Benotung


  • heißt das dann, dass ein Kind, das schon viel kann, das kognitive Kompetenzen mitbringt, schlecht abschneidet?
    Eines, dem der Lenrstoff "zufliegt", das sich also kaum anstrengen muss, bekommt schlechtere Noten?


    Ich tue mich schwer damit, diese individuelle Bezugsnorm für die stärkeren Schüler mir vorzustellen.


    Und nein, 100% objektiv können Leistungsmessungen nie sein. Vielleicht bei Zeiten und Weiten im Sport??


    Wenn man objektiv messen würde und den Leistungszuwachs bewertet, dann müsste also ein Schüler, der von 2,40 m auf 2,80 m kommt, eine bessere Note bekommen, als einer, der es von 3,20 auf 3,25 schafft. Das kann nicht sein.


    Wenn ein Kind in die Schule kommt und kann schon lesen - dann lernt es null Buchstaben, während ein anderes 26 Buchstaben lernt, also viel mehr. Und dann?


    Ich habe eigentlich in jedem Jahrgang einen Schüler mit einer "Beton-1" in Informatik; es gibt halt welche, denen kann ich im Rahmen meines Unterrichts einfach nicht mehr viel beibringen. Im laufenden Unterricht kann man ja noch differenzieren, aber bei Klausuren?!


    Die sonstige Mitarbeit soll in der Regel zur Hälfte einfließen. Natürlich ist "Reden" in Sprachen wichtiger als z. B. in Informatik, da schaue ich mehr, was einer am Rechner gemacht hat. Insofern ist das schon logisch, dass das "Mündliche" unterschiedlich bewertet wird. Dazu kommen ja noch Projektaufgaben, Referate etc.


    Ich weiß nicht, ob Noten was bringen, um Leute dazu zu bewegen, sich mehr zu bewegen. Ich z. B. habe in meiner Schulzeit sehr viel Sport getrieben, aber davon hatte ich schulisch rein gar nichts, weil ich in Leichtathletik schon immer eine Null war, außerdem fand ich den Sportunterricht immer schrecklich, einzige Ausnahme war das Geräteturnen. Das hat mich aber nicht davon abgehalten, in meiner Freizeit zu reiten, zu schwimmen, radzufahren usw.


    Manchen fehlt auch einfach der Ehrgeiz ... Noten sollte man nicht überbewerten :lach:

  • "Beton-1"


    Schönes Wort.


    Zitat

    Ich weiß nicht, ob Noten was bringen, um Leute dazu zu bewegen, sich mehr zu bewegen. Ich z. B. habe in meiner Schulzeit sehr viel Sport getrieben, aber davon hatte ich schulisch rein gar nichts, weil ich in Leichtathletik schon immer eine Null war, außerdem fand ich den Sportunterricht immer schrecklich, einzige Ausnahme war das Geräteturnen. Das hat mich aber nicht davon abgehalten, in meiner Freizeit zu reiten, zu schwimmen, radzufahren usw.


    Da gibt es ja die intrinsiche Motivation. Noten sind da wohl eher extrinsich? Es sei denn sie kommen vom Lieblingslehrer.


  • heißt das dann, dass ein Kind, das schon viel kann, das kognitive Kompetenzen mitbringt, schlecht abschneidet?
    Eines, dem der Lenrstoff "zufliegt", das sich also kaum anstrengen muss, bekommt schlechtere Noten?


    Nein, das heißt es nicht. Wir sind gehalten, alle drei Bezugsnormen zu berücksichtigen. Da der "Beton-1"-Schüler ja hinsichtlich der sozialen und der sachlichen Bezugsnorm hervorragend abschneidet, wird ihm die individuelle Bezugsnorm nicht die Note verderben. Sicherlich lässt die diese Berücksichtigung aller drei Bezugsnormen eher im Bereich "sonstige Mitarbeit" verwirklichen als im schriftlichen Bereich, wo ja doch deutlich die sachliche und soziale Bezugsnorm im Vordergrund stehen.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.


  • Wenn man objektiv messen würde und den Leistungszuwachs bewertet, dann müsste also ein Schüler, der von 2,40 m auf 2,80 m kommt, eine bessere Note bekommen, als einer, der es von 3,20 auf 3,25 schafft. Das kann nicht sein.


