Sind viele Seminarleiter inkompetent oder "Idioten"?

  • Da hier sehr häufig von Berlin die Rede ist:
    Auch ich habe es so erlebt, dass diese Leute unvorbereitet, fachlich nicht kompetent waren, hatte oft das Gefühl, die Noten wurden nach der Nase vergeben und mich oft gefragt, wie sie überhaupt an diesen Posten gekommen sind.
    Auch ich habe es einmal gewagt, eine kritische Bemerkung zu machen, kann ich nur jedem davon abraten, es wird zu deinem Nachteil sein.


    Das System erhält sich selbst, jeder fürchtet Nachteile, deswegen wagt keiner etwas anzusprechen. Und ja, das System stinkt.


    Und da sich alle untereinander kennen, Seminarleiter, Fachberater, die später immer mal wieder im Unterricht vorbeikommen, wird sich nie, aber auch gar nie etwas daran ändern. Einer der Fehler des Systems...


    Motivierend ist das nicht, die Seminarzeit könnte man wirklich sinnvoller nutzen.

  • Hallo Percy,
    ich finde es wirklich schade, dass viele gerade in Berlin so frustrierende Erlebnisse haben.
    Natürlich kenne ich auch solche Schilderungen wie Deine, aber auch eine Reihe positiver Rückmeldungen - und ich bemühe mich natürlich, in meinem FS die o. g. Dinge zu vermeiden. Und auch unter Ausbildern gibt es natürlich Diskussionen... wir sind keinesfalls immer die geschlossene Front, als die wir aus LAA-Perspektive manchmal wirken.
    Was genau würdest Du Dir denn rückblickend für die Ausbildung (sowohl derjenigen der FSL als natürlich auch für diejenige der LAA selbst) wünschen, um sie als transparenter und qualifizierter bezeichnen zu können? Eine Abschaffung des Ref.s als Ganzes schwebt Dir doch vermutlich nicht vor, oder? Gibt es ein Bundesland, dessen System Du eher als vorbildhaft ansiehst?
    Gruß aus dem System :rotwerd: ;)
    t.-t.

  • Auch ich habe es einmal gewagt, eine kritische Bemerkung zu machen, kann ich nur jedem davon abraten, es wird zu deinem Nachteil sein.

    Je mehr ich über außerbayerische Ausbildungssysteme höre, desto mehr weiß ich das bayerische zu schätzen (ha, wenn mir vor zehn Jahren einer gesagt hätte, dass ich das mal sagen würde...!). Zumindest sind hier die Seminarlehrer Leute aus der Praxis mit fast vollem Deputat und nicht irgendwelche ans Seminar weggelobten egomanischen Psychopathen mit Profilneurose. Diese Rolle übernehmen hierzulande schon die Schulleiter :teufel: .


    Für die Refs gilt: Offen geäußerte Kritik kann sich zum Nachteil auswirken - wenn einen der Seminarlehrer nicht mag. Dann allerdings wirkt sich alles zum Nachteil aus, insofern ist es auch wieder egal. Mag einen der Seminarlehrer, dann wirkt sich nichts zum Nachteil aus. Ob man gemocht wird (das ist hierzulande also ein legitimes Ziel, liebe Meike!) entscheidet sich meist in den ersten Tagen des Refs.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Je mehr ich über außerbayerische Ausbildungssysteme höre, desto mehr weiß ich das bayerische zu schätzen (ha, wenn mir vor zehn Jahren einer gesagt hätte, dass ich das mal sagen würde...!). Zumindest sind hier die Seminarlehrer Leute aus der Praxis mit fast vollem Deputat und nicht irgendwelche ans Seminar weggelobten egomanischen Psychopathen mit Profilneurose. Diese Rolle übernehmen hierzulande schon die Schulleiter :teufel: .
    Für die Refs gilt: Offen geäußerte Kritik kann sich zum Nachteil auswirken - wenn einen der Seminarlehrer nicht mag. Dann allerdings wirkt sich alles zum Nachteil aus, insofern ist es auch wieder egal. Mag einen der Seminarlehrer, dann wirkt sich nichts zum Nachteil aus. Ob man gemocht wird (das ist hierzulande also ein legitimes Ziel, liebe Meike!) entscheidet sich meist in den ersten Tagen des Refs.

