passende Motivation fürs Lehrersein?

  • Liebe Forumsmitglieder,



    ich habe Geschichte und Englisch auf Magister studiert und arbeite nun in den "Medien"...."Geisteswissenschaftlertraumjob" also, aber mich macht es nicht glücklich, bzw. zufrieden: Ich möchte nicht den Rest meines Lebens nur am Schreibtisch sitzen und 8 Stunden am Stück in einen Bildschirm starren - dass es mich nun so unglücklich machen würde war mir vorher nicht klar, sonst hätte ich mich wohl nicht darauf eingelassen.


    Mir geht es in meinem Job im Moment dann am besten, wenn Chaos herrscht, wenn man vor lauter Zeitdruck nicht mehr weiß, was man zuerst machen soll und wenn man viel miteinander reden und abstimmen muss. Auch Einarbeiten und v.a. miteinander arbeiten macht mir Spaß, aber das ist der kleinste Teil in meinem Job.
    Also überlege ich schon seit geraumer Zeit, was ich stattdessen machen kann und komme immer wieder auf Lehrer. Ich denke mir dass...
    - man viel Austausch mit Menschen hat
    - man an seinem Fach dranbleibt und (im besten Fall) andere Menschen dafür begeistern kann
    - man einen sehr lebendigen Alltag hat
    - man Menschen dabei unterstützen kann, zu lernen und in einer Sache, z.B. kritischem Denken oder sprachlichen Fähigkeiten, Fortschritte zu machen.


    Mir ist auch klar, dass man auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat (Widerwillen, Disziplinlosigkeit, mit Pech auch Kollegen oder SLs und Eltern...) aber im Großen und Ganzen schreckt mich das nicht.
    Ich werde bald auch eine Hospitation machen, um Schule auch wieder "in echt" zu erleben.


    Aber, vorab: was sagt ihr, ferndiagnostisch? Ist mein Bild realistisch oder schief, und ist meine Motivation wohl die richtige?


    Vielen Dank euch vorab!
    :)

  • Ohne dir den Wind aus den Segeln nehmen zu wollen:


    was ist dein Ziel?


    - ein Quereinstieg mit dem Fach Geschichte ist - verhalten ausgedrückt - nicht gerade sehr leicht


    - oder möchtest du versuchen dein Studium anerkenne zu lassen und einen Master of Education nachzumachen?



    Aber auch dann solltest du dir verdeutlichen, dass die Kombination Englisch-Geschichte für die Sekundarstufe II relativ überlaufen ist - also selbst mit MoE+2.St. kann es durchaus passieren, dass du keine Planstelle bekommst. Mit deinen Fächern solltest du es bei einem MoE mit der Ausrichtung auf Mittelschulen versuchen, sofern du einigermaßen planbar eine Stelle haben möchtest.



    Eine Option ist es vielleicht, falls du dich als Quereinsteigerin für Grundschulen in Berlin bewirbst. Zumindest bei der letzten Ausschreibung wurden dort Quereinsteiger mit allen möglichen Abschlüssen akzeptiert. Vielleicht klappt auch eine Sekundarschule ohne Oberstufe in Neukölln, sofern du diese vorher mal kontaktierst.



    Edit:


    in Bezug auf deine derzeitige Arbeit hast du als Lehrer ein geregeltes Einkommen auf einem unbefristeten Arbeitsplatz, von dem man auch ein Familie ohne Probleme ernähren kann

  • Hallo,


    dass der Quereinstieg mit G und E eher nicht so einfach ist habe ich schon gesehen, daher denke ich tatsächlich drüber nach, mein Studium soweit es geht anerkennen zu lassen und das, was mir fehlt, nachzustudieren.


    Falls es ergänzende Optionen gibt, die einen als Lehrer mit diesen Fächern attraktiver machen, würde ich das auch tun - hat da jemand eine Idee?
    und Sek II muss es auch nicht unbedingt sein (das steht bei mir im Profil, aber wie gesagt, ich bin ja noch (?) gar keine Lehrerin) - danke also für den Tipp mit den Mittelschulen!


