlängern.


    Mein Rat: wenn man anfängt zu überlegen, ob der eingeschlagene Weg der ist, den man gehen möchte, dann ist er es meist nicht mehr.

    Bei "selbst schuld" wird nicht gepustet!

  • Jo, ich kann hier nicht weg. Das klingt wie eine Ausrede, aber ich hab hier schon deutlich meinen Lebensmittelpunkt. Ehe, Haus usw... Pünktlich um sechs loszufahren um dann durch halb Niedersachsen zu gondeln ist jetzt auch eher suboptimal ;) Das ganze Problem ergibt sich ja auch erst aus dem Alter. Wäre ich noch Anfang 20 würde ich das ohne zu murren machen: aber mit Mitte 30 keinen Job zu finden, wo man nicht weg kann - zumal ich bis dahin sicher Kinder haben werde, das ist doch eine richtig miese Situation. Und das macht mich eben unsicher.


    Und zum zweiten: ach, ich bin mir eben nie wirklich sicher. Ich hab ja schon ein Praktikum gemacht, das gefiel mir sehr gut. Aber das war an einer "guten" Schule mit Kindern, die zuhause wenig Probleme haben und sehr pflegeleicht. Es gibt aber auch das genaue Gegenteil. Damit kann ich ja noch umgehen. Wobei ich von meinem Nebenjob her eine Azubine kenne, die ganz schön über die Mitschüler und deren Niveau geklagt hat an der Berufsschule.
    Ich werde nächsten Montag mal zur Studienberatung gehen. Die Sache ist die: auf der einen Seite wäre ich wirklich gerne Lehrerin. Auf der anderen Seite kenne ich den ein oder anderen Lehrer und die sagen durchgehend fast alle: wenn sie nochmal studieren könnten, würden sie etwas anderes machen. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber die meisten leuchten mir ein. Klar ist sowas immer eine persönliche Einschätzung, aber bei manchen Aussagen habe ich das Gefühl, dass das so auch auf mich zutreffen könnte. Das bringt mich dann doppelt zum Zweifeln: schlechte Berufsaussichten und einige ehemals überzeugte Lehrer die unglücklich sind.


    Naja, erstmal Studienberatung und dann weitersehen.

  • Die Sache ist die: auf der einen Seite wäre ich wirklich gerne Lehrerin. Auf der anderen Seite kenne ich den ein oder anderen Lehrer und die sagen durchgehend fast alle: wenn sie nochmal studieren könnten, würden sie etwas anderes machen. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber die meisten leuchten mir ein. Klar ist sowas immer eine persönliche Einschätzung, aber bei manchen Aussagen habe ich das Gefühl, dass das so auch auf mich zutreffen könnte. Das bringt mich dann doppelt zum Zweifeln: schlechte Berufsaussichten und einige ehemals überzeugte Lehrer die unglücklich sind.

    Die hast du in jedem anderen Berufsfeld auch. Mein Erstwunsch war es Humanmedizin zu studieren, alternativ Psychologie. Vom Schnitt her wäre ich in beides reingekommen. Nach sechs Monaten auf der Inneren und sechs Monaten auf der psychatrischen Station habe ich mir das anders überlegt. Neben den sehr bescheidenen Arbeitsbedingungen geht man dort insbesondere als Idealist unter. Diejenigen Ärzte/Psychotherapeuten mit stark idealistisch ausgeprägter Ader habe ich als die am verbittertsten in Erinnerung - die Pragmatiker hatten sich mit dem System irgendwie arrangiert/abgefunden und machten ihre Arbeit, nicht mehr. Von den Patienten oder der Krankenhausdirektion oder PDL gab es selten mal Plätzchen für gut gemachte Arbeit, eigentlich nie, eher im Gegenteil eine Ansage und mehr Druck. Damit sage ich nicht, dass alle unglücklichen Lehrer im tiefsten Kern Idealisten sind oder dass sich viele bei der Suche nach einem bequemen Job mit viel Freizeit verschätzt haben oder Entscheidungen auf politischer Ebene immer wieder reglos ertragen werden sollten, aber die allgemeinen Konditionen sind durchaus ansprechender als ich sie in anderen Berufsfeldern kennengelernt habe. Ich kenne aus meinem näheren Umfeld einen ehemaligen Mediziner und eine ehemalige Betriebswirtin Fachrichtung Bankwesen, beide mittlerweile am Berufskolleg. Soll kein Vergleich zu vorher sein, vorausgesetzt man kann mit Menschen. Das ändert insgesamt nichts daran, dass bestimmte Fächerkombinationen für bestimmte Schulzweige total überbelegt und sprichwörtlich Grütze sind.

  • Hey, danke für deinen Beitrag. Idealist - weiss nicht, ob das auf mich zutrifft. Ich rege mich schon fürchterlichst über die Zustände an der Universität auf. Diese ganze Bürokratie.


    Was mich auch noch etwas bedrückt: Ich würde höchstwahrscheinlich nicht verbeamtet werden aufgrund von Vorerkrankungen, selbst wenn ich eine Stelle fände. Das ist mir zwar an sich nicht so wichtig, aber eben doch ein Minuspunkt. Und wenn ich mir mit etwas zeitlichem Abstand meine Beiträge durchlese, zeigt sich mir ja auch ein deutliches Bild was Perspektiven angeht und wie sich das mit meinen Zukunftsvorstellungen deckt.

  • Wie bereits angesprochen worden ist, ist Bremen als kleinstes Bundesland und mit einer alles andere als berauschenden Wirtschaftslage nicht gerade prädestiniert um dort einen guten Job zu finden. Gerade als Uni-Absolvent bist du unter Umständen so spezialisiert oder auf einen engen Stellenpool fest gelegt, dass du im Grunde mobil sein musst.


    Als Reinigungsfachkraft/Putzfrau oder Einzelhandelskaufmann/Kassierer gibt es in jeder Großstadt hunderte Stellen und sofern man sich ein paar Monate ordentlich drum bemüht kann man durch die Fluktuation eine Stelle bekommen. Als Luftfahrtechnikingenieur oder Lebensmitteltechnik-Lehrer kann die lokale Neubesetzungsrate gern mal in Jahren gemessen werden.


    Sofern du studieren möchtest, solltest du also auf ein general-purpose Fach wie BWL (vielleicht nicht gerade Richtung Marketing) setzen - was durch dein gehobenes Alter aber ein Problem ist. In der freien Wirtschaft schaut man eben auch auf das Alter. Ein 26-Jähriger Neuabsolvent hat bei gleichen Noten und Praktika in der Regel bessere Chancen als ein 34-jähriger.



    Der ÖD bietet den Vorteil, dass das Alter weniger bedeutend ist. Sofern du mit 34 dein Mathe-Physik Referendariat fertig stellst bekommst du genauso gut oder schlecht eine Stelle wie ein Jüngerer. Mit Englisch+Politik sind deine Chancen aber natürlich nicht gut, da Bremen als Großstadt zudem Bewerber von außerhalb anzieht. Mit einer 3-jährigen Ausbildung zum Erzieher dürfte man im Westen aktuell bessere Chancen haben als mit einer 7-jährigen Lehramtsausbildung in Englisch/Geistesfach.

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