    Hallo,
    auch hier arbeiten zumindest die FSL noch in der Schule. Was den Praxisbezug angeht, sicher ein Vorteil, was Arbeitsbelastung und entsprechende Motivation angeht, nicht unbedingt. Ich persönlich möchte es nicht missen...

  • Das System erhält sich selbst, jeder fürchtet Nachteile, deswegen wagt keiner etwas anzusprechen. Und ja, das System stinkt.

    Ja, es ist das System, was dazu führt!
    Menschen sind nicht perfekt.


    Das muss immer berücksichtigt werden, wenn Systeme etabliert werden! Bei Flugzeugen ist es der Copilot, bei der Bahn elektronische Systeme, in der Verwaltung der Rechtsweg, vor Gericht Anwälte und Zuschauer. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.


    Wird dies nicht berücksichtigt, geht es schief!


    In den STS sind im System massive Fehler angelegt:


    1.) Ausbilder und Prüfer sind die selbe Person.
    2.) Ausbilder/Prüfer unterliegen keiner externen unabhängigen Kontrolle.
    3.) Die Prüfungsleistungen sind (in gewisser Weise natürlich naturgemäß) nicht so eindeutig zu beurteilen wie eine Mathematikaufgabe.


    Die Kombination dieser drei Fehler führt zu der totalen Abhöngigkeit der Refs vom Goodwill der FSL , es bleibt den Refs nur der Weg, um Sympathie zu buhlen.
    Das Ergebnis ist dann eine Atmosphäre, die die FSL genießen, weil sich die Refs genau so verhalten, wie sich die FSL "den optimalen Lehrer" wünschen.
    Weiter oben im Thread wurde das auch schon beschrieben: "sich für feedbacks ausdrücklich bedanken (auch wenn diese definitiv nicht nur positiv sind)","untereinander ohne Konkurrenzdruck kooperieren", "keine Probleme haben, ihre Fehler und schiefgelaufenen Stunden zur Diskussion zu stellen", "am Ende der Sitzung [...] diskutierend zusammensitzen", "werde nach dem Examen alle vermissen!". Dass so ein Verhalten real und freiwillig praktisch nicht auftritt, weiß jeder aus der Lebenserfahrung, und erlebt es im Lehrerzimmer.


    Für die FSL ist dies letzlich hochgefährlich, weil sie selber keine echte, wirklich kritische Rückmeldung mehr erhalten. So werden sie sich ihrer Sache sehr sehr sicher.


    Wer jetzt wagt, diese Illusion zu stören, hat ein Problem...

    Auch ich habe es einmal gewagt, eine kritische Bemerkung zu machen, kann ich nur jedem davon abraten, es wird zu deinem Nachteil sein.


    Ich will gar nicht sagen, dass alle FSL A... sind, nur führt die Konstruktion des Systems mit der totalen Abhängigkeit der Refs vom Goodwill der FSL dazu, dass auch ein anfangs völlig normaler FSL im Laufe der Zeit unter diesen Bedingungen, nun ja, sagen wir mal "gefährdet" ist. Das ist nur menschlich.


    ABER FATAL, für die Refs häufig eine Katastrophe, die, wie oben erwähnt, zum Teil bis zum Selbstmord führt!


    Deswegen ist das Problem die Konstruktion des Systems STS, die aus den FSL in vielen Fällen das macht, was man dann später erlebt.


    Leider kommt noch ein zweites Problem hinzu: Es sind noch nicht einmal normale, durchschnittliche Lehrer/Menschen, die dort als FSL anfangen und dann evtl. später so werden, denn...


    Auch ich habe es so erlebt, dass diese Leute unvorbereitet, fachlich nicht kompetent waren, hatte oft das Gefühl, die Noten wurden nach der Nase vergeben und mich oft gefragt, wie sie überhaupt an diesen Posten gekommen sind.