    Ich würde gern in NRW oder evtl. auch Rhld.-P. bleiben, da ich hier mein ganzes Leben habe - aber wie gesagt, was die Schulform angeht bin ich sehr offen.

  • man Menschen dabei unterstützen kann, zu lernen und in einer Sache, z.B. kritischem Denken oder sprachlichen Fähigkeiten, Fortschritte zu machen.



    Bei dem, wie sich m.E. die Schule in den letzten 10 Jahren entwickelt hat, geht es schon lange nicht mehr darum den SuS kritisches Denken oder sprachliche Fähigkeiten beizubringen. Gerade auf Studienfahrt mit 12-Klässlern mal wieder deren Mangel an Artikulationsfähigkeit (mal von Kurznachrtichten auf dem Smartphone und Aussagen nah dran am "Und ich so.. und dann er so...") erlebt. Kritisches Denken? Nil.

  • Hallo,


    ich muss leider ebenfalls ein bisschen dämpfen, was den Enthusiasmus angeht :-(. Momentan haben z.B. in NRW viele grundständig ausgebildete Lehrer/fertige Referendare große Schwierigkeiten eine feste Anstellung zu finden. Deshalb haben es Seiten/Quereinsteiger es momentan noch schwerer. Es gibt in NRW das OBAS Programm, aber hier im Forum wurde ja auch schon berichtet, dass die Stellen nur noch schwer zu finden sind, bzw. kaum welche ausgeschrieben sind.


    Du bist vllt einen Tick zu spät dran, vor 5/6 Jahren, da wurde - auf jeden Fall in NRW - richtig viele Lehrer gesucht, viele Seiteneinsteiger sind rein gerutscht, doch momentan hat sich dieses Fenster fast gänzlich geschlossen. Meines Wissens geht hin und wieder noch etwas in Physik, vllt auch Mathe/Informatik, vllt an Privatschulen, oder hin und wieder auch noch mal ein bisschen wirtschaftlich orientiert an Berufskollegs. Aber Englisch/Geschichte, oh je, das ist wohl momentan schwer.


    Aber, Du hast ja auch nach Deiner Motivation gefragt. Tendenziell klingt Dein Bild schon mal ganz ok, allerdings musst Du deutlich zwischen Schulformen differenzieren. Je nach dem von welcher Schulform wir sprechen, kann es sein, dass Du kaum mehr inhaltlich tätig bist, sondern hauptsächlich pädagogisch. Oberstufenkurse eines privaten Gymnasiums bieten da mit Sicherheit mehr Möglichkeiten, sich auf Inhalte zu konzentrieren. Grundschule, ja, das ist dann noch mal wieder ganz was anderes, finde ich.


    In der Schule zu hospitieren halte ich für eine gute Idee, vllt hast Du die Möglichkeit, Dir mehrere Schulen anzusehen.


    Ansonsten geht es zumeist über einen direkten Kontakt und eine befristete Vertretungsstelle - vllt kann man dann durch viel Einsatz zeigen, dass man unbedingt will, dann werden Schulleitungen auch erfinderisch, wenn es um den Verbleib geht, vornehmlich aber an privaten Schulen. Mit Geschichte halte ich allerdings auch das für schwer, aber, Versuch macht klug und es bedarf wahrscheinlich viel Einsatz, Geduld und Beharrlichkeit.


    Ich hoffe, ich konnte ein wenig helfen, viel Erfolg!

  • Es ist mein Alltagsbrot, jungen Menschen Kritikfähigkeit und sprachliche Kompetenz näher zu bringen. Und im Regelfall gelingt mir das auch.


    Nele

  • P.S. Ich finde die Motivation, dass man mit dem Lehrerberuf eine sichere Festanstellung und ein vernünftiges Gehalt hat, übrigens überhaupt nicht verwerflich oder etwas, über das man stille schweigen sollte.


