Engagiertes Kollegium - wie sich selbst schützen?

  • Zitat

    Der Trick, die echte Herausforderung, ist, die Balance dazwischen zu finden. Nicht reflexartig, sondern bewusst entscheiden, was man nicht mitmacht. Oder auch, was man anstoßen, weiterentwickeln, wo man voranschreiten möchte. Das müssen am besten freiwillige Entscheidungen sein, solche, die man aufgrund der eigenen Stärken und Kompetenzen fällt, dann ist es auch kein Engagement, das einen frisst. Das ist eine sehr sehr anspruchsvolle, sehr erwachsene Haltung, die geübt, reflektiert, immer wieder überarbeitet und der persönlichen Lage angepasst werden muss.


    Dieses Statement gefällt mir besonders gut.


    Ich würde mich in keinem Fall zu den Minimalisten zählen. Aber auch nicht zu den arbeitswütigen Idealisten.
    Ich finde ein gewisses Engagement auch viel besser, als einen Haufen arbeitsscheuer, tennisspielender Vormittagspädagogen - eine gewisse Balance ist sehr wichtig.


    Diese Balance ist in meinem Arbeitsalltag an unserer Schule wenig zu finden.
    Ich rede hier von übertriebenem Arbeitseinsatz.
    Ich würde am liebsten aus dem Nähkästchen plaudern und einige Beispiele aufzählen. Aber das kann ich leider nicht.
    Es wäre mir unangenehm, wenn meine Kollegen bemerkten, von wem die Rede ist.


    Ich würde aber sagen, dass die Mehrheit meines Kollegiums eher arbeitssüchtig ist. Sie machen lieber dreimal zu viel, als einmal weniger.


    Wir würden niemals liebgewonnene Rituale streichen oder pausieren und dafür mal etwas Neues ausprobieren. Wir nehmen einfach alles! Es wird mit hineingenommen in den ganzen riesengroßen Kanon an Aktiviäten.


    Viele hausgemachte Probleme kann man mit Sicherheit dem Management der SL zuschreiben.
    Oft fehlt es der SL an Entscheidungswillen. Jeder darf irgendwie mitbestimmen. Wir verschwenden unnötig viel Zeit für Dinge, die mit einem Machtwort bzw. einer Entscheidung der SL schnell zu lösen wären. Stattdessen wird viel zu viel ausdiskutiert und nachgedacht. Am Ende haben wir viel Zeit verschwendet und uns noch mehr Arbeit aufgehalst.

    Der Lehrergesundheit wurde noch nie sonderlich viel Beachtung geschenkt.
    Aber was kann man da machen, wenn man es sich nicht mit allen versauen will?
    Ich mag meine Kollegen. Ich mag auch meine SL.
    Ich glaube ich habe einen Loyalitätskonflikt. :(


    Ich brauche für die nächsten Jahre auch noch Energie. Die möchte ich nicht unnötig verschwenden, indem ich mir täglich zu viel Arbeit aufhalse.
    Warum soll ich 130% geben, wenn 100% ausreichen?
    Aber wie ich schon sagte, lamentieren bringt nichts, ich muss mich nach einer neuen Schule umsehen.
    So kann ich die nächsten Jahre jedenfalls nicht weiter machen.

  • Das ist leichter gesagt, als getan. Man hängt in einem System drin, zu dem man gehört. Alles beeinflusst sich gegenseitig.
    Es stimmt einfach unzufrieden, wenn man versucht eine gute Arbeit zu machen, aber man sich ständig anhören muss: "Die Anderen machen zwei Klassenfeste, warum wir nicht? Die Anderen machen 2 Ausflüge, warum wir nicht? Die Anderen machen 3 Elternabende, warum wir nicht?"


    Vielleicht sind das ja ernstgemeinte Fragen. Wie wäre es denn mal mit ein paar ehrlichen Antworten: "Wir machen einen Elternabend, weil es für die anstehenden Themen einfach reicht - offensichtlich sind wir besser strukturiert und effektiver als die anderen! Und wenn die anderen aus dem Fenster springen, springen wir nicht hinterher."


    Ich erkläre anhand von einem Beispiel, wie viel Druck entstehen kann:
    Es kommt oft vor, dass wir gemeinsam vereinbaren, den Werkraum aufzuräumen, oder das Archiv zu entrümpeln.
    Wir machen einen Tag aus - aber vereinbaren keine Uhrzeit, wie lange die Aufräumaktion dauern soll.


