Hatties Kernforderung ist, dass Lehrer evidenzbasiert unterrichten. Was das ist und wie das für Klassenarbeiten aussehen könnte, habe ich kurz auf meiner Seite beschrieben. Interessant finde ich, dass wir uns so viel Zeit mit der Konzeption immer neuer Klassenarbeiten sparen könnten.
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Ich habe mich ja noch nicht eingehend mit der Thematik vertraut gemacht, aber mir fehlt da die Fantasie wie das in der Praxis aussehen kann.
Das heißt Lieschen Müller und Max Mustermann bekommen in der dritten Klasse beide eine 2, weil sie seit der letzten Lernerfolgskontrolle dieselben Lernfortschritte gemacht haben - beide also auf ihrer individuellen "Perzentilkurve" liegen?
Nur kann Lieschen inzwischen komplexe Sachaufgaben im Fach Mathematik lösen und Max kann nun endlich auch das kleine 1x1, das er Ende Klasse 2 noch gar nicht beherrscht hat.
Oder verstehe ich da etwas falsch? Oder bekommt Lieschen sogar eventuell eine drei, weil der Lernfortschritt stagniert/ nicht mehr so groß war?Ansich finde ich die Idee gar nicht so verkehrt, es würde einem Lehrer folgende Kommentare ersparen: "Charly, du hast wunderbare Fortschritte in der Rechtschreibung gemacht - nur noch halb so viele Fehler! Prima, weiter so! 15F/Note 6."
Grüße
Mara -
Die Idee mit den "Überforderungstests" finde ich gar nicht schlecht.
Aber mal ganz platt gefragt:
Was nützt es mir bzw. dem Kind , dass in seiner "proximalen Zone" gelernt hat, beim Übergang Grundschule --> Sek 1, wenn es nicht vernünftig Lesen, Schreiben und Rechnen kann?Grüße
Steffen -
Steffen, dem Kind bringt es, denke ich, sehr viel, wenn es in dieser Zone arbeitet. Denn es heißt ja, dass hier nicht mehr geht. Die Frage ist letztendlich, ob wir damit zufrieden sind, dass das "alles" sein soll - was uns zur Frage nach unseren Erwartungen an das jeweilige Kind führt. Und da wird man nicht um die Erkenntnis drum herum kommen können, dass eben nicht jeder Professor an der Uni werden kann. Eine Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn es viele verschiedene Berufe gibt.
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was ist mit den Kindern, die recht schnell auf hohem Niveau stehen? Deren Lernfortschritt kann doch gar nicht so groß sein...
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Friesin, das verstehe ich nicht. Wieso sollen solche Schüler einen vergleichsweise geringeren Lernfortschritt zeigen? Genauso könntest du auch sagen, dass schwache Kinder oft einen viel geringeren Lernfortschritt machen, was ich oft beobachtet habe. Lernen erfolgt ja meiner Erfahrung nach nicht zwingend llinear. Aktuelles Beispiel: In meiner jetzigen 2. Klasse gibt es ein Kind, das die komplette erste Klasse verschlafen hat, was die Arithmetik betrifft. Nachdem ich ihm zu Beginn des 2. Schuljahres zwei oder drei mal auf die Füße getreten bin, hat er ungelogen in 2-3 Wochen das komplette erste Schuljahr durchdrungen. Jetzt rechnet er auf dem Niveau eines 3. Klässlers bzw. was die Strichrechnungen betrifft auf dem Niveau von 4. Klässlern. Was ich damit nur sagen will: Auch die von Hattie geforderte individuelle Benotung fällt nicht leicht. Letztendlich merke ich auch immer wieder, wie ich trotz Überforderungstests dazu neige, ein Klassenranking herzustellen. Da kommt man aus der eigenen Haut und den Prägungen nicht so leicht raus.
