Mündliche Note beim Muttersprachler

  • Hallo,


    ich habe einen Schüler (Realschule, Klasse 8 ), der englischer Muttersprachler ist. Leider meldet er sich selbst nie, ich muss ihn immer aufrufen, damit er was sagt. Ich sammle auch Hausaufgaben ein und führe Vokabeltests durch. So, nun tue ich mich schwer bei der mündlichen Note. Die Tests bzw. Hausaufgaben, macht er immer fehlerfrei, aber er sagt nie was. Wie geht man damit um?

  • Naja, wenn er Muttersprachler ist, ist das mit dem Sagen bzw. Sprechen doch eher obsolet.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Wie bei allen anderen Schülern auch sollten Qualität und Quantität eine Rolle spielen. Wenn er nie von sich aus aktiv wird, ist das für mich ein dicker Minuspunkt.
    Ist bei Muttersprachlern im Deutschunterricht ja auch so, auch wenn es da in der 8 nicht darum geht, die Sprache beizubringen. Insofern hinkt der Vergleich etwas.

  • Ich habe auch regelmäßig Schüler im Englischunterricht, die einige Jahre in englischsprachigen Ländern gelebt haben und nahezu auf Muttersprachler Niveau sprechen. Natürlich haben sie einen Vorteil bei Vokabeltests oder schriftlichen Texten. Aber auch von denen erwarte ich Einsatz, wer sich von selber kaum/ gar nicht am Unterricht beteiligt, kann keine (sehr) gute Note erwarten. Meine "near native speaker" machen relativ gut mit, auch bei den für sie langweiligen Sachen (aber ich bemühe mich auch, ihnen andere Angebote und mehr "Futter" zu geben). Aber nur, weil er nun mal Englisch sprechen kann, kann er nicht automatisch die eins erwarten.

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Ja ich denke da genauso wie katta und brick.. so wie ist das? Muss ich ihn jede Stunde aufrufen oder kann man "erwarten", dass er sich selbst meldet??

    • Offizieller Beitrag

    Ja ich denke da genauso wie katta und brick.. so wie ist das? Muss ich ihn jede Stunde aufrufen oder kann man "erwarten", dass er sich selbst meldet??

    Ich hatte die Situation auch schon mehrmals und mache das genauso wie im Deutschunterricht bei den Muttersprachlern dort: Wer sich nie meldet, bekommt in der mündlichen Note keine 1, aber natürlich auch keine 5, wenn die Person auf Nachfragen antwortet und auch bei Gruppenarbeiten etc. mitmacht.
    Meine Muttersprachler hatten auch oft 1, sondern eher eine 2. Viel wichtiger fand ich aber, sie auch einzubeziehen/zu fordern, da es ihnen im Unterricht sonst langweilig war. In den Phasen, in denen ich das ausführlich gemacht habe, hatten sie dann auch öfter eine 1.

  • Das Problem ist: er ist gerade unterfordert. Die Klasse hatte zwischen Okt und Dez KEIN Englisch und nun muss ich das alles nachholen. Und naechste Woche ist die KA. Also kann ich nicht ihm eine sozusagen Extrawurst braten zumal bei all meinen Klassen Eng so lang ausfiel (bin Vertretung). Wir muessen die Grammatik pauken bis zum Umfallen eben.. und ne Tabelle mit to be able to ausfuellen fordert ihn eben nicht.

  • Je nach Bundesland besteht für den Lehrer eine "Holschuld" (zumindest in Klassen unterhalb der Oberstufe). Das heißt, ich muss den Schuler aufrufen und darf ihn nicht schlecht(er) bewerten, weil er sich nicht freiwillig gemeldet hat. Für geringe aktive Mitarbeit gibt es dann eine entsprechende Zeugnisbemerkung, aber die Note soll das widerspiegeln, was der Schüler sagt (sei es auf Aufforderung oder nicht). Nachdem hier vorwiegend Kollegen / Kolleginnen aus NRW schreiben - gibt es diese Regelung in NRW nicht?

  • Je nach Bundesland besteht für den Lehrer eine "Holschuld" (zumindest in Klassen unterhalb der Oberstufe). Das heißt, ich muss den Schuler aufrufen und darf ihn nicht schlecht(er) bewerten, weil er sich nicht freiwillig gemeldet hat. Für geringe aktive Mitarbeit gibt es dann eine entsprechende Zeugnisbemerkung, aber die Note soll das widerspiegeln, was der Schüler sagt (sei es auf Aufforderung oder nicht). Nachdem hier vorwiegend Kollegen / Kolleginnen aus NRW schreiben - gibt es diese Regelung in NRW nicht?

