Schreiben/Lesen lernen erst in der Schule - WARUM?

  • Hi in dieses Forum,


    ich bin selbst Sonderschullehrerin und dieses Thema beschäftigt mich mit dem zunehmenden Interesse meines Sohnes tagtäglich immer mehr.


    Aaaalso, mein Sohn ist 4,5 Jahre. Er kennt die Hälfte aller Buchstaben, schreibt seinen Namen und schreibt alles ab, was man ihm vorschreibt und er wissen wollte. Manche Buchstaben kann er schreiben, ohne dass ich sie ihm jemals gezeigt habe, wie z.B. das K. Zahlen kann er auch, sogar die 8.


    So, und jetzt frage ich mich folgendes: Wieso muss er jetzt noch 1,5 Jahre warten, bis er mehr lernen darf? Wieso ist unser System so verkrustet, dass im Kiga solchen Kindern nicht "Futter" geboten wird. Wenn kleine Kinder anfangen zu laufen, dürfen sie zum Turnen gehen. Wenn sie sich im Wasser gut bewegen, können sie schwimmen lernen, wenn sie Freude an Musik und Rhytmik haben, dürfen sie musikalische Frühförderung genießen. ABer wenn sie offensichtlich so weit wären, schreiben und lesen zu lernen.... dann heißt es warten. KANN DAS RICHTIG SEIN?


    Ich selbst bin an der Sonderschule drauf angewiesen, bei meinen Schülern ständig zu erkennen, zu welchem Lernschritt sie gerade in der Lage sind - um bloß Möglichkeiten nicht zu verpassen - schließlích sollen ein paar ja den HS-Abschluss machen.


    Umso mehr bin ich zur Zeit einfach frustriert, wenn ich mir meinen Sohn angucke. Wen ich auch frage - es heißt - ich soll BLOSS nichts von mir aus anbieten. Nur die Fragen beantworten, die er hat. Schon gar nicht ihm mit Material zu Leibe rücken. Klar - ich halte mich dran - aber warum eigentlich?


    Es gibt so viele Kinder, die mit 4 so weit wären, MEHR zu lernen. An Volkshochschulen haben Englisch-Kurse zur Zeit echte Konjunktur für so Kleine (wie auch immer man das finden mag...), warum also warten?


    Auf Antworten freue ich mich!


    Dea

  • Hallo Dea,
    ich kann zwar als angehende LAA noch nichts aus der Praxis beisteuern, aber Erfahrungen aus meiner eigenen Kindheit beschreiben. Bei mir war es so, dass wir in meiner Vorschulzeit (2. - 5. LJ) auf dem Land gewohnt haben, wo ich keinerlei gleichaltrige Spielkameraden hatte und auch kein Kindergarten greifbar war. So hab ich vor allem aus Langeweile lesen und schreiben gelernt, weil ich halt das machen wollte, was mein älterer Bruder machte - Hausaufgaben. Dadurch konnte ich mit knapp 4 Jahren fließend lesen und auch schreiben. Das hat mir in der Schule eigentlich nicht geschadet, soweit ich mich erinnern kann, allerdings war das erste und zweite Schuljahr in Sprache natürlich gähnend langweilig für mich. Meine Schule hat das dadurch aufgefangen, dass ich eine Stunde pro Woche in die Klasse zwei Stufen höher durfte und da eine Extrastunde Deutsch bekam. Hat mir alles im Nachhinein wohl nicht geschadet, denke ich. Ich kann dich also eigentlich nur unterstützen - warum nicht???
    Gruß
    Britta

  • hallo dea,


    als ich deinen beitrag gelesen habe, musste ich direkt an montessori mit ihren sensiblen phasen denken.
    in montessori-kinderhäusern wird kindern wie deinem sohn folgendes angeboten:
    sandpapierbuchstaben (kennenlernen der buchstaben durch verbindung von form und laut, alter: etwa drei jahre)
    bewegliche alphabete (darstellung der gehörten laute durch buchstaben; alter: etwa fünf jahre)
    gegenstände, bilder und wortkarten (erstes lesen; verständnis, dass ein geschriebenes wort eine gruppe von lauten ist, die durch graphische zeichen dargestellt werden und dass geschriebene wörter etwas bedeuten; alter: etwa fünf jahre).


    wenn du deinem sohn diese übungen nicht aufzwängst, weiß ich nicht, was dagegen spricht...


    einen schönen tag wünscht eine


    grundschullehrerin

  • Hi Grundschullehrerin,


    vor Jahren hatte ich mal so einen Montessori-Katalog. Seitdem ich nur noch die 'Großen' unterrichte, bin ich aus dem Thema sozusagen raus. Von daher jetzt meine Frage, ob Du einen guten Verlag mit Montessori-Materialien kennst? Wenn ich mir die Sachen angucken kann, weiß ich auch, was zu meinem Sohn gerade passen würde - die beweglichen Alphabete hören sich gut an!


