Legasthenie

  • Remus Lupin, hallo,


    1) dass man wegen einer Sport-5 nicht sitzen bleibt - meinst Du nicht, dass ich das wusste ? Aber was, wenn es die tödliche zweite oder dritte 5 ohne Ausgleich ist ? Dann ist es diejenige, wegen der man sitzen bleibt!


    2) Bei der Legasthenie funktioniert auch hirnorganisch etwas nicht. Bei Screenings wurden bei guten Lesern und Schreibern starke Aktivitäten im rechten hinteren Hirnlappen gemessen, bei Legastheniker viel geringere bis gar keine.
    Aber das ist prinzipiell das Problem: Wessen Ursachen Du schon genau erklären zu können glaubst, das respektierst Du. Wenn etwas zwar als Phänomen besteht, aber nicht seine Ursache so sichtbar und noch nicht erklärt ist, weigern sich viele. Warum ? Das Phänomen besteht doch klar erkenntlich.


    3) Ich lege schon Wert auf Rechtschreibung - das interpretierst Du falsch. Aber ich sage, ihr Rang ist zu hoch. Sie darf nicht den Bildungsgang zu stark bedingen.


    UND ich sage immer, Notenschutz ist der ERSTE Schritt der Förderung. Also soll kompetent gefördert werden, wozu heute wohl überwiegend nur außerschulische Fachkräfte in der Lage sind - nicht all die Scharlatane, die sich auch auf diesem Markt tummeln.
    Vielfaches Abschreiben nützt nichts. Die individuelle Wahrnehmungslücke muss wegtrainiert werden. Ich kenne viele Geförderte, deren Problematik sich deutlich verbessert hat - nur einige, bei denen sie sogar weg zu sein schien. Ihre Förderung war nur in der Ruhe des Notenschutzes möglich.
    Bei manchen ist die Problematik auch mit dem Ende der Pubertät erstaunlich geringer geworden, was Fragen im Zusammenhang mit der hormonellen Entwicklung aufwirft, die noch nicht beantwortet sind.


    4) Mir ist in den letzten 30 Jahren kein Legastheniker begegnet, dem seine Rechtschreibschwäche wirklich egal war. Eine Art überspielen des Unabänderlichen vielleicht - ein Verdrängen.
    Hat sich Dein Schreibproblem denn dann gebessert und warum ?


    5) Soweit die Problematik noch besteht, ist Notenschutz im Sinne von Nachteilsausgleich auch an der Uni und im Berufsleben zu gewähren.


    6) Beispiele hinken immer irgendwo. Ich finde meine Beispiele immer noch gut.


    Grüße, Georg Mohr

    Glückliche Kinderaugen machen glücklich !
    "Lehren" = beim Lernen unterstützen + "Erziehen" ist noch wichtiger als "Stoff" vermitteln.

  • Zitat

    dass man wegen einer Sport-5 nicht sitzen bleibt - meinst Du nicht, dass ich das wusste ? Aber was, wenn es die tödliche zweite oder dritte 5 ohne Ausgleich ist ? Dann ist es diejenige, wegen der man sitzen bleibt!


    Wer drei Fünfen hat, bleibt wegen drei Fünfen sitzen. Jede der drei Noten ist dann für die Nichtversetzung verantwotlich, nicht nur eine. Wer mit zwei Fünfen ohne Ausgleich nicht versetzbar ist, bleibt sogar wegen seines ganzen bescheidenen Notenbildes sitzen. Denn auch hier könnte ja eine Verbesserung in einem anderen Fach einen Ausgleich herstellen. Ich kann deiner Sichtweise bezüglich der Noten daher nicht zustimmen.


    Zitat

    Aber das ist prinzipiell das Problem: Wessen Ursachen Du schon genau erklären zu können glaubst, das respektierst Du.


    Meinst du jetzt mich mit dem DU? Oder ist das eine Beschreibung der Akzeptanz von Krankheitsbildern? Ich gebe dir recht, dass es Schüler gibt, die nicht gut lesen und schreiben können (Ist-Zustand). Es gibt aber auch welche, die gut Deutsch und Englisch können, aber sehr schlecht Französchisch lernen. Sollen wir für die jetzt die "Dysfranconie" als Bezeichnung für dieses Phänomen einführen? Ich bin mir also nicht sicher, ob ich deinen Punkt 2 richtig verstanden habe.


    3) Mir ist schon klar, dass du AUCH Wert auf Rechtschreibung legst, sonst hätte ich nicht "weniger" sondern "keinen" geschieben. Ich bin mir nicht sicher, ob der Rang der Rechtschreibung zu hoch ist. Bei den Sprachen bin ich mir sicher, dass deren Rang zu hoch ist. Bei Rechtschreibung weiß ich es nicht.