    Die FSL werden NICHT von außen ausgewählt z.B. durch Evaluation nach dem Abschluss ("Wo haben wir am meisten gelernt?") und dann abgeordnet, sondern bewerben sich selber. Wer bewirbt sich nun von der Schule weg? Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt... Die Prüfung, die die Bewerber durchlaufen, ist ähnlich der der Refs eine realitätsferne Schaustunde. Ergänzend gab es bei uns z.T. einen Vortrag vor der Seminaröffentlichkeit. Was ich dort gesehen habe, war vom Niveau unterirdisch, ich war nach Jahren an der Hochschule und manchen Probevorlesungen dort schlicht, man kann es nicht anders sagen, entsetzt, was mir dort als Probevortrag immerhin für A15 gezeigt wurde.




    Sind die Leute erst einmal STS, sind sie dort, Beamtenwelt sei dank, i.A. bis an ihr Lebensende sicher. Ich habe persönlich von einem STS gehört, in dem ein Alkoholiker jahrelang FSL war, von den Refs gefürchtet, von der FSL-Leitung gedeckt.


    Zusammenfassend kann man, glaube ich, festhalten:

    • Es werden nicht unbedingt die besten Lehrer zu FSL, da sie nicht nach Eignung ausgewählt werden, sondern sich selber von der Schule wegbewerben.
    • Die STS sind vom System her so angelegt, dass durch schlichte psychologische Effekte auch aus vll. zunächst guten FSL mit der Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit selbstverliebte, kritikunfähige Personen werden.

    Das ist keine Pauschalanklage, sondern eine Analyse der Situation! Und man könnte die Situation relativ leicht ändern!


    Da aber, anders als in der Wirtschaft, das Überleben des Systems Schule nicht von der erreichten Qualität abhängt, ist der Antrieb, etwas zu ändern, minimal, da jeder seinen Posten natürlich erhalten möchte.
    Änderung geht vermutlich nur über Politik / Öffentlichkeit, vll. einen Skandal???


    Ich finde es persönlich sehr sehr schlimm, dass täglich tausende Refs darunter leiden müssen, Lehrer völlig praxisfern ausgebildet werden und letzlich auch die Schüler die Leidtragenden sind.

  • auch hier arbeiten zumindest die FSL noch in der Schule

    Wie viele Stunden denn in welcher Klasse?


    Mein ehemaliger FSL arbeitete auch noch in der Schule: Er hatte einen Physik-Leistungskurs an einem der "angesehensten Gymnasien der Stadt". Also das bildungswilligste, zahmste, "lümmelfreiste", was wohl eine Schule zu bieten hat.
    Eine achte Klasse unter vollem Testosteron- bzw. Östrogendruck hat er seit Jahren nicht mehr selber unterrichtet...

  • Physicist: Genau so, ganz genau so schaut's aus!!! :rose:
    War vor meinem Lehrerdasein in der freien Wirtschaft beschäftigt.
    Auch heute, lange Jahr nach dem Ref, staune ich immer noch über viele Dinge, die auf dem Planet Schule ablaufen, ja auch immer wieder neue, tolle Ideen :uebel: , die aber auch so gar nichts mit dem Leben da draußen gemein haben.
    Nur eins ist gleich geblieben, wie im Ref: Sachl. Kritik, Verbesserungsvorschläge - alles nicht willkommen.
    So ist es bequemer.
    Ja, es ist schlimm - vor allem, dass sich nie etwas ändern wird.
    Es dreht sich das ganze System im Kreis.

  • Wie viele Stunden denn in welcher Klasse?
    Mein ehemaliger FSL arbeitete auch noch in der Schule: Er hatte einen Physik-Leistungskurs an einem der "angesehensten Gymnasien der Stadt". Also das bildungswilligste, zahmste, "lümmelfreiste", was wohl eine Schule zu bieten hat.
    Eine achte Klasse unter vollem Testosteron- bzw. Östrogendruck hat er seit Jahren nicht mehr selber unterrichtet...

