Schüler mit Prüfungsangst- Was tun?

  • Hallo zusammen,
    ich bin Klassenlehrerin einer 8. Hauptschulklasse. Zu Schuljahresbeginn kam ein Schüler von einer anderen Schule neu in die Klasse. Dieser Schüler arbeitet im Unterricht meist toll mit, bringt gute Beiträge und ist auch in der Lage Zusammenhänge zu erkennen.
    Bei Klassenarbeiten oder Hausaufgabenkontrollen versagt und blockiert er allerdings völlig und gibt meist fast leere Blätter ab.
    Kam so etwas bei euch schon einmal vor? Was kann ich tun, um diesem Schüler zu helfen?


    Für Tipps und Erfahrungsberichte wäre ich euch sehr dankbar.


    Liebe Grüße
    teacher

  • Wenn der Schüler zugänglich ist gegenüber dem Thema, hilft progressive Muskelentspannung nahc Jacobsen ganz gut...
    Gibt es zum Beispiel als kostenlosen Download von der Techniker krankenkasse und noch viele andere bei google.
    Hilft ganz gut, wenn es konsequent geübt wird und hat den Vorteil, dass man es relativ unauffällig machen kann, was für SuS auch wichtig sein sollte.

    Quiet brain, or I'll stab you with a Q-Tip!

  • Wenn der Schüler eine anerkannte Krankheit hat (also nicht deine Selbstdiagnose, nicht die Selbstdiagnose der Eltern, sondern die Diagnose und Betreuung durch einen anerkannten Experten wie Psychologen/Psychater o.ä.), dann könnte die (vielleicht stationär begonnene, dann ambulant weitergeführte) Therapie durch schulische Maßnahmen (vorübergehende Änderung der Gewichtungen?) begleitet werden.
    (Einfach nur eine solche Persönlichkeit, ohne das psychatrische Krankheitsbild, dürfte natürlich nicht mit Änderungen der Bewertungsgrundsätze einhergehen.)

  • Ich unterrichte in der Förderschule und habe immer wieder Kandidaten mit Prüfungsangst. Das zeigt sich in durchaus skurrilen Verhaltenweisen (Arbeit zusammenkrümpfeln und in den Tafeleimer stecken; Fragen, die beantwortet werden könnten und nachweislich verstanden wurden werden mit "Kein Plan" oder sonstigen komischen Infos versehen).
    Ich habe den Luxus, dass ich den Druck komplett von den Kindern und Jugendlichen nehmen kann, meine Benotung anpasse, sprich die Gewichtung verändere oder auch manch schriftliche Arbeit anders bewerte.


    Was du tun kannst ist mir auch nicht ganz klar. Hast du schulrechtlich eine Handhabe irgendwie den Druck zu nehmen, indem du die Gewichtung mündlich/schriftlich änderst und eventuell Hilfestellung in der Testsituation geben kannst?


    Mir hat einst in der Schule die folgende Aussage eines Leistungskursleiters geholfen: "So lange Sie nichts hinschreiben, ist es eine 6. Je mehr Sie zu Papier bringen, umso mehr kann ich nach Punkten suchen!"


    Bei der Hausaufgabensituation kannst du direkt etwas ändern. Teile dem Jungen mit, dass ein Achtklässler idealerweise etwa 20 Minuten Hausaufgaben im Fach xy macht. Du stellst es ihm frei etwas zu tun. Für seine Zukunft ist es wichtig etwas zu tun, aber es ist seine Entscheidung.
    Recht wahrscheinlich erhälst du so meist deutlich mehr Hausaufgaben als jetzt, wenn auch mit schwankender Anstrengungsbereitschaft.
    Möglicherweise ist es auch hilfreich, Hausaufgaben als notwendige Festigung des Unterrichtsstoffes zu benennen.


    Wenn gar nichts hilft, dann würde ich über eine mögliche Umschulung an eine Förderschule (ES) nachdenken. Vielleicht braucht er den kleinen Rahmen, um schulisch sein Können zu zeigen und einen Abschluss hinzubekommen.


    Mit Sicherheit gibt es noch mehr Alternativen. Aber diese fielen mir spontan ein.

