Individuelle Förderung / Binnendifferenzierung

  • Hallo zusammen,


    ich hätte eine Frage zu dem o.g. Thema und würde mich über Eure Hilfe sehr freuen!


    Das Thema "Individuelle Förderung" ist im Rahmen der Binnendifferenzierung ja sehr wichtig. Im Fachseminar sprachen wir da konkret von der Differenzierungsmöglichkeit, SuS in einer U-Stunde zwei verschiedene Aufgaben mit zwei verschiedenen Leistungsniveaus zu geben. Aber wie man sich das in der Praxis vorzustellen hat, verstehe ich bis jetzt noch nicht:


    1) Muss ich für jede Stunde verschiedene Aufgaben oder Hilfekarten entwerfen? Wie soll das bei Schulbüchern, die konzeptionell wenig Hilfe geben, rein zeitlich möglich sein? Macht das jemand von Euch in seinem Unterrichtsalltag?


    2) Wie kann ich SuS fördern, die sich nicht selbstorganisieren können (z. B. wenn sie die Aufgabe nicht begreifen, fragen sie ihren Sitzpartner nicht einmal, sondern arbeiten im Unterricht GAR nicht) bzw. in der 6. Klasse nicht einmal die leichtesten Aufgaben bearbeiten können/wollen (male die Karte so aus, wie die Karte im Buch)? Kann meine angestrebte Förderung da auch nur ein Angebot bleiben? Den Lehrer trifft doch nicht jedes Mal die Schuld am gescheiterten Lernerfolg einzelner SuS?


    3) Muss/kann individuelle Förderung (so wie oben skizziert) auch nur periodisch stattfinden oder tatsächlich in jeder Stunde?


    4) Was mache ich mit SuS, die im kooperativen Dreischritt EA-PA-Plenum (ist das nicht auch individuelle Förderung?) permanent in der EA zu keinen Ergebnissen kommen?


    Die Fragen hier brennen mir wirklich auf der Seele , weshalb ich mich ganz besonders über Antworten freuen würde! Danke!

  • Hallo!


    Bin zwar kein Geograph, aber vielleicht kann ich Dir trotzdem ein wenig helfen:
    ad 1 deiner Fragen: Am leichtesten ist Differenzierung über Quantität zu erreichen: Schnellere Schüler bekommen mehr Aufgaben. Qualitätsmäßige Differenzierung ist etwas schwieriger, geht teilweise aber auch recht problemlos. In Geographie z. Bsp. bei der Arbeit mit Atlanten: Reise auf zwei verschiedenen Wegen von Wien nach Lemberg. (Aufgabe 1 - für alle). Für die guten zusätzlich: Rechne anhand des Kartenmaßstabes die zurückgelegte Entfernung aus.(Wenn man den Computerraum benutzen kann, vielleicht zusätzlich: Fahre mit mind. zwei verschiedenen Verkehrsmitteln und recherchiere die Reisezeit.)
    ad 2 und ad 4: Wer es gar nicht kann, hat auf einer weiterführenden Schule auch nichts verloren: "Nicht genügend" und andere Bildungslaufbahn.
    ad 3: Muß sicher nicht in jeder Stunde vollständig durchgeführt werden. Geht vtl. auch gar nicht, da man ja auch Phasen des Frontalunterrichtes hat. Eine ausgewogene Mischung ist m. E. anzustreben: Neue Inhalte werden vorgetragen, dann von den Schülern selbständig oder in Partner- / Gruppenarbeit eingeübt und anschließend (sofern möglich) selbständig auf neue Teilbereiche angewandt.
    Ich hoffe, Du konntest damit etwas anfangen!
    Alles Gute,


    Peter

  • Du kannst das mit Hilfe von Kompetenzrastern machen. Biete Aufgaben mit A-B-C-Teilen an (Basis-Medium-Advanced-Level).
    Leichte Aufgaben, die alle lösen müssen, dazu Steigerungsformen.


    Im Rahmen der Kompetenzorientierung und Umgestaltung der Schulsysteme werden wir uns alle in Zukunft mit heterogeneren Leistungsgruppen und individualisierter Förderung beschäftigen müssen.
    Links zum Thema findest du hier:
    http://www.autenrieths.de/links/gemeinschaftsschule.htm


    Auf die Schnelle ein Beispiel für Kompetenzstufen bei Powerpoint (A-B-C):
    http://bildungsserver.berlin-b…tenzraster_Powerpoint.pdf

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Zitat

    1) Muss ich für jede Stunde verschiedene Aufgaben oder Hilfekarten entwerfen? Wie soll das bei Schulbüchern, die konzeptionell wenig Hilfe geben, rein zeitlich möglich sein? Macht das jemand von Euch in seinem Unterrichtsalltag?


    Kommt auf die Lerngruppe und das soziale Setting an. Es gibt (an der Gesamtschule zumindest) inklusive Klassen, in denen man immer differenzieren muss, weil die kognitiven Fähigkeiten der Schüler sehr, sehr unterschiedlich sind. In vielen Lerngruppen reicht aber auch ein Helfersystem oder gut eingespielte Tischgruppen.


