Unbezahlte Mehrarbeit durch Ganztagsschule? (Nds)

  • Moin,


    Wir werden nach den Sommerferien Ganztagsschule und haben heute in einer Dienstbesprechung ein Modell vorgestellt bekommen, wie so ein Schultag dann strukturiert sein kann. Dabei fiel folgendes auf:


    1) Neben dem "normalen" Unterricht gibt es "unterrichtsbegleitende Angebote", die auch von Lehrern durchgeführt werden - nicht nur nachmittags, sondern auch in den Vormittag integriert. Diese Stunden werden nur halb bezahlt. Ein Lehrer, der also das Pech hat, in diesen Stunden eingesetzt zu werden, muss also statt einer zwei Stunden geben.


    2) Nun könnte man ja sagen, dass dieses eben reine Betreuungsstunden sind, die keine Vor- und Nachbereitung erfordern. Rechnet man aber nach, dann merkt man, dass eine dritte bzw vierte Klasse pro Tag nur noch auf vier Stunden "normalen" Unterricht kommt. Zur Bewältigung des Stoffes ist es also notwendig, dass auch in den "unterrichtsbegleitenden Angeboten" "normaler" Unterricht statt findet, welcher dann aber nur halb bezahlt wird.


    Wir haben es hier also mit unbezahlter Mehrarbeit bzw einer Lohnkürzung zu tun. Meine Frage: Kennt jemand den Erlass, nach dem dieses Verfahren legal ist? Im Gegensatz zu den Gymnasiallehrern wird ja offiziell unserer Stundenzahl nicht erhöht, dafür werden - ohne erkennbare Begründung - bestimmte Unterrichtsstunden nur noch halb bezahlt.


    Jedes Statement ist interessant.


    Viele Grüße,
    Frank

  • Da müsst ihr genau hinschauen, habe das in HH an meiner alten Schule gerade durch gehabt. Auch dort müssen Lehrer Betreuungsangebote stellen, die weniger faktorisiert werden, also auch hier muss man mehr arbeiten für das gleiche Geld. Argument ist auch hier die fehlende Vorbereitungszeit, wobei das so eine Sache ist, wenn man zum Beispiel eine Bastel-AG oder Experimentier-AG anbietet.


    In Niedersachsen gibt es doch vorgeschriebene Unterrichtsstunden, die müssen die Kinder ja ausgewiesen im Stundenplan haben. Wahrscheinlich liegen die zum Teil einfach nachmittags?


    Also Unterricht muss als Unterricht im Stundenplan ausgewiesen sein und nicht versteckt als unterrichtsbegleitendes Angebot. Oder andersrum wenn Lehrer im unterrichtsbegleitenden Angebot unterrichten muss es auch so gerechnet werden.

  • Genau das, was ich befürchtet habe: Die Ganztagsschule wird zur Mogelpackung in Form unbezahlter Mehrarbeit für die Lehrkräfte.


    Erst behauptet man, dass die "Betreuungangebote" am Nachmittag stattfinden und nicht durch die Lehrkräfte durchgeführt werden, und stellt sogar zusätzliches Geld für diese "Betreuung" in Aussicht.


    Dann stellt man fest, dass gar nicht so viele "Betreuer" für diese monetären Peanuts arbeiten wollen bzw. die Zeiten so liegen, dass sich so ein Angebot für externe Betreuer finanziell nicht lohnt (wer kommt schon für ein paar Euro ein oder zwei Stunden lang an die Schule, um zu "betreuuen"). Es gibt diese Massen an qualifizierten(!) Betreuungskräften zu diesen monetären Bedinungen schlicht nicht, wie sie für eine flächendeckende Einführung der Ganztagsschule notwendig wären!


    Da aber die "Betreuung" von der Schule trotzdem sichergestellt werden muss, werden die Lehrkräfte herangezogen. Deren Stundenkontigent ist aber in der Regel erschöpft, also definiert man eine Unterrchtsstunde in zwei "Betreuungsstunden" um, so dass es passt.