    4) Ob sich mein Rechschreibproblem gebessert hat? Kann ich schlecht beurteilen... :D Ich hoffe es sehr. Warum? Ganz sicher nicht wegen des Notenschutzes, den ich eingeschränkt hatte. Auch nicht wegen der teuren Outsiderförderung oder der (sehr hübschen) schulinternen Förderung. Beide haben bei mir nichts erreichen können - es war ja sehr bequem so. Besser werden bedeutet, den Notenschutz zu verlieren, das ist kein echter Anreiz. Und meine persönliche Wertung der Bedeutung der Rechtschreibung hat sich durch diese Art der Förderung auch nicht geändert.


    Warum wurde es besser? Weil ich an der Uni gemerkt habe, dass ich für jeden Job, der für mich in Frage kommt, eine bessere Rechtschreibung brauche. Will ich den Job, so muss ich dort halbwegs vernünftig schreiben können. Auch in der Uni existierte dieser Zwang bereits. Verbesserung wurde bei mir also durch das Gegenteil von Notenschutz bewirkt.


    Zitat

    Beispiele hinken immer irgendwo. Ich finde meine Beispiele immer noch gut.


    Ja, "Ideen sind wie Kinder. Die eigenen hat man am liebsten." ;)


    Gruß,
    Remus

    Die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen - HEnRy vAn dyKe

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  • Hallo Remus,


    mein Bruder hat sich an der Uni jemanden gesucht, der die Rechtschreibfehler aus seinen Arbeiten vor der Abgabe entfernte. Jetzt hat er eine Sekretärin. An der Schule hat er sich durchgemogelt. Wirklich belastet hat ihn das nie. Ein fröhlicher Mensch halt.


    Aber früher nahm nach meinem Eindruck die Schule nicht so einen gewaltigen Raum im Leben der Kinder ein und erzeugte nicht soviel Drama. Ich habe zum Beispiel praktisch nie Hausaufgaben gemacht. Meine Lehrer fanden das ok, solange ich den Arbeiten sowieso Einsen schrieb. Heute käme da nichts mehr bei rum.


    Grüße Enja

  • Hm, nun ja, leider kann man nicht bei jedem Schüler davon ausgehen, dass er so ein Glückspilz ist, dass er an der Uni keine Klausuren schreiben muss und irgendwann eine Sekretärin hat, von daher sehe ich die Rechtschreibung nach wie vor als großes Problem an, dass wir in der Schule nun einmal haben und nicht einfach so ausblenden können, weil es für uns persönlich keine so hohe Priorität genießt.


    Genau diesen Anfängerfehler habe ich nämlich auch im Referendariat begangen. Ein Schüler in einer Abschlussklasse hatte zwar keine ausgewiesene LRS, aber doch deutlich Probleme mit der Rechtschreibung. Dennoch war er sehr fleißig und hatte inhaltlich viele gute Gedanken und Ideen. Aus diesem Grund habe ich ihm als Abschlussnote eine 3 gegeben.
    Ein halbes Jahr später gab's massive Beschwerden von Seiten der Berufsschule und auch von Seiten der Ausbildungsbetriebe, dass die Deutschnoten, die wir vergeben ein falsches Bild wiederspiegeln, weil die Schüler (mit Hauptschulabschluss) große Rechtschreibschwierigkeiten haben. Natürlich nicht nur wegen dieses einen Schülers, sondern weil generell an meiner Ref.schule die Rechtschreibung nicht sonderlich hoch gewichtet wurde.
    Keiner unserer Schüler hat übrigens einen kaufmännischen Beruf oder sonst einen Beruf ergriffen, in dem die Rechtschreibung halbwegs von Bedeutung war.


    Das Problem liegt daher in meinen Augen im Moment weniger in der Schule begründet, sondern vielmehr allgemein in unserer Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt, wo die Rechtschreibung fast schon als Indiz dafür genommen wird, wie leistungsfähig ein Schüler ist.


    Für diese Schule hatte das zur Folge, dass wir gezwungen waren, die Deutschnoten abzusenken, weil unsere Schulabgänger sonst pauschal von Betrieben und Berufsschulen abgelehnt geworden wären. Diese Drohung wurde übrigens tatsächlich so ausgesprochen.


