Engagiertes Kollegium - wie sich selbst schützen?

  • Ich verstehe deinen Punkt nicht - ob man das jetzt "Messung" nennt oder nicht, ist doch gleichgültig. Das entscheidende ist, dass jede Aktion in der Schule klar sichtbare Ergebnisse zeitigen muss. Ist das nicht der Fall und versucht man das mit "nicht sichtbaren pädagogischen Wirkungen" wegzureden, ist das didaktisch-pädagogisches Geschwätz. Und diese Strategie sehe ich leider hinter deinem vorletzten Beitrag, auf den ich geantwortet habe.


    Nele

    Einmal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • nele, bitte unterstell mir nichts. ich bin die letzte, die irgendwelches geschwätz schätzt, schon gar nicht in beruflichen kontexten. ihren namen können andere tanzen gehen, bitte ohne mich.


    klar muss es "was bringen", was man da in der schule so tut. entscheidend ist, was man darunter versteht, was man als erfolg wahrnimmt/akzeptiert. "messbares", sagst du.


    dieses, das da gebracht werden soll, kann sehr wohl von außen wenig sichtbare beziehungsarbeit sein in meinen augen. das kann man schwer "messen". oder die vielleicht ein kleines bisschen gewachsene frustrationstoleranz eines auffälligen schülers, der jetzt besser mitut und damit die anderen und sich selbst weniger beim lernen stört. oder die bessere laune einer lehrkraft, weil sie sich jetzt eine höhere selbstwirksamkeit zuschreibt als noch vor ein paar monaten, wo sie die schulleitung nie bestärkt hat, was die schulleitung jetzt aber öfters mal tut. etc. usw.


    klar, man kann diese argumentation für die rechtfertigung von bohei und guckwietollaktionismus missbrauchen. das trifft aber genauso auf die "hey, wir brauchen messbare erfolge"-argumentation von dir zu - siehe pisa. da wollte man "messbare" erfolge (die berühmte output-orientierung und kompetenz-orientierung), die hat man jetzt, aber ob das die schullandschaft nur oder auch nur eher zum besseren verändert hat, ist ja dann eher fraglich. ich glaube nicht, dass du das so meinst, aber viele schwafeln von "messbaren erfolgen" und meinen genau sowas.


    schulentwicklung geht nur im team und bei professioneller identifikation mit der schule und ihrem kerngeschäft unter fähiger führung. ob sowas vorliegt oder nur pseudokram gemacht wird ist von außen wirklich nicht immer so leicht festzustellen, wenigstens nicht in den ersten jahren der arbeit. ein sich gegenseitig stützendes kollegium ist jedenfalls ganz wichtig für sowas.

  • Wenn ich Nele richtig verstehe, meint er eher dieses Prinzip:


    [Blockierte Grafik: http://www.bsz-schweinfurt.de/bilder/SE_Gesamtkonzept_01_500x500.jpg]


    Natürlich muss man den Erfolg einer Maßnahme überprüfen und ggf. neue/andere Maßnahmen ergreifen, wenn sich der gewünschte Erfolg nicht einstellt.
    Ich denke schon, dass man auch den Erfolg von Beziehungsarbeit evaluieren kann. Eben mit den geeigneten Methoden.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • und diese beziehungsarbeit hat nicht stattgefunden/ist nur bohei/wirkungslos, nur weil ich es nicht evaluiere ("messe")? nichts gegen evaluation und schulentwicklung, aber nur, weil jemand nicht ständig evaluiert, ist noch lange nicht alles, was dort gemacht wird, unter "bohei" und "aktionismus"-verdacht zu stellen.

  • Interessant, dass ihr genau das ansprecht, was bei uns immer mal wieder ein Riesenthema ist: Evaluation.
    Wir evaluieren so gut wie NIE. Mir fällt auch nicht ein, was das jemals gewesen sein könnte, was wir evaluiert hätten.
    Auf der einen Seite ist das ganz ok, denn es gibt mittlerweile Institutionen, die sich tot evaluieren. Aber so gar nichts eruieren oder bewerten u d festhalten ist irgendwie auch mist.