    Ihr müsst als Lehrkräfte jetzt einfach eine konsequente Linie fahren, um euch nicht nach Strich und Faden ausnutzen zu lasssen:


    In den "Betreuungsstunden" wird kein Unterricht gemacht, auch wenn der Lehrplan noch so drängt. Keine Vorbereitung, keine Nachbereitung, keine schriftlichen oder mündlichen Leistungsbewertungen. Und das konsequent, auch wenn "die lieben Kleinen doch nichts dafür können". Auch ein dickes Fell hinsichtlich der mit Sicherheit zu erwartenden Elternbeschwerden solltet ihr euch zulegen. In den "Betreuungsstunden" einfach nur da sein und die Aufsichtspflicht erfüllen. Mehr nicht. Maximal Hausaufgabenhilfe erteilen, aber mit Sicherheit keine "Nachhilfe" geben, d.h. nicht systematisch für die gesamte Lerngruppe Lücken aufarbeiten!


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Da geht es uns noch gut in Sachsen-Anhalt. Die Stunden, die man als AG oder Förderstunde anbietet, zählen zum normalen Stundenumfang und werden damit normal bezahlt.

  • Mikael, du sprichst im Grunde genau das aus, was ich auch schon gedacht hab: da ein Streik im klassischen Sinne nicht möglich ist, muss man es in dem von dir beschriebenen Sinne durchziehen. Aber - wie du schon sagst: da braucht es ein sehr starkes Fell. Wir Lehrer neigen ja dazu, uns letztendlich dem Druck zu beugen, damit die Kinder auch keinen Nachteil haben.


    PS: ich stelle grade fest, dass dieser Threat eigentlich unter "Primarstufe" stehen sollte. Vielleicht kann ihn jemand verschieben?

  • Glaube nicht, dass man den Thread verschieben sollte - uns (Gymnasium) steht auch in einer Woche die "Abstimmung" über eine gebundene Ganztagsschule ins Haus - mit gleicher Problematik.

  • Erst informieren, dann schimpfen.
    Ganztagserlass Niedersachsen, Punkt 5:



    Heißt auf gut deutsch: die hälftige Anrechnug gilt nur für für "Betreuungen" vor oder nach der Schulzeit oder während der Mittagspause, sie gilt NICHT, für die übrigen Angebote im Ganztag, auch wenn die Schulleitung das gerne hätte.


    Edit: bear war schneller

  • Bei uns werden nur reine Aufsichtsstunden (Mittagspause, Bibliotheksaufsicht usw.) als "halbe" Stunden angerechnet. Alles, was mit Unterricht zu tun hat, auch AGs und die Doppelsteckungen in I-Klassen, wird voll abgerechnet. Wobei solche Stunden von Lehrkräften mit hoher Korrekturbelastung (z.B. D, E) als Entlastung empfunden werden und von der SL auch unter diesem Gesichtspunkt verteilt werden. Finde ich insgesamt nicht schlecht. Was man beim Ganztag aber m.E. unbedingt braucht, sind ruhige und gut ausgestattete Lehrerarbeitsplätze. Die gibt es aber leider nur in den seltensten Fällen.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • In NRW (vielleicht auch abhängig in welchem Schulbezirk man ist) wurden nach Einführung der offenen Ganztagsgrundschulen die Hausaufgabenbetreuungsstunden mit 60 Minuten angesetzt. Begründung: keine Vor- und Nachbereitung. Nach einigen Jahren wurde dann von offizieller Seite zugegeben, dass die Gesetzeslage diese Regelung nicht hergibt. Nur ganz wenige Zeiten (Aufsicht in der Mensa,...?) darf mit einem anderen Stundenschlüssel bewertet werden. In meinem Schulbezirk werden seitdem die Hausaufgabenbetreuungsstunden wieder mit 45 Minuten angesetzt.
    Tootsie

  • Zum Thema möchte ich gerne folgenden Bericht ergänzen: http://www.welt.de/regionales/…der-Angst-an-Schulen.html


    Frau Löhrmann argumentiert im Grunde recht differenziert und betreibt auch keine Lehrerschelte; dann jedoch liest man:


    "Löhrmann machte sich in dem Interview überdies für Ganztagsschulen stark. "Das Modell der professionellen Hausaufgabenbegleitung, gemeinsamer Arbeitsgruppen, kultureller Angebote stützt und stärkt die Kinder", sagte die Grünen-Politikerin. Zudem entlasteten solche Einrichtungen die Elternhäuser. Die in Deutschland bislang verbreiteten Halbtagsschulen nannte Löhrmann dagegen "anachronistisch". Der Bund solle sich stärker für den Ausbau der Ganztagsschulen engagieren."


