Wie gut sprechen Fremdsprachenlehrer/innen "ihre" Fremdsprache?

  • Hallo!


    Seit Beginn meines Studiums denke ich darüber nach, eine Fremdsprache als drittes Fach zu studieren. Langsam aber sicher nähert sich meine Studienzeit auch dem Ende, sodass jetzt eigentlich die erstmal letzte Gelegenheit dazu wäre (zumindest stelle ich mir die Alternativen, also neben dem Ref oder später berufsbegleitend, nicht so einfach vor).
    In meinem Fall beziehen sich die Überlegungen auf das Fach Französisch. Ich spreche einigermaßen gutes Französisch (so auf B2-Niveau, vielleicht etwas höher) und könnte das sicherlich auch noch ausbauen. Trotzdem merke ich, dass ich einem "richtigen" französischen Gespräch (noch) nicht immer gewachsen bin - wenn also Franzosen untereinander oder mit mir (wenn sie z.B. nicht wissen, dass ich Deutscher bin) sehr schnell reden und insbesondere in Situationen, auf die ich gerade nicht vorbereitet bin, verstehe ich mitunter fast nichts. Nun frage ich mich, wie gut eigentlich Fremdsprachenlehrer/innen ihre Fremdsprache sprechen - wie ist da so eure Selbsteinschätzung? Französischen Filmen oder den Nachrichten kann ich eigentlich (zumindest im Großen und Ganzen) soweit ganz gut folgen, die Sprachkurse auf B2- oder C1-Niveau funktionieren soweit auch. Trotzdem habe ich das Gefühl, die Sprache eben nicht richtig sprechen zu können, auf keinen Fall auf Muttersprachlerniveau. Ich kenne aber auch Fremdsprachen-Studierende (Französisch, aber auch Englisch oder Spanisch), deren Sprachniveau ich nicht höher einstufen würde als mein eigenes. Und oft wird mir berichtet, dass die Kurse im Fremdsprachenstudium zu mindestens 50% auf Deutsch sind und man sich daher nur formal verbessert (indem man dann alle Konjugationsgruppen o.Ä. berherrscht), das "richtige" Sprechen aber irgendwo auf der Strecke bleibt.
    Wie sieht es also bei euch aus? Habt ihr Muttersprachlerniveau oder merkt ihr z.B. im Urlaub auch mal, dass ihr auch oft etwas nicht versteht?


    Danke im Voraus für eure Antworten :).

    • Offizieller Beitrag

    Ich kann behaupten, dass ich Muttersprachlerniveau habe, wenn auch immer wieder mit Abzügen :D Meine Schüler schmunzeln, dass ich immer wieder mein Wörterbuch raussuchen muss :D (Ich BIN Muttersprachlerin, muss aber ab und zu behaupten "nee, keine Ahnung, wie man das auf Französisch / auf Deutsch sagt, ganz ernsthaft, ich glaube, das Wort gibt es nicht. und in den meisten Fällen bis jetzt war das tatsächlich so: es waren Wörter, die es einfach in der anderen Sprache so nicht gibt).


    Egal:
    nur ein Bericht aus der Praxis: ich bin an einem kleinen Landgymnasium ohne jedwede französischsprachige (leider!!) Ambition. Wir kriegen alle paar Jahre einen Oberstufenkurs zustande, den darf ich dieses Jahr in der Q1 haben. und ich werde dieses Jahr 5 SchülerInnen (zugegeben, die Kursbesten) zum DELF-B2 führen. Es ist ein Grundkurs!
    Wenn du nicht vor hast, dein Studium für mindestens 6 Monate, eigentlich 12 zu unterbrechen und in Frankreich zu studieren / arbeiten / ..., dann bitte nicht. Insbesondere als Drittfach bekommst du weniger Studienerfahrung und es ist dann in der Schule sicher schwierig...


    Ich bin, was die sprachliche Korrektheit von KollegInnen, definitiv anspruchsvoll und kann berichten: es gibt - zumindest im romanistischen Bereich - definitiv genug Leute, die die Sprache nur solala sprechen, sich im Studium und Ref durchkämpfen und dann einen mehrheitlich deutschen Unterricht machen.