    Danke!


    Dea

  • Meine Tochter war im Kindergarten auch schon unheimlich wissbegierig. Meine Frau (Grundschullehrerin 1/2) und ich haben ihr alle möglichen Spiel- und Bastelanregungen gegeben, Geschichten erzählt, Dinge erklärt aber es BEWUSST vermieden, ihr Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen.


    Es gibt für ein Kind nichts schlimmeres, als die ersten Schuljahre als öde und langweilig zu empfinden. Von der Schule zu verlangen, dass solche Kinder durch innere Differenzierung aufgefangen und beschäftigt werden müssen ist schnell gefordert und leicht begründet. Nur: Für eine Grundschullehrerin in Klasse 1/2, die 28 Kindern das Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen soll, ist es eine Zumutung.


    Und für das Kind, das mit Extra-Aufgaben in der hinteren Bank sitzt und nicht am Unterrichtsgeschehen teilnehmen kann, erst recht.


    Kinder sind in dem Alter wie ein Schwamm. Aber weshalb muss es unbedingt Lesen und Rechnen sein?


    Nur damit Papa/Mama damit angeben kann, wie intellent der Sprössling ist?


    Lasst die Kinder lieber ein Instrument und Noten lernen.
    Die positiven Auswirkungen auf die hirnorganische Entwicklung sind wissenschaftlich nachgewiesen.



    Und wenn ein Kind Zahlen malen und benennen kann oder 2+2 addieren kann, ist das noch kein Zeichen dafür, dass es einen gefestigten Mengenbegriff hat. Viele Probleme, die später unter dem Sammelbegriff Dyskalkulie auftauchen sind meiner Ansicht nach auf falsche Erklärungsmuster und -verfahren zurückzuführen, die wohlmeinende Eltern den Kids eingebrockt haben.


    Lasst den Kindern Zeit. Hektisch wird's früh genug.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • @ alias,


    ja, mit der Argumentationsweise habe ich gerechnet. Nein, ich will nicht angeben - es ist mir aber auch zu müßig, dafür hier Rechenschaft abzulegen.


    Letzten Endes bestätigst und manifestierst Du unser System. Da ALLE gleichzeitig lernen, MUSS es eben so sein. Auch das Bild eines in der hinteren Bank alleine arbeitenden Kindes ist recht polemisch - so ist innere Differenzierung sicherlich nicht zu verstehen. Klar, 28 Kinder und dabei noch differenzieren...? Das hört sich nicht einfach an, kann es aber dennoch sein. Ich muss zur Zeit für 9 Schüler ungefähr 5 verschiedene Mathematik-Stunden planen. Das geht auch. Und *seufz* zur musikalischen Frühförderung geht mein Sohn während der Kiga-Zeit einmal die Woche.


    Trotzdem lässt es mein Grundanliegen unbeantwortet und letztlich bestätigst Du es. Warum soll ein Kind, was so weit ist, nicht lesen und schreiben lernen. Allein der Hinweis auf das System und Gleichmacherei reicht mir nicht aus.


    So wie ich meinen Sohn sehe, lernen Kinder durchaus sprunghaft. D.h., wäre sein Interesse an Buchstaben und Rechnen befriedigt, könnte er sich durchaus längere Zeit anderen Themen widmen. Es MUSS also gar nicht sein, dass er soooo viel weiter als der Rest einer GS-Klasse ist.


    Ich persönlich sehe einfach meinen Sohn unterfordert bzw. reif genug für einen Entwicklungsschritt. Eine Situation, die ich mir an der Sonderschule niemals leisten kann.


    Meines Erachtens ist dies im allgemeinen eine Fehlentwicklung in der deutschen Schullandschaft. Hinweise auf das Reiz-Wort Pisa erspare ich mir auch.


    Vielen Dank für Deinen kontroversen Beitrag!


