mangelnde Schreibfähigkeit in der Sekundarstufe

  • Ich bin hier eigentlich nicht so unterwegs, weil ich in der Sekundarstufe unterrichte, aber ich hätte einfach mal eine Frage an die Grundschulkollegen (in der Hoffnung, dass ich dafür nicht gleich gesteinigt werde):


    Wir beobachten seit Neuestem, dass unsere Schüler nicht mehr schreiben können (und damit meine ich nicht die Rechtschreibfehler): Entweder ist es eine völlig unleserliche Schreibschrift (gerade bei Jungs entwickelt sich die Vereinfachte Ausgangsschrift zur Katastrophe) oder eine (besser lesbare) Druckschrift, die aber so langsam "gemalt" wird, dass die gestellten Aufgaben nicht in der vorgegebenen Zeit erledigt werden können, d. h. das ist eindeutig das größere Problem von beiden.


    Auf Nachfragen geben die Schüler an, die Schreibschrift erst in der dritten Klasse gelernt zu haben. Ab der vierten Klasse konnten sie schreiben, wie sie wollen, sie meinten selbst, sie hätten die Schreibschrift zu wenig geübt und würden sie somit nicht mehr beherrschen.


    Da Laptopklassen noch in weiter Ferne sind (und man, davon abgesehen, ihnen ja auch kein 10-Finger-Tippsystem lehrt), fehlt den Schülern zunehmend die Möglichkeit, ihre Gedanken schriftlich niederzulegen, ohne mit dem Schreibvorgang an sich zu kämpfen, was die Qualität und auch die Quantität der Beiträge einschränkt.


    Früher hat man doch mit der Schreibschrift angefangen (die Fibeln und auch die Erstlesebücher waren so gedruckt), da konnte sich diese auch festigen. Natürlich ist dieser Ansatz ein Stück weit "lebensfern", weil sonst alles in Druckschrift existiert, mit welcher Hypothek für die restliche Schulzeit erkauft man sich das? Der Frust bei unseren Schülern ist sehr hoch.


    Ich habe manchmal den Eindruck, dass sich hier zu früh an den Vorgaben unser medialen Welt orientiert wird (unterrichte selbst Informatik, bin also kein Computer-Verdammer), und auch die Lehrmittelindustrie nicht wirklich Lust hat, alles in drei (demnächst vier?) verschiedenen Schriftarten zu produzieren.


    Um noch ein letztes Fass aufzumachen: SAS- und LA-Schüler haben bei uns deutlich weniger Schriftprobleme als VA-Schüler. Das Argument, dass die VA durch weniger Drehungen und Wendungen leichter sei, kann ich nicht nachvollziehen, ich habe das Gefühl, das die motorische Herausforderung der beiden anderen Schriften zu einer besseren Schreibfähigkeit führen (wenn sie denn ausreichend lange geübt wird).

  • Sütterlin ist sehr einfach und schnell zu schreiben und hat den Vorteil, wegen der fehlenden Bögen auch bei einer fest zupackende "Jungenhand" zu lesbaren Ergebnissen zu führen. Der Nachteil der deutschen Kurrentschrift ist, dass sie international nahezu niemand lesen kann und auch Deutsche heutzutage kaum noch damit zurecht kommen.


    Interessanterweise hat die VA ja einige Elemente aus der deutschen Kurrentschrift wieder eingeführt, z.B. die Form des End-S. Aber das ist dir ja sicherlich bewusst.


    Nele

  • Ja, genau solche Antworten wie die von Schmeili hatte ich befürchtet....


    Es geht nicht darum, alte Zeiten zu beschwören, sondern _jetzt_ haben meine Schüler große Schwierigkeiten, und ich würde ernsthaft gerne wissen, wie man dem Abhilfe schaffen kann.


    @neleabels: Wie ist es dann zu erklären, dass bei uns gerade die Jungen mit VA erheblich mehr Schriftprobleme haben als die mit LA? Verstehe mich nicht falsch, ich möchte einfach kapieren, woher das kommt.

  • @neleabels: Wie ist es dann zu erklären, dass bei uns gerade die Jungen mit VA erheblich mehr Schriftprobleme haben als die mit LA? Verstehe mich nicht falsch, ich möchte einfach kapieren, woher das kommt.


    Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung - ich mache aber die gleiche Erfahrung wie du. Schlechte Handschrift in der VA ist für mich extrem schwierig zu lesen und mit dem Eindruck bin ich nicht alleine unter meinen Kollegen.


    Nele

  • Deswegen würde ich ja mal gerne von den Grundschulkollegen wissen, welche Vorteile die VA hat.


    Teilweise ist dies aber gar nicht wichtig, welche Vorteile sie hat, sondern die Bundesländer schreiben Schriften vor. So wird z.B. in Berlin die SAS gelehrt. Die ist dann eben beizubringen, auch wenn ich selber z.B. LA gelernt habe und deshalb diese nutze. Brandenburg überlässt es hingegen den Lehrern, ob und welche Schrift sie lehren und damit können dann deine Ergebnisse auch rauskommen.
    Wenn ich eine Schrift nicht machen muss in 1/2, dann macht sie evtl. erst der Kollege in 3, der in 4 sagt, ist ihm doch egal usw.


    http://www.grundschulverband.d…ll/GSakt91_Bart_50907.pdf ist übrigens das ganze Dilemma und ein Teil der Vorteile usw. auch dargestellt.

