Partizipation von Schülern - zu viel des Guten?

  • Ich habe Probleme mit meiner Klasse gehabt (bin zur Zeit krank geschrieben wegen Burnout, aber das hat auch andere Ursachen) und frage mich, warum.


    Als braver Lehrer, der im Ref gelernt hat, dass Transparenz und Partizipation wichtig sind, habe ich das auch umgesetzt. Sprich: Wünsche an die Lehrer formulieren, regelmäßige Evaluation, Mitsprache bei Methodenwahl etc.


    Früher habe ich bei Schülern unterrichtet, die Fachabi machten, und da war das ok.


    Nun bin ich bei Haupt- und Realschülern und habe das Gefühl, dass Partizipation anders, in gerigerem Maße (oder vielleicht gar nicht?) stattfinden muss.


    Nun hatte ich das Problem, dass einige Schüler aus der Klasse etwas "aufmüpfig" wurden. Ich wurde kritisiert, sehr offen vor der Klasse, es gab von diesen Schülern Beschwerden über die Organisationsstruktur der Schule (Orga der Praktika, Papierkram etc.). In einem Gespräch mit der Bildungsgangleiterin wurde dann darüber gesprochen, aber auch deutlich gemacht, dass das so ist und auf Erfahrungen basiert.
    Ich aber hatte dann weiterhin das Problem, dass da Unzufriedenheit bei diesen Schülerinnen herrscht und das hat mich unsicher gemacht. Zusammen mit weiteren Problemen bin ich dann in den Burnout gerutscht, aber das trägt jetzt hier eigentlich nicht zum Thema bei.


    Ich würde gern wissen, wie ihr das handhabt.


    Habe ich meine Schüler vielleicht überfordert? (und mich dazu)

  • Das klingt jetzt grausam - aber meine Hauptschüler machen in der Regel das, was ich sage - und so läuft das am Besten. Mitsprache gibt es nur bei ausgewählten Themen und da muss man auch den Zeitpunkt abpassen, zu dem das mal geht.

  • Ich habe auch diese Erfahrungen gemacht, dass man an Hauptschüler nicht die gleichen Anforderungen in Bezug auf die Zusammenarbeit und die Kommunikation stellen kann, wie man es vielleicht an Gymnasialschüler stellt.



    Schließlich stellen wir ja ganz selbstverständlich in Mathe, Englisch und Deutsch (und alle weiteren Fächer) auch niedrigere Anforderungen.


    Hauptschüler muss man "anleiten" und d.h. für mich, dass ich der "Chef" in der Klasse bin. Zu viel Partizipation überfordert diese Schüler. Natürlich darf man sich Kritik auch mal anhören lassen und auch Lösungsmöglichkeiten gemeinsam suchen.

  • 'ne dumme Frage (Ich weiß, dass ich dumm bin, sehr dumm sogar!) : Inwieweit partizipieren wir als Lehrer z.B. hinsichtlich der Ausrichtung der Bildungspolitik ? In NRW wurden hinsichtlich freie und kritische Meinungsäußerungen Kollegen sogar Maulkörbe verpasst.


    Partizipieren wir, wie der Amtsrichter seinen Job zu machen hat ? Partizipieren wir an der Konzeption der Krankenhäuser, Altenheime, Finanzämter, Polizeistrukturen..? Bestimmen wir Lehrer mit, mit welchem Skalpell der Chirurg die Operation durchzuführen hat ?


    Irgendwie habe ich immer das Gefühl, dass jeder Hans und Franz (Eltern,Schüler etc.) in unserem Arbeitsbereich partizipieren will und einmischen darf bis der Arzt kommt, während wir als Lakaien dazu die Klappe halten dürfen.


    Es ist doch so : Alle wollen in der Schule nur wegen der Durchsetzung ihrer eigenen egoistisch ausgerichteten Vorteile bei allem möglichen partizpieren, aber letztendlich sind die Profi-Partizipierer immer dann fein raus wenn Verantwortung getragen werden muss. Die wird dann sowieso auf die Lehrer abgewälzt.


    Kurzum : Wir sollten uns erstmal über die Pflichten der Schüler und Eltern unterhalten, deren Erfüllung sehr im Argen liegt. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    Einmal editiert, zuletzt von Elternschreck ()


  • Als braver Lehrer, der im Ref gelernt hat, dass Transparenz und Partizipation wichtig sind, habe ich das auch umgesetzt. Sprich: Wünsche an die Lehrer formulieren, regelmäßige Evaluation, Mitsprache bei Methodenwahl etc.