    Es stärkt die Kinder und entlastet die Eltern (wovon eigentlich?). Damit habe ich auch überhaupt kein Problem.



    Jetzt frage ich mich dennoch ganz unschuldig, wie denn "professionellen Hausaufgabenbegleitung" etc. bis Abends für alle finanziert werden soll, abgesehen von der Aufsicht der Minderjährigen. Im Augenblick ist ja noch nicht einmal die Inklusion Gegenfinanziert - statt dessen sitzen verhaltenskreative Schüler ohne Doppelbesetzung in Regelklassen und bereichern den Schulalltag mit ihren interessanten Herausforderungen. Und in Zeiten der Schuldenbremse stehen ohnehin Kürzungen im Bildungsbereich auf dem Plan (warum nimmt man da nicht lieber die Steuersenkungen auf Kapitalerträge, Körperschaftssteuer, Spitzensteuersatz etc. aus den letzten 15 Jahren zurück? wie auch immer... ).


    Es ist unter diesen Umständen vollkommen unverständlich, dass einige Lehrerverbände - die eben zuerst die Interessen der Lehrer vertreten sollten - der Ganztagsschule noch immer das Wort reden. Auf diese Art treiben sie ihre eigenen Kollegien in den Burn-Out oder die unfreiwillige Teilzeit mit erheblichen Verdienstverlusten. Ich kann mir das nur mit unglaublicher politischer Naivität und hoher Bereitschaft zur Ausbeutung in den Vorständen erklären. Wer solche Vertreter hat, braucht keine Feinde. Jede Forderung nach Inklusion und Ganztagsschule MUSS in jeder Pressemitteilung ganz zentral und in sehr klaren Begriffen formuliert mit der Thematisierung der Gegenfinanzierung verbunden sein.


    Alles andere ist ein absolut unverantwortliches Spiel mit dem (Burn-Out-)Feuer durch die Verbände.

  • Es wird so laufen, wie ich weiter oben schon geschrieben habe: Für die monetären Peanuts, welche im Rahmen der Ganztagsschulen zusätzlich bereitgestellt werden, wird man flächendeckend keine qualifizierte Kräfte finden. Es ist ja schließlich nicht damit getan, Betreuungskräfte einzustellen, die aufpassen, dass die "lieben Kleinen" beim Spielen am Nachmittag in der Ganztagsschule nicht vom Schaukelpferd fallen.


    Wer soll denn die qualifizierte Betreuung übernehmen außer den Lehrkräften? Es gibt immerhin ca. 8 Millionen Schüler an allgemeinbildenden Schulen. Selbst wenn die qualifizierte Nachmittagsbetreuung nur ca. 1/4 des Umfangs des "normalen" Schulbetriebs ausmacht, bedeutet das einen Bedarf von über 130.000 qualifizierten Vollzeit-Kräften, wenn man den "normalen" Standard auch am Nachmittags halten will. Da die aber alle am Nachmittag arbeiten sollen (und nicht gleichmäßig über den Tag verteilt), heißt dass, man bräuchte über 200.000 qualifizierte Kräfte für die Nachmittagsbetreuung.


    Wo sollen denn diese Massen an qualifizierten Kräfte herkommen??? Es wird und MUSS an den Lehrkräften hängenbleiben. Nur so kommt man auch nur annähernd auf die benötigte Anzahl (einigen scheint die Größenordnung des Bedarfs überhaupt nicht klar zu sein). Und dann natürlich kostenneutral, wie sich das gehört. Überstundenvergütung wird's sicherlich keine geben. Und mir ist auch schon klar, wie sich die Bildungspolitiker das vorstellen: Wenn die gemeine Lehrkraft am Nachmittag Klausuren korrigiert und Unterricht vorbereitet, kann sie das ja auch in der Schule im Klassenraum tun. Und nebenbei noch Hausaufgabenbetreuung, individuelle Förderung und AG-Angebote anbieten. Kann ja nicht so schwer sein, oder?


