SPANNEND!! in der Schule

  • Nicht so essentiell wichtig, aber es interessiert mich mal, was Ihr zum Wortgebrauch "spannend" in pädagogischen Kontexten meint.


    Im Studienseminar wurde das Wort so inflationär oft gebraucht, dass ich bereits nach kurzer Zeit genervt war. Egal, ob der Ausbilder erzählte, dass man so oder so zu spannenden Unterrichtsergebnissen komme, oder dass ein Refi irgendwas im Unterricht machte, das angeblich total spannend war.


    Seit dem Referendariat mag ich meinen Beruf, finde es interessant, mit Schülern zusammen zu arbeiten, ich mag meine Schüler und Kollegen. Aber ich finde meinen Beruf absolut nicht spannend. Wenn ich was Spannendes erleben will, gucke ich einen spannenden Film oder lese ein spannendes Buch; aber meine Arbeit spannend? Nein, eigentlich noch nie. Und ehrlich gesagt kann ich mir auch keine/n KollegIn vorstellen, der/die z.B. während der Gruppenarbeit der Schüler schon ganz gespannt am Lehrertisch sitzt, mit den Hufen scharrt und sich fast zerreißt, die Ergebnisse der lieben Kleinen zu erfahren.


    Soweit ist es ja erstmal nur persönlich und individuell.
    Wo das Wort aber irgendwie zum Problem werden könnte ist, wenn Schüler oder Eltern meinen, der Unterricht sollte spannend sein. (Ist nicht unbedingt eine Forderung an mich, auch wenn vielleicht hin und wieder mein Unterricht als langweilig empfunden wird, aber egal das jetzt.)
    Ich für meinen Teil habe auch gar nicht unbedingt das Ziel, dass meine Schüler den Unterricht spannend finden, sondern erhoffe mir eher ein ernsthaftes Interesse ihrerseits. Ich verbinde mit 'spannend' auch Kurzweiligkeit, Entertainment, Feuerwerk, negativer ausgedrückt auch ein Strohfeuer.


    Könnte man den Schülern/Eltern sagen, dass es einem nicht auf Spannung ankommt? Oder wirkt das gleichgültig und "beamtenartig", sodass man aus Gründen der Sensibilität das so nicht sagen sollte?


    Erzählt mal -wenn Ihr mögt- Eure Meinung dazu, sehr gern auch Erlebnisse und/oder Situationen, z.B. in denen Ihr über dieses Wort gestolpert seid.
    Durchaus interessiert bin ich aber auch an der Rückmeldung von denjenigen unter Euch, die ihre Arbeit tatsächlich spannend finden.


    Noch ein Letztes: Hier im Forum wird dieses Wort meist nicht in der mir so suspekten Weise verwendet, ist mein Eindruck.


    Hamilkar

  • Ein guter Beitrag.


    Als "spannend" würde ich etwas bezeichnen, das eine interessante Wendung nimmt und dessen Ausgang man gerne wüsste.
    Keine Ahnung, was das im Unterrichtsalltag sein soll.


    Ich kann von mir auch sagen, guten Unterricht zu machen, der für manche interessant und kurzweilig ist. Aber spannend würde ich ihn auch nicht nennen. Aber vielleicht kommt das auch auf das Fach an? Vielleicht ist Geschichte oder eine Lesestunde ja spannender als Mathematik oder Fremdsprachen? :)


    Vielleicht kann man aber unvorhergesehen Situationen, mit denen man als Lehrer plötzlich konfrontiert ist, als spannend bezeichnen.

    • Offizieller Beitrag

    ich bin manchmal schon gespannt, wie dies oder jenes, das ich vorbereitet habe, dann im Unterricht angenommen wird. Wie die Schüler drauf reagieren. Was sie draus machen werden.


    meinen Unterricht selbst würde ich nicht als spannend bezeichnen. Ich hoffe, dass er mitunter interessant ist, aber Spannung verspüre ich bei den Kindern nur unmittelbar vor einer KA oder deren Rückgabe :D


    Ansonste verbinde ich mit dem Adjektiv "spannend" auch eher dieselben Assoziationen wie Hamilkar.



    (begegne dem Begriff übrigens oft auf Vernissagen -- scheint gerade inflationär en vogue zu sein ;) )

  • Mit den Hufen scharre ich nicht gerade (übrigens eine witzige Vorstellung, bei der ich gerade ganz schön grinsen muss), wenn ich etwas Neues vorbereitet habe und die SuS es umsetzen. In der Planung habe ich mir ja schon überlegt, was höchstwahrscheinlich passieren wird und was passieren könnte (im negativen und positiven Sinn). Ich werde also meistens nicht umwerfend überrascht.


