Eure Meinung zu dieser Petition ("Keine übergriffige Sexualkunde")??

  • Im Gegesatz zu dir hab ich mich dem Thema im Unterricht gestellt, währendes bei dir weiter im Bereich des Nichtvorstellbaren herumwabert.


    Ich hatte nur gedacht, dass Deine Schülerschaft ebenso heterogen ist wie meine, da Du in dem Gesichtsschleier-Thread zum Beispiel erwähnt hast, dass Du häufiger mit konservativen, muslimischen Schülerinnen zu tun hast. Daher habe ich angenommen, dass es in Deinen Klassen auch Schülerinnen oder Schüler gibt, die sowas wie "Sexualkunde" nicht mitmachen wollen bzw. den Unterricht nicht mit diesen Inhalten akzeptieren können. Du behauptest aber, dass alle Deine Schüler immer zu 100% mit dem Unterricht einverstanden sind.


    Aber nehmen wir mal hypothetisch an, Du hättest in einer Klasse einige Schülerinnen und Schüler, die Dir mitteilen, dass sie sowas nicht wollen und nicht mitmachen können, weil es ihr Schamgefühl und ihre Sittlichkeit verletzt und weil es gegen ihre religiösen Gebote verstösst. Wie würdest Du dann damit umgehen?

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe Schüler auskonservativen muslimischen und/ oder christlichen Familien, bisher haben die mir immer vertraut.


    Ich hab auch Schüler, die nichts über Amerika hören wollten, außer vielleicht das Wort "Imperialistenschweine!", und solche, die nichts über Krieg hören wollen, oder über das British Empire, oder die Zauberheiler in Südafrika, Gewalt gegen Muslime, Gewalt von Muslimen, Gewalt gegen Israel, Gewalt von Israel, Frauenthemen, gender roles, human rights..... Immer verstößt irgendwas gegen irgendwelche religiösen oder anderen Gefühle, theoretisch . Und bisher habe ich die Themen immer irgendwie trotzdem machen können. Sie sind halt wichtig zum Weltverständnis. Ohne Bildung geht halt nix.


    Es kommt drauf an, wie man es rüberbringt, und ob die Schüler und deren Familien einem vertrauen. Dann kann man über jedes - jedes! - Thema sprechen.

  • Christian Morgenstern kommt mir da in den Sinn:
    "Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf..."


    Wenn sich der Claudius ganz schröcklich vor Sex ekelt und fürchtet, dann muss das doch bei Jugendlichen auch so sein!

  • Ich habe Schüler auskonservativen muslimischen und/ oder christlichen Familien, bisher haben die mir immer vertraut.


    Ich hab auch Schüler, die nichts über Amerika hören wollten, außer vielleicht das Wort "Imperialistenschweine!", und solche, die nichts über Krieg hören wollen, oder über das British Empire, oder die Zauberheiler in Südafrika, Gewalt gegen Muslime, Gewalt von Muslimen, Gewalt gegen Israel, Gewalt von Israel, Frauenthemen, gender roles, human rights..... Immer verstößt irgendwas gegen irgendwelche religiösen oder anderen Gefühle, theoretisch . Und bisher habe ich die Themen immer irgendwie trotzdem machen können. Sie sind halt wichtig zum Weltverständnis. Ohne Bildung geht halt nix.


    Es kommt drauf an, wie man es rüberbringt, und ob die Schüler und deren Familien einem vertrauen. Dann kann man über jedes - jedes! - Thema sprechen.


    Ich schätze sehr viele deiner Beiträge meike, aber vielen Dank insbesondere für diesen. Zu begründen, warum ich dir so sehr in allem, was du hier schreibst, zustimme, sprengte den Thread.

  • Aber nehmen wir mal hypothetisch an, Du hättest in einer Klasse einige Schülerinnen und Schüler, die Dir mitteilen, dass sie sowas nicht wollen und nicht mitmachen können, weil es ihr Schamgefühl und ihre Sittlichkeit verletzt und weil es gegen ihre religiösen Gebote verstösst. Wie würdest Du dann damit umgehen?


