Sehr schwierige 4. Klasse - was tun?

    • Offizieller Beitrag

    Das ist mir klar. Ich erhoffe mir halt immer, dass durch die Reflexion ein Bewusstsein "besseres Verhalten = bessere Lernatmospähre = ich profitiere davon" entsteht,

    Wie oft hast du schon auf die Reflexion gehofft?
    Wie oft hat es funktioniert?


    An der Stelle hat Miss Jones absolut Recht: Die erzählen dir was vom Pferd, damit sie so weitermachen können wie bisher. Läuft doch alles super für sie.

  • Wenn du schon so fragst: Noch nie hat es geklappt. Wenn die Klasse besonders unruhig war, fragte ich sie, was die Gründe hierfür waren und was man das nächste Mal besser machen könne. Da kommen die Musterantworten, kann also mit dem Pferd durchaus stimmen. Mag sein, dass es super für sie läuft, aber sie lernen dadurch natürlich schlechter und das wirkt sich auch auf die Noten aus. Ich denke mir, dass Kinder eigentlich gerne gelobt werden wollen und ich bemühe mich, die Kinder, die gut mitmachen, auch regelmäßig zu loben. Den Rest juckt es nur leider nicht. Auch bei ihnen schaue ich, dass ich sie bei kleinen Erfolgen lobe, aber sie können (und das ist meine Vermutung) es nicht als Belohnung wahrnehmen, weil sie es von zuhause nicht gewohnt sind.

    • Offizieller Beitrag

    Wenn du schon so fragst: Noch nie hat es geklappt.

    Deshalb machst du es immer wieder?
    (Versteh mich bitte nicht falsch, das habe ich als Anfängerin auch gemacht. Das ist jetzt ein Tipp nach x Berufsjahren. Ich weiß nicht, ob man den als Anfänger überhaupt umsetzen kann oder dazu einige Jahre Berufserfahrung selber durchleben muss.)


    Zitat

    Mag sein, dass es super für sie läuft, aber sie lernen dadurch natürlich schlechter und das wirkt sich auch auf die Noten aus.


    Juckt sie offenbar nicht.


    Zitat

    Ich denke mir, dass Kinder eigentlich gerne gelobt werden wollen und ich bemühe mich, die Kinder, die gut mitmachen, auch regelmäßig zu loben. Den Rest juckt es nur leider nicht.


    Eben, das juckt sie nicht.
    Es gibt Kinder, die holst du mit Loben nicht aus der Störerrolle raus. Und es gibt Kinder, die machen gerne das Gegenteil von dem, was man von ihnen erwartet. Das kennt die Pädagogik leider nicht und bitte behaupte das nicht im Studienseminar, ich übernehme keine Verantwortung!


    Zitat

    Auch bei ihnen schaue ich, dass ich sie bei kleinen Erfolgen lobe, aber sie können (und das ist meine Vermutung) es nicht als Belohnung wahrnehmen, weil sie es von zuhause nicht gewohnt sind.


    Vielleicht wäre "gelobt werden" auch zu uncool, jenseits ihrer derzeitigen Rolle, würde sie aus der "Clique" (= andere Störer) ausschließen...

  • die kinder können das noch nicht. die kinder müssen das von dir lernen. das nennt sich erziehung. die wollen sich zu 99% nicht manipulieren oder dir böse oder mies sein oder sonstwas.


    reden tut man viel, und die kinder wollen sich natürlich wirklich bessern. keiner hat ständig gern ärger. das klappt halt aber nicht, wenn man das nie ausreichend lange (!!! - ja, hier mal rudelsatzzeichen von mir) geübt hat und das erwünschte verhalten soviel weniger selbstverstärkend ist als das unerwünschte. du wolltest sicher auch schon mal 3x die woche laufen gehen, abnehmen, mit dem rauchen aufhören, immer sofort mit der hausarbeit für die uni beginnen blablabla... du wusstest, warum das richtig und wichtig ist, du hast es aber trotzdem nicht gemacht oder nur kurz. warum nicht? mangelnde willensstärke? nein, mangelnde selbstdisziplin aka mangelnde übung darin in bezug auf diese spezielle aufgabe.


    was nicht da ist - hier: disziplin - kann man glücklicherweise durch sehr viele instrumente fördern. das einfachste ist konditionierung, ist aber auch am langwierigsten und muss immer mal wieder aufgefrischt werden, und hat einen ausgeprägten löschungstrotz. zudem unterschätzt es die kognitiven und emotionalen seiten des lernens total.


    insofern: fürs emotionale und zum koginitiven dranlanghangeln: warme rituale, die ihr alle mögt. für alle alltagsbaläufe, von hefte rausnehmen bis reihenweise in den stuhlkreis kommen und das gemeinsame abschiedslied. was auch immer, alles ritualisieren.


    beziehungsarbeit, damit dein stirnrunzeln genau wie dein lächeln verstärker oder eben bestrafungen sind. nur, wenn du den kindern wichtig bist, haben sie einen grund, auf dich zu hören. externe verstärker wie konsequenz a und belohnung b sind anfangs evtl. wichtig, aber viel entscheidender ist deine reaktion. damit diese wichtig wird für die kinder brauchst du eine tragfähige beziehung. das sollte allererste priorität haben, wenn du rasch veränderungen sehen willst.


    fürs kognitive: das ist für kleine kinder ziemlich unwichtig. klar, macht man immer mit, will man ja entwickeln mit der zeit, aber relevant ist es eher weniger. emotionen und rituale sind das entscheidende.


    und das handwerk, das handwerk spielt auch eine große rolle: classroommanagement. z.b.jeder muss immer (!) genau (! nicht: "benimm dich", oder "hör auf zu stören", sondern "sei still, schau mich an, hintern auf den stuhl" oder "stift weglegen, ich erkläre was, schau mich an") wissen, was er/sie gerade tun soll. es darf keine leerlaufphasen geben. jede arbeitsanweisung muss klar und verständlich sein (nicht "vergleiche die beiden bilder", sondern "schreibe drei unterschiede und drei gemeinsamkeiten zwischen den beiden bildern in dein heft, jeweils nur ein wort. da sollten also am ende sechs wörter stehen. - gerüst vorgeben an tafel - schreibe in blau mit füller. die überschrift lautet "bildvergleich" und wird mit lineal in lila unterstrichen. du arbeitest alleine.") das alles nicht nur sagen, sondern immer auch dabei vormachen, von kind wiederholen lassen, von zweitem kind wiederholen lassen, dann arbeitsbeginn. schreib dir für den anfang deine ansagen wörtlich vorher auf, vor allem für die gelenkstellen und phasen mit umbau/sozialformwechsel/offenes arbeiten.