    Okay:
    ISS mit allem Drum und Dran incl. Inklusionsschüler und solche, die es werden wollen;-):
    derzeit 3 Kurse im 8. Jg. (Testosteron bitte in Litern messen!) einen im 10. und (okay...) einen LK.
    Wenn wir Seminarklasse machen, leihe ich unbekannte Klassen - geht terminlich nicht anders - und gleiches Recht für alle!
    Arbeit muss nach Schule stinken;-)

  • Nachtrag: Aber vermutlich bringt es hier wenig, wenn ich versuche darzustellen, dass es durchaus FSL-Kollegen mit Bodenhaftung gibt, die ernsthaft daran interessiert sind, ihre Erfahrungen weiterzugeben, Spaß daran haben (und das nicht deshalb, weil sie allzu empfänglich für Schl.. Schmeichelei sind). Wollte eigentlich ein wenig Mut machen, dass es hier durchaus "das richtige Leben im falschen", also einen sinnvollen Umgang mit einem an vielen Ecken fragwürdigen System gibt. Aber vermutlich sind wir da doch zu weit auseinander...
    Schönen Abend trotzdem!
    t.-t.

  • 1.) Ausbilder und Prüfer sind die selbe Person.
    2.) Ausbilder/Prüfer unterliegen keiner externen unabhängigen Kontrolle.
    3.) Die Prüfungsleistungen sind (in gewisser Weise natürlich naturgemäß) nicht so eindeutig zu beurteilen wie eine Mathematikaufgabe.

    Hm, das klingt verdammt nach den Bedingungen, unter denen ich Sprachen unterrichte.
    Ich bilde meine Schüler aus und bewerte sie.
    Okay, es gibt eine gewisse Kontrolle in Form der Respizienz, aber Prüfungsprotokolle wird es bei euch doch wohl auch geben?
    Dass sprachliche Leistungen nicht so eindeutig zu beurteilen sind wie eine Matheaufgabe ist ein gängiger Vorwurf an sprachliche Fächer.


    Sind jetzt alle Sprachenlehrer inkompetent oder Idioten?

  • Okay:
    ISS mit allem Drum und Dran incl. Inklusionsschüler und solche, die es werden wollen;-):
    derzeit 3 Kurse im 8. Jg. (Testosteron bitte in Litern messen!) einen im 10. und (okay...) einen LK.
    Wenn wir Seminarklasse machen, leihe ich unbekannte Klassen - geht terminlich nicht anders - und gleiches Recht für alle!
    Arbeit muss nach Schule stinken;-)

    Ich denke, wir sollten versuchen, eine Analyse der Gesamtsituation an STS zu trennen von der Beurteilung einzelner Personen, insbesondere Forenteilnehmern...


    Es geht hier doch nicht darum, ob T-T durch regelmäßigen Unterricht unter anspruchsvollen Bedingungen "geerdet" ist, sondern ob das immer / häufig / manchmal oder selten der Fall ist. Ich weiß nur, wie viel meine Ausbilder noch unterrichtet haben, und das war nicht ernst zu nehmend... Bei T-T ist's offenbar anders. Wie es allgemein ist, wäre schön, zu erfahren, dazu bräuchten wir aber mehr Infos.


    Es lohnt doch nicht, den Hinweis auf generelle Tendenzen, so sie denn existieren, mit "es gibt aber auch" Infos zu beantworten.
    Gut wären Infos wie "Im Bundesland X müssen alle FSL mindestens Y Stunden in den Schulformen Z in den Jahrgängen ABC unterrichten." Wenn die jemand hat: Her damit :)

  • Hm, das klingt verdammt nach den Bedingungen, unter denen ich Sprachen unterrichte.
    Ich bilde meine Schüler aus und bewerte sie.