    Ich bin Profi, ich arbeite für Geld.

  • P.S. Ich finde die Motivation, dass man mit dem Lehrerberuf eine sichere Festanstellung und ein vernünftiges Gehalt hat, übrigens überhaupt nicht verwerflich oder etwas, über das man stille schweigen sollte.


    Aber es sind eigentlich nur nette Nebeneffekte, die man zu schätzen lernt.


    Die ausschlaggebende Motivation sollte es jedenfalls nicht sein.

  • Mir ist auch klar, dass man auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat (Widerwillen, Disziplinlosigkeit, mit Pech auch Kollegen oder SLs und Eltern...) aber im Großen und Ganzen schreckt mich das nicht.


    Wenn dich das nicht "schreckt" und du meinst, dagegen vorgehen zu können, wirst du in diesem Beruf nicht glücklich.


    Falls du dich an deine eigene Pubertät erinnerst und akzeptierst, dass Kinder manchmal sprunghaft sind, man als Lehrer keine Goldwaage für Worte von Kollegen, Eltern oder Kindern verwenden darf sowie ein Stofffplan ein "Plan" ist, der nicht unbedingt das widerspiegelt, was in der Wirklichkeit geschieht, könntest du dich durchaus wohl fühlen.


    Mir geht es in meinem Job im Moment dann am besten, wenn Chaos herrscht, wenn man vor lauter Zeitdruck nicht mehr weiß, was man zuerst machen soll und wenn man viel miteinander reden und abstimmen muss.


    Herzlich willkommen. Das ist eine treffende Beschreibung des Lehrerberufs - zumindest in Sek I.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • viel nachdenkenswertes dabei.... was das spät dran sein angeht: naja, was soll ich machen, ich lebe im Jetzt und mache mir jetzt Gedanken. Vor fünf Jahren war ich noch im Studium...hätte ich da gewusst...naja, ihr wisst, wie das ist, mit dem "hätte man mal..." aber: Vielen Dank euch allen schonmal für eure Einschätzungen!


  • Aber es sind eigentlich nur nette Nebeneffekte, die man zu schätzen lernt. Die ausschlaggebende Motivation sollte es jedenfalls nicht sein.


    Nö. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich diesen anstrengenden Beruf ohne Festanstellung und vernünftiges Gehalt ausüben würde. Und für mich als ehemaligen Magister der anglistischen Literaturwissenschaft und Geschichtswissenschaft war das auch der ausschlaggebende Grund, in den Schuldienst zu gehen.


    Ich bin trotzdem ein guter Lehrer und Erwachsenenpädagoge, der Freude und Interesse an seinem Beruf hat. Aber ich sehe keinen Grund, unehrlich über meine Hauptmotivation zu sein.


    Nele

  • Aber es sind eigentlich nur nette Nebeneffekte, die man zu schätzen lernt.


    Die ausschlaggebende Motivation sollte es jedenfalls nicht sein.


    Ehem... warum?


    Man kann doch seinen Beruf trotzdem (oder vielleicht auch gerade deswegen) gut und anständig ausüben. Ich sehe da keinen Widerspruch.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Ich denke die meisten Kollegen an den Berufsschulen machen das ganze nicht für Gotteslohn und die leuchtenden Kinderaugen. Die große Zahl an Ingenieuren, Physikern etc. die hier als Quereinsteiger lehren würden ohne eine kompetitive Vergütung und Festanstellung einfach nicht da sein.


    Die Eignung für den Unterricht beweisen sie der Theorie nach mit dem Referendariat, dass die meisten ja auf die eine oder andere Art dann noch ablegen.