    Zitat

    2) Wie kann ich SuS fördern, die sich nicht selbstorganisieren können (z. B. wenn sie die Aufgabe nicht begreifen, fragen sie ihren Sitzpartner nicht einmal, sondern arbeiten im Unterricht GAR nicht) bzw. in der 6. Klasse nicht einmal die leichtesten Aufgaben bearbeiten können/wollen (male die Karte so aus, wie die Karte im Buch)? Kann meine angestrebte Förderung da auch nur ein Angebot bleiben? Den Lehrer trifft doch nicht jedes Mal die Schuld am gescheiterten Lernerfolg einzelner SuS?


    Hier sind Hilfekarten angebracht, die die Schüler benutzen, wenn sie nicht weiterkommen. Oder die betreffenden Schüler bekommen eine andere Aufgabenstruktur. Oder es gibt ein Helfersystem.


    Zitat

    3) Muss/kann individuelle Förderung (so wie oben skizziert) auch nur periodisch stattfinden oder tatsächlich in jeder Stunde?


    s.o.


    Zitat

    4) Was mache ich mit SuS, die im kooperativen Dreischritt EA-PA-Plenum (ist das nicht auch individuelle Förderung?) permanent in der EA zu keinen Ergebnissen kommen?


    Dann arbeiten die betreffenden Schüler nicht in EA, oder bearbeiten Aufgaben, die sie in EA bewältigen können.


    Es gibt nicht DEN Weg. Es kommt sehr auf die Lerngruppe und die einzelnen Schüler an. Ich erlebe Situationen, in denen ich es nicht schaffe, alle Schüler ideal mitzunehmen. Aber man sollte sich immer bemühen, diese Situationen so selten wie möglich eintreten zu lassen.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • hmmm... ich bin ebenfalls noch immer nicht ganz schlüssig, wie ich mit vertretbarem Zeitaufwand Binnendifferenzierung, z.B. im Physikunterricht, umsetzen kann



    Beispiel:


    in meinen Klassen sitzen Schüler, die alle das selbe Ziel haben - also in 3 Jahren Abitur oder FH-Reife zu erwerben, aufbauend auf einem Realschulabschluss. Regelalter bei Eintritt nach der 10. Klasse ist 16, 17 Jahre. Dazu müssen sie bei uns Physik belegen und können oder müssen zum Teil auch am Ende zentral schriftlich geprüft werden (ab diesem Jahr auch mit Physik als zentrale landesweite Prüfung).


    Die Schüler kommen von unterschiedlichen Sekundarschulen zu uns und bringen entsprechend sehr heterogene Voraussetzungen in Bezug auf mathematische und physikalische Kenntnisse und Rechenfähigkeiten mit.


    Ich habe bei allen Klassen die ersten Wochen vor allem noch einmal Grundlagen wiederholt (respektive bei einigen offenbar auch das erste mal in ihrem Leben eingeführt) und mit kleinen Kurztest auch überprüft, was dabei hängen bleibt. Resultat: 2-3 sehr gute pro Klasse, ein breites Feld an Schülern mit verschiedenen Defiziten, die aber zum Glück nicht auf prinzipiell mangelnde Rechenfähigkeiten zurück zu führen sind, und 4-5 pro Klasse, bei denen es offenbar bereits an Grundlagen der Bruchrechnung fehlt.



    Was kann ich jetzt tun? Auf meinen Aufgabenblättern habe ich bereits immer mehr Physikaufgaben, als wir im Unterricht durchnehmen und ein paar der sehr guten Schüler rechnen diese auch freiwillig, sofern sie Leerlauf haben. Wie ich diejenigen mit großen Mathematikdefiziten effektiv mitnehmen soll ist mir aber ein Rätsel. Ich kann ja nicht 2 parallele Unterrichtsstunden halten (einmal Physik 10. oder 11. Klasse und parallel Mathe 7./8. Klasse für die 5 mit mangelnden Mathekenntnissen).


    Am Ende sollen ja alle das selbe Physikabi schaffen.


    Ich kann dabei im Unterricht durchaus thematische Schwerpunkte setzen, muss aber am Ende jedes relevante Thema auch eingeführt haben. Ich habe jetzt an jene mit größeren Defiziten appeliert, sich noch einmal den Mathestoff der früheren Jahre anzusehen und sich an ihren aktuellen Mathelehrer für mehr Wiederholungsaufgaben zur Bruchrechnung zu richten. Falls im Unterricht (Plenum) gerade keine Zeit ist, um beim Vorrechnen die Grundlagen noch einmal zu wiederholen, bitte ich auch den Banknachbarn es dem Schüler noch mal zu erklären und lasse parallel weiter vorrechnen.


    Echte Binnendifferenzierung ist das aber nicht. (etwas ironisch formuliert: dafür müsste ich "Wellentheorie für das Abitur, aber bitte ohne Mathematik" unterrichten)



    Tipps?

  • Das betrifft das Dilemma, dass man via differenziertem Unterricht alle Schüler auf zentrale standardisierte Prüfungen vorbereiten soll.
    In der Sek II differenziere ich daher auch weit weniger, weil ich es nicht verantworten mag, dass ein Prüfling von mir nicht hinreichend auf die Abiturprüfungen vorbereitet worden ist.
    Im Falle eklatanter Lücken könnte man einen Förderplan erstellen. (Das geht aus Kapazitätsgründen aber nur in Einzelfällen.)

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

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