  • (...)
    CDL: Letzens im Reflexionskreis erzählte ich den Schülern auch, dass ich bei Häufung wohl mal mit den Eltern in Kontakt treten müsse. Und dass evtl. die Störenfriede ein paar mehr Hausaufgaben bekommen, sodass sie sich in Zukunft stärker zusammenreißen. (...)
    (...)


    @Krabappel: Es liegt vor allem daran, dass kein Mensch einen auf diese Situationen vorbereitet und es einfach heißt "Mach mal. Du MUSST das jetzt können." Woher um Himmels Willen? Dass das Studium nicht sonderlich auf die Praxis vorbereitet, war klar, aber es ist schade, dass das Referendariat in meinen Augen seinen Zweck als Ausbildung verfehlt.

    Zumindest so wie du das hier schreibst Lehramtsstudent klingt das nach sehr unbestimmten Ansagen ("Ich muss dann wohl mal mit euren Eltern Kontakt aufnehmen." / "Eventuell müssen die Störenfriede ein paar mehr Hausaufgaben bekommen, damit sie sich in Zukunft zusammenreißen."). Falls du das deinen Klassen gegenüber ähnlich formulierst, achte darauf klare Ansagen zu machen, z.B.: Wer dauerhaft stört muss in die Parallelklasse den Vormittag über. Die Eltern werden mittags direkt darüber informiert (Email?). / Wer den Unterricht wiederholt stört muss die an der Tafel notierten Zusatzaufgaben bis Montag machen.
    "Wohl", "eventuell" - das klingt nach Verhandlungsspielraum und danach, dass du selbst nicht hinter deinen Maßnahmen stehst. Ich verstehe, dass du aktuell ein fremdes System umsetzt, das nicht unbedingt deinen Überzeugungen entspricht. Sieh es als Lernschritt im Ref an, dich einfach mal mit einem anderen System auseinanderzusetzen und dieses auszuprobieren. Ich nehme an gerade in der GS kann es einem immer wieder passieren, dass man die Klassenführungsregeln von Kollegen anwenden muss, wenn man als KV in einer fremden Klasse kurzzeitig eingesetzt wird. Vielleicht irre ich mich da, aber ich nehme an, bei den Kleinen ist es nicht immer möglich neben der Bezugsperson auch das komplette Klassenführungssystem zu verändern, zumindest, wenn es nur um einen sehr überschaubaren Zeitraum geht.


    Zum Ausbildungswert des Refs:
    Grundlegend gibt es in den meisten BL und Schularten ja 1-x Schulpraktika, um zumindest eine Vorstellung zu erlangen von der Herausforderung die gelernte Theorie und das gesammelte theoretische Wissen in der Praxis in guten Unterricht zu verwandeln und diesen auch entsprechend zu halten. Dennoch ist das Ref sicherlich für alle Anwärter eine gänzlich neue Erfahrung, ganz gleich wie viele Erfahrungen man ggf.bereits in der Lehre gesammelt hat. In meinem Kurs sind inzwischen fast 30% der urprünglichen Anwärter nicht mehr dabei. Rund 20% waren Verlängerer die nicht in den eigenständigen Unterricht entlassen werden konnten. In Einzelfällen tragisch, weil einfach nur die Lernzeit im Ref zu kurz war und die Leute mit einem Jahr mehr Ref bestehende Lücken (v.a.bei der Unterrichtsplanung) sicherlich hätten schließen können, mehrheitlich Leute bei denen schon das Bestehen der Schulpraktika knapp war und die auch ihr 1.Staatsexamen mit 3,x bestanden hatten, wo es also auch fachlich dünner war. Man könnte jetzt einfach behaupten, dass bei diesen Leuten das Ref sein Ausbildungsziel verfehlt hat oder aber -so tragisch das für manche ehemalige Anwärter persönlich auch ist- anerkennen, dass der Schuldienst kein Beruf ist der jedem und jeder liegt, dass manchen frühzeitig die kritische Selbsterkenntnis fehlte entweder einen anderen Beruf zu ergreifen oder aber sehr konsequent an sich selbst zu arbeiten, um den Anforderungen dieses Berufs gerecht werden zu können. 12-24 Monate (je nach BL und Ausbildungsmodus im Ref) sind eine verdammt überschaubare Zeitspanne um sich einem hochkomplexen Beruf zumindest insoweit annähern und diesem gerecht werden zu können wie man das am Ende des Refs legitimerweise erwarten darf ("fertige" Lehrer erwartet zu diesem Zeitpunkt niemand).
    Die Qualität des Refs hängt natürlich von Menschen ab, allerdings von vielen Menschen, so dass man auch viele Möglichkeiten hat sich den benötigten Input zu holen: Wo Mentoren das nicht ausreichend leisten (weil sie vielleicht Schwerpunkte haben und man in anderen Bereichen noch etwas benötigt oder in Einzelfällen man tatsächlich mal Pech mit einzelnen Mentoren hat) hat man mit Seminar, Mitanwärtern, Kollegen an der Schule genügend Möglichkeiten sich ergänzenden Input zu suchen und steht als erwachsener Mensch mit erfolgreich abgeschlossenem Fachstudium auch in der Verpflichtung das selbständig zu machen. Wir sind schließlich keine 16jährigen Azubis mehr..

    Nun ja.Es ist nicht nett, einen Referendar in so eine Klasse zu stecken. Wenn ich das richtig verstanden habe, ja nicht nur mit einem Fach, sondern sogar mit zwei Fächern. Das klingt für mich sogar einen Hauch nach "Da sind Stunden offen - ach, wir bekommen doch einen Referendar, der soll mal zeigen, was er kann."
    (...)

    Stimmt, nett ist es unter Umständen nicht, ggf.hat man aber keine Wahl, gerade bei einem Fach wie Englisch mit sehr begrenzter Stundenzahl an der GS.


