Klassenleitung

  • Hallo,


    seit einigen Wochen bin ich zum ersten Mal Klassenlehrerin und würde mich über ein paar kollegiale Ratschläge freuen :)
    Konkret handelt es sich um eine Klasse, die ihr erstes Ausbildungsjahr einer weiterführenden Ausbildung im pflegerischen/päd. Bereich absolviert. Die Schüler sind mindestens volljährig oder älter.


    Mein Eindruck nach einigen Wochen ist folgender:
    1) Etwa die Hälfte der Klasse hat wichtige Unterlagen nicht selbstständig abgeben, auch nicht nach Aufforderung einen Tag später. Dafür gab es einen entsprechenden "Anschiss" und den Hinweis, dass ich die Unterlagen gesammelt am nächsten Termin ins Lehrerzimmer gebracht haben möchte.
    2) Mir ist eine Gruppe Schüler aufgefallen, die einen anderen Schüler nicht mit dem Namen ansprechen, sondern mit einem "Fake-Namen" (so ähnlich wie Justin). Das erste Mal habe ich mir nichts weiteres dabei gedacht und es ignoriert, nur beim letzten Mal gab es einen entsprechenden Hinweis, dass das in Zukunft zu unterlassen ist. Der betroffene Schüler meinte dann, dass das ja nicht so schlimm sei, wirkte aber ganz anders.
    3) Einige Schüler kommen mir ziemlich motzig vor, sehen es nicht ein, Dinge schriftlich festzuhalten und wirken so, als ob sie den Unterricht (bzw. mich) nicht ernst nehmen. Z.B. bei dem Hinweis, bestimmte Dinge nochmal fachlich zu erklären, einen dummen Kommentar bringen, worüber dann die Klasse gelacht hat (da war natürlich auch eine Ansage fällig).
    4) ca. 1/3 der Klasse kennen sich bereits durch ihre Vorausbildung und mischen meiner Wahrnehmung nach das "Feld auf", d.h. sind bei Gruppenarbeiten dominant und geben den Ton an.


    Insgesamt bin ich mit der aktuellen Entwicklung unzufrieden, vllt. drückt sicht hier die Machtkampfphase o.Ä. aus. Insgesamt sehe ich die Kernproblematik bei drei Schülern, zwei davon sitzen nebeneinander und sind auch bei Kollegen schon aufgefallen.
    Ich möchte gegensteuern, das hatte ich mir so gedacht:
    - Klare Anweisungen mit straffem Programm (Unterrichtsinhalte werden selbstständig erarbeitet und präsentiert, keine Konsumhaltung aka Lehrer schreibt permanent wichtige Dinge an die Tafel etc.)
    - Die Punkte "Verantwortung für die Ausbildung" und "respektvoller Umgang miteinander" nochmal ansprechen mit dem Hinweis, was mich stört und dass ich darauf verstärkt achten werde.
    - Die beiden zusammensitzenden Störer bei der nächsten Aktion auseinander setzen.
    - Einzelgespräche führen bei respektlosem Motzverhalten mir gegenüber (weitere Konsequenzen???)


    Vllt. liegt es auch daran, dass ich noch sehr jung wirke durch mein Äußeres und Größe (aber hieran kann ich nichts ändern und führt auch bei anderen Klassen nicht zu Problemen). Insgesamt ist die Situation in der Organisation des Bildungsganges schwierig, da wichtige Rahmenpunkte nicht geklärt sind. Ich fühle mich daher oft unsicher in der Vorbereitung oder bei Verwaltungskram, den ich erledigen muss.


    Habt ihr vllt. dazu noch ein paar konkretere Tipps oder ähnliche Erfahrungen?


    Danke :D

  • Sieh dich selbst aus ihrer Sicht, von ihrem Platz aus. Sie sehen nicht dein Alter oder deine Größe, sie sehen, wie du dastehst und ob du weißt, dass sie machen werden, was du sagst.


    - Klare Anweisungen ja, straffes Programm auch aber "selbständig", ohne Tafelanschrieb? hm. Versuche ggf., sie selbst etwas Interessantes erarbeiten zu lassen, wenn es sie motiviert. Aber erwarte nicht zu viel. Du kommst von der Uni, sie von der Hauptschule. Außerdem verfällst du für mein Gefühl gerade in eine Trotzhaltung "so, dann macht jetzt mal alles alleine, dann werdet ihr schon sehen" und das geht vermutlich nach hinten los. Lieber mehr arbeiten lassen aber Dinge, von denen sie wissen, es ist zu schaffen (v.a. viel schreiben beruhigt die Gemüter...).
    - Leute auseinandersetzen, ja. Würde ich machen, möglichst ohne viel Aufhebens und drohen. Dann aber auch aussitzen und durchziehen.
    - Einzelgespräche eher nein. Überhaupt nicht so viel reden "ich erwarte von euch aber nun wirklich.../ich hab euch schon mehrmals erklärt, dass/ ihr seid doch nun wirklich alt genug, um.../ manchmal wundere ich mich schon, wenn/ ich bin enttäuscht, dass...blablabla" rauscht da rein und dort wieder raus. Macht dich eher zur nervigen Oberlehrerin und nicht zur Autoritätsperson


    Nimm sie als junge Erwachsene ernst aber behandle sie trotzdem wie Schüler, die sie auch sind. "Das geht, das geht nicht". "Falscher Ton, Paul." "wenn die Zettel morgen nicht da sind, passiert xy (das was deine Kollegen/ Chef da eben so machen)."