    Keine Endzeit für einen Termin zu vereinbaren, ist natürlich ein kapitaler Fehler. Seit ich für alle Schüler-, Eltern- und Kollegentermine immer ein "von ... bis ..." veranschlage, ist mein berufliches Leben echt einfacher geworden. Die anderen Teilnehmer sind dafür übrigens auch in der Regel sehr dankbar.

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  • Zitat

    "offensichtlich sind wir besser strukturiert und effektiver als die anderen!"


    LOL, genau so, werde ich es in Zukunft sagen! :rofl:

  • Zitat

    Keine Endzeit für einen Termin zu vereinbaren, ist natürlich ein kapitaler Fehler. Seit ich für alle Schüler-, Eltern- und Kollegentermine immer ein "von ... bis ..." veranschlage, ist mein berufliches Leben echt einfacher geworden. Die anderen Teilnehmer sind dafür übrigens auch in der Regel sehr dankbar.


    Wäre ich in einer führenden Position, würde ich es auch anders handhaben. Aber als normale Lehrkraft kann ich relativ wenig tun.
    Ich habe meine SL schon oft auf diese Umstände angesprochen.
    Kommentar der SL: "Ich bin halt so. Ich kann mich nicht ändern." :traenen:

    • Offizieller Beitrag


    Kommentar der SL: "Ich bin halt so. Ich kann mich nicht ändern." :traenen:


    wenn überhaupt, kann man nur sich selbst ändern, bzw. die eigenen Verhaltensweisen.
    Du wirst weder die SL noch die Kollegen ändern, aber du könntest dein eigenes Verhalten ändern.
    Z.B. was die deadlines betrifft. Wenn eine Sitzung enberaumt wird, für die es keine deadline gibt, erfragst du sie. Kommt keine Antwort, dann setzt du dir selbst eine. Die ziehst du dann durch.
    Klingt leicht, ist aber nicht einfach, ich weiß. Aber manche Nachmittagstermine kann man eben auch als Lehrer nicht anders legen.


    wie gesagt, wenn dir das auf Dauer zu anstrengend ist, bleibt dir langfristig wohl doch nur eine Versetzu+ung anzupeilen :(

  • Wie wäre es denn mit einer Stundenreduzierung? Das Gesinge und Geklatsche allerdings würde mich auch zum Wechseln bringen.

  • Wie wäre es denn mit einer Stundenreduzierung?


    Das heißt, die TO soll noch Geld mitbringen, damit sie nicht kaputtgespielt wird?!?!


    Andersrum wird ein Schuh draus: Die normale tägliche Arbeit ist so zu organisieren, dass sie in der normalen täglichen Arbeitszeit zu bewältigen ist.
    D.h. im Klartext Arbeitsorganisation verbessern und/oder Arbeitspensum verringern.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Vor allem klingt es nicht so als wären das Problem die Stundenvobereitung, die Korrekturen oder das Zeugnisschreiben. Insofern: Was sollte eine Stundenreduzierung da bringen? Die gesamte übrige anfallende Arbeit lässt sich meist kaum reduzieren.


    Ich habe es ja schon am Anfang geschrieben: Entweder sein eigenes Ding machen (ohne schlechtes Gewisssen) oder Schule wechseln oder einfach abwarten (denn ich gehe tatsächlich davon aus, dass du recht bald nicht mehr alleine sein wirst mit der Einstellung).

  • Vor allem: immer cool bleiben. 90% allen Stresses entsteht dadurch, dass man sich bedrängen lässt. Ein mir bekannter Kollege hat mal gesagt, als Lehrer brauche man "so ein dickes Fell, dass man zur Not ohne Knochen drin stehen kann." Und das stimmt auch. Dickes Fell, plus gute Rechtskenntnis, plus gute Fachkompetenzen, plus richtiges Gespür für die entscheidenden Prioritäten machen den Job zu einem guten Beruf.


    Nele

  • Also diese doofe Singerei gibt es bei uns ja schon zu Hauf bei jeder X-beliebigen GS-Fortbildung. Das nervt mittlerweile so, dass ich mich grundsätzlich weigere. Und das auch noch bei Besprechungen? Würg.
    Da ich ja an unserer Schule auch etwas verschrien bin als "Überlehrerin" muss ich jetzt auch mal meinen Senf beisteuern: Ist ja schön, wenn man an sich selbst hohe Ansprüche hat. Aber die kann man doch bitte schön nicht auf jeden im Kollegium übertragen ! Nicht jeder ist gleich belastbar und / oder Willens, so viel zu leisten. Und besonders als SL hat man das gefälligst zu akzeptieren. Natürlich möchte man immer motivieren und die Leute etwas "antreiben". Aber man kann es auch echt übertreiben.
    Wenn du an DIESER Schule bleibst…. was kommt denn dann bei raus? Ein Händedruck des Kulturministers, wenn du in der Rehaklinik bist?? "Danke, dass Sie sich aufgeopfert haben?"