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

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  • Das hilft zwar Kollegen aus Niedersachsen nicht, aber vielleicht mal zum Vergleich:


    Ich arbeite seit mehreren Jahren an einer Schule, die mehrere sog. gebundene Ganztagsklassen anbietet. Alle Unterrichtsstunden werden ganz normal auf das Deputat angerechnet- egal ob vor- oder nachmittags. Eine Stunde dauert auch immer 45 Minuten. Aufsichten in der Mittagspause übernehmen Studenten auf Honorarbasis.
    AGs sind immer Unterrichtsstunden- völlig egal ob Schüler einer Regel- oder Ganztagsklasse oder eine gemischte Gruppe teilnimmt. Doppelbesetzungen zur Differenzierung und Förderung von kleinen Gruppen werden auch als Unterrichtsstunden gerechnet und halbwegs gerecht verteilt.


    Im offenen Ganztag arbeiten in der Hausaufgabenbetreuung und Freizeitgestaltung Studenten.


    Ich kann mich nur der Meinung anschließen: Wenn etwas nicht wie eine Unterrichtsstunde gerechnet und bezahlt wird, dann halte ich auch keinen Unterricht und bereite diese Stunde weder vor noch nach!
    Gruß
    Anna

  • Zudem entlasteten solche Einrichtungen die Elternhäuser. Die in Deutschland bislang verbreiteten Halbtagsschulen nannte Löhrmann dagegen "anachronistisch". Der Bund solle sich stärker für den Ausbau der Ganztagsschulen engagieren."


    Es stärkt die Kinder und entlastet die Eltern (wovon eigentlich?). Damit habe ich auch überhaupt kein Problem.


    Nettmensch, hast du Kinder? Weißt du, was das für eine Jonglage ist mit der Kinderbetreuung, wenn man arbeitet und die Arbeitszeiten nicht mit den Schulzeiten zusammenpassen (von den Ferien mal ganz zu schweigen)? Überall wird ständig gefordert, dass Frauen berufstätig sein sollen, auch wenn Kinder da sind, dass Familien unterstützt werden sollen, dass die Rente knapp wird und Frauen sich eine Auszeit vom Job nicht leisten können (ich rede jetzt mal nur von den Frauen, die sind halt nun mal meistens betroffen). Punkt zwei ist die immer noch stark unterentwickelte Chancengleichheit in D, die man hofft, mit der Ganztagsschule verbessern zu können. Das sollte im Interesse auch der Lehrkräfte liegen, oder wollen wir nicht das Beste für unsere Kinder?


    In mehreren Beiträgen wurde jetzt hier geschrieben, dass jegliches Unterrichten auch nachmittags voll bezahlt werden muss. Wieso das Geschrei, dass das alles unfinanzierbar sei und das Geld von den Lehrern weggespart werden müsse, weil die ja für die Betreuung zuständig sind? So stimmt es doch nicht!


    Den offenen Ganztag haben wir doch schon fast überall an den Grundschulen. Bei uns war es zum Beispiel so, dass die Betreuung wahlweise bis 14 oder 16 Uhr lief und von einem externen Träger bereitgestellt wurde. Wir bezahlten einen Elternbeitrag und dies unterschied sich nicht sehr von einem Hort, war nur praktischerweise im selben Gebäude. Lehrer sah man im Nachmittagsbereich eigentlich nie.


    Die Weiterentwicklung zum "echten" Ganztag ist eigentlich folgerichtig und ich würde mir da ein konstruktives Mitarbeiten der Lehrerinnen und Lehrer wünschen statt wüste Verwünschungen.


    Ich unterrichte übrigens zweimal wöchentlich abends bis neun. Finde ich in Ordnung.


    Natürlich muss Unterricht wie Unterricht bezahlt werden. Aber jetzt die Ganztagsschule zu verteufeln halte ich für falsch und wirklichkeitsfremd. Andere Länder schaffen das auch.

  • In mehreren Beiträgen wurde jetzt hier geschrieben, dass jegliches Unterrichten auch nachmittags voll bezahlt werden muss. Wieso das Geschrei, dass das alles unfinanzierbar sei und das Geld von den Lehrern weggespart werden müsse, weil die ja für die Betreuung zuständig sind? So stimmt es doch nicht!