    Ja, wie ich an vielen Stellen gesagt habe, halte ich das für einen Fehler des Systems Schule, der zu den angesprochenen Problemen führen kann:


    Duckmäusertum bei den Schülern und möglicherweise ungünstigen Einfluss auf die Persönlichkeit der Lehrer. Nicht immer, nicht bei allen. aber die Tendenz ist eindeutig da. Das Zentralabitur hat das etwas verbessert, aber so lange es noch mündliche Noten gibt und viele Prüfungen von der unterrichtenden Person gestaltet und bewertet werden, ist das so.


    Deswegen sind nicht alle Lehrer Vollpfosten, aber es wir sollten uns stets dieser Gefahr sehr bewusst sein. Nicht umsonst ist, wie ich ja oben schon mal geschrieben habe, unsere Berufsgruppe bei Handwerkern und anderen Dienstleistern gefürchtet ("Die haben immer Recht").


    Sind jetzt alle Sprachenlehrer inkompetent oder Idioten?

    Nein, das steht auch nirgendwo. Es bestehen nur die Gefahren für die Persönlichkeit, die ich an mehreren Stellen im Thread beschrieben habe. Und es hat eine Wirkung auf die Abhängigen, unsere Schüler.


    Dass sprachliche Leistungen nicht so eindeutig zu beurteilen sind wie eine Matheaufgabe ist ein gängiger Vorwurf an sprachliche Fächer

    Ist es denn so oder nicht?
    Vorwurf klingt nach etwas, das der davon betroffene besser machen könnte.
    Ich denke, bei sprachlichen Fächern liegt das z.T. in der Natur des Faches, wenn man mehr als Grammatik und Vokabeln prüfen möchte. Die in letzter Zeit hinzu gekommenen Hörverständnisprüfungen sind m.E. auch schon ein Schritt in eine gerechtere Richtung.


    Es wird aber, und das ist wie gesagt kein Vorwurf, in sprachlichen Fächern nie eine so scharfe Beurteilung wie in Mathematik geben können.


    Daher ist es umso wichtiger, dass wenigstens die restlichen Kriterien wie Wegfall der Personalunion zwischen Prüfer und Ausbilder und Wegfall der mündlichen Noten (nicht mündlicher Prüfungen!) stattfinden.

  • War vor meinem Lehrerdasein in der freien Wirtschaft beschäftigt.

    Das ist ein anderes Thema, das hier nicht angesprochen wurde, aber meiner Erfahrung nach auch eine erhebliche Rolle spielt (ich bin auch Quereinsteiger, mir geht es genauso, wie Du schreibst):


    Der Großteil der Kollegen und Ausbilder hat die Schule in ihrem ganzen Leben nie verlassen. Von der Schule sind sie zur Hochschule und dann wieder zur Schule gegangen (abgesehen von manchen Berufsschullehrern).


    Als vom Planeten des "echten Lebens" aus eingeflogener Quereinsteiger bin ich dann auch mit zum Teil schräg realitätsfernen Einstellungen, ineffizienten Arbeitsweisen und skurrilen Verhaltensweisen zum Teil heftig kollidiert ;)


    Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir! Nur von wem? Unsere Lehrer kennen es zum großen Teil jedenfalls nicht...


    @mögliche Einwender mit einem Gegenbeispiel: Ich habe nicht gesagt: "Alle Lehrer". Ich weiß, dass es Ausnahmen gibt!

  • Das Zentralabitur hat das etwas verbessert, aber so lange es noch mündliche Noten gibt und viele Prüfungen von der unterrichtenden Person gestaltet und bewertet werden, ist das so.

    Es geht auch ohne Zentralabitur. Bei uns stellt der unterrichtende Lehrer die Maturprüfung selbst, diese wird aber zuvor in einer kantonalen Konferenz mit allen Fachlehrern besprochen bzw. den Kollegen zur Einsicht gegeben. Nach der Prüfung gibt es ganz einfach eine Zweitkorrektur. Mündliche Noten im Sinne von Mitarbeitsnoten können bei uns nur gegeben werden, wenn eindeutig protokolliert wurde wie diese Note zustande kommt - d. h. praktisch niemand gibt Mitarbeitsnoten weil es viel zu aufwendig ist.