    Der Druck, der da über das Kollegium an dich abgegeben wird, erscheint mir enorm hoch. Ob bewusst oder unbewusst. Ich würde mich da ausklinken und mich versetzen lassen. Solche Schulen kenne ich hierzulande auch. Finde ich ganz furchtbar. Und selbst ich (die :"Wie DU das alles bloß schaffst…." - Lehrerin (Anmerkung: Auch DIESER Spruch geht mir auf den Geist) wäre da GANZ SCHNELL WEG! Ich möchte mich so viel engagieren, wie ICH selbst Bock dazu habe. Das Gleiche gestehe ich den anderen ebenfalls zu. Sich zu engagieren, weil der Druck von außen so hoch ist…. das finde ich echt mehr als grenzwertig!!!!
    Panama (sie sich selbst übrigens als ganz normal engagiert sieht. Aber mein Blickwinkel ist wohl ein anderer ;) )

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Also diese doofe Singerei gibt es bei uns ja schon zu Hauf bei jeder X-beliebigen GS-Fortbildung.


    Kann mir das mal eine der Primarkolleginnen erklären, das mit dem Singen? Dass ihr kleine Kinder unterrichtet, heißt doch nicht, dass ihr kleine Kinder seid. Oder habe ich da was falsch verstanden?


    Nele


  • Kann mir das mal eine der Primarkolleginnen erklären, das mit dem Singen? Dass ihr kleine Kinder unterrichtet, heißt doch nicht, dass ihr kleine Kinder seid. Oder habe ich da was falsch verstanden?


    Nele

    Nein, da hast Du nichts falsch verstanden.
    ;)


    Es gab in der Tat mal das Bestreben, auf jeder Primarschulfortbildung mit einem Lied oder einem Spiel etc. zu beginnen.
    Furchtbar.
    Aber seit einigen Jahren sieht das zumindest in meiner Region anders aus und es wird in der Tat differenziert.
    Gesungen und gespielt wird hier nur noch auf jenen Fortbildungen, die genau das zum Thema haben.


    Und das ist legitim, denn immer mehr Kolleginnen und Kollegen müssen fachfremd Musik und Sport unterrichten und möchten gerne neuen Input haben.


    Auf den anderen Fortbildungen geht es nun in der Tat auch im Primarbereich endlich sach- und fachlich zu.
    :)


    Es ist ein mühsamer und langer Weg sich vom gängigen Bild der Grundschullehrerin zu verabschieden.


    Herzliche Grüße
    strubbelsuse

  • Komm doch mal vorbei, nele…. und erfreu dich am Gesang der Grundschulkolleginnen. Das geht dann ungefähr so: "Ich habe ihnen ein tolles Lied fürs Klassenzimmer mitgebracht. Und damit wir warm werden, wollen wir das zur Begrüßung gleich mal alle singen…stehen Sie doch mal auf und bilden Sie einen Kreis"
    Mein Gedanke : "OMG - ich wollte hier etwas über den Zusammenhang zwischen Bewegung und Lernen im Mathematikunterricht erfahren….. und mich nicht zum Affen machen"


    Soooooo ungefähr läuft das so oft ab, dass ich mittlerweile zu keinem "Grundschultag" mehr gehe……
    Panama

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • :pfeifen: Also, inzwischen erlebe ich solche "Aktivierungen" kaum noch bei Fortbildungen. Wie Suse schrieb, nur noch, wo es genau darum gehen soll. An Grundschultagen hab ich sowas noch nicht erlebt. Unser Kollegium ist da auch nicht so drauf, dass das außer unserer Musiklehrerin irgendjemand im KOLLEKTIV braucht. Und sie hat sich abgefunden.

  • Mein Gedanke : "OMG - ich wollte hier etwas über den Zusammenhang zwischen Bewegung und Lernen im Mathematikunterricht erfahren….. und mich nicht zum Affen machen"


    Das wäre etwas, was ich als Profi nicht nur denken, sondern laut und deutlich aussprechen würde. Meine Zeit ist zu teuer für so einen Kinderkram. Ich brauche schließlich auch keine Redesteine und keine Bindfäden, die den Diskussionsverlauf symbolisieren.