    Dea

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Dea,
    mein Neffe ist auch 4 und kann auch durchaus einige Buchstaben und Zahlen, das ist, denke ich, unter gewissen Umständen in diesem Alter durchaus natürlich.
    Aber: Ich weiß auch, wie schnell das Interesse an etwas Neuem bei Vierjährigen erlischen kann.
    Und im schlimmsten Fall (ich spiele jetzt wirklich mal advocatus diaboli) wird dein Sohn dann mal zu denen gehören, die sagen: Jaja, ich hätte es mit sechs in der Grundschule lernen können, aber meine Mama wollte es anders und deswegen hab ich mich in der Grundschule nur gelangweilt und musste mich in höhere Klassen integrieren. Wenn du der Meinung bist, dass dein Sohn einen Entwicklungsschritt machen sollte, dann fördere ihn, indem du ihn mit dem nötigen Material versorgst. Entweder er wird sich dann damit länger beschäftigen oder schon bald die Lust daran verlieren.
    Im optimalsten Fall könnte er die erste Klasse Grundschule überspringen.

    Zitat

    Ich persönlich sehe einfach meinen Sohn unterfordert bzw. reif genug für einen Entwicklungsschritt. Eine Situation, die ich mir an der Sonderschule niemals leisten kann.


    Was meinst du denn damit?
    Und

    Zitat

    Meines Erachtens ist dies im allgemeinen eine Fehlentwicklung in der deutschen Schullandschaft. Hinweise auf das Reiz-Wort Pisa erspare ich mir auch.


    Mit diesem Vorwurf (ich bin auch nicht unbedingt für das deutsche Schulsystem, mit dir aber hier nicht einer Meinung)
    behauptest du doch, dass a l l e vierjährigen Kinder schon lesen und schreiben können müssten? Das System orientiert sich aber zumindest in der Grundschule noch zum Glück nicht an den Besten, sondern am Durchschnitt.
    Liebe Grüße, Hermine

  • Mein Sohn ist 5 1/2 Jahre:
    Da ich ein erstes Schuljahr bekommen habe und eine Anlauttabelle in groß herstellte, hat er dadurch natürlich Kontakt dazu bekommen. Meinen Anlautrap konnte er zur Hälfte auswendig, da ich ihn in der letzten Ferienwoche übte und dichtete. Danach war das Thema Buchstaben erledigt. Im November fragte er ständig, wie fängt das Wort an? Mit B ? Mit F? Ich gab ihm natürlich Antwort.
    Seit neuestem will er ständig, dass ich ihm etwas aufschreiben soll, was er dann abmalt. Jetzt habe ich ihm eine Anlauttabelle gegeben. Wenn er jetzt was schreiben möchte, lautiere ich ihm das Wort oder sage die Buchstaben an.



    Genauso ist es bei Mathe. Er fragt: wieviel ist 2 plus 2 ? (Mathe gebe ich nicht, es kam wohl aus dem Kindergarten). Er malte gerade. Also habe ich ihm gesagt, nimm 2 Stifte und noch mal zwei Stifte. Wie viele hast du jetzt?
    Will damit sagen: Ich finde es richtig, meinem Kind auf seine Fragen zu antworten. Wahrscheinlich kommen seine Fragen früher, da er durch meine Vorbereitungen und Bastelarbeiten mehr mitbekommt, als andere - ich empfinde ihn nicht als Superkind. Wenn ich Fragen habe, stelle ich sie doch auch und erwarte eine Antwort.


    Ich habe gerade ein erstes Schuljahr und 2 Kinder können schon ganz viel lesen und schreiben und üben freiwillig wie wild zu Hause, 7 haben überhaupt keinen Schneid und ich muss sie fordern. Mir fällt ziemlich viel ein, wie ich die Kinder sinnvoll fördern kann, ich finde es eher schwer, Kinder, die aus irgendeinem Grund keinen Lernantrieb haben, zum Lernen zu erwecken.