    Man muss den richtigen Ton entwickeln, die richtige Erwartungshaltung, sich selbst absolut Ernst nehmen, gleichzeitig niemals nix persönlich nehmen. Und auch mal was Nettes sagen bzw. die Freude am Job nicht vergessen. Gar nicht so leicht :sterne:

  • Mache den Verwaltungskram nie am Anfang der Stunde oder des Tages und auch nicht am Ende des Tages. Meist klappt es bei mir, dass ich es nach einem Arbeitsauftrag erledige, also die Schnelle zuerst informieren, dann meist neuer Arbeitsauftrag an diese, dann die nächsten usw.
    Den Tipp fand ich lange Jahre schwierig und mittlerweile ist er für mich Gold wert. Anfangs hatte ich das Problem, dass ich den Verwaltungskram, den ich im Unterricht los sein wollte, nicht aufschieben konnte und gleich damit loslegte.


    Mir ist klar, dass du auch anderen Verwaltungskram meinst. Aber es gibt auch den im Unterricht und du hast nach Tipps gefragt.


    Ein weiterer Punkt ist, dass deine Schüler zumindest volljährig sind. Gib ihnen doch auch die Verantwortung für ihr Lernen ab. Klar darfst und sollst du noch unterstützen. Aber wenn sie, wie du in Punkt 3 benennst, Dinge nicht schriftlich festhalten wollen, dann können sie den Stoff entweder nicht später wiederholen und lernen oder sie geben dir ein mangelhaftes Arbeitsergebnis ab. Dafür bist du doch nicht zuständig!!! Du kannst ihnen mitteilen, was deine Erwartungen sind und auch noch begründen, warum du diese an sie stellt. Erfüllen sie diese nicht, müssen sie eben mit entsprechenden Konsequenzen rechnen (sprich VERMUTLICH negativen Leistungsnachweisen).
    Du kannst sie nicht zum Lernen zwingen, Und vielleicht lernen sie wirklich anders, also du dir das vorstellst. Sie sind erwachsen und dürfen alleine Entscheidungen treffen. Behandle sie trotzdem so, wie Pausenbrot scheibt. Als Schüler. Gib ihnen Rückmeldungen, aber ärgere dich nicht, wenn sie es nicht gleich annehmen können, wollen.


    Lies dir Pausenbrots Antwort nochmals durch. Da stehen tolle Tipps.

  • Ich unterrichte auch in diesen Altersklassen und muss sagen, dass ich (nach und nach!!) viel Verantwortung an die Schüler abgebe. Sei es, dass sie sich Inhalte selbst erarbeiten (zunächst kleine Aufträge in Partnerarbeit, dann größere in Gruppen mit arbeitsteiligem Auftrag) oder dass sie zB selbstständig reflektieren und das auch moderieren. Am Anfang ist noch viel Führung, viele Hinweise etc dabei, aber ich schreibe keine Romane mehr an die Tafel. Das erledigen SuS und später steht da gar nichts mehr. SuS, die einen Beruf lernen, müssen stark auf das Berufsleben vorbereitet werden und da ist selbstständige handlungsorientierte Arbeitsweise das A und O! Wenn ein Problem im Betrieb auftaucht, steht da selten dabei: Berechnen Sie das und das. Diese Fragestellung müssen sich die SuS selbst stellen können.


    Was Du beschreibst klingt wirklich nach Machtkampf! Komisch. Ich würde zB

    • eine klare Ansage machen, dass Du nicht mehr der Vorbeter bist und die konsumierende Haltung nicht zu SuS passt, die einen Beruf erlernen,
    • nochmals klar machen, dass sie selbst dafür verantwortlich sind, welche Inhalte sie sich aufschreiben und welche nicht,
    • dann die Ansagen sein lassen, wie mein Vorposten schon sagte: Man wird schnell zur Oberehrerin
    • die Sitzordung durcheinanderwirbeln (neu auslosen)
    • ständige Gruppenaufträge mit knappen Zeitvorgaben und gelosten Gruppen einführen, so dass die SuS gezwungen sind, schnell und konzentriert zu arbeiten
    • auch Konsequenzen bei vergessen Sachen androhen und diese durchziehen (wenn meine SuS ihren Zirkel zum Zeichnen nicht dabei haben, schicke ich sie direkt in den Betrieb, da sie nun mal nicht mitarbeiten können und andere auch noch stören mit dem ständigen "Leih mir mal den Zirkel)

    "


    Ich weiß nicht, was da bei Euch möglich ist, aber da muss Konsequenz und viel viel Arbeit für die SuS her, damit sie begreifen, dass das ihr eigenes Vergnügen ist, ob sie da sitzen oder nicht. Schließlich sind sie volljährig und können auch jobben gehen.

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