    Nele

  • unabhängig von der großen begeisterung mancher gs-kollegen für kollektive tänze, spiele und gesänge - ich verstehe gut, dass man sich als nicht so leistungsbereiter kollege in einem hochleistungskollegium nicht wohl fühlt. ich verstehe aber auch, dass die hochleister ähnliche ansprüche an ihr umfeld haben wie an sich selbst; zumal du diese leistung ja bringen könntest, aber wohl nicht willst und wohl vor allem nicht auf dauer - was okay ist, aber eben für die anderen eine belastung, so wie sie auch eine für dich darzustellen scheinen.


    das ist so, als wollte ich an einem lauftreff zwecks gemütlicher körperertüchtigung teilnehmen und lande in einer kadersporttrainingsgruppe. da hilft auf dauer in meinen augen für alle beteiligten nur eins - bewirb dich weg, wenn das irgendwie machbar ist.

  • Ob es sich tatsächlich um ein "Hochleistungskollegium" handelt, müsste man erst einmal konkret überprüfen....


    Sehr oft wird in Lehrerkollegien nämlich unglaublich viel Aktionismus, Bohei und Gewese betrieben, ohne das da konkret was bei rauskommt. Dann ist nämlich die Symbolik des "wir sind ja alle so unglaublich engagiert" viel wichtiger als messbare Ergebnisse. Ich war schon mal an so einer Schule - jedes Jahr wurden eine Unmenge von Projekten und Vorhaben angestoßen, ohne dass überhaupt jemals die Zielparameter der Projekte definiert oder ein Projekt tatsächlich beendet wurde. Das tröpfelte dann alles immer so irgendwie aus und starb seinen stillen Tod, während gleichzeitig Neues ohne Sinn und Verstand angerührt wurde.


    Es hängt alles an der Frage, ob gute Führung stattfindet oder nicht. Der Fisch stinkt vom Kopf und aufgeregt herumhüpfende Schulleitungen schaffen grundsätzlich nichts Dauerhaftes.


    Nele

  • ja gut, was ist ein "messbares ergebnis" - wenn nur noch testdaten zählen, sicherlich messbar, dann ist das auch kein garant für superbildungspolitik. klar, oft ist aktionismus und bohei nur anstrengend, aber nicht weiterführend fürs kerngeschäft unterrichten. manchmal ist das aber auch kein bohei und aktionismus, sondern sinnvolles pädagogisches tun, das man von außen nicht "messen" kann.was hier nun vorliegt ist wohl für uns alle nicht zu beurteilen - wir stecken ja nicht drin. offenbar passt jedenfalls die schule nicht zur threaderstellerin/die threaderstellerin nicht zur besagten schule, und da sich wohl kaum eine ganze schule ändern wird, ist es schlauer, sich einen anderen wirkungsort zu suchen, falls machbar.

  • Sorry. Wenn man konsequenzloses Gewese nicht von tatsächlichen Ergebnissen zu unterscheiden ist, dann wird man sicherlich nicht von tatsächlichen Ergebnissen sprechen können.


    Effizient ist nur ein Weg:
    1. Ich will, dass etwas anders und besser läuft.
    2. Ich überlege mir, wie ich es anstellen kann, dass etwas anders und besser läuft.
    3. Ich probiere meine neuen Ideen aus.
    4. Ich überprüfe, ob etwas tatsächlich anders und besser gelaufen ist.


    Wenn man diesem Weg nicht folgt, sondern sich auf die Ausrede zurückzieht, dass ja pädagogisches Handeln "nicht wirklich messbar sei", dann hat man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit konsequenzloses Gewese betrieben...


    Nele

  • ich habe einige probleme damit, die von dir benannten vier schritte - die sicherlich sinnvoll und schlüssig sind - als "messung" zu bezeichnen. messen kann ich die temperatur, den durchschnitt in einer klassenarbeit, die zahl der sonnentage im jahr, was weiß ich. schulentwicklung ist in diesem sinne nur sehr eingeschränkt "messbar", wenn du mich fragst; und andere semantiken von "messbar" sind dann halt doch wieder eher subjektiv. was nichts schlechtes ist, und schon gar nicht wissenschaftsfeindlich oder irrational.

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