    Hallo Piksieben,


    Du hast natürlich auch Recht, daß es ungerecht wäre, wenn ein sehr sportlicher Schüler, der im Weitsprung konstant 4 Meter schafft genauso oder sogar schlechter benotet wird, als ein übergewichtiger Schüler, der sich von 1,50 m auf 1,80 m gesteigert hat. Der sportliche Schüler hat objektiv meßbar ein deutlich besseres Ergebnis im Unterricht erzielt als der übergewichtige Schüler. Das ist die eine Seite, die man natürlich auch nicht ausblenden kann.


    Wenn man die Note nur nach diesen objektiv meßbaren Ergebnissen vergibt, dann hätte der sportliche Schüler mit seinen 4 Metern als Klassenbester wohl eine 1. Danach kommen dann einige Schüler, die um die 3,50 m schaffen und dafür eine 2 verdienen. Dann gibt es noch ein paar, die irgendwo zwischen 2,50 m und 3,0 m springen, die haben dann eine 3 verdient. Der übergewichtige Schüler müßte nun in Relation zu den Ergebnissen seiner Mitschüler benotet werden und hätte dann mit seinem Ergebnis nur eine 4 oder 5 verdient.


    Wenn man nun so benotet, sehe ich aber ein Problem: Es wird überhaupt nicht berücksichtigt, daß der Grund für das relativ schlechte Ergebnis des Schülers externe Ursachen sind, für die der Schüler überhaupt nichts kann, in diesem Fall die Fehlernährung im Elternhaus. Es wird auch nicht bei der Notengebung berücksichtigt, daß der Schüler im Unterricht sehr fleißig und strebsam war und damit auch erfolgreich seine Leistung verbessern hat.


    Gibt man dem Schüler nun allein nach den objektiv meßbaren Ergebnissen eine 4 oder 5, würdigt man den Fleiß und die persönliche Leistungssteigerung des Schülers gar nicht. Dies wird doch dem Schüler höchstwahrscheinlich den Eindruck vermitteln, daß seine ganze Arbeit im Unterrichts nicht wertgeschätzt wird, daß alles umsonst war und daß es in Zukunft wohl auch keinen Sinn mehr macht, sich im Unterricht anzustrengen. Der Schüler resigniert, weil ihm bewußt wird, daß er niemals besser als 4 benotet werden wird, selbst wenn er sich im nächsten Schuljahr wieder um 20 cm steigert.


    Also ich denke, man sollte beide Seiten irgendwie berücksichtigen. Welcher Weg da nun der richtige und gerechtere ist, wage ich nicht zu beurteilen. Mich würde halt nur interessieren, wie Ihr das so seht bzw. wie ihr das in euren Klassen händelt.


  • Also ich denke, man sollte beide Seiten irgendwie berücksichtigen. Welcher Weg da nun der richtige und gerechtere ist, wage ich nicht zu beurteilen. Mich würde halt nur interessieren, wie Ihr das so seht bzw. wie ihr das in euren Klassen händelt.


    Ja, tut man ja auch. Also beides berücksichtigen.


    "Sich bemühen" ist halt auch eine Leistung, schaut man sich an, wie es aussieht, wenn das völlig fehlt. Es wird mit beurteilt, ob jemand sein Heft ordentlich führt, aufmerksam ist etc.


    Aber die Schwierigkeit, den Prozess vs. das Ergebnis zu beurteilen bleibt halt. Wenn jemand mit Liebe kocht und nachher schmeckt es trotzdem nicht - ja, was macht man dann?


    Im Alltag geht das aber irgendwie unter, es ist nie wirklich gerecht, und letztlich gebe ich meine Noten nach Möglichkeit so, dass alle Beteiligten damit leben können, was manchmal heißt, dass eine Note eine sehr deutliche Botschaft ist: Hier muss was passieren.

    • Offizieller Beitrag

    Bei den 'externen Einflüssen', wofür der Schüler nichts kann, könntest du aber genauso alles aufzählen. Eltern, die nicht lesen können und deswegen nicht abfragen, Eltern, die sich nicht interessieren, arme Großfamilien, wo der Schüler mit 3 kleinen Geschwistern im Zimmer die Hausaufgaben machen muss vs. Eltern, die mut ins Museum fahren, einen Atlas schenken oder im Sommer mit nach Frankreich fliegen..