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Die Schwierigkeit solcher standardisierter Wiederholungstests sehe ich bei überengagierten Eltern und Nachhilfeinstituten. Sobald sie einen solchen Test in den Händen halten (und das geschieht schneller, als man bis drei zählen kann), üben sie gezielt diese Aufgabenformate, damit das Kind besser/intelligenter dasteht. Die Eltern darauf hinzuweisen, dass sie damit ihrem Kind nicht helfen, bringt nicht viel, wenn es um die erhoffte Gymnasialempfehlung geht. Also was tun?
À+
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DIE oerfekte und universelle Lösung wird man wohl nie finden. Die überengagierten Eltern hast du ja zudem immer, egal wie man's macht. Ich für meinen Teil kündige den Überforderungstest auch nicht an. Ich will ja schließlich sehen, was ein Kind losgelöst von irgendwelcher Vorbereitung TATSÄCHLICH kann und verinnerlicht hat. Das ist Lernfortschritt, so wie ich den Begriff verstehe. Das sieht man natürlich auch ohne Test, aber um die Klassenarbeiten kommen wir formell nicht umher.
Evidenzbasierte Klassenarbeiten könnten ja auch derart gestaltet sein, dass man einen unbenoteten Vortest macht und nach einiger Zeit denselben Test als benotete Klassenarbeit schreiben lässt. Das wäre wiederum mit mehr Aufwand zum status quo verbunden. Es gibt mit Sicherheit auch noch viele weitere Möglichkeiten! Auf der anderen Seite müsstest du ja auch nicht auschließlich Überforderungstests schreiben, sondern könntest mischen.
Langfristig müssen wir eben auch an unsere Gesundheit denken. Und hier könnten(!) Überforderungstests vielleicht einen kleinen Beitrag zur Entlastung beitragen. Gleichzeitig wären sie durch das evidenzbasierte Lernen gut legitimiert. Wie man die Tests inhaltlich ausgestaltet, bleibt ja schlussendlich jedem selbst überlassen.
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Zitat
Friesin, das verstehe ich nicht. Wieso sollen solche Schüler einen vergleichsweise geringeren Lernfortschritt zeigen?
Gute Schüler, die z.B. bei der Rechtschreibung oder in Mathe wenig Fehler machen, machen auch bein nächsten Mal (meist) wenig Fehler. Sie bewegen sich also immer auf demselben Niveau. Heißt das dann, dass sie weniger Fortschritte machen, weil sie sich weniger verbessert haben -- einfach weil vll gar keine Steigerung möglich ist?
So meinte ich das.
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Ach so, jetzt verstehe ich. Es hilft natürlich nicht, wenn man eine Perspektive auf die Beurteilung unbedingt anwendet, ohne auch noch andere Möglichkeiten einzubeziehen. Es liefe in deinen Beispielen im Hinblick auf die Benotung darauf hinaus, dass man abwägen müsste zwischen individuellem Fortschritt und Normorientierung. Alternativ wäre auch noch zu überlegen, inwieweit die betreffenden Schüler an bereits weitergehenden Themen arbeiten könnten (proximale Zone), wo sie eben noch mehr Fehler machen und auch für sie ihr Lernfortschritt sichtbarer wird.
Und auch Umgekehrtes gibt es: Ich hatte vor etwa 5 Jahren einen sog. Minustest in Klasse 2 geschrieben. So, wie ich es oben beschrieben habe. Ein unbewerteter Vortest mit 25 Aufgaben oder so. Ein Mädchen hatte 23 richtig. Fantastisch! Im "Haupttest" hatte es dann aber 21 oder 22. Die Kleine war deshalb echt fix und fertig und wir haben im 4. Schuljahr darüber noch gesprochen - dann aber immerhin schon lachen können! Sie sah damals in Klasse 2 noch nicht, dass sie ohnehin schon auf einem extrem hohen Niveau rechnen konnte. Stattdessen wollte sie sich verbessern, so wie alle anderen auch. Sie war die Einzige, die sich "verschlechtert" hat.
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