    Bei meinem Kind antworte ich auf die Fragen, die sich ihm stellen. Falls es lesen lernen will, soll es das auch tun. Falls die Lehrerin nicht genug Material bereitstellen kann, würde ich das tun. Aber das fände ich eher für sie ein Armutszeugnis.
    Ich finde aber nicht, das Lesen und Schreiben Teil der Kindergartenarbeit werden soll. Phonologische Bewusstheit, o.k., aber es gibt so viele tolle Sachen, die im Kiga gemacht werden können, wo so viele Kinderfragen aufgegriffen werden und soviele Grundfertigkeiten ausgebildet werden, dass ich die Gefahr sehe, dass der Sog zum Erwerb der Kulturtechnik zu groß wird. Mein Sohn hat einen klasse Kiga erwischt. In der Vorschule malen sie gerade, erfahren von Farben, der Mischbarkeit, dunkel, hell, Malen nach Musik, dann gehen sie ins KLunstmuseum und mal schauen, was sich sonst noch so bietet. Davor gab es ein Projekt zu Weihnachten: Weihnachtsgeschichte, Wir basteln eine Kirppe (aus Fimo mit Nähen, Holzarbeit, ....). Außerdem gibt es immer Themen. Im Moment sind es Märchen. Jede Gruppe hört ein spezielles Märchen, es gibt Bastel, Spiel, Theaterangebote, mehr ist kaum zu leisten.


    flip

  • Ich denke (und hoffe), dass es in kaum einer ersten Klasse noch gleichschrittigen Unterricht gibt. Kindern, die so unterschiedlich in ihrer Entwicklung sind (bis zu 4 Jahre), kann man nicht die gleiche "Kost" vorsetzen. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn Kinder bei der Einschulung lesen und schreiben können.
    An deiner Stelle würde ich die Hefte von Rolf Robischon besorgen (Sie sind sehr preiswert.) und sie einfach auf den Tisch legen. Dazu sind keine Erklärungen notwendig. Wenn dein Kind möchte, kann es sofort darin schreiben. Damit bietest du deinem Kind eine Möglichkeit, jedoch nicht die Verpflichtung zu lernen. Du kannst dich heraus halten und beobachten, was passiert.


    Heidi

  • Hi Dea,


    ich habe zu später Stunde deinen Beitrag gelesen und möchte dir gerne antworten. Allerdings habe ich die Antworten der anderen nur überflogen, weiß also nicht, ob ich Dinge wiederhole.


    Ich kann nur von mir bzw von meiner Tochter sprechen, die nun gerade 6 geworden ist und schon mindestens seit sie 4 ist alle Buchstaben kennt.
    Und das hat nix mit übertriebenen Ehrgeiz zu tun, sondern damit, dass an meiner Arbeitszimmertür ein Buchstabenposter von Sara Ball hängt. Dadurch und durch eine Sesamstraßen-CD mit dem Buchstabenlied hat sie die Buchstaben gelernt. Einfach so. Mittlerweile kann sie lesen (etwa so wie es ein Erstklässer wohl z.Zt auch kann) und auch so schreiben.


    Ich habe damit nur soviel zu tun, als dass ich ihre Fragen beantworte. Was soll ich denn tun, wenn sie fragt: "Wie wird Au-to vorne geschrieben? Was ist AU für ein Buchstabe?"


    Es macht ihr einfach Spaß, mir Dinge aufzuschreiben oder mir vorzubuchstabieren (z.b. wenn sie mir heimlich etwas sagen will), warum soll ich das nicht unterstützen oder gar fördern?


    Und dann denke ich, dass es gar nicht so selten ist, dass Kinder in der 1. Klasse schon lesen können. Damit muss eine gute GS-Lehrerin umgehen können, das ist ihr Job. Warum sollen immer nur die mit Lernschwierigkeiten gefördert werden und nicht auch die, die z.b. schon lesen können?


    Nein Dea, du machst nix, absolut gar nichts falsch, wenn du deinem Sohn das anbietest wonach er offensichtlich sucht.


    Nur mal so als Gedankengang: Wie ist das eigentlich mit dem Sohn eines Gärtner, der mir im Sachunterricht sicherlich bereits in der 1. Klasse jegliche Pflanzen hoch- und runterbeten kann? Sollte man ihn auch stoppen?
    Oder den Sohn eines Landwirtes oder eines Zoodirektors ;) Dem brauche ich sicherlich nicht den Unterschied zwischen Säugetier und Vogel zu erklären....


    Gruß


    Petra


    Übrigens habe ich auch das Zahlenposter von Sara Ball hier hängen und mein 1jährigen Sohn hat eine irrsinnige Freude daran, auf ein Bild zu zeigen und von mir ein "Das sind 10 Pinguine" oder "Das sind 3 Bären" zu fordern. Wenn er mal ein Matheass wird, bin ich wohl schuld ;);)

  • Hallo!