    Chili

  • Meiner Meinung nach sollte sich ein Fremdsprachen Lehrer nicht auf dem von dir genannten B2 Niveau befinden. Gute, fundierte Kenntnisse in der zu unterrichtenden Sprache seitens des Lehrers halte ich für extrem wichtig.

  • Für die Sek II sollte es schon C2 sein. Schon zur Zulassung zum Bachelor-Studium im Grundschulfach Englisch wird schließlich B2 erwartet.


    Nele

    • Offizieller Beitrag

    Ich kann behaupten, dass ich Muttersprachlerniveau habe, wenn auch immer wieder mit Abzügen :D Meine Schüler schmunzeln, dass ich immer wieder mein Wörterbuch raussuchen muss :D (Ich BIN Muttersprachlerin, muss aber ab und zu behaupten "nee, keine Ahnung, wie man das auf Französisch / auf Deutsch sagt, ganz ernsthaft, ich glaube, das Wort gibt es nicht.


    Das ist ja auch völlig normal. Als Deutscher muss man nur mal den Duden aufschlagen und dann stellt man fest, dass man auf jeder Seite ein Wort findet, das man nicht kennt, auch nicht als redlicher Zeitungsleser und mit akademischer Bildung. Mir reichen schon Gespräche mit meinem Herrn Papa über meinen Garten... Dunkelkeimer, Leguminosen, Fertigation und Krümelgefüge fallen dann gerne mal und die germanistikstudierte Tochter fühlt sich vom anderen Stern.


    Ich habe in England die C2 - Prüfung gemacht und dann noch über ein Jahr dort gewohnt und gearbeitet. Seitdem bin ich überwiegend in der Fremdsprache in der Oberstufe unterrichtlich tätig, überwiegend in LKs - und ohne diese Grundlage und erhebliches Eigenengagement (überwiegend englische Nachrichten, Filme, Zeitungen, chats mit Freunden in UK, regelmäßige Besuche) ginge es nicht, ohne mich zum Vollhorst zu machen. Ein Viertel bis ein Drittel meiner Kurse waren ein Jahr im Ausland und sprechen flüssig - wenn auch ohne nennenswertes Fachvokabular - ich habe jedes Jahr einen oder zwei Austauschschüler aus US/Aus/UK. Was passiert, wenn der Lehrer da fachlich nicht sehr fit ist, hatten wir ja vor kurzem in diesem thread besprochen:

    Zitat

    Tatsächlich hat man z.B. in Hessen auch die letzte, wirklich harte Sprachprüfung am Ende des Gymnasiallehramtsstudiums abgeschafft - in einem Jahr, als es Panik im HKM wegen akutem Englischlehrermangels gab. Durch diese Prüfung sind in einigen Jahrgängen bis zu 50% durchgefallen, sie galt als berüchtigt und man bekam dann die Empfehlung, mindestens ein Jahr ins Ausland zu gehen, sonst mache erneutes Antreten keinen Sinn.
    Viele haben gar nicht erst gewagt ohne langen Auslandsaufenthalt diese Prüfung zu machen und sind halt vorher ins Ausland. Danhach ging's dann auch gut.


    Seit es diese Prüfung nicht mehr gibt und du im Prinzip ohne wirklich Englisch zu können, sozusagen als "Theoretiker des Englischen", durchs Studium kommen kannst, gibt es immer mehr Referendare, die bei uns mit einem Englisch aufschlagen, für das ich und meine Kollegen in der Q4 keine 5 Punkte mehr verteilen.


    Die Momente, wo sie dann vor meinem/einem Leistungskurs stehen - in welchen sich immer irgendwo zwischen 4-8 Leute befinden, die selbst ein halbes Jahr oder Jahr im Ausland waren - lassen sich eigentlich nur noch satirisch beschreiben. Man sitzt da hinten, sieht wie die Schüler entweder mitleidig Sprachhilfen eingeben und den Ref. korrigieren, oder zwecks Kursamusement so schnell reden und Wortwitzchen machen, dass Ref kaum noch folgen kann. Für die Schüler stellt sich dann die Frage, die mir in der Tat auch schon nach dem Unterricht gestellt wurde: "Frau Meike, wir müssen Sie das mal fragen: wenn die Frau Y ihr Examen besteht - dann darf die UNS in ENGLISCH benoten??!"
    Joah... darf sie... - und man schwankt zwischen Mitleid und Ärger: warum macht man sich nicht die Mühe, eine Sprache, die man unterrichten will, wirklich zu können? Das kann ich nicht nur prüfungstechnisch, auch persönlich nicht nachvollziehen. Interessieren die sich gar nicht für ihr Fach? Warum es dann 40 Jahre unterrichten wollen?


