Gefährlicher Schüler

  • Guten Abend,


    ich bin neu hier und komme direkt mit einem Ratgesuch :)


    Ich bin Klassenlehrerin einer 10. Klasse Hauptschule. Vor einem Jahr kam ein neuer Schüler in meine Klasse, und zwar strafversetzt von einer anderen Schule. In den folgenden Wochen schwänzte er meistens; wenn er da war, verbrachte er seine Zeit damit, jeglichen Unterricht zu blockieren, die Mädchen zu belästigen und Gewalt gegen Mitschüler auszuüben (bis hin zum Waffeneinsatz, u.a. Scheren und Gürtel). Es liegen mehrere Anzeigen gegen ihn vor, u.a. eben auch wegen Körperverletzung. Von Frauen (wie mir) lässt er sich sowieso schon mal nichts sagen und verbalisiert das auch so. Es ist mehrfach vorgekommen, dass er auch Lehrerinnen gegenüber körperlich bedrohlich aufgetreten ist. Im Sommer ist er dann wegen seiner nicht vorhandenen Leistungen auf die Werkschule gewechselt (eine Art "letzte Ausfahrt" vor "kein Schulabschluss").


    Er ist nach knapp sechs Wochen aus der Werkschule geflogen, weil die dortigen Leiter nicht mehr für die Sicherheit der anderen Schüler garantieren konnten. Die Schulbehörde sagt, damit habe ich ihn offiziell wieder in meiner Klasse. Die Schulleitung steht zwar vor mir, hat aber jetzt von der Behörde eine klare Anweisung bekommen: Ich muss ihn unterrichten, auch wenn er nach dem Dafürhalten aller Beteiligten nicht beschulbar ist und jegliche Beschulung verweigert. Die zuständigen Schulpsychologen reagieren seit einem Jahr auf jede Anfrage nur mit einem hilflosen Schulterzucken.


    Ich kann, so lange dieser Schüler anwesend ist, im Grunde keinen Unterricht durchführen. Insbesondere kann ich keinen Tafelunterricht durchführen, weil ich ihm nicht den Rücken zudrehen kann (das nutzt er gern, um andere zu verletzen). Meine Klasse hat Angst vor ihm. Eine Doppelbesetzung bekomme ich nicht, weil die Behörde dafür keine Stunden zur Verfügung stellt. Ein Schulverweis ist unwahrscheinlich, bis erneut etwas wirklich Gravierendes vorfällt, und genau das würde ich gern vermeiden. (Gleichzeitig würde ich ihn aber auch gerne lieber heute als morgen loswerden, auch wenn das total unpädagogisch etc. ist. Tatsache ist, ich bin keine Sonderpädagogin und keine Jugendpsychologin, und für den Umgang mit so derartig gestörten Problemschülern nicht ausgebildet.)


    Fragen jetzt: Wie schütze ich meine Klasse? Wie schütze ich mich? Wie würdet ihr vorgehen?

    • Offizieller Beitrag

    Erstmal dem Schulleiter einer Erklärung vorlegen, dass du dich nicht in der Lage siehst, deine Klasse vor Übergriffen zu schützen, wenn er anwesend ist, und formal die Verantwortung für Verletzungen deiner Schüler ablehen. In Kopie an den Personalrat. Du bist als Beamtin verpflichtet (für dich) unerfüllbare Aufgaben und Überlastung anzuzeigen. Wenn du das schriftlich tust, bist du zumindes juristisch sicherer.


    Und dann dem Dienstherrn Arbeit machen: täglich beim SL und beim SchuPsy Dienst und beim SSA eine Schulbegleitung fordern. Immer und immer wieder.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Ich kann dazu nichts sagen, aber bei deiner Schilderung fehlen mir die Worte.
    Das kann man echt nicht fassen.
    Das musste jetzt mal raus.

    Ich bin Grundschullehrer, ich muss nicht die Welt retten!!!

  • Gehe so vor, wie von Meike beschrieben und rufe außerdem ständig, wenn Deine SuS und/oder Du belästigt oder angegriffen werden/wirst, die Polizei ins Haus. Direkt vom Klassenraum aus mit dem Handy.
    Wenn man um sein eigen Leib und Leben und/oder der SuS fürchten muss, würde ich absolut keine halben Sachen machen!

    I wonder which mistake I'm going to try to learn from today.

  • Muss eine solche Überlastungsanzeige dann nicht auch zur Kenntnisnahme an die Behörde? Und wie formuliert man so etwas? Sorry für die Nachfragen, aber es ist meine erste Klassenleitung und das erste Mal, dass mir so etwas passiert.