    Das ist ja interessant! In Niedersachsen ist das definitiv nicht so! Da wird die Quantität und die Freiwilligkeit in den Definitionen der mündlichen Noten erwähnt.


    In dem Fall finde ich, dass man auch bedenken muss, wie sehr ein Muttersprachler den Unterricht mit Beiträgen voranbringen könnte. Alleine schon, dass die anderen Schüler gutes Englisch hören können. Bei uns ist "Voranbringen des Unterrichts" ein Punkt, der bei der Bewertung der mündlichen Mitarbeit eine Rolle spielt. Damit ist zwar wohl eher mehr die Qualitätder Beiträge gemeint, aber ich finde schon, dass man das durchaus so interpretieren kann...

  • Wäre ich Schüler - ach, sagen wir, wäre ich in England Germanistik-Student und müsste in einer Einführung der Grammatik sitzen, um die Deklination deutscher Nomina zu lernen, warum sollte ich mich da im Unterricht aktiv beteiligen? Für mich das gähnend langweilig und ich könnte einfach nichts lernen, es wäre eben nicht mehr als Pflichtübung; es wäre doch ohnehin klar, dass ich die Inhalte von vorne bis hinten beherrsche.


    Gleiches gilt deinen eigenen Worten zu Folge für diesen Schüler. Ich frage mich, ob für diese spezielle Lernsituation eine mündliche Bewertung überhaupt zu irgendeinem sinnvollen Ergebnis führen kann. Wenn nicht, lass sie doch einfach weg und bilde deine Somi-Note aus den anderen Ergebnissen, die du hast. In NRW zwingt dich doch keiner.


    Nele

    • Offizieller Beitrag

    gerade da ihr so viel an Stoff nachholen müsst, würde es sich vll anbieten, den Muttersprachler als Zweitlehrer einzusetzen?
    Oft ist man sich der Strukturen in der eigenen Muttersprache ja nicht bewusst, und wenn er es einem Klassenkameraden erklären müsste, könnten beide davon profitieren.
    Das könnte dann auch Grundlage für eine mündliche Note sein ;)

  • Die Bewertungskriterien gibt die enstprechende Leistungsverordnung vor, bei euch im Schulgesetz geregelt, wenn ich das richtig sehe. Die Kriterien beziehen sich auf die im Lehrplan angestrebten Ziele. Also:


    § 48
    Grundsätze der Leistungsbewertung
    (1) Die Leistungsbewertung soll über den Stand des Lernprozesses der
    Schülerin oder des Schülers Aufschluss geben; sie soll auch Grundlage für
    die weitere Förderung der Schülerin oder des Schülers sein. Die Leistun
    -
    gen werden durch Noten bewertet. ..



    (2) Die Leistungsbewertung bezieht sich auf die im Unterricht vermittelten
    Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Grundlage der Leistungsbewer
    -tung sind alle von der Schülerin oder dem Schüler im Beurteilungsbereich
    „Schriftliche Arbeiten“ und im Beurteilungsbereich „Sonstige Leistungen im
    Unterricht“ erbrachten Leistungen. Beide Beurteilungsbereiche sowie die
    Ergebnisse zentraler Lernstandserhebungen werden bei der Leistungsbe
    -
    wertung angemessen berücksichtigt.
    (3) Bei der Bewertung der Leistungen werden folgende Notenstufen zu
    Grunde gelegt:
    1.
    sehr gut (1)

    Die Note „sehr gut“ soll erteilt werden, wenn die Leistung den Anforderungen im besonderen Maße entspricht


    etc. pp.



    Auf welchem "Stand des Leistungsprozesses" ist der Schüler? Welche im Unterricht vermittelten Fertigkeiten und Fähigkeiten hat der Schüler erreicht?


    Bei besagtem Kind geht es ja v.a. um die "sonstigen Leistungen im Unterricht". Beherrscht ein Schüler die im Unterricht vermittelten Fähigkeiten und Fertigkeiten (siehe Lehrplan), müsste er eine 1 bekommen. Wenn aber der Lehrplan hergibt, dass zu den angestrebten Fähig- und Fertigkeiten gehört, dass Schüler sich mehrmals melden müssen, kann er nur ne 3 bekommen.


    Es kommt also auf die Lehrplanziele an bzw. ob du den Kindern gesagt hast, dass mehrmaliges selbständiges Melden zur "sonstigen Leistung" zählt.