    In Deutsch ist es, Thema Rollenspiele (freies) Schreiben, dann so, dass ich neugierig bin auf die Geschichten und Umsetzungsideen der Schüler.


    Unseren Beruf würde ich eher als abwechslungsreich bezeichnen. Themen wiederholen sich, aber die Lerngruppen und somit die Vorberitung und Umsetzung sind immer wieder anders. Es wird nicht langweilig! Ab und zu denke ich auch anders darüber - Routine wäre manchmal auch schön. Es ist eben ein Mix aus allem!


    Aber vor Spannung Fimgernägel kauend sitze ich nicht auf der Vorderkante des Pults und linse über Schülerschultern. :ohh:

  • Zitat Josh :

    Vielleicht kann man aber unvorhergesehen Situationen, mit denen man als Lehrer plötzlich konfrontiert ist, als spannend bezeichnen.

    Und genau deshalb mag ich den Begriff innerhalb unseres Schulsystems nicht.


    Ich kann mich noch genau daran erinnern, als kurz vor der Zwangsinklusion an unserer Schule in einer Pseudo-Fortbildung eine merkwürdige pädagogische Welt-Rettungs-Inklusions-Tante zu uns kam und in jedem zweiten Satz mit leuchtenden Augenden den Begriff spannend deklamiert hat.


    Ja, die Folgezeit wurde ab da auch wirklich spannend (Ich erspare mir jetzt ausführliche Details zur gescheiterten Inklusion) : Unerträglicher Rabatz in den betreffenden Klassen (Zustände, die man nicht mehr als Unterricht bezeichnen kann), unzufriedene und aggressiv gewordene Eltern, Unwille des Schulträgers für die nötige Ressourcenerweiterung, höhere Arbeitsbelastung für die Lehrer, rapide gestiegener Krankenstand im Kollegium...Ach, wie spannend ! 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Elternschreck, tatsächlich ist "spannend" in diesem Zitat von mir nicht zwingend positiv gemeint.


    Ich erinnere mich an Gespräche mit einer Kollegin, die das Wort "spannend" immer nur im Zusammenhang mit inakzeptablen Entwickungen verwendet hat, also gemäß "mal schauen, wie diese Situation weitergeht", was sich da noch zuspitzen wird, oder wie tief der Karren noch im Dreck stecken wird.

    • Offizieller Beitrag

    ES gibt spannende Momente. Immer wieder. Zum Beispiel beim Thema USA, wenn meine afghanischen Jungs "Imperialistenschweine" rufen und meine USA-Austauschmädels mit glasigen Augen "haaach, Ameeeerikaaaahaaahhaa" seufzen - und ich die dann mit einem Diskussionsauftrag in eine Gruppe setze ... :D Wenn mir mal ein Schüler begegnet, der zu einem spannenden politischen Thema (ich finde Politik generell spannend, echt, warum hab ich das nicht als Fach studiert?) weiter geforscht hat und mich dann im Unterricht mit was Neuem konfrontiert.


    Wenn das tägliche Handwerk, das wirklich wichtige Grundlagenhandwerk, stattfindet, ist das nicht wahnsinnig aufregend. Da wird zum 99ten Mal geübt, wie ne gute summary geht. Oder wie man eine Rede analysiert. Einen Artikel versteht. Da is nix spannend. Muss auch nicht. Das muss solides, gut geübtes Handwerk sein. Es mus sitzen. Übertragbar sein. Abrufbar. Länger als drei Tage haltbar. Nur Bekloppte finden Automatisieren spannend. Automatisieren ist aber wichtiger Teil des Geschäfts. Genau wie Vokabeln lernen. Gibt's auch nicht in spannend. Gibt's nur in anstrengend. Ist aber Grundlage der Sprache.


    Und Spinner, die meinen, auch das müsste "spannend sein" und die verlangen, dass die Jugendlichen den ganzen Tag in Ekstase verbringen (ohnehin nicht gut für die Herzkranzgefäße), die können mich mal, mit Verlaub.