    Auch meine Tochter interessierte sich mit 4 schon für die Buchstaben und das Lesen, sie war total interessiert und kannte so ziemlich alle Buchstaben, dann war es auf einmal vorbei, etwas anderes war wichtiger und interessanter. Erst kurz vor der Schule fing ihr Interesse wieder an, ich habe ihr immer alle Fragen beantwortet. Jetzt geht sie in die zweite Klasse und ich glaube nicht, dass es ihr geschadet hat, die Buchstaben zu kennen und auch schon lesen zu können, sie hat sich in der Schule deshalb nie gelangweilt, denn es gab dort immer genug anderes interessantes.
    Meine zweite Tochter ist jetzt 4 und kennt auch schon die Buchstaben, sie eifert eben ihrer großen Schwester nach und die beiden spielen auch oft Schule Solange es Spaß macht, ist es doch wunderbar. Und dieses Interesse ließ sich auch nicht durch Musik oder andere Angebote "beheben", wie weiter oben vorgeschlagen, sie macht im Kindergarten musikalische Früherziehung und geht zum Kindertanz, aber Buchstaben findet sie trotzdem klasse :)


    LG
    Dana

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,


    ich muss sagen, ich versteh das Problem nicht wirklich ?(
    Dein Sohn möchte lesen und schreiben - warum nicht?
    Ich würde ihm so lange Futter geben, wie er es möchte.


    Im KiGa in dem mein Sohn war, gab es einige Kinder, die plötzlich anfingen zu lesen und sich dabei schnell weiterentwickelten.
    Die Erzieherinnen gingen also mit diesen Kindern in die Bücherei, besorgten Fibeln und anderes Material, was die Kinder begeistert nutzten. Davon angespornt, erweiterte sich der Kreis und immer mehr Kinder wollten auch lesen und schreiben. Nach einer Weile reduzierte sich die Zahl der Lernwilligen allerdings wieder: manche hatten keine Lust mehr, andere hatten ihr persönliches Lernziel erreicht (Bilderbücher selbst lesen können), o.ä.


    Meine eigener Sohn hat schon immer gerne gerechnet.
    Obwohl er in der 1. Klasse ist, kann er multiplizieren, teilen oder mit Brüchen und extrem hohen Zahlen umgehen.
    Er kommt von ganz alleine mit dem Anliegen, in diesem Bereich mehr wissen zu wollen. Soll ich ihm da sagen: "Das ist noch nichts für dich. Rechne mal im Zahlenraum bis 10"?
    Da er glücklicherweise auf eine Reformschule mit altersgemischten Klassen geht, sind die Lehrerinnen es gewöhnt zu differenzieren.
    Übrigens ist man an einer solchen Wissbegierde nicht immer schuld. Ich bin eine absolute Matheniete, wenn ich nicht gar an Dyskalkulie gelitten habe (gabs ja damals alles noch nicht ;) )
    Mein Mann interessiert sich schon für Mathe, aber auch nicht auffällig.


    Bis jetzt konnte ich jedenfalls noch keine Beeinträchtigungen durch das frühe Lernen feststellen.


    LG
    Melosine

    • Offizieller Beitrag

    Hi ihr,


    eigene Erfahrung: Ich wollte mit knapp 5 schreiben lernen, weil ich mit meinen Malfähigkeiten unzufrieden war und immer Wunschzettel und Geburtstagsbilder malen musste. Eines Tages entdeckte ich die Verknüpfung von "Einkaufszettel schreiben - einpacken - rausholen - lesen - danach einkaufen". Und da war die Lösung meines Problems klar.
    Meine Eltern haben abgeblockt, ne Kollegin von meiner Mutter hatte großen Ärger bekommen, weil der Sohn bei Schuleintritt lesen konnte, er hatte nur Streit mit der Klassenlehrerin und wurde zum Schulversager.
    Ich habe trotzdem schreiben gelernt. (Ab und zu nach nem Nummernschild gefragt, alles schnell gemerkt oder so, keine Ahnung.) Meine Eltern waren dann recht geschockt, als ich nen halbes Jahr später mit "Herzlischen Glügwusch zum Geborstag" ankam. (Groß- und Kleinbuchstaben gemixt und ein paar spiegelverkehrt.) Sie haben mir dann die richtige Rechtschreibung gesagt, aber mehr nicht. Einmal durfte ich vor Schuleintritt die Schreibmaschine benutzen.
    Als "Ablenkung" bekam ich dann Notenlesen beigebracht.
    Das Ende vom Lied: Als ich in die Schule kam konnte ich Notenlesen, ein bisschen Klavier spielen, UND meine Fibel fließend durchlesen UND fast fehlerfrei schreiben. Von Mathe sprechen wir lieber nicht, da hab ich mal ne Lehrerin in Verlegenheit gebracht, weil sie diese Aufgaben a la "8 - 7 =" stellte (erwartung: "nicht lösbar", haben wir bis zum Erbrechen geübt in Klasse 1). Ich hab halt -1 geantwortet. (Dass eine Subtraktionsaufgabe nicht lösbar sein sollte, konnte ich nämlich nicht einsehen. Und wozu gibt es Thermometer? ;) )
    Und ich habe mich in der Schule gelangweilt, obwohl meine Eltern versucht haben, meine Entwicklung bzgl. Lesen und Schreiben bis zum Schuleintritt hinauszuzögern.