    Zitat

    Wie sieht es also bei euch aus? Habt ihr Muttersprachlerniveau oder merkt ihr z.B. im Urlaub auch mal, dass ihr auch oft etwas nicht versteht?


    Das kann man so einfach nicht sagen. KEIN nicht-Muttersprachler hat wirklich "Muttersprachenniveau". Man hört es immer irgendwie raus. Selbst wenn man sich den lokalen Akzent angeeignet hat. Man klingt dann halt irisch mit deutscher Einfärbung, oder umgekehrt oder walisisch mit leicht bayrischem Einschlag.


    Wenn ich mit einem englischen Automechaniker über Autos rede, bin ich raus. Ich hab die Worte nicht.
    Wenn der allerdings mit mir über die literarische Rennaissance redet, ist er raus. Ich habe dann das größere Fachvokabular - auch in seiner Muttersprache.


    Es gibt in der Tat Gegenden in Südost-London, da verstehe ich nicht jeden.
    Das ging mir in Prien am Chiemsee allerdings genauso, als ich da mal nach dem Weg fragte.... 8)

  • Zitat

    Und oft wird mir berichtet, dass die Kurse im Fremdsprachenstudium zu mindestens 50% auf Deutsch sind


    Das kann je nach Uni an der Größe/Struktur der Romanistik-Abteilung liegen. Wenn die zu klein ist, dann sind Seminare/Vorlesungen eben auch "sprachübergreifend" und man findet sich zusammen mit Studierenden in einem Seminar, die Französisch, Italienisch, Spanisch studieren. Hier eine gemeinsame Sprache zu finden ist nicht leicht (oder doch: man verwendet Deutsch).


    Nimm's mir nicht übel, aber wenn ich mir durchlese, in welchen Bereichen du im Französischen noch Probleme hast, dann ist das im Moment eine zu große Baustelle, um das Fach zu unterrichten (studieren wäre was anderes, wenn du weiter intensiv an deiner Sprachkompetenz arbeitest...).

    • Offizieller Beitrag

    meike: nein, meine Schüler fragen keine Wörter, die ich nicht kenne (so gut sind die nicht und die Texte, die sie lesen, habe ich schliesslich vorbereitet und ausgeteilt)
    Ich meinte, sie fragen zb 'was heisst 'Fernweh' auf Französisch?'
    Da ich von mir behaupte, dass ich ein recht gutes Deutsch spreche (und nein! Nach 15 Jahren hier wird mich leider kein Mensch länger als 1Stunde (und da wäre ich besonders still gewesen, ist mir letztens beim Sport passiert :-D) für eine Muttersprachlerin halten. Mein Akzent wird leider immer meiner bleiben :( ), naja, auf jeden Fall kann ich oft sagen, nee, sorry, diese Übersetzung passt nicht, es ist eben NICHT dasselbe. Nur ähnlich...


    Chili

    • Offizieller Beitrag

    Achso, ich dachte, du hätest den Anspruch, als Muttersprachlerin ale Wörter deiner Sprache zu kennen. Das kann man vergessen. Ist also auch kein Anspruch, den man an einen Fremdsprachenlehrer haben kann.
    C2 und ein bisschen Ehrgeiz darüber hinaus finde ich schon eine ganz gute Messlatte.


    In Cardiff gab es damals noch eine Prüfung, die ich absolvierte und die über C2 hinaus ging, "English for academic purposes" (ich hatte eigtl. vor, in GB zu bleiben) - die scheint es aber gar nicht mehr zu geben, oder zumindest finde ich sie online in der Form C2++ nicht mehr. Die war sozusagen "nach oben offen" und man bekam keine grades A-F, sondern einen written report mit einer genauen Darstellung der Leistungen, die fand ich sehr, sehr gut.