    Ich bin ehrlich gesagt zwiegespalten was den Einsatz in "anfängerunfreundlichen" Klassen während des Refs anbelangt (habe auch schon mit einem Kollegen an meiner Schule darüber diskutiert, der der Auffassung war, dass man Refs in bestimmte Klassen keinesfalls stecken dürfe, weshalb er als Mentor seinen Ref vor dem Einsatz in solch einer Klasse im eigenständigen Unterricht bewahrt hatte.): Einerseits sind solche Klassen natürlich eine Herausforderung, die einen konstant an die Grenzen bringt (wo man im Ref sowieso schon oft genug an seinen Grenzen ist, die es zu erweitern gilt), andererseits lernt man gerade aus solchen Erfahrungen unglaublich viel für die weitere Klassenführung. Nach dem Ref kräht schließlich kein Hahn mehr danach, ob man das kann oder nicht, dann muss man es leisten. Im Ref hat man im Idealfall die Unterstützung der Mentoren und oft auch die Unterstützung weiterer Kollegen in der Klasse. Wenn alle wissen wie problematisch die Klasse ist- wie Lehramtsstudent schreibt- kann das ja auch eine Entlastung sein, denn das Grundproblem liegt nicht an ihm als Ref auch wenn er seine Klassenführung verbessern kann (und wird). Schwierig ist hier dann die geschilderte Erwartungshaltung der SL.


    Zum ersten Absatz: Das ist mir klar. Ich erhoffe mir halt immer, dass durch die Reflexion ein Bewusstsein "besseres Verhalten = bessere Lernatmospähre = ich profitiere davon" entsteht, bin aber durchaus "praxisschockiert", dass Kinder das nicht so mal eben umsetzen, nur weil es für uns Erwachsene logisch ist. (...)

    Was für uns Erwachsene logisch ist oder wir zumindest als gesellschaftliche Logik zu akzeptieren gelernt haben muss eben in Kinderohren und Kinderherzen überhaupt nicht logisch sein. Viele unserer erwachsenen Logiken berücksichtigen die Bedürfnisse und Entwicklungsschritte von Kindern ja nur sehr unzureichend, wenn überhaupt. Ich glaube jeder Referendar muss sich während des Refs schrittweise seiner Zielgruppe annähern um zu lernen, wo Kinder des jeweiligen Alters tatsächlich stehen, was man in der Realität voraussetzen kann. Das ist einfach etwas völlig anderes als in der Uni in einem Seminar darüber zu diskutieren. Je mehr Unterrichtserfahrung du sammelst, desto leicher wird dir dieser Zugang fallen. Erfahrene Mentoren wissen, dass das etwas Zeit braucht und gebe im Idealfall in Reflexionsphasen Hinweise, wie man die Voraussetzungen der Zielgruppe bei Unterrichtsplanung oder Klassenführung besser hätte berücksichtigen können bzw.könnte.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: Tippfehler soweit gesichtet beseitigt. Den Rest schenke ich euch als Suchsel. ;-)

  • CDL: Du hast vollkommen Recht, die Maßnahmen muss ich bestimmend ankündigen und auch durchsetzen. Die Hauptgründe, warum ich es bislang nicht machte, waren die Unsicherheit, ob ich Maßnahme X überhaupt darf (Weil ich schon einmal einen Fall hatte, bei dem mir im Vorfeld von mehreren Personen gesagt wurde, dass ich Maßnahme X anwenden dürfe, nur um dann in der konkreten Durchsetzungssituation zu erfahren, dass es doch nicht so sei.), und vlt. auch die Hoffnung, dass es auch ohne geht. Ich unterrichte ja noch nicht so lange in der Klasse und bin nicht davon ausgegangen, dass ich bereits so früh den Kontakt zu den Eltern suchen muss.
    Ich wusste, dass das Referendariat eine neue Herausforderung für mich darstellt, ich hatte nur gehofft, dass man entweder zunächst Schritt für Schritt in die Materie eingeführt wird (Denn wenn Classroom Management soooo eine wichtige Sache ist, muss man doch als Anfänger darüber informiert werden, wie erfolgreiches CM geht, ohne dass man erwartet, dass man mit diesem Wissen geboren wird, oder?) oder dass zumindest der Umgang seitens des Kollegiums so ist wie er zwischen Lehrer und Schüler sein sollte (wertschätzend, Fortschritte aufzeigen, loben, Fehlerkultur). Wir können ja nicht den Schülern beibringen, dass es nicht schlimm ist, Fehler daraus zu machen, solange man daraus lernt, wenn bei Referendaren (=Azubis=eine Art Schüler) ein Fass deswegen aufgemacht wird.
    Mit dem letzten Absatz hattest du Recht: In der Uni lernt man den Begriff "kindgerecht", aber was das genau hieß? Keine Ahnung. Erst jetzt entwickele ich langsam eine Vorstellung dazu, aber man muss mir auch diese Zeit geben, das herauszufinden, wenn es mir schon keiner konkret sagt.

  • Was kindgerecht heißt, kannst du aus deiner privaten Erfahrung mit Kindern dieser Altersklasse (Ünungsleiter, sonstiges Ehrenamt, Nachhilfe...), aus der entwicklungspsychologischen Fachliteratur aka dem Studium und aus dem Zuschauen bei erfahrenen Kollegen lernen. Und dann probierst du es aus und scheitert erstmal, woraus du lernst und dann besser scheiterst beim nächsten Mal. Das geht laut Professionsforschung bei Lehrern etwa sieben Jahre lang so weiter. Danach wird es besser, aber scheitern kommt immer noch oft vor, nur sind es dann eher äußere Faktoren.


    Und nein, du bist kein Schüler, du bist jetzt lernender Soontobe-Lehrer. Du bist erwachsen und hast nicht das Recht, wie ein Kind Schritt für Schritt überall in einer geschützten Umgebung liebevoll angeleitet zu werden. Da mag die Verschulung des Studiums sich rächen. Wertschätzend beraten, das im Idealfall schon, bisschen geschützte Umgebung und Welpenschutz haste ja auch, aber das klappt halt nicht immer, siehe äußere Zwänge des Systems (tm), vor allem Unterbesetzung. Wird schon. Unterrichten lernen ist hart, es ist sehr komplexe Aufgabe, die nicht viele gut umgesetzt bekommen. Bleib dran.