    Ob die Lehrerin dann auf die Fähigkeiten der Kinder eingehen kann, ist die zweite Frage. Meine konnte es nicht, meine Ausbildungslehrerin konnte es nicht. Ich habe es aber in Hospitationsschulen schon gesehen, dass so unterschiedliche Angebote bereitstanden, dass eine Differenzierung möglich war.
    Und durch die neue Schuleingangsphase werden dann z.B. ja auch frühere Einschulungen möglich. Wir haben z.B. zwei Fünfjährige eingeschult im August. Beide sehr pfiffig, kommen intellektuell sehr gut mit. Beide aber extrem klein und motorisch eben im vergleich anderen deutlich weniger geschult, können sich nicht so lange konzentrieren.


    Dea
    Und genau das ist der Punkt, den du nicht vorhersehen kannst: Die künftige Schulsituation deines Kindes.
    Ich denke aber, dass du vermutlich im Großen und Ganzen nicht so viel ändern wirst. Wenn dein Sohn lesen lernen will, wird er es wahrscheinlich irgendwie tun. Und warum sollte er es nicht an ein paar ansprechenden Büchern für Leseanfänger oder Bilderbüchern tun können? (Ich hab mit 7 halt Erwachsenen-Kurzgeschichten gelesen, weil es nix anderes gab bei uns außer Lexika, Biographien, Heldensagen, langweilig gestaltete Märchenbücher (Grimm-Märchen sind lang für Leseanfänger!) Zola und Camus und ich lesen wollte und erst ab 8 in die Bibliothek durfte.)


    So, das war jetzt völlig konfus, deshalb geh ich jetzt schlafen. :D


    Viele Grüße,
    Conni

  • hallo dea,


    entschuldige, dass ich nicht mehr geantwortet habe, ich lag einige tage krank im bett.
    gestern hatte ich meinen ersten kompletten montessori-tag und ein thema war: "der menschliche geist, ein sprachbegabter geist".
    es interessiert dich bestimmt, dass das alter von 4 jahren als "günstigstes Alter für die entwicklung der geschriebenen sprache" beschrieben wird...
    wir haben auch darüber gesprochen, dass man kinder auf keinen fall künstlich bremsen soll und ihnen material anbieten müsse.
    materialien kannst du entweder bei nienhuis in holland bestellen ( http://www.nienhuis.nl/Duits/html/d-home.html ) oder bei anderen anbietern (mir bekannt sind kato: https://ssl.kundenserver.de/s8…shopdata/index.shopscript und TMM - thüringer montessori-materialien in suhl).
    in welchem bundesland lebt ihr?
    bei uns in nordrhein-westfalen werden 2005 viele schulen eine flexible schuleingangsphase bilden, in der es für niemanden ein problem sein dürfte, ein lesendes kind mit passendem futter zu versorgen... (ist auch sonst möglich, so aber ganz einfach zu realisieren)


    vielleicht liest er dir ja bald vor?
    viel spaß beim zuhören wünscht eine


    grundschullehrerin

  • Hallo an Dea und alle anderen...


    Auch wenn diese Diskussion schon länger zurück liegt, möchte ich trotzdem etwas dazu sagen. Mit großem Interesse habe ich alles gelesen....und bin auch nicht schlauer - wohl eher noch verwirrter.


    Mein Sohn ist in diesem Jahr (Jan 05) 4 Jahre alt geworden. Bereits mit 3 konnte er die Zahlen von 1-10 zählen und benennen. Die meisten Buchstaben kennt er und kann viele bereits schreiben. Ebenso kann er jetzt schon leichte Silben aufs Papier bringen. (Ich sage z.B. die Silbe Li-La und er fragt mich, ob nach dem L nun ein i kommt ….)
    Mit Mengen hat er ebenso keine Probleme. So hat er bereits mit 3 Jahren, wenn wir ein Würfelspiel spielten, die Augen auf dem Würfel nicht mehr gezählt und sofort seine Spielfigur an die richtige Stelle gesetzt.