    Zitat

    jedes Jahr wurden eine Unmenge von Projekten und Vorhaben angestoßen, ohne dass überhaupt jemals die Zielparameter der Projekte definiert oder ein Projekt tatsächlich beendet wurde. Das tröpfelte dann alles immer so irgendwie aus und starb seinen stillen Tod, während gleichzeitig Neues ohne Sinn und Verstand angerührt wurde.
    Es hängt alles an der Frage, ob gute Führung stattfindet oder nicht. Der Fisch stinkt vom Kopf und aufgeregt herumhüpfende Schulleitungen schaffen grundsätzlich nichts Dauerhaftes.


    Dieser Kommentar beschreibt erschreckend genau, welche Zustände bei uns Herrschen.


    Es gibt zig Projekte, die begonnen und am Ende abgebrochen wurden oder im Sand verlaufen sind.
    Hier ein Beispiel:
    Schulhofgestaltung. Wie oft wurden Arbeitsgruppen gebildet, die mit SINNVOLLEN Ideen ein Konzept entwickelten. Bis unsere Schulleitung dann plötzlich ihre eigenen Ideen präsentierte, nämlich einen spirituellen Klang und Kunstgarten. Total abgehoben und unrealistisch. All die Stunden der Projektgruppe wurden hinfällig, weil die Mehrheit die Idee der SL so gut fand.
    8 Jahre später hat sich immer noch nichts getan. Angeblich keine Gelder vorhanden. Aber fragt nicht, wie viel Zeit ursprünglich investiert wurde. Da kommen einem die Tränen.


    Unsere SL hat ständig neue Ideen und kann vieles nicht filtern bzw vorab schon mal gedanklich aussortieren. Das machen wir in den Konferenzen.
    Es kann vorkommen, dass wir eine Stunde lang über die Farbe unseres Lehrersofas diskutieren. MANN, und wenn ich das lese Krieg ich nen Föhn!!!!!!!!!!! Eine ganze Stunde verplempert.
    Ich meinte dann irgendwann: Bitte Abstimmen......mir ist es sowieso egal, denn es ist nicht mein Wohnzimmer. Ob grün oder türkis.....Who Cares?


    Aber leider kann ich nichts gegen unsere schlechte Führungskraft tun, die ständig vom 100sten ins 1000ste kommt.

  • Zitat

    Kann mir das mal eine der Primarkolleginnen erklären, das mit dem Singen? Dass ihr kleine Kinder unterrichtet, heißt doch nicht, dass ihr kleine Kinder seid. Oder habe ich da was falsch verstanden


    Tja, irgendwie fühlen die sich wohl besonders kompetent und empathisch. Was weiß ich. Es ist einfach nur grauenvoll sich ständig diesen Mist antun zu müssen. Ich brauche das sicherlich nicht.
    Aber die ganze Schule , also alle Klassen singt/en oft ein und dasselbe Lied im Monat , also wird es von allen einstudiert. Da nutzen wir doch die Chance das ganze als Auflockerungsübung zu sehen und als nützlichen Support für unmusikalische Kollegen.
    Die christlichen Lieder gehen einem besonders ans" Herz." Stöhn@
    Nix gegen so viel Menschlichkeit und Engagement, aber wenn ich sowas haben will, buche ich ne spirituelle Reise nach " FreedomCity" . Dort kann man voller Inbrunst diese Lieder schmettern
    Mir wird schon schwummerig vor den Augen, wenn meine Kollegen die Konferenz mit folgendem Satz einleiten: Dann möchte ich euch jetzt mal alle bitten aufzustehen......dann weiß ich, was gleich kommt.

  • Bei all ihren Untaten tun mir die Kultusminister ja leid, wenn sie bei ausnahmslos jeder Grundschule von einem Kinderchor abgefangen werden und deren Tonproduktion geduldig mit eingefrorenem Lächeln tapfer ertragen müssen. :)


    Nele

    • Offizieller Beitrag

    Das klingt für mich wie Dantes 9ter Höllenkreis. Grauenvoll! Ich weiß nicht, was ich schlimmer finde: christliche Lieber zu schmettern oder Ineffizienz ertragen zu müssen! :O

  • Du musst dich ja nicht entscheiden, du kannst ja beides haben! Fast wie ein Überraschungsei.


    Ne "vielleicht doch einen Laufbahnwechsel?" le

  • Ob es sich tatsächlich um ein "Hochleistungskollegium" handelt, müsste man erst einmal konkret überprüfen....