    Eigentlich ist in diesem Thread ja bereits alles gesagt.
    Auf die Frage von Claudius hat das Bundesverfassungsgericht jedoch die Antwort gegeben, an die auch Claudius sich als Beamter zu halten hat:
    http://www.sueddeutsche.de/kar…unde-ist-pflicht-1.171287


    Die Schulpflicht muss gegen den Willen der Eltern und mit dem Ziel der Aufklärung und Wissensvermittlung für die Kinder durchgesetzt werden.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • In diesem Artikel der Süddeutschen Zeitung ist beschrieben, weshalb wir als Lehrer unbedingt Sexualaufklärung leisten müssen - im Interesse der Kinder.
    Die Kinder holen sich ihr "Wissen" über Sex und Sexualpraktiken heute mit ein paar Klicks aus dem Netz - und die "Generation Porno" bekommt eine völlig falsche Vorstellung von Sexualität und Liebe, sowie eine pervertierte Einstellung zur Rolle der Frau - falls wir in der Schule keinen Gegenpol bieten.
    http://www.sueddeutsche.de/kar…und-verunsichert-1.453135


    Übrigens: Der "Gegenpol" kann nicht darin bestehen, dass wir den Kindern sagen: "Lies die Bibel und halte dich daran!". Sonst legen die ihr erstgeborenes Kind auf einen Hackstock und wundern sich, dass bei ihnen keine Stimme aus dem Off eingreift - wie bei Abraham.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()


  • Auf die Frage von Claudius hat das Bundesverfassungsgericht jedoch die Antwort gegeben, an die auch Claudius sich als Beamter zu halten hat:
    http://www.sueddeutsche.de/kar…unde-ist-pflicht-1.171287


    An Gerichtsurteile müssen wir uns alle halten. Aber alle Bürger dürfen Gerichtsurteile kritisch bewerten, ihre persönliche Meinung dazu äussern, dagegen demonstrieren und so weiter. Das gilt auch für Beamte. ;)



    Die Schulpflicht muss gegen den Willen der Eltern und mit dem Ziel der Aufklärung und Wissensvermittlung für die Kinder durchgesetzt werden.


    Nicht nur gegen den Willen der Eltern, sondern auch gegen den Willen der Kinder. Das finde ich an Sexualkunde besonders problematisch, wenn Kindern gegen ihren Willen sexuelle Thematiken und Materialien aufgezwungen werden. Zwang in Verbindung mit Sexualität und Kindern hat aus meiner Sicht einen sehr, sehr fragwürdigen Beigeschmack.


    Aber machen wir uns mal nichts vor. Wir wissen beide, dass die Eltern und Kinder die Schulpflicht häufig leicht umgehen können. Da ist das Kind dann eben genau an den Tagen "krank", hat "unverschiebbare" Zahnarzttermine, muss zur "Beerdigung" von Onkel Wilhelm und so weiter.

    • Offizieller Beitrag


    Aber machen wir uns mal nichts vor. Wir wissen beide, dass die Eltern und Kinder die Schulpflicht häufig leicht umgehen können. Da ist das Kind dann eben genau an den Tagen "krank", hat "unverschiebbare" Zahnarzttermine, muss zur "Beerdigung" von Onkel Wilhelm und so weiter.


    ... und ist mit 15 schwanger und wird geächtet aus der streng gläubigen Familie geworfen und kann zusehen, wie es klar kommt. Super.


  • ... und ist mit 15 schwanger und wird geächtet aus der streng gläubigen Familie geworfen und kann zusehen, wie es klar kommt. Super.


    Gibt es einen Beleg dafür, dass Jugendliche, die in ihrem religiösen Elternhaus aufgeklärt werden häufiger mit 15 schwanger werden als Jugendliche, die in einem areligiösen Elternhaus aufwachsen und von ihren Lehrern aufgeklärt werden?

    • Offizieller Beitrag

    Braucht es gar nicht. Gesunder Menschenverstand reicht. Kinder in einem ordentlich geführten religiösen Elternhaus lernen natürlich, dass Sex bah ist und nur in der Ehe vollzogen werden darf, und dann auch nur, wenn dabei ein Kind entstehen soll und dann aber auch bitte keinen Spaß machen soll. Warum sollten die aufgeklärt werden? Sie haben doch keinen Sex. Werden sie aufgeklärt, ist das Elternhaus offensichtlich doch nicht so ganz nah dran an der Kirchenlehre, wie es eigentlich sollte. Dann sollte auch der schulische Unterricht kein Problem sein. Cherrypicking...