    Nun ist es so, dass er diese Sachen alle selbständig erlernt hat. In seinem Zimmer hängt ein Poster mit Buchstaben und Zahlen (Ein Spiel von Fischer-Price) und ich habe Zeitschriften wie Sesamstasse oder Bussi-Bär gekauft. In den Heften hat er sich aber nie sonderlich für die Geschichten interessiert, sondern wollte immer nur etwas mit Zahlen und schreiben machen.
    Warum sollte ich ihn auch zurück halten? Ich freue mich über seine Neugierde, denn mit seiner großen Schwester habe ich große Probleme. Sie ist lernbehindert und hatte zu solchen Sachen nie lust und konnte sich nie konzentrieren.
    Mittlerweile kaufe ich Vorschulhefte und Bücher und er ist mit großer Begeisterung dabei. Ja, er ist sogar enttäuscht, wenn ich nach 30 Minuten sagen, dass wir jetzt eine Pause machen.


    Jetzt hatten wir beim Kinderarzt die U-8 Untersuchung und der Arzt fragte mich, ob ich schon mal daran gedacht habe, ihn nächstes Jahr einzuschulen. Er wäre dann 5 Jahre und 8 Monate alt.
    Eigentlich finde ich die Idee ganz gut, stoße aber auf völlige Schockiertheit z.B. im Kindergarten. Dort meint man, mein Sohn wäre noch nicht so weit. zB. Ist er in der Gruppe sehr unruhig, macht viel Blödsinn und kann sich nicht konzentrieren – sagt seine Erzieherin.
    Wenn ich mit ihm zu hause arbeite, dann ist er sehr konzentriert – eine lange Zeitlang (1 Stunde ist für ihn ein Kinderspiel) Kann es nicht sein, das er im Kindergarten unterfordert ist? Und aus diesem grunde Blödsinn macht?


    Ich denke trotzdem über die Einschulung nach, denn immerhin ist dies ja noch 1 jahr und 8 Monate hin…. Aus diesem grunde wollte ich meinen Sohn auch in die Vorschulgruppe im Kindergarten bekommen. Die fängt diese Jahr im August an. Aber….. laut Aussage des Kindergartens nehmen sie ihn nicht, denn er ist zu jung und nur die Jahrgänge aus 2000 kommen in die Vorschulgruppe und werden gefördert. Für mich enttäuschend und unverständlich. Eine richtige Vorschule gibt es an unserem Ort leider nicht.


    Andere Leute sagen, ich solle mein Kind noch ein Jahr „Freiheit und Kindheit“ gönnen! Als wenn das mit Schulbeginn zu ende ist….
    Was ist daran so schlimm, ein Kind vorzeitig zur Schule zu geben? Es geht hier doch nur um 4 Monate – dann wäre er 6 Jahre alt. Wenn ich mir vorstelle, er müsste jetzt noch 2 ½ Jahre im Kindergarten bleiben. Da langweilt er sich total.


    Nun habe ich einen halben Roman …. und mir mal den Frust von der Seele geschrieben.


    Liebe Grüße Arowana

    immer wenn Du denkst es geht nicht mehr....
    kommt von irgendwo ein Lichtlein her

  • Zitat

    Dort meint man, mein Sohn wäre noch nicht so weit. zB. Ist er in der Gruppe sehr unruhig, macht viel Blödsinn und kann sich nicht konzentrieren – sagt seine Erzieherin.
    Wenn ich mit ihm zu hause arbeite, dann ist er sehr konzentriert – eine lange Zeitlang (1 Stunde ist für ihn ein Kinderspiel) Kann es nicht sein, das er im Kindergarten unterfordert ist? Und aus diesem grunde Blödsinn macht?


    Nunja, dein Kind kann sich anscheinend zwar bei voller Aufmerksamkeit der Bezugsperson gut konzentrieren - in einer Gruppe ist dies anscheinend aber nicht der Fall. Und in der Schule hat er die Lehrperson nun ja auch nicht als Privatlehrer, der nur für ihn da ist. Ich denke das scheinst du ein wenig zu vergessen.
    Außerdem: was versprichst du dir davon, das Kind so früh einzuschulen? Glaubst du ihm damit einen besseren Start ins Schulleben zu ermöglichen?? Kann deinen Wunsch einfach nicht nachvollziehen.
    Warum vertraust du nicht auf das Urteil der Erzieher im Kg? Sie beobachten dein Kind (und sein Verhalten in der Gruppe) jeden Tag - hast du die Möglichkeit dazu?