  • CDL: Du hast vollkommen Recht, die Maßnahmen muss ich bestimmend ankündigen und auch durchsetzen. Die Hauptgründe, warum ich es bislang nicht machte, waren die Unsicherheit, ob ich Maßnahme X überhaupt darf (Weil ich schon einmal einen Fall hatte, bei dem mir im Vorfeld von mehreren Personen gesagt wurde, dass ich Maßnahme X anwenden dürfe, nur um dann in der konkreten Durchsetzungssituation zu erfahren, dass es doch nicht so sei.), und vlt. auch die Hoffnung, dass es auch ohne geht. Ich unterrichte ja noch nicht so lange in der Klasse und bin nicht davon ausgegangen, dass ich bereits so früh den Kontakt zu den Eltern suchen muss.
    Ich wusste, dass das Referendariat eine neue Herausforderung für mich darstellt, ich hatte nur gehofft, dass man entweder zunächst Schritt für Schritt in die Materie eingeführt wird (Denn wenn Classroom Management soooo eine wichtige Sache ist, muss man doch als Anfänger darüber informiert werden, wie erfolgreiches CM geht, ohne dass man erwartet, dass man mit diesem Wissen geboren wird, oder?) oder dass zumindest der Umgang seitens des Kollegiums so ist wie er zwischen Lehrer und Schüler sein sollte (wertschätzend, Fortschritte aufzeigen, loben, Fehlerkultur). Wir können ja nicht den Schülern beibringen, dass es nicht schlimm ist, Fehler daraus zu machen, solange man daraus lernt, wenn bei Referendaren (=Azubis=eine Art Schüler) ein Fass deswegen aufgemacht wird.
    Mit dem letzten Absatz hattest du Recht: In der Uni lernt man den Begriff "kindgerecht", aber was das genau hieß? Keine Ahnung. Erst jetzt entwickele ich langsam eine Vorstellung dazu, aber man muss mir auch diese Zeit geben, das herauszufinden, wenn es mir schon keiner konkret sagt.


    Hallo Lehramtsstudent,


    wie ein Referendariat verläuft, hängt meiner Erfahrung nach (und von dem, was ich mitbekomme) zum großen Teil davon ab, wie die verschiedenen Menschen miteinander klarkommen; hört sich banal an, ist aber - wie in anderen Bereichen auch - tatsächlich ein wichtiger (der wichtigste) Faktor.


    Da man als Referendar in der Regel gebunden ist und Schulwechsel kaum möglich sind, ist man bei schwerwiegenderen zwischenmenschlichen Problemen auch nur sehr begrenzt handlungsfähig.


    Leider ist es häufig nicht so, dass man "wertschätzend" behandelt wird und die "Fehlerkultur" ist nur ein pädagogisches Schlagwort von vielen, die durch die Schullandschaft geistern und mit denen fragwürdige pädagogische Handlungen begründet werden. Von dieser Vorstellung solltest du dich verabschieden, das reduziert das Ausmaß der Enttäuschung und setzt neuen Kampfgeist frei und den wirst du definitiv in den nächsten Monaten brauchen. Damit meine ich nicht, dass du gegen Windmühlen anrennen sollst (bloß nicht!), sondern du musst unsinnige Anweisungen mit einem Lächeln auf den Lippen befolgen und wenig sinnige Feedbacks (die sich z.T. auch direkt widersprechen können zu dem, was zuvor schon gesagt wurde) mit einem entspannten "vielen Dank für den nützlichen Hinweis" quittieren.


    Ob man dir die nötige Lernzeit gönnt, hängt wiederum sehr von den Menschen ab, die dich in deiner Ausbildung begleiten. Im ungünstigsten Fall wird dir das Lernen erschwert oder gar verhindert. Im Referendariat solltest du deine Energie darauf richten, den Modalitäten gerecht zu werden: Was muss ich tun, damit die Fachleiter/Mentoren zufrieden sind? Wie es ist, ein "richtiger" Lehrer zu sein, wirst du sowieso erst hinterher erfahren. Das Referendariat ist in seiner jetzigen Form vor allem eine sehr lange und belastende Prüfungsphase, die primär Dinge wie Durchhaltewillen und Stressresistenz prüft.


    Alles Gute dir, wir schaffen das! :top:


    der Buntflieger

  • (...)


    Ich wusste, dass das Referendariat eine neue Herausforderung für mich darstellt, ich hatte nur gehofft, dass man entweder zunächst Schritt für Schritt in die Materie eingeführt wird (Denn wenn Classroom Management soooo eine wichtige Sache ist, muss man doch als Anfänger darüber informiert werden, wie erfolgreiches CM geht, ohne dass man erwartet, dass man mit diesem Wissen geboren wird, oder?) ...)

    Die Theorie, wie erfolgreiche Klassenführung aussehen kann, welche Bausteine zentral sind kennen die meisten Referendare in Teilen aus dem Studium, zumindest in BaWü wird das dann im Seminar noch einmal wiederholt und in Bezug zur Praxis gesetzt. Dort ist auch der Raum, um Widersprüche zwischen Theorie und Praxis zu diskutieren. Was dir also an theoretischem Fundament noch fehlen sollte kannst du nachlesen.
    Die Praxis lebt von der eigenen Umsetzung, deinen eigenen Erfahrungen. Dazu gehört es eben auch zu scheitern, zu reflektieren, was du hättest anders machen können und es beim nächsten Mal entsprechend anders umzusetzen. Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung z.B.eines Mentors ist von vornherein zum Scheitern verurteilt: Jeder Lehrer hat eine andere Art der Klassenführung, die zur eigenen Persönlichkeit passt (mit etwas Erfahrung wird die eigene Klassenfühurng dann entsprechend differenzierter und ist je nach Klasse, Tagesform der Klasse, Beziehung zur Klasse etc. etwas verschieden, denn auch fertige Lehrer arbeiten nicht mit "dem einen" System.). Was also für deinen Mentor perfekt klappen kann, muss zu dir überhaupt nicht passen und wird womöglich niemals funktionieren können und sei es nur, weil du innerlich nicht "dahinter" stehst und es immer von außen aufgesetzt wäre. Im Ref bekommst du immer wieder Hinweise, welche anderen Wege du probieren könntest, probierst diese aus und entwickelst mithilfe von Reflektion (und im Laufe der Berufsjahre) ein Gespür dafür, was zu dir passt, in welcher Situation was wie angewendet werden muss, etc.