    Deswegen ist es auch gefährlich, sich zu sehr von den 'äußeren Bedingungen' leiten zu lassen.


    Und wie entscheide ich denn, ob es an der 'Fehlernährung im Elternhaus', an der Faulheit des Schülers oder an einer gnetischen Krankheit liegt, dass mein Schüler unsportlich ist.
    Ich höre zb 'schlecht' (also nicht medizinisch gesehen, sondern ich kann einfach viele angeblich unterschiedliche Laute nicht unterscheiden): kriege uch Pluspunkte in Musik und Fremdsprachen? Gar in Deutsch, weil ich in der Lyrik die Kadenzen und Metrum nicht höre?


    Chili

  • Ich kann eure Argumente nachvollziehen. Die Sache ist wirklich nicht einfach, finde ich.


    Wenn ich einem faulen Schüler eine schlechte Note gebe, dann kann das für ihn ein Warnsignal sein und ihn motivieren. Dieser Schüler mag sich denken:"Ok, ich war wirklich faul in diesem Halbjahr. Aber nun werde ich mich mal richtig anstrengen und dann kann ich im nächsten Zeugnis eine 2 schaffen."


    Wenn ich aber einem Schüler eine schlechte Note geben, der überhaupt nicht faul, sondern sogar sehr bemüht ist? Wenn das ein Schüler ist, dessen schlechte Ergebnisse nichts mit mangelndem Fleiß oder mangelnder Bereitschaft zu tun hat, sondern mit irgendwelchen Faktoren, auf die der Schüler gar keinen wirklichen Einfluss hat, dann kann der Schüler aus seiner schlechten Note doch auch keinerlei Motivation mehr ziehen. Die schlechte Note erzeugt höchstens Resignation und Frustration bei dem Schüler. Er mag sich denken:"Egal wie sehr ich mich anstrenge, egal wie fleißig ich bin, ich werde nie eine gute Note schaffen." Und genau das möchte man doch als Lehrer eigentlich mit der Notengebung in keinem Schüler erzeugen.

    • Offizieller Beitrag

    Nee, möchte man nicht.
    Aber ich kann auch keinem Schüler eine Qualifikation bescheinigen (mit einer gewissen Note bzw mit einem Abschluss), die er nicht hat, nur weil er sich anstrengt.
    Sport ist nicht das einzige Fach mit 'Begabung'


    Ich glaube, das wichtigste ist die Transparenz.


    Chili


  • Wenn ein Kind in die Schule kommt und kann schon lesen - dann lernt es null Buchstaben, während ein anderes 26 Buchstaben lernt, also viel mehr. Und dann?


    Dann schreibe ich genau das ins Zeugnis. Das Kind, das schon lesen und scheiben kann, schreibt dann vermutlich schon eigene Geschichten. Das schreibe ich genau so rein: "Als du in die Schule gekommen bist, konntest du bereits einzelne Wörter schreiben. Nun schreibst du schon spannende Geschichten:" oder so ähnlich. Beim anderen Kind steht dann vielleicht "Du hast zügig angefangen mit der Anlauttabelle lautgetreu erste Wörter zu schreiben." Zum Glück müssen wir anfangs noch keine Noten geben. ;)


    Aber selbst wenn: Ja, zumindest in der Grundschule ist es nicht nur möglich sondern gewollt, den Lernzuwachs mit einzubeziehen. So würde beim Schwimmen (das habe ich gerade letztes Schuljahr bei einer Fortbildung als Beispiel gehabt) ein Kind, das vorher Angst vorm Wasser hatte und nun nach einem Halbjahr Schwimmunterricht das Seepferdchen geschafft hat, möglicherweise eine 1 bekommen, während ein anderes Kind, das schon das Seepferdchen hatte, aber während des Schwimmunterrichts keine großen Fortschritte macht (und z.B. Bronze nicht schafft) und sich vielleicht auch keine Mühe gibt oder zwischendurch Quatsch macht o.ä. eine 3 bekommt. Ja, das ist möglich und meines Erachtens nach auch sinnvoll, wenn es so gehandhabt wird.
    Wie sonst sollen die Kinder lernen, dass es etwas bringt, wenn man sich anstrengt und Mühe gibt? Die individuelle Bezugsnorm hat genau wie die sachliche ihre Berechtigung und es muss eben immer abgewogen werden.