    Das war auch mein erster Gedanke, als ich Krosse Krabbes Beitrag las. Nur weil viel gemacht wird, heißt das noch lange nicht, dass viel Gutes gemacht wird. Ob man gemeinsames Singen schätzt, steht ja noch mal auf einem ganz anderen Blatt.

    Es kann vorkommen, dass wir eine Stunde lang über die Farbe unseres Lehrersofas diskutieren...
    Aber leider kann ich nichts gegen unsere schlechte Führungskraft tun, die ständig vom 100sten ins 1000ste kommt.

    Oh ja, ich kenns zur Genüge! anstatt: "der pädagogische Tag findet am Donnerstag, dem x. oder y. statt, wir stimmen ab" heißt es dann 10 kostbare min. lang: "also Montag geht nicht weil ......... Dienstag müssen wir bedenken, dass .......... und mittwochs ist bei manchen Kollegen........................... am Freitag können wir nie.............. letztes Jahr war es ja so, dass .......... und deswegen dachte ich mir, wenn ............ " :schreien:



    @TE: Bewirb dich doch als Schulleiterin, vielleicht wär das genau dein Ding!

    • Offizieller Beitrag

    Du musst dich ja nicht entscheiden, du kannst ja beides haben! Fast wie ein Überraschungsei.


    Ne "vielleicht doch einen Laufbahnwechsel?" le


    Ich arbeite Gottseidank in einem Kollegium, das sich gegen beides entschieden hat... bzw beides nie auch nur eine Sekunde in Betracht gezogen hat. :)

  • Dieses ständige Singen, Klatschen und Tanzen....und dieses Überengagement überfordern mich.


    Sag mal, das hört sich echt ziemlich ideologisch an! Bist du denn an einer staatlichen Schule tätig?


    Ich für meinen Teil könnte an so einer Schule nicht arbeiten. Ich bin aufgrund meiner Biographie extrem allergisch auf fundamentalistische Strömungen, egal welcher Art. Wenn ich an einer Schule komisch beäugt würde, weil ich keinen gesteigerten Wert auf Gruppensingen und -tanzen lege, dann würde ich mich dort extrem unwohl fühlen. Von dem Rest, den du geschrieben hast, erst gar nicht zu sprechen...


    Grüße

    "Die beste Methode das Gute im Menschen zu wecken ist, ihn so zu behandeln, als wäre er schon gut." (Gustav Radbruch) :troest:

  • Am liebsten würde ich die Schule wechseln.
    Ich habe jedoch ein bisschen Angst

    Du bist Lehrer. Das ist also normal. Trau Dich! Schlechter kanns doch kaum werden, oder? Und in DEM Kollegium wirst Du nicht glücklich. Nicht mit dieser Schulleitung. Wobei es natürlich spannend wäre, mal die zwei, drei Jahre abzuwarten, bis die Singehühner selbst schwanger werden - und dann natürlich genüsslich den gleichen Elan wie vorher einzufordern.



    Viele Grüße
    Fossi

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ich hatte mehrere Gespräche mit dem Tonangeber des Kollegiums. Dieser Kollege ist unsere heimliche Schulleitung. Obwohl er zwei kleine Kinder hat, scheint ihm Schule wichtiger zu sein.
    Er verbringt viel seiner Freizeit mit schulischen Aktivitäten. Dies macht er aus voller Überzeugung und ist mit ganzem Herzen dabei. Er scheint auch nicht überfordert. Eher im Gegenteil. Er blüht auf, wenn es viel zu tun gibt.
    Diese Einstellung kann ich leider nicht teilen.


    Ich denke, das ist nicht "Einstellungssache". Das ist ein Wesenszug. Extrovertierte entspannen, wenn sie feiern, mit Leuten zusammen sind, aktiv sind. Introvertierte brauchen die einsame Insel. Frag doch bei nächster Gelegenheit, wer noch Kapazitäten hat. Dein Arbeitspensum ist schon voll und du möchtest ungern ausbrennen. "Man muss auch mal auf ein Opfer verzichten können", weiß leider nicht mehr von wem das Zitat ist. Und das mit dem Singen und Tanzen... Man kann nur gut was verkaufen, wo man selbst auch hinter steht. Warum muss bei euch jeder alles anbieten? Vielfalt ist doch toll. Jeder hat seine Schwächen und Stärken und kann doch beide benennen und im Team Ausgleich suchen. Und selbst das weitergeben, worin er stark ist. Die Schüler merken sofort, ob jemand authentisch ist oder nicht. Und auch für die Schüler hat es Signalwirkung, wenn jemand zu seinen Schwächen steht und sich auf seinen Stärken konzentriert und damit einen guten Job macht.