    Schritt-für-Schritt-Anleitungen wären auch nicht mehr altersgemäß: Erwachsenbildung ist nunmal etwas anderes, als die grundständige schulische Bildung von Kindern oder Jugendlichen (auch wenn das Studium mit Einführungsveranstaltungen für die Eltern von Erstsemestern etc. das nicht immer widerspiegelt.). Ich würde mich mit Ende 30 dann doch veräppelt fühlen, wenn mir meine Mentoren abverlangten quasi Vorlagen zur Klassenführung zu reproduzieren, statt mir zuzutrauen aus eigenem Scheitern (ggf.mithilfe der mentorengestützten Reflektion) lernen zu können.
    Das Referendariat ist extrem anspruchsvoll und verlangt es uns ab auf vielen Gebieten zeitgleich nicht nur Lernfortschritte sondern regelrechte Lernsprünge zu machen, um nach einer für die Größe der Aufgabe sehr überschaubaren Zeitspanne Prüfungen bestehen und danach als Lehrkraft voll eingesetzt werden zu können. Zu kleinschrittige Einführungen, quasi ein Abholen des Refs -wie der Schüler- dort wo er/sie eben gerade jeweils steht, würde den zeitlichen Rahmen des Refs im Regelfall sprengen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace


  • In meinem Kurs sind inzwischen fast 30% der urprünglichen Anwärter nicht mehr dabei. Rund 20% waren Verlängerer die nicht in den eigenständigen Unterricht entlassen werden konnten. In Einzelfällen tragisch, weil einfach nur die Lernzeit im Ref zu kurz war und die Leute mit einem Jahr mehr Ref bestehende Lücken (v.a.bei der Unterrichtsplanung) sicherlich hätten schließen können,
    ...


    Die Qualität des Refs hängt natürlich von Menschen ab, allerdings von vielen Menschen, so dass man auch viele Möglichkeiten hat sich den benötigten Input zu holen: Wo Mentoren das nicht ausreichend leisten (weil sie vielleicht Schwerpunkte haben und man in anderen Bereichen noch etwas benötigt oder in Einzelfällen man tatsächlich mal Pech mit einzelnen Mentoren hat) hat man mit Seminar, Mitanwärtern, Kollegen an der Schule genügend Möglichkeiten sich ergänzenden Input zu suchen und steht als erwachsener Mensch mit erfolgreich abgeschlossenem Fachstudium auch in der Verpflichtung das selbständig zu machen. Wir sind schließlich keine 16jährigen Azubis mehr..


    Hallo CDL,


    die von dir genannte Durchfall- bzw. Ausscheidequote erscheint mir sehr hoch zu sein! Kann das Seminar dies in Zeiten des Lehrermangels überhaupt nach außen rechtfertigen? :ohh:


    Es ist richtig, dass man viele mögliche Ansprechpartner im Referendariat hat, aber es ist leider nicht so, dass dies in Konfliktfällen ein Vorteil sein muss. Die Verbindungen auf Ausbildungsseite sind eng geflochten, wenn man hier bei jemandem - warum auch immer - in Ungnade fällt, kann das schnell Wellen auslösen. Ist eine Schulleitung - warum auch immer - der Meinung, dass du es nicht bringst, steigt die Wahrscheinlichkeit stark an, dass diese Meinung auch von Fachleiterseite geteilt (besser: übernommen) wird.


    Ich möchte nicht zu sehr Schwarzmalerei betreiben und ich sagte im Forum schon oft genug, dass es nicht so laufen muss und dass es sich um bedauernswerte Ausnahmen handelt. Aber diese gibt es und wer selbst in einer schwierigen Lage als Referendar war, sieht manche Dinge mit anderen Augen. Mich freut es für dich, dass es dir offenbar bisher gut erging. Ich hätte an deiner Stelle sehr wahrscheinlich auch das Setting der Ausbildung verteidigt, anstatt dermaßen kritisch aufgelegt zu sein.


    der Buntflieger

  • Hallo Lehramtsstudent,


    wie ein Referendariat verläuft, hängt meiner Erfahrung nach (und von dem, was ich mitbekomme) (...)

    ...die du wie ich finde zu wenig relativierst. Ich mache auch manche suboptimale Erfahrung im Ref, gehe aber nicht direkt davon aus, dass diese individuelle Erfahrung repräsentativ wäre um verallgemeinernd zu beurteilen wie das gesamte Referendariat verläuft.

    Zitat von Buntflieger

    (...)
    Leider ist es häufig nicht so, dass man "wertschätzend" behandelt wird und die "Fehlerkultur" ist nur ein pädagogisches Schlagwort von vielen, die durch die Schullandschaft geistern und mit denen fragwürdige pädagogische Handlungen begründet werden. Von dieser Vorstellung solltest du dich verabschieden, das reduziert das Ausmaß der Enttäuschung und setzt neuen Kampfgeist frei und den wirst du definitiv in den nächsten Monaten brauchen. Damit meine ich nicht, dass du gegen Windmühlen anrennen sollst (bloß nicht!), sondern du musst unsinnige Anweisungen mit einem Lächeln auf den Lippen befolgen und wenig sinnige Feedbacks (die sich z.T. auch direkt widersprechen können zu dem, was zuvor schon gesagt wurde) mit einem entspannten "vielen Dank für den nützlichen Hinweis" quittieren.

    "Enttäuschung" ist ein Gefühl, das eine vorhergenden Täuschung voraussetzt, im Regelfall eine Selbsttäuschung, weil eine falsche Erwartungshaltung durch die Realität nicht bestätigt wurde. Manche Enttäuschung ist insofern eine begrüßenswerte Konfrontation mit der Realität, manchmal aber auch ein zu persönliches Gefühl im professionellen Kontext.
    Du schreibst häufiger über Wertschätzung und prangerst mangelnde Wertschätzung im Umgang mit Referendaren an. Ich vermisse deine Wertschätzung deiner Kollegen , die man keinesfalls alle und ausnahmslos über einen Kamm scheren kann. Eine etwas differenziertere Ausdrucksweise würde ich in dem Fall als wertschätzender empfinden und auch erwarten ehe der erste (oder in deinem Fall eher der hundertste) Stein auf die Ausbilder geworfen wird.
    "Unsinnige Anweisungen mit einem Lächeln auf den Lippen zu befolgen" hat für mich nichts mit dem Ref zu tun. Ich enthalte mich einer weiteren Bewertung, finde solch ein Verhalten aber unangemessen- Ref hin oder her und ganz unabhängig von einer beamtenrechtlichen Remonstrationspflicht, die bei tatsächlich "unsinnigen" Dienstanweisungen greifen würde.

