Hallo,
ich studiere noch Deutsch und Geschichte auf Gym (jaja...) und war mit den Erfahrungen meiner Praktika immer sehr zufrieden (waren auch jeweils gute Schulen), allerdings haben diese bei weitem nicht ausgereicht, um einen tatsächlichen Einblick in die Schulrealität zu geben. Ein Thema, welches logischerweise im Studium zu keinem Zeitpunkt erläutert wurde, mit welchem ich mich aber zunehmend beschäftige, ist das Thema der tatsächlichen Arbeitszeit pro Woche.
Ich hab die Geschichte von wegen "ab 13 Uhr ist frei" nie geglaubt und auch nie angesteuert, mir war schon klar dass Lehrersein kein fauler Halbzeitjob ist, aber ehrlich gesagt kriege ich bei dem, was ich in diesem Forum und referendar.de lese, regelrechte Horrorvisionen. Da ist von "entspannten" 50 Stunden realer Arbeitszeit pro Woche die Rede, von 65, von 70, von 80 (den absoluten Rekord hält ein hiesiger User, der sich selbst 18 Stunden täglicher Arbeitszeit attestiert hat) und zwar durchgehend. Es entsteht teilweise der Eindruck, dass die gesetzlich geregelte Arbeitszeit von durchschnittlich 40 und maximal 47 Stunden die Woche (das sind auch immer so meine persönlichen Vorstellungen gewesen) für Lehrer quasi nur einen Knastvogelscherz darstellt.
"Hey, kennt ihr schon den mit der Lehrerfreizeit?"
Viel wird auch mit unbezahlten Zusatzsaufgaben begründet (Schulfeste, Konferenzen organisieren, AG-Leitung, Kindergartenkoordination etc, etc.) welche die Lehrer von der Schulleitungs aufs Auge bedrückt bekommen, und welchen mancher User hier mit der Einstellung "einer muss es ja machen, geht halt nicht anders" begegnen.
Auch wenn ich noch Student bin und mich damit arrangiert habe, dass der spätere Lebensmittelpunkt der Beruf sein wird, so erscheinen mir die her aufgeschnappten Arbeitszeiten als geradezu grotesk inhuman. Mir ist schleierhaft, wo neben Schlafen, Essen und Körperhygiene noch Zeit für ein Privatleben, Sport, soziales Engagement geschweige denn eine Familienplanung sein soll, wenn man von Montag bis Sonntag 12 Stunden pro Tag arbeitet. Viele Ärzte müssen meines Wissens nach auch so viel arbeiten, allerdings verdienen die ja auch das zigfache eines Schullehrers (wobei, um ehrlich zu sein: selbst für 20.000 € Netto würde ich keinen 70-Stunden-Job machen und nur für meine Arbeit existieren wollen. Ärzte sind ja auch eine sehr überarbeitungsgefährdete Gruppe).
Gleichzeitig kenne ich sehr wohl, sowohl privat als auch von der Uni her Lehrer, welche mehrere Kinder haben, vielfältigen, mehrstündigen Freizeitaktivitäten nachgehen oder noch einen Zweitjob haben und Kurse beim Goethe-Institut, an der Uni oder in der Abendschule geben. Dass die das trotz 65+Woche schaffen, wage ich zu bezweifeln. Die GEW hat meines Wissens nach einmal eine durchschnittliche wöchentliche Lehrerarbeitszeit von 45 Stunden veröffentlicht. Kann man das als realistisch betrachten? (vielleicht nicht als Berufsanfänger, aber zumindest für den Großteils des Arbeitslebens bis zur Rente?)
Ich weiß, dass es schon mehrere Threads zu diesem Thema gab, dennoch wollte ich als dem Schulwesen noch Außenstehender die hiesigen User nach ihrer Einschätzung fragen, ob da nicht teilweise eine gehörige Portion Übertreibung bei manchen Lehrern drinsteckt? Oder liegt es vielfach daran, dass manche Lehrer so perfektionistisch sind, dass sie freiwillig 60 Stunden für ein Arbeitspensum aufzubringen, welches ein anderer in 40 Stunden abhakt?
Ich hoffe es fühlt sich kein altgedienter Lehrer blöd angemacht...der Post ist nicht als Besserwisserei oder Überheblichkeit, sondern eher als Verunsicherung zu verstehen...
Viele Grüße!
PS: Und bitte keine Sprüche, dass man sich mt Gy Ge/D ohnehin keine Gedanken über Arbeit machen muss, wiel man eh keine finden wird.