    Das sind für mich zwei Paar Schuhe. Wenn ich transparent bin, sage ich, was ich von den Kindern erwarte. Das hilft beim Lernen und bei der Disziplin.


    Das andere Thema ist das "Entscheidungen treffen lassen" und das ist für mich die Grundsatzfrage der Erziehung. Es gibt Entscheidungen, die ich einem Kind abnehme und es damit schütze (ein Zweijähriger darf nicht mit dem Laufrad über die Straße) und Entscheidungen, die das Kind/ der Jugendliche selbst trifft und damit erwachsener und selbständiger wird (wo will ich Praktikum machen). Da die Spanne riesig ist und sich an der Entwicklung des Kindes orientiert, kann man da keine allgemeingültige Antwort geben.


    Oder anders gesagt: versetze dich in einen Achtklässler an der
    Hauptschule. Vorne steht ein Lehrer und fragt permanent: was hättest du
    gerne? findest du gut, was ich mache? möchtest du vielleicht lieber...? oder nein, wir machen das anders, denn Max möchte gerne und Lisa findet aber... der Schüler spürt Unsicherheit, fühlt sich "grenzenlos" und überfordert. Wenn niemand sagt, wos langgeht, wird er frech und überschreitet theoretisch nicht mal Grenzen, weil ihm ja keiner welche gesetzt hat.


    Die Frage wäre also nach dem jeweiligen Ziel: was willst du erreichen, wenn ein Schüler entscheiden soll, welche Methode die passende ist? WIE soll er überhaupt eine Entscheidung treffen, wo er doch noch nicht mal Ahnung von Methoden hat? Oder knapper: Gib mehr zurück, nimm nicht alles an und auf und machs nicht zu deinem eigenen Problem. Wenn ein Schüler sich über irgendwelchen Papierkram beschwert, dann kann man a) rückmelden "ich sehe, dass dich das überfordert und wenn du Hilfe brauchst, melde dich" oder b) so ein Pech aber auch oder c) kannst dir gerne einen Termin beim Schulleiter holen, Papierkram ist seine Sache oder d) "Ruhe jetzt!" brüllen. Du bist niemandes Mülleimer.

    • Offizieller Beitrag

    Transparenz ist extrem wichtig - wenn die Schüler nicht verstehen, warum sie etwas machen sollen, machen sie es nicht (so willig). Wie Erwachsene übrigens auch. Normal halt.


    Mitsprache bei der Methodenwahl gibt es bei mir nicht. Das ist selbst für meine Oberstufenschüler eine Überforderung und die sind zum Glück in einem Alter, wo sie das auch kapieren und mir vertrauen. Die wissen nicht unbedingt (eigentlicheher gar nicht), welche Kompetenzen, Techniken, Verständnisprozesse, Systematisierungen und Automatisierungen sie mit welcher Methode wie erlenen oder trainieren können, in welcher Sequenzierung, mit welchen Materialien. Das erkläre ich gerne und ausführlich, aber ich ordne es an, denn ich bin da der (einzige) Profi im Raum.
    Bisher gab es darüber noch keine Beschwerden, im Gegenteil. Die schätzen eine klare Struktur und Ordnung im Lernprozess, eine erkennbare Systematik und Breite und das sie einen Ansprechpartner haben, der nichts "weil ich halt mal ne Gruppenarbeit machen wollte" macht, sondern weiß warum A genau an diesem Punkt der Reihe zu besserem Können von B führt.


    Ausnahme sind die Pillepalllestunden vor den Ferien oder nach harten Paukphasen - da dürfen sie sich auch mal wünschen. Das muss ja dann auchkeinen nennenswerten Effekt erzielen.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    • Offizieller Beitrag

    Kann mich Meike nur anschließen. Ich muss aber hinzufügen, dass Achtklässler in einem Alter sind, wo gerade sie klare Strukturen brauchen, das aber nicht so zeigen. Sprich, man fragt zu oft "Was wollt ihr?" und sie lassen dich gnadenlos auflaufen. Und man bilde sich nicht ein, dass man ihnen das Schulleben durch mehr Partizipation erleichtert, die gehen in dem Alter zur Schule, weil sie müssen und da evtl. noch Freunde treffen. Und nicht mehr.

  • [Schüler] muss man "anleiten" und d.h. für mich, dass ich der "Chef" in der Klasse bin. Zu viel Partizipation überfordert ... Schüler. Natürlich darf man sich Kritik auch mal anhören lassen und auch Lösungsmöglichkeiten gemeinsam suchen.


    Ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich das Zitat ein wenig abgewandelt habe ...

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