Liebe Kollegen,
ich bin gerade mit meinem didaktischen Latein ziemlich am Ende ... kurz zur Situation: Ich unterrichte nebenbei (4 Std. pro Woche) ehrenamtlich an einer Art Abendgymnasium, wobei die (erwachsenen und körperlich und/oder psychisch gehandicapten) Schüler zu Hause am Rechner sitzen. Das ist grundsätzlich eine tolle Sache, schon weil die Lerngruppe nur sechs Schüler umfasst und weil man in Jogginghose und Schlappen unterrichten kann, aber leider stellt sich (neben vielen anderen) das Problem, dass die SuS einen äußerst unterschiedlichen Leistungsstand mitbringen. Bildlich gesprochen: Wollte ich sie alle da abholen, wo sie stehen, müsste ich vom Flughafen über den Provinzbahnhof bis hin zur ländlichen Bushaltestelle, wo morgens die Milchkannen stehen, alles ansteuern.
Im Einzelnen: Zwei Schülerinnen sind so gut, dass ich sie ohne Bedenken nächste Woche Abitur schreiben ließe. Zwei sind so lala, das heißt sie verstehen die Texte, können auch (auf Nachfrage) dazu etwas beitragen und können sich einigermaßen verständlich ausdrücken. Hauptproblem sind die zwei verbleibenden Schüler, die selbst mit einfachsten Texten große Schwierigkeiten haben. Standardkommentar des einen: "Ich hab jetzt ehrlich gesagt fast nichts verstanden..." - Derzeit arbeiten wir mit "Green Line Oberstufe Klasse 11/12" und sind da noch ziemlich am Anfang; die Texte sind schon Originaltexte, aber IMHO nicht allzu schwierig (Nebencrux: Die "Schwierigkeit" von Texten einzuschätzen, fiel mir immer schon relativ schwer). Ich will es jetzt mal als ultima ratio mit Texten aus "Read On" (noch einfacher gehts wohl kaum!) probieren und neige zu der Ansicht, dass - sollte dieses "easy English" immer noch zu schwer sein - es für den betreffenden Schüler kaum noch möglich sein wird, seine Defizite im Fach Englisch bis zum Abitur 2016 halbwegs auszugleichen. Die gängigen Techniken zur Texterschließung haben wir natürlich durch, die Schüler besitzen natürlich "Words in Context" und entlasten damit den Wortschatz für jedes neue Thema hätten so die Möglichkeit, bei jedem neuen Thema den WS vorzuentlasten. Jegliches außerunterrichtliche Engagement leidet natürlich unter der Tatsache, dass der Unterricht von abends um sechs bis halb zehn stattfindet und die Schüler tagsüber mit anderen Dingen beschäftigt sind.
Gibt es zündende Ideen, wie ich das Ruder vielleicht doch noch herumreißen kann? Ich billige natürlich jedem Schüler zu, nicht in jedem Fach gut zu sein. Insofern bin ich auch durchaus bereit dazu, zu sagen "Was solls, ist er halt in Mathe besser." Aber versuchen möchte ich es dann doch. Danke fürs Lesen.
Viele Grüße
Fossi