    Zitat

    Andere Leute sagen, ich solle mein Kind noch ein Jahr „Freiheit und Kindheit“ gönnen! Als wenn das mit Schulbeginn zu ende ist….


    Mit Schulbeginn ist das sicher nicht zu Ende, aber das Kind bekommt auch eine Menge Pflichten "aufgebrummt" - glaubst du das dein Kind dafür jetzt schon bereit ist??
    Fördere dein Kind zuhause so geht wie´s geht - ohne Druck und lass ihm noch die Jahre im Kg


    mg
    shopgirl

  • Zitat

    Mit Schulbeginn ist das sicher nicht zu Ende, aber das Kind bekommt auch eine Menge Pflichten "aufgebrummt" - glaubst du das dein Kind dafür jetzt schon bereit ist??
    Fördere dein Kind zuhause so geht wie´s geht - ohne Druck und lass ihm noch die Jahre im Kg


    Danke für Deine Info.
    Aber wie gesagt.... bis zur Einschulung würden noch 1 Jahr und 8 Monate vergehen!!!


    Irgendwie fühle ich mich auch hier gemasregelt.... und unverstanden. Ich will meinen Sohn nicht überfordern, das ist richtig...ich kann aber auch sehr gut einschätzen was er kann und was nicht. Und ich habe auch die Möglichkeit dazu!


    Ich möchte ihn doch lediglich in die Vorschulgruppe bekommen, die im August startet.
    Leider hat er am Anfang des jahres Geburtstag - warum soll er dann warten bis er fast 7 Jahre alt ist, bis er eingeschult wird? Das kann ich nicht verstehen. Wäre er nur 3 Tage früher geboren, nämlich am 31.12. - so wäre dies alles kein Problem.


    Zu seinem Verhalten im Kiga: Er macht Blödsinn und tobt mit anderen Kindern. Wenn sie aber am Basteln sind oder andere Aktivitäten machen, dann ist er ganz bei der Sache und bleibt auch am Platz....


    Nochmals: Die Einschulung wäre erst in 1 jahr und 8 Monaten - dann ist er 5,8 Jahre alt. Was ist schlimm dran?


    Freu mich auf Antwort
    liebe Grüße
    Arowana

    immer wenn Du denkst es geht nicht mehr....
    kommt von irgendwo ein Lichtlein her

  • Ich hatte in einem anderen Thread schon mal auf den Spiegel-Artikel über (Vor)Schule in Kanada hingewiesen. Dort wird ab 4 Jahre im gebührenfreien Kindergarten offenbar systematisch auf die Lesefähigkeit hingearbeitet. Die Resultate sind nicht nur in Pisastudien eindrucksvoll. Leider ist der Artikel jetzt kostenpflichtig geworden, er ist vom 15.12.04

    Die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen - HEnRy vAn dyKe

  • Hallo arowana,


    Bis zur Einschulung ist es ja wirklich noch eine Weile. Ich waere nie auf den Gedanken gekommen, meinen Sohn (auch Januar geboren) eher einzuschulen. Lag wohl daran, dass er kein besonderes Interesse an Zahlen und Buchstaben hatte.


    Im Sommer letzten Jahes sprach ich mit einer guten Freundin und sie erzaehlte mir, dass ihre Tochter bereits eingeschult wird. Ich muss sagen, dass ich sehr erschrocken darueber war, da die Tochter erst jetzt Ende Januar 6 Jahre alt wird. Das fand ich doch sehr heftig.


    Wenn Du aber meinst, dass Dein Sohn "schulfaehig" ist, dann lasse ihn einschulen. Versuche doch noch einmal in aller Ruhe mit der Erzieherin zu sprechen. Vielleicht koennte sie ihn ja auch erst zur Probe mit in die Vorschulgruppe nehmen....


    Allerdings darf man die Meinung der Erzieher auch nicht unterschaetzen. Sie sehen dein Kind jeden Tag und ich denke, dass man als Mutter nicht sehr objektiv ist (bitte nicht falsch verstehen!).


    Alles Gute fuer Deinen Sohn!


    Bis dahin
    Dotti

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