    Unsere Schüler sind zudem äusserst diskussionsfreudig. Wenn ich meine Bewertung nicht transparent mache, habe ich im nächsten Moment schon den Mob vor dem Pult stehen. In der Regel bekommen meine Schüler nach der Prüfung eine Musterlösung aus der auch hervorgeht, wofür ich Punkte gegeben habe und wofür nicht. Spätestens 2 Wochen vor der Prüfung muss klar sein, was überhaupt Prüfungsstoff ist. Da ich mit einem selbstgeschriebenen Skript arbeite, kann ich einfach sagen "von Seite x bis Seite y lesen und alle Aufgaben und protokollierten Experimente nachvollziehen". Mit den Prüfungsfragen weiche ich nie gross von den bearbeiteten Unterlagen ab. Alles andere fände ich auch höchst unfair.

    • Offizieller Beitrag

    Als vom Planeten des "echten Lebens" aus eingeflogener Quereinsteiger bin ich dann auch mit zum Teil schräg realitätsfernen Einstellungen, ineffizienten Arbeitsweisen und skurrilen Verhaltensweisen zum Teil heftig kollidiert


    Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir! Nur von wem? Unsere Lehrer kennen es zum großen Teil jedenfalls nicht...

    Komisch. Bei uns fallen die Quereinsteiger serienweise genau durch solche Eigenschaften auf (vermutlich dachten sie, in der Schule fiele das weniger auf? ;) ) - und die geben dann serienweise auch schnell wieder auf, weil sie überfordert sind. Zumal unsere Schüler - wie Wollsockens - eben erwachsen und anspruchsvoll sind und ganz, ganz fix kapieren, ob das hier was bringt oder nicht. Wenn's ums Abi geht, stehen die gerne mal bei der Chefin vor der Tür.


    Interessant war aber auch, dass besagte Personen, die unterrichtlich und organisatorisch eher keine Wurst vom Teller gezogen haben, wie der Hesse sagt, immer ganz fest der Überzeugung waren, sie müssten den erfahrenen Lehrern mal eben erklären "wie es geht", weil sie ja aus der "freien Wirtschaft" kommen. Bis sie dann recht kleinlaut wieder in dieselbe zurück gingen. Der letzte mit den Worten "60 Stunden Wochenarbeitszeit hatte ich mir nicht vorgestellt, und dann stellen die auch noch ohne Ende Ansprüche". Der fand auch die Kollegen doof. Die allerdings bestens klar kamen. Und die Schüler hatten seinetwegen Schlangen vor der Schulleitungstür gebildet...


    Joah...


    Vielleicht wäre es gut, lieber Physicist, mal zu überlegen, ob die Wahrnehmung, die du deinen Kollegen gegenüber an den Tag legst, eine ist, die die so oder ähnlich auch von dir haben? Und dann kann man sich fragen: wer hat eigentlich Recht? ;)


    Die Menschen, die einem ganzen - oder dem Großteil eines - Kollegiums maßlos überlegen zu sein meinen, sind statistisch meist selbst die wahnhaften.


    (PS: ich war selbst einige Jahre auf dem Planet "auch nicht richtigeres Leben als in der Schule - aka freie Wirtschaft(tm) ..." - achja.. da gibt's auch alles vom Vollpfosten bis zum Genie.)

  • Hm, das klingt verdammt nach den Bedingungen, unter denen ich Sprachen unterrichte.Ich bilde meine Schüler aus und bewerte sie.
    Okay, es gibt eine gewisse Kontrolle in Form der Respizienz, aber Prüfungsprotokolle wird es bei euch doch wohl auch geben?
    Dass sprachliche Leistungen nicht so eindeutig zu beurteilen sind wie eine Matheaufgabe ist ein gängiger Vorwurf an sprachliche Fächer.


    Sind jetzt alle Sprachenlehrer inkompetent oder Idioten?