  • Gibt es einen Beleg dafür, dass Jugendliche, die in ihrem religiösen Elternhaus aufgeklärt werden häufiger mit 15 schwanger werden als Jugendliche, die in einem areligiösen Elternhaus aufwachsen und von ihren Lehrern aufgeklärt werden?


    Ja.

    • Offizieller Beitrag

    Gibt es einen Beleg dafür, dass Jugendliche, die in ihrem religiösen Elternhaus aufgeklärt werden häufiger mit 15 schwanger werden als Jugendliche, die in einem areligiösen Elternhaus aufwachsen und von ihren Lehrern aufgeklärt werden?


    Ja, die Beratungspraxis. Mit welchen externen Experten man sich auch auch unterhält ... Und natürlich das Anschauungsmaterial der Staaten, wo Fundamentalismus hoffähig ist und die Kultur prägt. Da ist das hinlänglich erwiesen und bekannt - genau wie dass in den christlich(fundamentalistisch) geprägten Staaten die Scheidungsrate höher ist.

    Zitat

    “Generally, religion, religious belief and religious activities are thought to strengthen marriages,” said co-author Jennifer Glass a sociology professor at the University of Texas at Austin. “It appears that the cessation of education, early marriage and early parenthood, you’re set up for relationship conflict, financial stress and dissolution.”


    Zitat

    The majority (86%) of the decline in the teen pregnancy rate between 1995 and 2002 was the result of dramatic improvements in contraceptive use, including an increase in the proportion of teens using a single method of contraception, an increase in the proportion using multiple methods simultaneously and a substantial decline in nonuse. Just 14% of the decline is attributable to decreased sexual activity. • There is no evidence to date that abstinence-only-until-marriage education delays teen sexual activity. Moreover, research shows that abstinence-only strategies may deter contraceptive use among sexually active teens, increasing their risk of unintended pregnancy and STIs.[23] [4]


    Bei nicht streng Gläubigen, aber gläubigen jungen Frauen in Deutschland hat die Konfession übrigens keinen Einluss, siehe die umfassende Studie hier - außer das junge Katholikinnen häufiger abtreiben, wofür die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung die mangelnde Akzeptanz zu Hause und damit den Wunsch geheim zu halten verantwortlich macht.


    Ganz klar ist (Seite 73ff) dass Bildung zu besserer Verhütung führt. Unaufgeklärte/schlecht aufgeklärte werden schneller ungewollt schwanger. Ein wieterer klarer Faktor bei ungewollten Schwangerschaften sind nicht egalitäre Partnerschaften, ein Mangel an Vertrautheit und Gleichberechtigung zwischen den Partnern - so dass die Frau sich nicht wagt, auf Verhütung zu bestehen oder es nicht gegen den Jungen durchsetzen kann.


    Und hinlänglich bekannt sind ja die weltweiten humanitären Katastrophen durch Hunger und Aids, die auf Basis von Kondom/Verhütungsverboten und Bildungsmangel seit Jahrzehnten perpetuiert werden. Und dass die Vergewaltigungsrate proportional zur patriarchalen Gesellschaft ist. Uvm.


  • Bei nicht streng Gläubigen, aber gläubigen jungen Frauen in Deutschland hat die Konfession übrigens keinen Einluss, siehe die umfassende Studie hier - außer das junge Katholikinnen häufiger abtreiben, wofür die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung die mangelnde Akzeptanz zu Hause und damit den Wunsch geheim zu halten verantwortlich macht.


    Also da muss man schon eine Differenzierung vornehmen. Es gibt sehr viele "Taufscheinchristen". Als Religionslehrer kenne ich das sehr gut. Das sind Jugendliche, die auf dem Papier "Katholiken" sind, weil sie als Baby getauft wurden. Irgendwann waren sie dann nochmal zur Erstkommunion und Firmung in der Kirche, weil es dafür Geld und Geschenke von der Verwandschaft gibt. Im Elternhaus findet aber überhaupt keine religiöse Erziehung statt, die Jugendlichen haben häufig noch nie gebetet, haben von "ihrer" Religion so gut wie keine Ahnung und Religion spielt in ihrem Leben auch keine Rolle. Manche glauben "halt irgendwie schon, dass es einen Gott gibt", das war es dann aber auch. Und diese Gruppe der "Taufscheinkatholiken" ist ziemlich gross. Es wundert mich nicht, wenn Abtreibung und Teenagerschwangerschaften bei diesen Jugendlichen mindestens genauso häufig vorkommen wie bei gleichaltrigen "Atheisten".