  • Ich hab leider noch keine Erfahrungen mit prüfungsängstlichen Schülern (studier noch), kann dir aber mal sagen, was uns an der Uni beigebracht wird:


    - Transparenz über die Leistungsanforderungen: Geh mit alle Schülern vor einer Klausur durch, was dran kommt, so dass sie keine (bösen) Überraschungen erleben und Sicherheit haben (machst du ja aber wahrscheinlich sowieso schon)
    - bei Prüfungssituationen: leichte Aufgaben an den Anfang, die der Schüler sicher lösen kann; Aufgaben klar formulieren
    - Prüfungssituationen vorher einüben
    - Entspannungstechniken
    - positive Atmosphäre, kein Bloßstellen, offen gegenüber Fehlern sein
    - Einüben von Verhaltensstrategien für den Ernstfall (evtl. Entspannungstechniken)
    - sehr wichtig: Selbstwert stärken
    - falls du so ein gutes Verhältnis hast, dass du mit dem Schüler über seine Ängste reden kannst, kannst du versuchen rauszufinden, wovor er Angst hat (Angst Fehler zu machen, Angst vor Nichtanerkennung, Angst vor Zurückweisung oder Prüfungsangst, Probleme mit Mitschülern, Druck von zu Hause?)
    - Lernstrategien einüben
    - evtl. Nachhilfe anregen, wenn Unsicherheiten aufgrund von Wissenslücken bestehen



    Da ist jetzt wahrscheinlich auch kein Punkt dabei, bei dem du sagst "Wow, das ist es, das kann ich machen!", aber vielleicht findest ja trotzdem irgendeinen kleinen Ansatzpunkt. :)

    • Offizieller Beitrag

    Wenn der Schüler eine anerkannte Krankheit hat (also nicht deine Selbstdiagnose, nicht die Selbstdiagnose der Eltern, sondern die Diagnose und Betreuung durch einen anerkannten Experten wie Psychologen/Psychater o.ä.), dann könnte die (vielleicht stationär begonnene, dann ambulant weitergeführte) Therapie durch schulische Maßnahmen (vorübergehende Änderung der Gewichtungen?) begleitet werden.
    (Einfach nur eine solche Persönlichkeit, ohne das psychatrische Krankheitsbild, dürfte natürlich nicht mit Änderungen der Bewertungsgrundsätze einhergehen.)


    Da müsste man mal die jeweilige bundeslandstypische Rechtsgrundlage studieren... Meines Wissens kann in nicht wenigen BL die Klassenkonferenz über Nachteilsausgleiche selbst entscheiden, auch ohne ärztliche Diagnose. Und festlegen, dass zB der Schüler länger/alleine schreibt oder mündlich befragt wird. Ist ja keinem geholfen, wenn der immer weiter im Aus landet, obwohl er theoretisch und mit einem bisschen guten Willen leistungsfähig wäre.


    Wir haben letztes und vorletztes Jahr zwei Autisten übers Abi gebracht: einer diagnostiziert, der andere nicht, weil die Eltern das "Stigma" nicht wünschten (hielten ihn aber selber dafür). Deren mündiche Prüfungen fanden halt schriftlich statt :) Geht alles. Warum sollen diese blitzgescheiten Kerlchen nicht studieren dürfen? Sie wollen ja nicht in die Politik oder aus Rhetorikausbilder arbeiten.


    Aber eine ärztliche/psychologische Untersuchung kann trotzdem nix schaden. Vielleicht steckt ja mehr dahinter....

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Vielen Dank für eure Antworten. Die meisten angesprochenen Punkte wie Lernstrategien, Wiederholung, Prüfungssituationen simulieren führe ich allerdings schon regelmäßig durch. Bei den Hausaufgaben gibt es bei diesem Schüler überhaupt keine Probleme. Er erledigt sie regelmäßig und gründlich und auch die Qualität seiner mündlichen Beiträge liegt eher über dem Durchschnitt. Sein Verhalten ist allerdings im Allgemeinen recht problematisch. Der Schüler ist sehr schwer zugänglich und hat auch in der Klasse aufgrund seines Verhaltens nicht gerade die beste Stellung.

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