  • Nachdem ich mir die Antworten so durchgelesen habe, denke ich, ich lass es lieber sein :D. Den Anspruch, richtig muttersprachlich zu sprechen, hätte ich auch gar nicht. Seinen Akzent wird man - wie beschrieben - nie ganz ablegen können, das finde ich aber auch nicht so schlimm. Mir ist nur an der Uni aufgefallen, dass es Fremdsprachenstudierende gibt, die ihre Fremdsprache echt nicht so dolle beherrschen, und da habe ich mich immer gefragt, wie das dann mal ist, wenn die Lehrer sind. Englisch finde ich ehrlich gesagt generell einfacher, auf jeden Fall "alltäglicher" als Französisch - es gibt viele Serien, die im Original auf Englisch sind, massenhaft englischsprachige Musik etc., deshalb glaube ich, dass es generell einfacher ist, dort ein höheres Sprachniveau zu erreichen (so ist's jedenfalls bei mir). Bei Französisch kommen glaube ich die SuS am Ende der Q2 generell auf einem niedrigeren Niveau heraus, oder? Ich habe da natürlich keine Statistiken, sondern kann nur aus eigener Erfahrung berichten. Und da hatte ich die Hoffnung, mit meiner B2/C1-Basis und dem Drittfachstudium dann auf ein geeignetes Sprachniveau zu kommen - was sich in den ersten Unterrichtsjahren ja auch noch verbessern dürfte, da man ja weiterhin gängige Vokabeln, die die SuS wissen wollen, lernt. Aber ich glaube, ich belass es dann lieber bei meinen zwei Fächern und bemitleide jetzt schon einmal die zukünftigen SuS meiner jetzigen Kommilition/inn/en, die genauso schlecht sprechen wie ich.
    Auf jeden Fall aber vielen Dank für Eure Antworten :).

    • Offizieller Beitrag

    Aber ich glaube, ich belass es dann lieber bei meinen zwei Fächern und bemitleide jetzt schon einmal die zukünftigen SuS meiner jetzigen Kommilition/inn/en, die genauso schlecht sprechen wie ich.


    :thumbup: :handschlag: :prost:

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Leute,


    ich bin zwar noch Student für die Fächer Englisch und Französisch, weiß aber, dass B2 sicherlich für einen Lehrer viel zu wenig ist!


    Ich hatte damals Englisch als Leistungskurs und mit dem Erhalt des Abiturs in Englisch schon ein sprachliches Niveau von B2 und in Französisch mündlich würde ich meine Kenntnisse bei B1 einordnen.


    Wenn man an einer Grundschule Englisch unterrichtet, sollte das Sprachniveau schon bei C1 liegen.
    Bei allen anderen Schulformen SEK 1 und SEK 2 auf jeden Fall bei C2!


    Ich finde es krass, dass sich jemand erlaubt, eine Sprache zu unterrichten und seine Fähigkeiten am Ende des Studiums noch bei B2 einstuft.
    Da hilft nur eines: Ins Ausland gehen.


    Liebe Grüße
    Yogho ;)

  • Ich finde es krass, dass sich jemand erlaubt, eine Sprache zu unterrichten und seine Fähigkeiten am Ende des Studiums noch bei B2 einstuft.


    Ich hoffe nur, du beziehst das jetzt nicht auf mich?! :D

  • Daran ist gar nichts tragisch. Ich muss davon ausgehen, dass er sich auf einen uns unbekannten Fall eines Fremdsprachenstudierenden, der seine Fähigkeiten am Ende seines Studiums bei B2 einordnet, bezieht. Andernfalls wären Yoghos Fremdsprachenkompetenzen vielleicht bemerkenswert, seine Lesekompetenz wäre es hingegen nicht: Denn ich habe ja keine Fremdsprache studiert und stufe mich somit auch nicht "am Ende" meines Studiums bei B2 ein. Des Weiteren "erlaube" ich es mir ja auch gar nicht, eine Fremdsprache zu unterrichten. Da ich aber für die Äußerung meiner Hoffnung, er beziehe seine Ausführungen nicht auf mich, 100 Punkte erhalten habe (yippi!), entsprach sie ja offenkundig der Wahrheit und Yogho bezieht sich eben auf einen Fall, den nur er kennt. Alles andere wäre ja auch sehr peinlich - würde er hier rummeckern ohne den Inhalt überhaupt richtig erfasst zu haben. Von daher: Alles gut :).

  • Fred1,


    habe mich tatsächlich verlesen. :D


    Ich nehme meine Bemerkung zurück.


    Schönen Abend noch,
    yogho

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