    Es gibt aber auch Jugendliche, die sehr religiös sind, die aus sehr religiösen Elternhäusern kommen, die sehr religiös erzogen wurden, die jeden Sonntag zur Kirche gehen täglich beten, regelmäßig beichten und so weiter. Wenn man herausfinden möchte, inwiefern sich eine wirklich religiöse Erziehung und eine starker religiöser Glaube sich auf das Sexualverhalten und Aspekte wie Abtreibung und Teenagerschwangerschaften auswirken, müsste man auch die wirklich religiösen Milieus untersuchen und das Ergebnis dann mit areligiösen Milieus vergleichen. ;)


    "Teenager" ist man übrigens von 13 bis einschliesslich 19. Also auch Volljährige gelten noch als "Teenager". Mich würde mal eine Statistik zu Teenagerschwangerschaften interessieren, die genau nach Alter der Schwangeren von 13 bis 19 aufgeschlüsselt ist. Und dazu noch weitere Aufschlüsselungen nach Familienstand der Schwangeren (ledig/verlobt/verheiratet), Umstände der Schwangerschaft (Verhütungspanne/ungewollte Schwangerschaft/Wunschkind), Religion und Art der Aufklärung (Schule/Elternhaus/Zeitschriften/Internet etc.)


    In sehr religiösen Milieus ist es nicht unüblich, dass man ziemlich jung heiratet und auch ziemlich jung Mutter wird. Daher würde sich eine recht hohe Anzahl von Teenagerschwangerschaften auch damit erklären lassen, dass viele religiöse Jugendliche schon mit 17/18/19 heiraten und dann direkt eine Familie gründen.

  • In sehr religiösen Milieus ist es nicht unüblich, dass man ziemlich jung heiratet und auch ziemlich jung Mutter wird. Daher würde sich eine recht hohe Anzahl von Teenagerschwangerschaften auch damit erklären lassen, dass viele religiöse Jugendliche schon mit 17/18/19 heiraten und dann direkt eine Familie gründen.


    Jup. In der Regel 6 bis 7 Monate nach der Trauung. :autsch:

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    • Offizieller Beitrag

    Braucht es gar nicht. Gesunder Menschenverstand reicht. Kinder in einem ordentlich geführten religiösen Elternhaus lernen natürlich, dass Sex bah ist und nur in der Ehe vollzogen werden darf, und dann auch nur, wenn dabei ein Kind entstehen soll und dann aber auch bitte keinen Spaß machen soll. Warum sollten die aufgeklärt werden? Sie haben doch keinen Sex. Werden sie aufgeklärt, ist das Elternhaus offensichtlich doch nicht so ganz nah dran an der Kirchenlehre, wie es eigentlich sollte



    Das kann ich so pauschal auch nicht stehen lassen.
    Viele Gläubige, die ihren Glauben ernst nehmen, führen ein eigenverantwortliches Leben, ohne kritiklos hizunehmen, was von Kirchenseite als erwünscht gilt. Und ganz sicher werden dort auch die Kinder aufgeklärt und gibt es dort nicht mehr und nciht weniger Teenagerschwangerschaften als in areligiösen Elternhäusern.
    Schlagt mich, aber ich hege den (gefühlten) Verdacht, dass die meisten Teenagerschwangerschaften hierzulande in den sogenannten bildungsfernen und nicht so sehr in religiös geprägten Schichten entstehen.


    Wer kommt eigentlich auf das merkwürdige Bild, dass religiöse Elternhäuser nur dumpf nachplappern, was kirchenseits gesagt wird? Auch praktizierende Christen leben nicht mehr in den 50er Jahren.

    • Offizieller Beitrag

    Aber Friesin, nichts anderes sage ich doch. Die gemäßigten, im Hier und Jetzt lebenden Christen werden ihre Kinder schon aufklären, dann ist aber auch der schulische Aufklärungsunterricht kein Problem. Die aus den 50s, die darauf bestehen, die Frau sei für den Haushalt und sie selbst für das Wechseln der Glühbirnen zuständig, haben aber offenbar Kinder, die immer während Bio krank sind.

  • Natürlich klären Christen ihre Kinder auf. Der Dissens liegt nicht darin, ob Aufklärung stattfinden sollte oder nicht, sondern in welcher Form und mit welchen Inhalten Aufklärung stattfinden sollte.

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