  • Josh Als ich mit dem Referendariat fertig war, hatte ich ja keine Ahnung, wo ich mal eine Stelle bekomme. Ich wohne in der zweitgrößten Stadt von NRW. Ich hätte jederzeit an einer "Brennpunktschule" landen können (was meiner Ex-Frau als Germanistin übrigens tatsächlich passiert ist. Die ist jetzt an einer Hauptschule in Kassel.) Das hätte aber weder an meinem Interesse am Beruf noch an meiner Hauptmotivation, aus finanziellen Gründen Lehrer zu werden, verändert.


    Um es auf das Thema zurückzubiegen: ob man ein guter Lehrer sein kann, hängt meiner Erfahrung nach zu 60% von den zwischenmenschlichen Kompetenzen ab, verbunden mit solidem fachlichem Wissen. Der Rest ist didaktisches Handwerk, das man in der Praxis lernen kann.


    Ob der Einstieg dann bei den Leuten, die tatsächlich für den Beruf geeignet sind, gelingt, ist tatsächlich eine Frage der Stellen- und Einstellungssituation, die so oder so sein kann. Mit dem falschen Timing hat man Pech gehabt, egal wie gut oder schlecht man ist, oder ob man naiv-idealistisch für die leuchtenden Kinderaugen vor sich hin brennt oder nicht.


    An stelle des OP würde ich, wenn ich mir den Einstieg vorstellen kann, mir erst einmal in einem Praktikum ein realistisches Bild der Arbeit zu verschaffen versuchen. Das wird allerdings nicht einfach, denn die Schulen sind durch die Umstellung des Lehramtsstudiums auf eine frühzeitige Praxisausbildung ziemlich belastet. Aber ein Versuch über eine Intitativbewerbung kann ja nicht schaden. Noch besser wäre es natürlich, den Kontakt über eine persönlich bekannten Lehrer zu suchen, der dann nur die Genehmigung der Schulleitung einholen muss. Ich persönlich würde einem Bekannten durchaus die Gelegenheit bieten, meine Arbeit aus der Nähe anzusehen.


    Ob man ein erweiterndes Studium anfängt oder nicht, ist eine Frage von Zeit und Geldmitteln. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, sich genau über die rechtlichen Bedingungen eines Seiteneinstieges zu informieren. Ich für meinen Teil dachte nämlich auch, dass ich noch irgendwelchen Pädagogikquatsch studierenden müsste, es hat sich dann aber herausgestellt, dass ich meinen Doppelhauptfach-Magister einfach nur als fachlichen Teil des Staatsexamens anerkennen lassen musste und die pädagogische Krückenausbildung für Seiteneinsteiger (Zeitverschwendung) im Referendariat nachgemacht habe.


    Nele

  • Danke für die Tipps!


    Ich habe bei einer befreundeten Englischlehrerin die Möglichkeit, bei ihr eine Woche mitzulaufen und ggf. auch mal eine Stunde zu machen. Das ist allerdings an einem Gymnasium, und ich würde, so es Möglichkeit und Zeit erlauben, auch gern in andere Schulformen reinschauen, z.B. BK oder WBK.

    Es empfiehlt sich auf jeden Fall, sich genau über die rechtlichen Bedingungen eines Seiteneinstieges zu informieren. Ich für meinen Teil dachte nämlich auch, dass ich noch irgendwelchen Pädagogikquatsch studierenden müsste, es hat sich dann aber herausgestellt, dass ich meinen Doppelhauptfach-Magister einfach nur als fachlichen Teil des Staatsexamens anerkennen lassen musste und die pädagogische Krückenausbildung für Seiteneinsteiger (Zeitverschwendung) im Referendariat nachgemacht habe.

    Beim Ministerium hieß es, dass Magister nicht mehr als Staatsexamen anerkannt werden. War das bei dir noch anders, oder war es aufgrund der Teilanerkennung ein anderer Fall? Weißt du, wo ich da Genaueres in Erfahrung bringen kann?

  • ok, da ändert sich ja ständig was. ich hab inzwischen auch mit dem ZFL an meiner alten Uni telefoniert, da hieß es dass man meine Scheine aus dem ersten Studium für BA/MA anerkennen müsste/würde.

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