suche pro/contras für klassenübersprung

  • Ich unterrichte eine 1. Klasse nach dem französischen System. Das heisst, meine 1.Klässler sind zwischen 5 und 6 Jahre alt und die Mentalität ist überhaupt nicht unserem Schulsystem angepasst. Nun habe ich einen Jungen, der in der Mathematik bereits drei Summanden mit drei bis vier Stellen fliessend im Kopf ausrechnet (was ich mir aufschreiben müsste...) und das so schnell, dass man nicht mal die Zeit hätte, es in einen Rechner einzugeben.


    Ich sehe nun keinen Sinn darin, den Jungen im 20er-Raum rechnen zu lassen. Da ich nur 10 Kinder in meiner Klasse habe (Privatschule), möchte ich ihn in der Mathematik in die 3. Klasse versetzen. Meine Stellenpartner wehren sich dagegen - das entspräche nicht dem System. Leider glauben die Eltern an das System. Aber der Junge langweilt sich offensichtlich mit den Aufgaben der 1. Klasse.


    Ich plane ein Gespräch im Team und mit den Eltern, da ich nicht einfach klein beigeben möchte. Habt ihr mir sinnvolle Argumente für (oder auch gegen) die Versetzung?
    (--> Nachteil wäre natürlich, dass der Junge alleine auf der Stufe der 3. Klasse rechnen müsste - aber das dann auch nach seinem Tempo kann.)


    Hat jemand Erfahrung mit so einer Begabung? Würde mich interessieren...


    Vielen Dank!

  • Man muss die Gesamtsituation sehen. Wie ist sein Arbeitsverhalten? Arbeitet er zügig und sicher? Fragt er nach weiteren Aufgaben, wenn er seine beendet hat oder ist er eher ein Kind das man ständig antreiben muss? Nimmt er sich selbständig neue Aufgaben? Ist er gut organisiert und muss man im alles hinterhertragen? Usw.
    Habe auch gerade eine 1. und ein Junge liest auf 3.Kl.-Niveau. Die Eltern wollen, dass er in die 2. Kl. springt. Er ist aber in allem sehr langsam und ziemlich verpeilt. Deshalb bekommt er Leseaufgaben auf höherem Niveau und bleibt zunächst mal bei mir.


    Bei 10 Kindern in deiner Klasse dürfte eine Binnendifferenzierung ja kein Problem sein.


    Gruß simone

  • Nein, im Bereich Sprache, Sozialverhalten, etc. ist er ein ganz klassisches 1.Klasse Kind. Ich möchte auch, dass er in der 1. Klasse bleibt und anstatt den Rechenaufgaben vom ersten Schuljahr halt jene des 3. Schuljahrs lösen darf. Damit würde das Kind auch nicht aus seinem Klassenverband gerissen.

  • kann er denn auch das kleine Einmaleins? Geometrie? Löst er
    Rechengeschichten? Kann er Subtrahieren und Dividieren auf
    Drittklässlerniveau? Hat er den Aufbau des Zahlensystems verstanden?
    Mathematik ist ja schon noch ein bisschen mehr als nur Addition...
    Wenn er das auch alles kann... dann gib ihm doch Materialien des dritten Schuljahres und guck, wie er damit zurecht kommt.
    Dann kopiert der Kollege des 3. Schuljahrs in Mathe halt immer ein Blatt mehr... er schreibt Matheteste da mit... und arbeitet halt alleine im Buch der dritten Klasse.
    Wenn er selbstständig arbeiten kann... kein Problem.
    Kann er das nicht... dann ist das ganz sicher nicht die Lösung.

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • "Nein, im Bereich Sprache, Sozialverhalten, etc. ist er ein ganz klassisches 1.Klasse Kind. Ich möchte auch, dass er in der 1. Klasse bleibt und anstatt den Rechenaufgaben vom ersten Schuljahr halt jene des 3. Schuljahrs lösen darf. Damit würde das Kind auch nicht aus seinem Klassenverband gerissen."


    Möchtest du, dass er in einem Fach offiziell nach anderem Lehrplan unterrichtet wird und das dann auch im Zeugnis steht? oder gehts nur darum, dass du ihm Zusatz mit Drittklassstoff hinlegen darfst.