    Ich nehme einmal an, deine eingeschränkte Wahrnehmung hinsichtlich dieser Thematik liegt daran, dass du an einem "Berufskolleg" arbeitest und nicht an einer allgemeinbildenden Schule. Sonst könnte ich diese Aussage nur entweder als unglaublich naiv oder einen Schlag ins Gesicht der von Ganztag, Inklusion usw. betroffenen Kollegen und Kolleginnen an den allgemeinbildenden Schulen verstehen. Vielleicht lebst du in deinem Bundesland auch nur auf einer Insel der Glückseligen und hast einen überaus solventen Schulträger.


    Aber so ist das scheinbar mit vielen Lehrkräften: Egal welche bildungspolitische Realität einem serviert wird, es gibt immer noch genug Kollegen und Kolleginnen, die sich einbilden, dass die positiven Aspekte überwiegen, bis hin zur Selbstausbeutung. Wenn die Elternschaft ein so starkes Interesse an Ganztagsschulen hat, dann soll sie sich bitte schön organisieren und den politisch Verantwortlichen Dampf machen, dass man sich ZUERST um die materielle und personelle Ausstattung kümmert und erst DANACH die Reform durchführt (genau wie bei der Inklusion). Und nicht andersherum (wie leider mittlerweile üblich). Solange die Rahmenbedingungen nicht wasserdicht gesetzlich fixiert UND finanziert sind, lehne ich Ganztagsschule und Inklusion in der jetzigen Form ab. So einfach ist das. Und dieses Recht steht mir als ARBEITNEHMER zu. Pädagogische Argumente hin oder her.


    ps: In Niedersachsen wird ab nächstem Schuljahr u.a. der Ausbau der Ganztagsschule durch eine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung der Gymnasiallehrkräfte und die Streichung der zugesicherten Altersermäßung für alle Lehrkräfte "gegenfinanziert". Und das bilden wir uns nicht ein, das gibt die Kultusministerin selber so zu. Wie verträgt sich denn das mit deiner obigen Aussage "Wieso das Geschrei, dass das alles unfinanzierbar sei und das Geld von den Lehrern weggespart werden müsse"? Ich sage ja: Dein Statement ist ein Schlag ins Gesicht für alle Betroffenen.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

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  • Piksieben: an sich habe ich überhaupt nichts gegen die Ganztagsschule als Konzept - professionelle Hausaufgabenbetreuung und Erziehung der Kinder am Nachmittag und in den Ferien durch kompetentes Personal (= Lehrer) würde ich sogar als positiv bewerten.


    Das gilt aus der Top-Down-Perspektive.



    Als potentiell Betroffener der diese Ganztagsschule umsetzen muss mache ich mir aber keine Illusionen. Schau doch einfach auf die Inklusion - ja, es gibt Modellschulen mit Sondermitteln, in denen alles toll funktioniert. Flächendeckend ist die Umsetzung aber teils katastrophal.


    Das was jetzt z.B.in Bayern angedacht ist und von Frau L. skizziert wird läuft auf eine flächendeckende gebundene Ganztagsschule hinaus. Ich befürchte, dass es am Ende genauso wie bei der Inklusion läuft. Als illustrativer Fall kann das ach so soziale Dänemark dienen:



    https://www.gew.de/Lehreraussperrung_in_…rk_beendet.html


    Ich zitiere: "In Dänemark werden Lehrerinnen und Lehrer jetzt gezwungen, länger
    zu arbeiten und Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen zu
    akzeptieren. Dies, weil die sozialdemokratisch geführte Regierung unter
    Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt eine Schulreform plant, die
    die Einführung von Ganztagsschulen vorsieht und kostenneutral umgesetzt
    werden soll."
    (Hervorhebung von mir)


    "Per Eilbeschluss hatte das dänische Parlament vergangene Woche ein
    Sondergesetz verabschiedet, das die Aussperrung ab heute beendet und
    erhebliche Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte
    vorsieht. Deren Arbeitszeit wird verlängert und flexibilisiert.
    Schulleitungen können künftig darüber bestimmen, wie viel Arbeitszeit
    ein Lehrer für Vor- und Nachbereitung und wie viel er für den Unterricht
    aufzuwenden hat. Bisherige Schutzregelungen, die eine verringerte
    Stundenzahl für ältere Lehrkräfte über sechzig Jahre vorsahen,
    entfallen."