    Wir sind ein Orchester. Und es ist selbstverständlich, dass nicht jeder jedes Instrument spielt.

  • Hallo!


    Ich kann dich absolut verstehen! Dieses Thema ist auch der Grund, warum ich mich hier endlich angemeldet habe ;)


    Ich arbeite seit fünf Jahren auch an einer Schule mit einem sehr engagierten Kollegium. Wir machen viele Ausflüge, Austauschfahrten, längere Projektfahrten, für die noch Gelder verdient werden müssen, viele Konzerte, ständige Teamsitzungen usw.


    Seit einiger Zeit merke ich, dass ich mit meinen Kräften ziemlich am Ende bin. Ich gehöre auch zu den wenigen Kollegen bei mir in der Schule, die noch Vollzeit arbeiten, und möchte die Stunden nicht redizieren, um Zeit für diese ganzen Projekte usw. zu haben.


    Ich bin ständig am Grübeln - soll ich bleiben oder gehen? Wie kann ich mich von dieser Megabelastung und dem inneren Konflikt befreien? Die Entscheidung fällt mir auch nicht so leicht :(


    LG

  • Wer auf eine halbe Stelle geht, um die Arbeitsbelastung noch ertragen zu können und gleichzeitig die ganzen Projekte zu schieben, der tut nichts anderes, als wenn er Monat für Monat 50% seines Gehaltes direkt und ohne Gegenleistung auf das Schulkonto überweist.


    Das, mit Verlaub gesagt, ist nichts weiter als Idiotie, die keinerlei Mitleid verdient.


    Nele

  • Nele,


    ich sehe es genau so. Trotzdem fühlt man sich manchmal unwohl dabei, dass man als einer der wenigen im Kollegium diese Einstellung hat.


    LG


  • Es kann vorkommen, dass wir eine Stunde lang über die Farbe unseres Lehrersofas diskutieren.

    Ich habe so eine Diskussion über Garderobenhaken erlebt.


    Bei uns wird sehr viel evaluiert. Sei es über Fragebögen, sei es in diversen Sitzungen der AGs, Jahrgangsstufenteams, etc. Sei es über neu eingeführte Regelungen, die Projektwoche oder den Methodentag, etc. Dies läuft dann so ab, dass jede/r Kolleg/in seinen/ihren Senf dazu gibt. Es entstehen massive Senfberge. Immer mehr habe ich bemerkt, dass bestimmte Tagesordnungspunkte bei mir körperliches Unwohlsein auslösen. Es geht nicht nur um Evaluation. Auch u.a. darum, was als Neues eingeführt werden könnte - welches Projekt, welche Exkursion, etc.. Ich habe mich bemüht, mich mit den Senfbergen anzufreunden, indem ich beispielsweise das Protokoll schreibe. Ich habe auch versucht, eine Höhle zu graben, um im Mittleren des Senfbergs zur zentralen Aussage zu kommen; leider wäre ich beim zusammenkrachenden Senfberg fast erstickt. Irgendwie habe ich auch Mitleid mit den Senfbergen - sie schlummern in den Protokollen vor sich hin (der Methodentag, etc. wird im kommenden Jahr genau wieder wie im vorherigen Jahr durchgeführt). Ich zweifelte an meiner Senfkompetenz. Es gab dann in der Schule das Bemühen, eine weitere Steuerungsgruppe ins Leben zu rufen, die zur Aufgabe hatte, die Senfberge dazu zu bringen, miteinander zu kommunizieren - fast schon ein kühnes Vorhaben.
    Mit der Zeit habe ich auch festgestellt, dass ich Senf eigentlich mag. Knackiger, würziger Senf mit einer gewissen Schärfe, der ins System eingeführt wird und sofort zu einem Ergebnis führt. Immerhin galt Senf auch mal als Heilmittel.


    P.S. Ab dem neuen Schuljahr werde ich meine Tätigkeit in einer anderen Schule fortführen. Und hoffe auf knackigen, würzigen Senf. Es kann eigentlich nur noch besser werden.

Werbung