    Zitat von Buntflieger

    Ob man dir die nötige Lernzeit gönnt, hängt wiederum sehr von den Menschen ab, die dich in deiner Ausbildung begleiten. Im ungünstigsten Fall wird dir das Lernen erschwert oder gar verhindert. Im Referendariat solltest du deine Energie darauf richten, den Modalitäten gerecht zu werden: Was muss ich tun, damit die Fachleiter/Mentoren zufrieden sind? Wie es ist, ein "richtiger" Lehrer zu sein, wirst du sowieso erst hinterher erfahren. Das Referendariat ist in seiner jetzigen Form vor allem eine sehr lange und belastende Prüfungsphase, die primär Dinge wie Durchhaltewillen und Stressresistenz prüft.
    Alles Gute dir, wir schaffen das!
    der Buntflieger

    Das Ref dauert ohne Verlängerung eine feste Zeitspanne und ist auch mit Verlängerung endlich. Insofern geht es nicht darum "ob man jemandem die nötige Lernzeit gönnt", sondern darum, ob Referendar x- egal ob Buntflieger, Lehramtsstudent oder auch CDL- in der vorgesehen Zeitspanne y die Grundlagen lernen kann um (fachlich, didaktisch, pädagogisch) "guten", lerneffizienten Unterricht zu halten oder nicht. Belastungsfähigkeit und Stressresistenz sind zwar Faktoren die die Art der Ausbildung mit (= sekundär) abfordert und damit letztlich ein Stück weit abprüft- ohne diese Eigenschaften wird man im späteren Beruf aber nunmal nicht bestehen können. Es wäre absurd, wenn nicht sogar grob fahrlässig angehende Lehrer erst nach dem Ref mit diesen beruflichen Realitäten konfrontieren zu wollen. Wer dem im Ref mit 13 Wochenstunden (BaWü, Sek.I) nicht gewachsen ist wird es nach dem Ref mit 26 Wochenstunden sicherlich nicht plötzlich schaffen auch wenn der Prüfungsdruck weg ist.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: Fehlende Buchstaben ergänzt :-)

  • ...die du wie ich finde zu wenig relativierst. Ich mache auch manche suboptimale Erfahrung im Ref, gehe aber nicht direkt davon aus, dass diese individuelle Erfahrung repräsentativ wäre um verallgemeinernd zu beurteilen wie das gesamte Referendariat verläuft."Enttäuschung" ist ein Gefühl, das eine vorhergenden Täuschung voraussetzt, im Regelfall eine Selbsttäuschung, weil eine falsche Erwartungshaltung durch die Realität nicht bestätigt wurde. Manche Enttäuschung ist insofern eine begrüßenswerte Konfrontation mit der Realität, manchmal aber auch ein zu persönliches Gefühl im professionellen Kontext.Du schreibst häufiger über Wertschätzung und prangerst mangelnde Wertschätzung im Umgang mit Referendaren an. Ich vermisse deine Wertschätzung deiner Kollegen , die man keinesfalls alle und ausnahmslos über einen Kamm scheren kann. Eine etwas differenziertere Ausdrucksweise würde ich in dem Fall als wertschätzender empfinden und auch erwarten ehe der erste (oder in deinem Fall eher der hundertste) Stein auf die Ausbilder geworfen wird.
    "Unsinnige Anweisungen mit einem Lächeln auf den Lippen zu befolgen" hat für mich nichts mit dem Ref zu tun. Ich enthalte mich einer weiteren Bewertung, finde solch ein Verhalten aber unangemessen- Ref hin oder her und ganz unabhängig von einer beamtenrechtlichen Remonstrationspflicht, die bei tatsächlich "unsinnigen" Dienstanweisungen greifen würde.


    Liebe(r) CDL,


    du hast offenbar keine, aber auch wirklich überhaupt keine Ahnung davon, was einem im Referendariat alles passieren kann.
    Nochmal: Ich freue mich für dich, dass du eine professionelle Ausbildungssituation vorgefunden hast.


    der Buntflieger

  • Hallo CDL,


    die von dir genannte Durchfall- bzw. Ausscheidequote erscheint mir sehr hoch zu sein! Kann das Seminar dies in Zeiten des Lehrermangels überhaupt nach außen rechtfertigen? :ohh:

    Lehrermangel kann, muss aber eben nicht bedeuten, dass man jeden durch die Prüfungen "winkt" der/die die Arbeit nicht leisten kann. Schüler haben ein Recht auf qualifizierte Lehrer und einen entsprechenden Unterricht. Ich finde es außerordentlich begrüßenswert, dass das Land Baden-Württemberg hier weder mit Unmengen an Quereinsteigern arbeitet noch nachweislich nicht qualifizierte Anwärter durch die Prüfungen (oder vorab in den eigenständigen Unterricht) winkt. Die Schwelle nicht in den eigenständigen Unterricht entlassen zu werden ist ja schon sehr hoch, die 2x zu reißen ist also nicht leicht. Das die Fehlsteuerung bei den Studiengängen in BaWü (kein NC im völlig überrannten gymnasialen Lehramt, dafür bis vor kurzem noch NCs in den Mangelbereichen GS und Sonderschulllehramt bei entsprechend deutlich weniger Studienplätzen als im gymnasialen Lehramt) fatal ist- geschenkt. Den Preis zahlen - leider - die vielen aktiven Kollegen noch einige Jahre lang. Mit unzureichend qualifizierten Kollegen die ihre Aufgaben nicht wahrnehmen können wäre diesen aber wohl auch nicht geholfen.


    Die Ausfallquoten sind im Übrigen aus gutem Grund nicht offiziell bekannt. Wer aber beim Prozentrechnen in der Schule aufgepasst hat und weiß, wie viele Anwärter zu Beginn da waren, wieviele inzwischen "verschwunden" sind (da hält das Seminar sich sehr bedeckt), kann selbst nachrechnen.

    Zitat von Buntflieger

    Mich freut es für dich, dass es dir offenbar bisher gut erging. Ich hätte an deiner Stelle sehr wahrscheinlich auch das Setting der Ausbildung verteidigt, anstatt dermaßen kritisch aufgelegt zu sein.