    Der alles entscheidende Unterschied: Du versaust den Schülern nicht das Leben, wenn Du eine falsche Bewertung abgibst. Und sollte Dir jetzt spontan das Abi als Gegenbeispiel in den Sinn kommen: Auch da halte ich es für nicht ganz unproblematisch, dass die Fachlehrer die Abiturleistung bewerten. Mein Asyl-Gastland B-W ist da wesentlich weiter, Stichwort "Tour de Ländle".

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

    • Offizieller Beitrag

    Der alles entscheidende Unterschied: Du versaust den Schülern nicht das Leben, wenn Du eine falsche Bewertung abgibst. Und sollte Dir jetzt spontan das Abi als Gegenbeispiel in den Sinn kommen: Auch da halte ich es für nicht ganz unproblematisch, dass die Fachlehrer die Abiturleistung bewerten.

    Mir fallen da spontan alle Abschlüsse ein. Besonders Problematisch kann es m. E. bei Abschlüssen werden, in denen die Vornote besonders stark gewichtet ist (Hauptschulabschluss in Hessen zum Beispiel), denn diese ist ja nicht über eine Zweitkorrektur nachprüfbar.

  • Also wenn ich mir das Geschacher in unseren Zeugniskonferenzen, vor allem in denen, die sich um die Abschlussvergabe drehen, so anschaue, dann komme ich zu der Überzeugung, dass unsere Schüler von dem System Lehrer=Prüfer (und v.a. Klassenlehrer=Fürsprecher) erheblich profitieren. ;)

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Die Menschen, die einem ganzen - oder dem Großteil eines - Kollegiums maßlos überlegen zu sein meinen, sind statistisch meist selbst die wahnhaften.


    Forenteilnehmer als Moderator (und Lehrerin) in Verbindung mit einer Geisteskrankheit bringen... Wow...


    Die Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen hat da vll. Lesenswertes zu bieten:



    Moderat heißt gemäßigt. Wenn man als Moderatorin oder als Moderator ein Gespräch, eine Sitzung, eine Diskussion oder eine Veranstaltung leiten soll, so nimmt man ebenfalls eine „moderate“, d. h. gemäßigte und neutrale Haltung ein. Moderation (abgeleitet aus dem lateinischen Verb „moderare“) bedeutet denn auch ursprünglich Mäßigen oder Schlichten zwischen einzelnen oder mehreren Personen
    Bei einer Moderation neutral sein, beinhaltet:



    • Nicht Partei ergreifen
    • Beiträge weder werten noch kommentieren
    • Alle Teilnehmer gleichermaßen zu Worte kommen lassen
    • Kein Teilnehmer hat Recht oder Unrecht
  • Also wenn ich mir das Geschacher in unseren Zeugniskonferenzen, vor allem in denen, die sich um die Abschlussvergabe drehen, so anschaue, dann komme ich zu der Überzeugung, dass unsere Schüler von dem System Lehrer=Prüfer (und v.a. Klassenlehrer=Fürsprecher) erheblich profitieren.

    Heißt profitieren, dass sie bessere Noten bekommen? Da könnte man ja die Schule recht leicht noch weiter verbessern, indem man einfach noch mehr Einsen gibt...


    Geht es nicht um eine gerechte Beurteiliung? Neutral, auf das bezogen, was der Schüler oder die Schülerin in dem betreffenden Fach wirklich kann? Frei von persönlichen Zuneigungen und damit auch möglicherweise geringeren Zuneigungen? Möglichst (vollständig ist das nie erreichbar, aber Ziel sollte es doch immer sein) vergleichbar auch über Schulgrenzen hinweg?


    Von der Außenwelt werden Zeugnisse so angesehen, eine "Eins" in Englisch sollte doch heißen, "Kann für die ...Klasse richtig gut Englisch" und nicht "Ist nett", "hat nie Ärger gemacht", "war dem Klassenlehrer sympathisch", "Hat sich immer gemeldet" oder ähnliche Charaktereigenschaften, die zu beurteilen uns, wie ich denke, nicht zusteht...

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