    Ein krasser Fall den ich noch immer nicht ganz glauben kann. Die Kollegen dort arbeiten nun mehr Stunden und diese sind über den ganzen Tag verteilt und bekommen keine Krone mehr in den Geldbeutel am Ende des Monats. Dafür wurden sie nicht an anderer Stelle entlastet - Korrekturen etc. fallen im gleichen (oder durch die erhöhte Stundenzahl sogar größerem) Umfang an.


    Nun frage ich dich: wir haben die Schuldenbremse und zumindest in Berlin, Stuttgart und Düsseldorf hat man aus diesem Grund angekündigt an den Schuletats zu streichen. Die Inklusion ist von Seiten der Politik klar kostenneutral ausgelegt, darum auch der Druck die Förderschulen zu schließen und die fehlende Doppelbesetzung in den meisten Stunden an Regelschulen. Nun kommen unsere Verbände und sagen denselben Politikern, wie schön es doch wäre die Ganztagsschule einzuführen (und in Bayern und NRW geht es eben um die gebundene Variante mit "professioneller" Betreuung). Bei soviel Naivität schaudert es mich. Es ist kein Geld da, um so etwas flächendeckend einzuführen. Punkt. Die Schuldenbremse (die über Kürzungen in der Bildung und nicht Steuern auf Vermögen finanziert wird), die scheiternde Inklusion und ausgerechnet Skandinavien sollten hier eigentlich den Letzten aufwecken.



    Es wurden gerade Zahlen veröffentlicht, welche Lehrern mit Abstand das höchste Burnout-Risiko zuschreibt - die flächendeckende Ganztagsschule ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen eine Garantie diese Zahlen noch einmal weit in die Höhe zu treiben.



    Bei aller liebe zu den Kindern - als Profis (aka "professionelle" Betreuer) steht die Aufrechterhaltung unserer vollen Arbeitskraft (= Gesundheit) an erster Stelle. Die Verbände als unsere Interessenvertreter haben sich zu aller erst und vorrangig um dieses Anliegen zu kümmern. Alles andere kommt der fahrlässigen Mittäterschaft an der Ausbrennung der Kollegien gleich.

  • Nun kommen unsere Verbände und sagen denselben Politikern, wie schön es doch wäre die Ganztagsschule einzuführen (und in Bayern und NRW geht es eben um die gebundene Variante mit "professioneller" Betreuung). Bei soviel Naivität schaudert es mich.


    Und deshalb kann man die Bildungs"gewerkschaften" und Verbände auch nicht ernst nehmen. Jedenfalls nicht als Berufsvertretungen. Es sind zahnlose Tiger (besser Bettvorleger), die meinen, sie hätten ein bildungspolitisches und kein berufspolitisches Mandat. Die meisten der dortigen Funktionäre wären doch viel lieber Bildungspolitiker als "Gewerkschaftsvertreter" (oder gar Lehrer), jede Wette. Ein paar Ausnahmen gibt es sicherlich.


    Das einzige, was Verbände und "Gewerkschaften" in Niedersachsen z.B. gegen die Arbeitszeiterhöhung zu Stande gebracht haben, war eine Demonstration in Hannover (auf der sich kein relevanter Politiker hat blicken lassen, soviel zur "Macht" der Gewerkschaften) und eine Aktion "5 vor 12" (so eine Art 5 Minuten Pause gegen die Arbeitszeitverlängerung: lächerlich). viele bunte Flyer und belangloses "So nicht!"-Bla-Bla haben sie natürlich produziert. Nicht einmal zu einer Empfehlung, z.B. die Klassenreisen als Ausgleich zu streichen, haben sich die "mächtigen" Gewerkschaften und Verbände getraut. Das musste alles von der Basis, d.h. der Einzelschule kommen. Selbst die Elternvertretungen sind in dieser Frage an vielen Einzelschulen weitaus aktiver als die "Gewerkschaften" und Verbände.


    Es ist doch kein Zufall, dass die "Schlüssel- und Rechtschutzversicherung" für die meisten das ziehende Argument ist, in die GEW oder ein Äquivalent einzutreten. Und ratet einmal, welche Berufsgruppe im Deutschen Beamtenbund die meisten Mitglieder stellt aber de facto am wenigsten Einfluss auf die Verbandspolitik hat...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

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