    Nö. ist sicherlich nicht "alles" rund gelaufen bei mir bislang. Aber ich bin erwachsen, kenne meine Rechte, stehe für mich ein (im Einzelfall auch schon mit Gewerkschaft und Anwalt an meiner Seite), kann mit den Menschen die an meiner Ausbildung beteiligt sind konstruktive Lösungen finden bei Bedarf und erwarte umgekehrt nicht, dass zugunsten meiner persönlichen Befindlichkeit alles auf mich zugeschnitten wird, sondern eben auch mal allgemein für Referendare (oder Lehrer) gilt (und an mir vorbei geht. Shit happens- gehört zu jedem Beruf dazu und ist kein Spezifikum des Schuldienstes.)
    Ich könnte meine Geschichte des Refs wenn ich wollte so erzählen: "Ich bin schwer krank, meine Rechte werden regelmäßig nicht berücksichtigt und ich muss konstant zusätzlich die Kraft aufbringen für mich zu kämpfen. Ich werde diskriminiert." Oder ich sehe eben wo meine individuellen Erfahrungen keineswegs repräsentativ für das gesamte System sind, weil ich konstant Menschen an meiner Seite habe die Teil dieses Systems sind, mich beraten, unterstützen, mit mir Seite an Seite kämpfen (oder auch mal von mir unbemerkt dicke Felsbrocken vor mir aus dem Weg rollen, von deren Existenz ich höchstens im Nachhinein erfahre). Am Ende ist das sicherlich auch eine Frage der grundsätzlichen Lebenshaltung: Mein Glas ist an den meisten Tagen dreiviertel voll, weil ich dankbar bin noch am Leben zu sein und die Kämpfe führen zu können die das Leben noch für mich bereit hält. Für mich ein großes und nicht selbstverständliches Geschenk und manchmal auch eine Verpflichtung, der es gerecht zu werden gilt.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Liebe(r) CDL,


    du hast offenbar keine, aber auch wirklich überhaupt keine Ahnung davon, was einem im Referendariat alles passieren kann.
    Nochmal: Ich freue mich für dich, dass du eine professionelle Ausbildungssituation vorgefunden hast.


    der Buntflieger

    1. Erwachsen werden
    2. Differenzieren lernen
    3. Relativieren lernen
    4. Wer lesen kann... (ich hatte bereits vor diesem Beitrag von dir deutlich gemacht, dass meine persönlichen Erfahrungen nicht nur eitel Sonnenschein waren.)

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Die anfangs schwierigsten Klassen sind übrigens oft die besten Prüfungsklassen, weil sie, wenn's drauf ankommt, die coolsten Socken sein können und sich für dich Mühe geben

    Oh ja... das sehe ich gerade in meiner 9. Wir mussten uns zusammenraufen, kämpfen und aneinander abarbeiten, aber in UBs sind sie so engagiert, dass sie selbst dann durchziehen, wenn mein Arbeitsauftrag viel zu schwammig ist :D Es lohnt sich auf jeden Fall, auch für die Klassen zu kämpfen, die einen zunächst sehr stressen.


    @Lehramtsstudent Durchhalten! Vielleicht müsst ihr euch noch einspielen. Ritualisieren von bestimmten Dingen wirkt häufig Wunder. Führe einen bestimmten Einstieg ein, der jede Stunde funktioniert (Alle SuS haben die Sachen auf dem Tisch, stehen auf und begrüßen dich. Dann setzen sich alle leise hin und dann geht der Unterricht los.) Das wird so lange geübt, bis das auch der letzte Otto kapiert hat. So hast du schon mal einen ruhigen Start.
    Wenn die Kids auf Computerspiele und so stehen: Eine Freundin von mir hat in ihrer (allerdings schon) 5. Klasse eine Art "Ruhe-Challenge" eingeführt, in welcher der Schüler belohnt wird, der es schafft am längsten still zu sein. So mache ich das auch in Vertretungsstunden: "Wenn ihr es schafft, bis XX.XX Uhr ganz leise und fleißig zu arbeiten, können wir vielleicht schauen, ob wir dann ein Spiel spielen können/ob ihr noch Hausaufgaben machen müsst oder schon mit allem fertig werdet/ob wir uns ein schönes Lied anhören etc."
    Mein Kollege hat die "Verhaftung" eingeführt: Wer laut ist, steht an der Tafel und wird für eine Sonderaufgabe "verhaftet". Ist jemand anders laut, wird der "Verhaftete" abgelöst. So wird immer ganz peinlich darauf geachtet, dass man nicht selbst der letzte "Verhaftete" ist. (ACHTUNG: Hier muss man SEHR aufmerksam und gerecht sein, sonst kann das in die Hose gehen.)


    > Gut, dass du dich mit Kollegen zusammentust! Gemeinsam schafft ihr es bestimmt, Struktur in die Klasse zu bekommen : ) Nicht aufgeben!
    Ein weiterer Tipp: Das schlechte Verhalten direkt zurückmelden und mit einer leicht durchführbaren Konsequenz ahnden. Beispiel: XY nervt mal wieder, weil er/sie sabbelt oder aufsteht. Unterricht unterbrechen -> XY das richtige Verhalten aufzeigen -> Maßnahme ABC für Regelverstoß -> weitermachen. Und zwar immer wieder. Direkt spiegeln, wie er/sie sich verhält und konsequent damit umgehen.
    Handelt XY richtig, ehrlich und nicht übertrieben, kurz und prägnant, loben.
    Schüler mögen, wie oben bereits beschrieben, eine konsequente und klare Haltung.

  • Die Schwelle nicht in den eigenständigen Unterricht entlassen zu werden ist ja schon sehr hoch, die 2x zu reißen ist also nicht leicht.
    ...
    Mit unzureichend qualifizierten Kollegen die ihre Aufgaben nicht wahrnehmen können wäre diesen aber wohl auch nicht geholfen.
    ...
    Glas ist an den meisten Tagen dreiviertel voll, weil ich dankbar bin noch am Leben zu sein und die Kämpfe führen zu können die das Leben noch für mich bereit hält. Für mich ein großes und nicht selbstverständliches Geschenk und manchmal auch eine Verpflichtung, der es gerecht zu werden gilt.

    Hallo CDL,


    im Falle der Verlängerung mit anschließender Entlassung ist definitiv was gründlich schief gelaufen. Ob dies nun immer am Referendar liegt, ist dabei aber nicht zu sagen.


    Ein Beispiel: https://www.vbe-bw.de/tag/entlassung-aus-dem-referendariat/


    Die Verlängerung bedeutet eine verschärfte Ausbildungssituation. Beworben wird das meist als "Chance", was zutreffen kann, übersehen werden darf dabei aber nicht, dass der Stresslevel nochmal deutlich steigt, da schließlich bei negativer Einschätzung der kommenden Unterrichtsbesuche die Zulassung zur Prüfung entzogen wird. Hier kann ganz schnell eins zum andern kommen.