    Was man von mir erwarten kann, ist, dass die Schüler hinterher mehr können, als vorher. Dass das Abi gut vorbereitet ist. Dass das Mateial und die Angebote stimmen. Dass Ordnung und Struktur herrscht. Die Atmosphäre gut ist. Und dass ich die zwischenmenschlichen Dinge so beherrsche, dass man sich bei mir respektiert und gewertschätzt fühlt. Spannende Momente sind ein willkommener Bonus, aber echt nicht mein Kerngeschäft.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Wenn es tatsächliche spannende Momente gibt, dann eher aus spontanen Situationen heraus. Beispiel: vorgestern wollte ich in meinem Geschichts-LK eigentlich eine Doku über die Außenpolitik Hitlers von 33 bis 39 zeigen. Ist aus diversen technischen Gründen schiefgegangen. Ach ja, habe ich in meinem jugendlichen Leichtsinn gedacht, klicken wir doch mal auf die Youtube-Doku gleich daneben. Pustekuchen, war eine rechtsradikale Propagansasendung. Nach ein, zwei Minuten Schülerkommentar - "Äh, ist das eigentlich seriös." Didaktische Spontanentscheidung - "Ja, kucken wir doch mal, ob das seriös ist. Sie sagen mir gleich, ob ja oder nein und warum!". Dann haben wir gekuckt und es ist eine wunderbar spontane Stunde zu medialem und propagandistischem Gebrauch von Filmmaterial und Geschichtsdarstellung geworden. Muss man natürlich als Geschichtslehrer aus dem Ärmel schütteln können und mit Mut bearbeiten können. Das ist mit Sicherheit eine Stunde, die den Schülern in Erinnerung bleibt und die auch als Lehrer spannend finde.


    Aber ansonsten? Mal ehrlich. 95% dessen, was man an einer Schule, und sei es an einem "Elite"gymnasium im Leistungskurs unterrichtet, ist von der perspektive des fachwissenschaftlich Möglichen gähnend trivial. Ein Schlossermeister wird keine Wege finden, das Feilen von Zahnrädern als spannend zu verkaufen. Das beste, was ich mir als Lehrer erhoffen kann, ist, dass ich meinen Schülern Interesse und Neugier über meine eigene Leidenschaft für die Sachverhalte meiner Fächer vermittele.


    Aber Spannung? Sowohl meine Schüler als auch ich sind viel zu routiniert im alltäglichen Schulbetrieb, als dass uns nicht bewusst wäre, dass wir halt die Vorschriften abarbeiten und dabei so gut wie möglich unseren Spaß finden können. Wir wissen doch alle wie die Sache läuft und wohin wir müssen. Was soll daran unerwartet und überraschend sein?


    "Spannung" ist was für die spinnerten Utopien univseritärer, pseudowissenschaftlicher Didaktiker...


    Nele

  • *Lach* Das kenne ich! So Ausdrücke vermehren sich wie Viren. Irgendjemand fängt damit an und plötzlich sagt es jeder.


    Mich nervt es auch schrecklich, aber noch mehr als bei Pädagogen geht mir das bei Journalisten auf den Wecker. Ist euch mal aufgefallen, dass sie schon lange nicht mehr einfach sagen können:


    "Frau Merkel steht auf und geht"


    Nein, es muss heißen:


    "Frau Merkel, sie steht auf und geht."


    Vermutlich soll das auch Spannung aufbauen.


    Ich kenne "spannend" auch im Sinn von "jetzt wird's eng", okay. Aber im pädagogisch-glorifizierenden Pädagogensprech: fürchterlich. Wenn mir in der Schule etwas gefällt, dann ist das "interessant" oder auch "schön" (was wiederum die Schüler heftig irritiert: Wie kann man Mathe schön finden?) - oder, in der Informatik "praktisch", manchmal sogar genial.


    Spannend ist der Tatort. So muss Schule nicht sein. Das wäre mega-anstrengend.


    Obwohl ... wenn ich denke, wie oft ich beim Krimi einschlafe ...

  • Mir geht es so wie Nele. Wenn etwas, das ich geplant habe, schief geht und daraus spontan etwas neues entsteht, das auch gehörig in die Hose gehen kann.
    Spannend finde ich immer wieder meine erwachsenen Schüler. Meistens kann ich die Leute, die vor mir sitzten, schnell richtig einschätzen, aber manchmal passiert es doch, dass ich eine Klausur vor mir liegen habe, die mich überrascht. Oder, wie Meike es beschreibt, es treffen Ansichten aufeinander, die mitunter explosiv sind.

  • Spannend finde ich immer wieder meine erwachsenen Schüler.

    Sorry, ich fand meine Schüler noch nie spannend. Maximal überraschend oder interessant ;) Aber ich schliesse mich dem Eindruck des "Threaderöffneres" an: Mittlerweile wird das Wort spannend inflationär gebraucht. Genauso wie das Wort nachhaltig.

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