    • Offizieller Beitrag

    Formlos, beschreibe die Situation und die Gefahren, die du siehst und "erkläre mich hiermit außerstande.... weise hiermit die Verantwortung für evtl ..... zurück, weise außerdem auf die Gefahr, dass....hin "
    Du kannst eine konkrete Forderung an deinen Dienstherrn (Fürsorgepflicht) anschließen.


    Erstmal geht das nicht an die Behörde, so lange der SL es theoretisch noch intern regeln könnte. Gib es aber dem PR, bitte ihn, das auch auf der nächsten gemeinsamen Sitzung zu thematisieren. Schaffe Öffentlichkeit! Dann kannst du nicht im Vieraugengespräch über den Tisch gezogen werden. Bist du bei der internen Sitzung dabei, steht deine Aussage im Protokoll, das kann wichtig werden, wenn du deine Interessen bei Nichthandlung deines SL bei der Behörde (mit PR und hoffentl. Gewerkschaftsunterstützung) durchsetzen musst.


    Bist du Gewerkschaftsmitglied? Wenn nicht, werde es. Wende dich dann an die Rechtsberatung.


    https://www.verdi.de/service/f…8e-11e0-43aa-00093d114afd


    http://www.gew-koeln.de/02/web…/ueberlastungsanzeige.htm

  • Danke für die Hilfe!! Ich habe jetzt mal so etwas formuliert und werde mich damit direkt morgen an die SL und den PR wenden. Im Grunde würde mir zur vorläufigen Absicherung ja eine (männliche!) Doppelbesetzung reichen.


    In der GEW bin ich Mitglied, aber bisher muss ich mich ja gegen keinen Vorwurf verteidigen. Für den Zeitpunkt, wo das notwendig wird, ist das aber ein wertvoller Hinweis.

  • Bremer SchulG § 57 (2) "Über die nur in besonderen Ausnahmefällen mögliche Befreiung von der Pflicht zum Besuch einer öffentlichen Schule oder
    einer staatlich genehmigten privaten Ersatzschule entscheidet die Fachaufsicht."

    §55 (4) "Schülerinnen und Schüler können von der Fachaufsicht zur Erfüllung ihrer Schulpflicht vorübergehend einem Regionalen

    Beratungs- und Unterstützungszentrum nach § 14 Abs. 2 des Bremischen Schulverwaltungsgesetzes zugewiesen werden,
    wenn ihr oder sein Lern- und Sozialverhalten dies erforderlich macht oder von ihr oder ihm dauerhafte Störungen der Unterrichts-
    und Erziehungsarbeit in ihrer oder seiner Schule zu vermeiden und die Maßnahmen nach §§ 46, 47 zuvor erfolglos geblieben
    sind. Die Zuweisung soll zwei Schuljahre nicht überschreiten."


    -> Im Akutfall (Selbst-/ Fremdgefährdung) kannst du natürlich Polizei oder Notarzt anrufen.


    Was sagen denn die Eltern? das Jugendamt? die Psychiatrie?


  • Schön, dass du das Rebuz anführst - das sind die Herren, die uns den Bengel zugewiesen haben, weil sie nicht wussten, wohin mit ihm.


    Die Eltern sind beide völlig überfordert und wollen ihn nicht zuhause haben, weigern sich aber auch, ihn in Therapie zu geben, weil das irgendwie ehrbeschmutzend ist.


    Die Polizei wartet nur darauf, dass sie ihn in die Finger kriegen können. Aber solange seine Opfer keine Strafanzeige stellen, sondern "nur" die Schule, passiert da leider herzlich wenig.


    Wir werden ihn jetzt ab Montag wieder genießen dürfen. Drückt mir die Daumen, dass er möglichst schnell irgendeine Sachbeschädigung o.ä. anstellt, damit wir ihn dem Rebuz zurückschicken können, ohne dass jemand ernstlich zu Schaden kommen muss.

  • Die Eltern sind beide völlig überfordert und wollen ihn nicht zuhause haben, weigern sich aber auch, ihn in Therapie zu geben, weil das irgendwie ehrbeschmutzend ist.


    Damit ist die Lösung des Problems doch klar:
    Der Druck auf die Eltern muss so hoch werden, dass sie einer Maßnahme zustimmen.
    Sprich: Mit Rücksprache bei der Schulleitung bei jedem Vorfall aus dem Schulhaus verweisen und nach Hause schicken.
    BTW: In der 10.Klasse hat der Bengel in der Regel die Schulpflicht erfüllt und kann ausgeschult werden.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

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