    Oben hast du selbst geschrieben, dass in vielen Fällen ein zusätzliches Jahr die bestehenden Defizite hätte beseitigen können. Das sehe ich auch so, hier sind wir also immerhin einer Meinung. Wäre die Ausbildung humaner konzipiert, würde sie primär Stärken fördern und Schwächen abbauen, mit der Folge, dass mehr Leute erfolgreich die Ausbildung beenden könnten. Derzeit ist der selektive Druck - obwohl eigentlich Lehrermangel herrscht - noch ausgesprochen hoch. Das kritisiere ich und hier sind wir wohl unterschiedlicher Ansicht.


    Du bist eine Kämpfernatur, das entnehme ich deinen Schilderungen. Man macht dir so schnell nicht ein A für ein U vor. Dass das als Lehrer ein Vorteil sein kann, ist sicherlich der Fall. Auch ich habe meine Kämpfe bislang standhaft ausgefochten, auch ich bin gesundheitlich nicht frei von Beeinträchtigungen, die ich auch nicht an die große Glocke hänge und auch keine Extrabehandlung deshalb verlange. Auch ich habe schon vom Rechtsschutz Gebrauch gemacht. Dennoch wünsche ich mir eine humanere Ausbildung für einen humanen Beruf. Ich habe mir fest vorgenommen, mich später - im Rahmen meiner Möglichkeiten - hierfür einzusetzen.


    der Buntflieger

  • SchmidtsKatze: Mit Ritualen habe ich mir bei der Klasse anfangs etwas Zeit gelassen, weil ich ganz zu Beginn in ein Fettnäpfchen trat (Ritual war zu aktiv und wurde dadurch zur Gaudi für die Schüler. :/ ). Seit Kurzem haben wir Rituale, die einigermaßen funktionieren, wobei natürlich noch der Gewohnheitseffekt eintreten muss. Die Ruhe-Challenge klingt gut. Auch die Sache mit dem Verhaften. Ich weiß nur nicht, ob meine Problemkids mir da nicht einen Strich durch die Rechnung machen, weil sie aufgrund Verantwortungslosigkeit für sich und die Gruppe absichtlich verlieren. Das mit dem direkten Spiegeln werde ich mal stärker angehen. Ich teile den Kindern zwar mit, dass sie stören, könnte aber noch deutlicher benennen, auf welche Art und Weise stören ("Hans-Peter, du hast reingesprochen, ohne dich zu melden. Du bist jetzt auf Gelb.").

  • kein verhaften, das fördert das abwälzen der schuld auf andere und das gegeneinander und konterkariert das bestehen einer warmen, funktionieren klassengemeinschaft mit dir als mitglied und führungskraft. miteinander gegen den lehrer, das ist eine spielerische alternative für sowas. schau dir auch mal das roboterspiel an (kinder legen köpfe auf die arme, augen zu, du gehst rum und aktivierst durch fingertippen auf den arm ein kind, das dann leise und rasch sich schon mal in die pause begeben darf, sich an er tür anstellen darf/das ab vom pult holen darf etc., bis alle versorgt sind; rolle des aktivierers bald als privileg an kinder abgeben). oder sonstwas, aber fördere den zusammenhalt, den achtsamen umgang miteinander, die positive aka wertschätzende beziehung zwischen den kindern und der kinder zu dir. ohne rituale bist du bei minis verloren. führ ein englisches geburtstagslied ein und sing es konsequent für jedes kind, das seit dem letzten mal geburtstag hatte. immer. beende die stunde mit einer sache, die ich heute an euch mochte ("anton hat heute zweimal statt reinrufen seinen arm gehoben und gewartet. das hat mich gefreut."). auch das können bald die kinder übernehmen und sich gegenseitig bzw. dir komplimente machen. mach das immer, auch nach den allerschlimmsten stunden, außer es kam zu völlig inakzeptablem verhalten (mobbing, verletzende respektlosigkeit, tätlichkeit... NICHT ungezogenheiten wie reinschreien, rumrennen, spielen statt arbeiten usw.). das wird alles, es dauert und erfordert den fokus auf das wesentliche.

  • Ich stimme dir in allem zu, @keckks, du bist, denke ich, eine sehr warmherzige Lehrperson. Ich möchte aber zu bedenken geben, dass "Beziehungsaufbau" Zeit braucht. Komme ich in eine Klasse, in der sich 3 auf dem Boden balgen rede ich nicht über Computerspielvorlieben sondern trenne die Streithähne.
    Ich denke, dass erst alle auf ihrem Platz sitzen und ihren Fokus auf den Kollegen vorne legen müssen, bevor irgendetwas anderes möglich ist. Ich kann kein Lied, kein Spiel zum Ritual machen, während X gerade Ys Mutter beleidigt. Es passieren bei schwierigen Kindern so viele soziale Interaktionen gleichzeitig, die wir erst mal mitkriegen müssen.


    Also ja, es ist immens wichtig, nicht schlecht gelaunt, böse oder nachtragend zu werden, die Kinder immer wieder freundlich anzusprechen, sie als ganzen Menschen wahrzunehmen. Aber bevor nette Aktionen möglich sind, muss m.E. Ruhe herrschen.

  • die netten aktionen und die ruhe schließen sich ja nicht aus. man begegnet den kindern ja nicht nur als horde, sondern auch einzeln, vor dem unterricht, nach dem unterricht, während des lautesten chaos ("anton, setz dich jetzt hin, verdammt noch mal", "anna, ich will dich schweigen auf deinem platz sitzen sehen", "tom, sei still und setz dich auf den tisch. mir egal, setz dich jetz."...ist viel effektiver als "alle, jetzt, ruhe!"), in den pausen. mir geht es mehr um eine haltung, die das tun prägt. was man dann konkret tut, verliert an bedeutung, man muss nur was tun, und das konsequent. von alleine passiert nichts, und ohne passende haltung selten das richtige.


    ich persönlich bin, sagt man mir, sehr fordernd und klar gegenüber schülern. meine 5er salutieren gern aus spaß. zu mir passt das aber, und deshalb komme ich damit oft weiter. das muss aber jeder selber rausfinden, da kann man den angehenden lehrer nur begleiten jenseits der basics.

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