    Ich weiß von (älteren) hochbegabten Kindern, die die Springerei sehr schwierig fanden. Allerdings mussten sie den Klassenverband verlassen und in eine hochpubertierende Gruppe wechseln, sehr viel Vokabeln nachholen etc., das ist total schiefgegangen. Wenn das Kind in deiner Klasse verbleibt, ist das doch optimal.


    Könnte mir vorstellen, dass die Eltern nicht so richtig klarkommen oder das nicht wahrhaben oder einfach nicht fördern wollen, dass ihr Kind ein "Sonderling" werden könnte oder bereits ist. Vielleicht kannst du dem Knaben auch Knobelaufgaben oder sowas anbieten, dass er nicht im Stoff weitermacht und dann noch zusätzlich den anderen vorauseilt, sondern sich anderweitig mit Mathe auseinandersetzt?

  • Ein richtiges Überspringen mit Klassenwechsel würde ich stark von der gesamten Entwicklung und dem Verhalten ausmachen.


    Ich habe in einer Klasse ein Kind, das eine Klasse übersprungen hat, weil es geistig durchaus in der Lage ist, im Stoff mitzuhalten. Allerdings ist das Kind in seinem ganzen Verhalten noch extrem kindlich, kindlicher sogar als viele andere Kinder in seinem Alter, und ist von den Anforderungen an sein Verhalten, z. B. auch die stärkere Selbstorganisation, total überfordert. Theoretisch muss man sich ständig neben das Kind stellen oder setzen, damit es sich so organisiert, dass es mitarbeiten kann. Macht man es nicht, kann es oft nicht richtig mitarbeiten, weil es gar nicht weiß, wo und was zu tun ist. Kümmert man sich drum, leidet nicht selten der Unterrichtsfluss, gerade in Besprechungsphasen, wenn die Kinder schon das anschließend zu bearbeitende Material bereithalten sollen ... Das Verhalten sticht sehr heraus und wird von den anderen Kindern teils auch noch spöttisch belächelt. Ob dem Kind da wirklich geholfen ist? Es macht zwar Fortschritte, aber wie oft muss ich hingehen, Heft aufschlagen, zeigen, daneben stehen, noch einmal erklären (lassen) - und wenn ich mich dann wieder den anderen Kindern zuwende, kommt am Ende kein Ergebnis bei rum. Das mag bei diesem Kind auch extrem sein, denn in anderen Klassen mit Kindern desselben Alters, habe ich dieses Problem in dem Ausmaße nicht, aber offensichtlich wird hier eben noch Entwicklungszeit benötigt.


    Daher und grundsätzlich würde ich daher eine verstärkte Binnendifferenzierung bevorzugen. Sei es, dass du Inhalte vorziehst oder anreicherst oder dem Kind regelmäßig Zeit gibst, selbstgewählte Aufgaben zu entwickeln und zu bearbeiten. Ich habe auch schon die Erfahrung gemacht, dass ein Kind, das nur zeitweise in einer anderen Klasse unterrichtet wird, dann sowohl in der eigenen als auch der zusätzlichen Klasse eher an den Rand gerät.


    Und by the way ... Wir sind doch eh dazu angehalten, differenziert zu unterrichten, eine binnendifferenzierte Lösung sollte also vermutlich das bürokratisch am einfachsten zu lösende Modell sein?? :)


    Viel Erfolg und gute Nerven bei der Entscheidungsfindung! Ich hoffe, ihr findet eine gemeinsame Lösung, die vor allem auch für das Kind fruchtbar ist. Hoffentlich kriegst du die Eltern so ins Boot, dass du wirklich erst einmal in deiner Klasse versucht, dem Kind im besonderen Maße gerecht zu werden. So bleibt der soziale Rahmen, die wirkst aber auch dem Frust entgegen, der über Kurz oder Lang wegen Unterforderung eintreten wird. Schlimm wird es ja auch, wenn das Kind nun meint, Mathe sei ja so einfach, bis dann der Punkt kommt, wo es wirklich einmal sitzen und denken muss - und das quasi nie gelernt hat, weil Mathe es bisher nicht hinreichend herausgefordert hat. Das ist ja häufiger das Problem von Hochbegabten und Hochleistenden, denen zunächst alles "zufliegt"...

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