  • Ich kenne das Schulgesetz dazu. Ich persönlich würdige die Mitarbeit auch in der mündl. Note: Latente Sprachkenntnisse sind für mich nicht passiv messbar.


    Ich habe ihm auhc noch mal gesagt, dass er sich selbständig melden muss, immerhin kann man das bei 8ern ja auch erwarten.

  • Latente Sprachkenntnisse sind für mich nicht passiv messbar.


    Verstehe ich nicht. Du hast doch in diesem Thread gesagt, dass seine Hausaufgaben und Vokabeltests fehlerfrei sind und dass er bei der Grammatik unterfordert ist und du ihm nicht mehr ohne größeren Aufwand helfen kannst. Was willst du denn da noch "messen"?


    Nele

  • Ja und? Schriftliche und mündliche Kenntnisse haben nicht unbedingt miteinander zu tun. Gibt genug Muttersprachler, die nur das eine beherrschen und das andere Feld nicht. ich hab ihn neulich mal aufgerufen, da konnte er keine Antwort geben bei einer Vokabelfrage.


    Naja, is okay. Ich konnte mir eine Meinung bilden. Danke für die Tipps! :)

    • Offizieller Beitrag

    Viel wichtiger fand ich aber, sie auch einzubeziehen/zu fordern, da es ihnen im Unterricht sonst langweilig war.

    Ich kann ja noch näher ausführen, was ich mit diesen Schülern gemacht habe. Grundsätzlich sehe ich es wie Nele, dass man Muttersprachler, die wirklich richtig gut sind, nicht genauso unterrichten kann wie die andere Schüler, da sie sich sonst langweilen. Allerdings ist es auch nicht immer möglich, dem Kind jede Stunde andere Aufgaben zu geben.


    Bisher habe ich folgendes gemacht (Muttersprachler in den unteren Klassen, der aber Englisch nicht schreiben konnte): Normaler Unterricht, in den mündlichen Phasen konnte er sich weitergehender äußern als die anderen, hat ihnen auch mal geholfen etc.


    Mittelstufe, Kind hatte einiger Zeit lange im Ausland gelebt, sprach die Sprache jetzt aber nicht mehr zu Hause: Damals habe ich diesem Kind Aufgaben aus der Zentralen Abschlussprüfung bzw. den Vorbereitungsmaterialien dazu gegeben. Das war sehr motivierend. Eine andere Möglichkeit ist auch, dem Kind eine Lektüre mit passenden Aufgaben zu geben. In den Phasen, in denen wir beispielsweise landeskundlichen Themen besprachen oder andere Dinge, bei denen das Kind zuhören sollte, beteiligte es sich am regulären Unterricht.

  • Referendarin: und wie kam das in der Klasse an? Hoert sich auch gut an. Wo bekommt man die alten Pruefingsaufgaben her?


    Gibt's bei der Standardsicherung des Ministeriums zu Runterladen. Für die Login-Daten wendest du dich an deine Schulleitung.


    Übrigens ermuntert das Ministerium explizit, den Schülern zur Vorbereitung solche Prüfungsaufgaben in die Hand zu geben; als Lehrer im Weiterbildungskolleg baue ich auch die Vorbereitung auf das Abitur ganz gezielt mit Hilfe der Erwartungshorizonte der ehemaligen Aufgaben auf. Es wirkt beruhigend auf die Lerner, wenn sie einen Blick "hinter die Kulissen" bekommen.


    Nele

  • Ich habe (vorwiegend Klasse 5 und 6) auch viel mit Lektüren gearbeitet (manchmal hatte ich auch das Glück, dass unser Fremdsprachenassistent eine Doppelstunde pro Woche mit denen was anderes gemacht hat - vorwiegend auch Schreibaufgaben (vor allem Geschichten), da meine Schüler es meistens gut sprachen, aber nicht unbedingt schreiben konnten). Oder in Form eines Lesetagebuchs mit individuellen Aufgaben. Als ich mit der ganzen Klasse eine Lektüre gelesen habe, haben meine fünf "near native speakers" eine andere Lektüre und dementsprechend auch eine andere Klassenarbeit bekommen.
    Das geht natürlich nicht immer, aber ich versuche, so etwas immer mal wieder einzubauen.

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Wäre ich Schüler - ach, sagen wir, wäre ich in England Germanistik-Student und müsste in einer Einführung der Grammatik sitzen, um die Deklination deutscher Nomina zu lernen, warum sollte ich mich da im Unterricht aktiv beteiligen?

    Ein exzellentes Argument, um Grammatikunterricht im Deutschunterricht abzuschaffen. Da sitzen ja fast nur "Muttersprachler".

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