    Und da ja immer mit Arbeitgebern etc. argumentiert wird: Ich würde lieber jemanden einstellen, der an sich arbeitet und sich stets weiter verbessert als jemanden, der vielleicht objektiv betrachtet zu dem Zeitpunkt etwas mehr" kann", sich aber keine Mühe gibt und nicht lernwillig ist. Die Arbeitshaltung spielt doch eine sehr entscheidende Rolle - gerade später in der Ausbildung!


  • Wie sonst sollen die Kinder lernen, dass es etwas bringt, wenn man sich anstrengt und Mühe gibt?


    Genau das frage ich mich auch.
    Wenn ich - aus welchen Gründen auch immer - auch unter größter Mühe nicht dazu in der Lage bin, ein gutes Ergebnis zu erzielen, und meine Mühe nicht honoriert wird, strenge ich mich bald schon nicht mehr an. Wozu auch, wenn es ja doch alles nichts bringt?

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Zumindest an weiterführenden Schulen halte ich nichts davon, Bemühungen in Form von besseren Noten zu honorieren. Wenn ich sehe, dass sich ein Schüler anstrengt, kann ich das verbal loben oder entsprechende Kommentare ins Heft schreiben. Aber wenn bei all den gut gemeinten Bemühungen letztlich gemessen an der Sachnorm trotzdem keine guten Leistungen erbracht werden, dann ist die Note eben weiterhin schlecht.
    Schule hat für mich nicht in erster Linie die Funktion, das Seelenheil des Kindes zu schonen, sondern sachgerecht zu bewerten und ggf. auch zu selektieren.

  • Hallo Jule und Mara,


    Ich stimme euch zu. Genau dieses Problem sehe ich auch. Es ist doch schrecklich, wenn die Notengebung einen Schüler in die Resignation treibt, weil sein Fleiß und seine Leistungsbereitschaft überhaupt nicht gesehen wird und sich dem Schüler deshalb der Eindruck ergibt, daß es im Prinzip egal ist, ob er sich nun anstrengt oder nicht.

    • Offizieller Beitrag

    umindest an weiterführenden Schulen halte ich nichts davon, Bemühungen in Form von besseren Noten zu honorieren. Wenn ich sehe, dass sich ein Schüler anstrengt, kann ich das verbal loben oder entsprechende Kommentare ins Heft schreiben. Aber wenn bei all den gut gemeinten Bemühungen letztlich gemessen an der Sachnorm trotzdem keine guten Leistungen erbracht werden, dann ist die Note eben weiterhin schlecht.


    ich stelle mir das ebenfalls sehr schwierig vor.
    In meinem Fach: wenn ein Schüler statt in der letzten Arbeit 47 beim nächsten Mal "nur" 27 Fehler macht, hat er seine Leistung um ein Beträchtliches verbessert.
    Dennoch hat er den Text nicht verstanden, also das Ziel des Hauptteils der Arbeit nicht erreicht.
    Ihm schreibe ich natürlich unter die Arbeit, dass er sich toll gesteigert hat, und ich gebe ihm diese Rückmeldung auch noch mal im persönlichen Gespräch. Aber ich kann ihm doch kein Ausreichend geben, geschweige denn eine bessere Note.


    Wäre wahrscheinlich auch anfechtbar.


    Und wie das bei Abschlussprüfungen aussehen könnte, daran mag ich gar nicht denken.


    Würdet ihr so eine individuelle Beurteilung eigentlich auch z.B. beim Führerschein anwenden wollen?

  • Mal eine Frage:
    Ich sehe ca 100-150 Schüler pro Woche für jeweils zwei bis maximal 4 (Schul-)Stunden. Natürlich zusammen mit ca. 29 anderen Schülern.
    Ich kenne logischerweise von den wenigsten ihre privaten Lebensumstände. Das emotionale Befinden von Pubertierenden zu erschliessen,
    daran scheiterten bereits größere Geister als ich...
    Individuelle Bezugsnormen als Grundlage der mündlichen Leistung ? Inwiefern soll DAS denn gerechter sein , als eine (möglichst) objektive Bewertung ???
    (Abgesehen davon, dass sich in der Pubertät die Selbstwahrnehmung deutlich von der - ich nenne es mal - realen Welt unterscheidet ...)

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