Medikamentengabe

  • Hallo!
    Wir leiden in unserer vor zwei Jahren gegründeten Oberschule im Moment besonders unter der aktuellen 5. Klasse, die wirklich schwierig ist (mehr dazu noch in anderen Themen, wenn ich gleich noch Energie habe, mehr zu schreiben) und in der ich einige Stunden Fachunterricht gebe (auch einen Nachmittag).
    Einige Kinder der Klasse stehen unter Medikamenteneinfluss. Das möchte ich nicht bewerten, ich bin kein Arzt und kann nicht beurteilen ob es nötig ist. Heute hat mich aber die Klassenlehrerin angesprochen und mir gesagt, dass sie nun eine Packung Tabletten für eines der Kinder von der Mutter bekommen hat, um dem Kind, wenn es im Nachmittagsunterricht zu schwierig wird, eine Tablette nachzugeben. Ich habe bedenken geäußert und meine mich erinnern zu können, dass wir als Lehrer keine Medikamente ausgeben dürfen. Sie meinte, sie hätte die Unterschrift der Mutter, dass sie das darf.
    Ich habe mich trotzdem geweigert und bin mir auch nicht sicher, ob eine Mutter mich mit ihrer Unterschrift von der gesetzlichen Vorgabe entbinden kann. Außerdem bin ich auch ein bisschen bockig, weil ich das echt nicht als meine Aufgabe sehe! Das Kind ist 12 Jahre alt und wenn er Nachmittags Tabletten braucht, dann soll er sie nehmen, aber ich bin nicht dazu ausgebildet zu entscheiden, ob das so ist oder nicht.
    Es wurde noch eine Weile auf mich eingeredet (vereint mit der Schulsozialpädagogin) aber ich bin hart geblieben ;-). Ich bin auch ein bisschen schockiert, worum wir uns noch alles kümmern sollen.


    Seid ihr da soweit bei mir? (Ja, ich gebe es zu, das war jetzt keine echt Frage, sondern ich suche Bestätigung ;) und auch ein bisschen Trost, weil ich mir schon Gedanken mache, wie ich bei solchen Klassen noch bis zur Rente durchhalten soll...)


    Grüße

  • Danke für den Link! :) Das war schon mal sehr interessant.
    In dem anderen Thread geht es allerdings um einen schwer kranken Jungen, der wirklich in Gefahr kommen kann, nicht um ein Kind, das ohne sein Ritalin "zu anstrengend" wird... :-/

  • Ich wollte dich auch keinesfalls damit abwatschen, sondern dir nur schon einmal Input geben. Meine mich zu erinnern, dass da auch unlängst noch ein Link gepostet wurde?
    Bin mir sicher, du wirst hier noch Zuspruch finden. Ist ja auch völlig legitim!


    (Und nein, ich sehe es nicht als meine Aufgabe an, dem Kind sein Ritalin zu verabreichen)

  • Es ist ok, das Kind an seine Tabletten zu erinnern. Es ist verboten, sie dem Kind zu verabreichen, egal was die Mutter oder die Klassenlehrerin sagen. Und das ist - um mal Wowereit zu zitieren - gut so! Du hast Dich meiner Meinung nach richtig verhalten.

  • Einer Schülerin meiner Klasse wird täglich eine Tablette gegeben. Das übernehmen die PmsA oder die I-Helferin.
    Damit wir rechtlich abgesichert sind, haben wir drei Bescheinigungen benötigt. Vom Arzt (mit Tag und Uhrzeit), von den Eltern und das Einverständnis der Kollegen. Ich werde die Verantwortung nicht übernehmen, weil ich nicht immer zur passenden Zeit in der Klasse bin.

  • Damit wir rechtlich abgesichert sind, haben wir drei Bescheinigungen benötigt.


    Und in jeder dieser Bescheinigungen ist ein Haftungsausschluß festgelegt und das wird im Zweifel auch vor Gericht anerkannt?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Mit deiner Aussage liegst du wahrscheinlich vollkommen richtig. Die Absicherung wäre vor Gericht bestimmt nicht viel wert. Und die Eltern, die jetzt noch alle Hebel in Bewegung gesetzt haben damit Ihr Kind die Tablette bekommt, kennen dann keine Freunde mehr.

  • Manchmal bin ich echt froh, an einer Klinikschule zu arbeiten, wo medizinischer Beistand einen Anruf entfernt ist...



    Viele Grüße
    Fossi
    - Pflasterkleber, Kühlpackholer, Düftchenanreicher, Händchenhalter, aber definitiv nicht Pillengeber.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Solange es keine eindeutige gesetzliche Grundlage oder schriftliche Zusicherung des Dienstherrn gibt, welche die Lehrkraft von allen Haftungs- und Regressforderungen (auch von Seiten des Dienstherrn) freispricht, sollte man sich auf Medikamentengabe auf keinen Fall einlassen. "Privatrechtliche" Vereinbarungen zwischen Eltern, Ärzten und Lehrkräften sind im Zweifel das Papier nicht wert, auf dem sie stehen, und können von Gerichten auch im Nachhinein einkassiert werden. Und vor Gericht wird man sich mit hoher Wahrscheinlichkeit wiedersehen, wenn wirklich etwas schiefgeht.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • auf so etwas würde ich mich nicht einlassen. ich hatte mal einen ähnlichen Fall und habe - zum Entsetzen der Mutter - abgelehnt. Es wurde dann eine Lösung gefunden ohne mich einzubinden. Seltsam, was alles geht obwohl zunächst behauptet wird, das wäre sie einzige Möglichkeit...
    Vor allem das hier kann man nicht verlangen und ist meiner Meinung nach eine bodenlose Frechheit:


    wenn es im Nachmittagsunterricht zu schwierig wird, eine Tablette nachzugeben.

  • @ Annasun: Genau, das finde ich eben auch. Ich fühle mich nicht in der Lage, auch noch die Notwendigkeit einer Tablettengabe einzuschätzen. Ich kann die Klassenlehrerin nicht verstehen, dass sie dem Zugestimmt hat (wahrscheinlich zum Teil Hilflosigkeit einer recht jungen Kollegin).


    Ich finde es übrigens ganz grundsätzlich eine bedenkliche EInstellung, schlechtes Benehmen von Schülern auf eine zu geringe Tablettendosis zurückzuführen (und es damit quasi zu entschuldigen). Ein Kind mit 12 Jahren hat ja hoffentlich schon ein gewisses Maß an Selbstkontrolle erlernt und sollte es verhindern können, völlig auszurasten wenn das Doping nachlässt. Aber vermutlich musste er das gar nicht lernen, wenn er bis jetzt immer die Verantwortlichkeit für sein Verhalten nach außen tragen konnte. Aber das ist ja wieder ein anderes, kontroverses Thema :-/

  • Ich hatte in meinem letzten Durchgang eine Schülerin mit Diabetes.
    Die Eltern haben das oft nicht so wirklich auf die Reihe gebracht.
    Frühstück gabs mal nichts und mal Streuselzuckerschnecken.
    Zahlreiche Elterngespräche haben nicht gefruchtet.


    Höhepunkt war dann der Ausflug ins örtliche Wasserwerk,
    als sie ihre Spritze vergessen hatte und ich niemanden am Handy errreicht habe.
    (ach, habe ich Ihnen nicht unsere neue Tel. Nr. gegeben?).


    Die Mutter meinte dann, ich solle vor einem Ausflug kontrollieren, ob das Kind die Spritze in der Tasche habe.
    Sie habe schließlich noch drei andere Kinder!!!

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