    Daher denke ich, dass an der falschen Front gekämpft wird, wenn von Lehrern verlangt wird, dass sie die Rechtschreibung weniger hoch gewichten. Letzten Endes wird dieser Kampf dann nämlich ausschließlich auf den Rücken der Schüler ausgetragen.
    Und meiner Erfahrung nach kann kaum ein Ausbildungsbetrieb etwas damit anfangen, wenn man auf eine LRS hinweist. Zu kompliziert, keiner weiß damit wirklich etwas anzufangen. Man hat die große Auswahl, also werden vorwiegend Schüler genommen, die rechtschreibsicher sind.


    Mein Blickwinkel ist natürlich jetzt vorwiegend auf Haupt- und Sonderschüler gerichtet, wo man bei der unglaublich schwammigen LRS-Diagnostik eigentlich so ziemlich jedem 2. Schüler eine Legasthenie bescheinigen könnte.


    Es greift also deutlich zu kurz, wenn man wieder einmal die Wurzel allen Übels im Unterricht der ach so bösgesinnten Lehrer sucht. Und auch kann ich es keineswegs so pauschal unterstreichen, dass Notenschutz der erste Schritt zur Förderung ist. Sicherlich gibt es Schüler, da handhabe ich es auch so, aber ich entscheide möglichst individuell, ob Notenschutz sinnvoll ist oder vielleicht eben kontraproduktiv.


    Gruß
    Mia

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

    Einmal editiert, zuletzt von Mia ()

  • So wie ich das erlebe, ohne selbst betroffene Kinder zu haben, geht es für die Familien darum, das Kind solange am Leben und halbwegs bei der Sache zu halten bis die außerschulischen Fördermaßnahmen greifen.


    Wenn die Kinder unter praktisch jeder Arbeit eine Sechs finden, auf Wunsch der betreuenden Psychologin vom pädagogisch engagierten Lehrer dann noch mit einem "gut gemacht, weiter so" garniert, sind sie schnell am Ende.


    Bedingung ist natürlich, dass die LRS früh genug erkannt und auch therapiert wird. In den Fällen ist mein Eindruck, dass das Problem in der Mittelstufe behoben werden kann.


    Das Problem bei uns an der Schule ist im Moment, dass die Deutschlehrer damit ganz gut umgehen können, die Lehrer der anderen Fächer aber nicht. Und das kann sehr bitter werden.


    Das ist mal so mein ganz laienhafter Eindruck. Fortbilden will ich mich ja erst noch.


    Grüße Enja

  • Hallo Mia,


    kannst Du / willst Du als Fachfrau nicht mal bei der Kreishandwerkerschaft und bei der lokalen Industrie- und Handelskammer einen aufklärenden Vortrag über die Rechtschreibung im Allgemeinen und über Legasthenie / LRS im Speziellen anbieten ? Ich wünschte mir, Ihr würdet als Pädagogen um Verständnis werben, anstatt sich dem "Ober-Dummen", Herrn Rogowski, gleich zu stellen, und DIE Deutschnote so stark an der Rechtschreibung fest zu machen. Wart Ihr von Eurem vorhergehenden Benoten so wenig überzeugt ?!


    Mehr Mut,


    wünscht Euch, Georg Mohr

    Glückliche Kinderaugen machen glücklich !
    "Lehren" = beim Lernen unterstützen + "Erziehen" ist noch wichtiger als "Stoff" vermitteln.

  • Hallo Gemo, das Angebot eines solchen Vortrages ist gewiss eine gute Idee. Da ich mittlerweile an einer anderen Schule bin und dort an einer Front kämpfe, wo LRS das geringste Problem ist, habe ich im Moment jedoch keine Ressourcen dafür.


    Die Beziehung dieser Schule zur IHK waren übrigens recht intensiv und auch sehr gut, von daher gehe ich davon aus, dass meine alten Kollegen da sicher weiter dran bleiben. Und ich persönlich hatte nicht den Eindruck, dass die IHK in dieser Hinsicht kurzfristig etwas bewirken kann, von daher muss die Überzeugungsarbeit vor allem im Kleinen, nämlich bei den Betrieben direkt geleistet werden. Diesen Weg ist die Schule vorrangig gegangen und das auch recht erfolgreich. Was nicht heißen soll, dass sich die Bedingungen von heute auf morgen perfektionieren können. Und was vor allem auch nicht heißt, dass man hartnäckig und trotzig auf seiner Notengebung beharrt, die sich nachteilig auf die Schüler auswirkt. Unter Umständen wäre da höchstens ein sehr zweifelhafter Sieg dabei herausgekommen.


    Zunächst mal einen Schritt zurückzugehen und dann aber einen erfolgversprechenderen Weg einzuschlagen, der vielleicht ein Umweg ist, aber deutlich weniger negative Nebenwirkungen für Dritte zeigt, halte ich persönlich für besser.


    Gruß
    Mia

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

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