  • Deswegen würde ich ja mal gerne von den Grundschulkollegen wissen, welche Vorteile die VA hat.

    http://www.igfd.org/?q=vor-+und+nachteile+der+va



    Direkt im 1. Treffer findest du einen sehr ausführlichen Bericht über Vor- und Nachteile der VA.
    Da du aus Hessen kommst, ist dir sicherlich auch bewusst, dass die Kinder überhaupt keine Schreibschrift mehr schreiben können müssen? Im KC steht hierzu unter" Die Lernenden können für andere in gut lesbarer Handschrift schreiben," wenn das bei euch vermehrt nicht der Fall ist, würde ich das Gespräch mit den abgebenden Schulen direkt suchen. So läuft es hier bei uns. Kurz nach den Herbstferien gibt es immer ein Treffen zwischen den Grundschulen und den zugeordneten weiterführenden Schulen, dort können auch solche Dinge geklärt werden (Beispielsweise wenn es dann von den Schülern/Eltern heißt "Das Thema unleserliche Schrift war in der Grundschule noch nie ein Thema bei dem Kind" und von den Lehrern dann erläutert wird, dass bereits seit der 1. Klasse intensive Beratungen bis hin zu ergotherapeutischen Maßnahmen liefen, diese aber z.B. von den Eltern immer abgelehnt wurden).


    Ich persönlich denke nicht, dass das ein Problem der erlernten Schrift ist, sondern das Problembewusstsein sich hierfür einfach gewandelt hat. Einigen Lehrern ist eine wirklich saubere Handschrift nicht mehr so wichtig. Schönschrift üben? Einige meiner Kolleginnen schauen mich dafür mitleidig an, als ob ich aus dem Mittelalter käme. Sowas ist, ihrer Meinung nach, doch vollkommen unnötig!

  • Warum ist das unnötig? Die Kinder können sich, wie gesagt, nicht auf den zu übermittelnden Inhalt konzentrieren, wenn sie mit dem Schreibvorgang an sich noch so beschäftigt sind.


    Gegooglet habe ich das natürlich bereits schon, aber da mich nichts davon wirklich überzeugt hat, hat mich die Meinung und vor allem die Erfahrung der Kollegen vor Ort interessiert.


    Gespräche mit den abgebenden Schulen führen wir auch regelmäßig, da werden wir es demnächst zur Sprache bringen. Mein Mann hat es an seiner Schule auch beobachtet, aber da haben sich die Grundschulkollegen eher auf den Standpunkt gestellt, dass sie bei vielen Schülern ganz andere motorische Schwierigkeiten zu bewältigen hätten.


    Wahrscheinlich müssen die weiterführenden Schulen den Grundschuleltern, die meist ja recht scharf darauf sind, dass ihr Kind auf das Gymnasium kommt, einfach klar machen, dass dazu eine leserlich und flüssig geschriebene Schrift gehört.


    Susannea: Den Artikel kenne ich und finde ihn auch eigentlich ganz gut, meiner Meinung nach vernachlässigt er aber die Aspekte der Schriftentwicklung nach der Primarstufe in Bezug auf lesbarkeit und Schreibgeschwindigkeit. Warum wir das nicht mal untersucht?

  • dazu eine leserlich und flüssig geschriebene Schrift gehört.


    und das muss eben keine verbundene sein. Denn wie du ja selber gelesen hast, soll jeder für sich selber entscheiden können, wie viele Pausen er in einem Wort braucht. Also ist auch die Druckschrift geeignet. Aber sie muss natürlich lesbar sein und auch in einem angemessenen Tempo beherrscht werden.

  • Genau deshalb habe ich bewusst "Schrift" und nicht "Schreibschrift" geschrieben, aber meine haben persönlich für sich im Moment die Wahl zwischen einer unleserlichen und nicht mehr beherrschten Schreibschrift und einer zeitintensiv zu malenden Druckschrift, da läuft doch etwas falsch...

  • Wie haben die Kinder Schreibschrift lernen sollen? Welche Schrift mochte ihr Lehrer, ihre Lehrerin?


    Meistens ist es so dass Kinder "Schwungübungen" machen müssen und dann einzelne Buchstaben nachmalen, etwa eine Zeile voll.


    Ich hab gewartet dass mich Kinder um die Schreibschrift bitten. Sie wollten sie können. Ich hab sie aussuchen lassen ob sie lieber lateinische oder vereinfachte Ausgansschrift wollten, z.B. an den Wörtern Katze und Haus.


    Und dann hab ich ihnen jeweils am Anfang einer Zeile ein Wort zum nachschreiben hingeschrieben. Mit höchstens 20 Wörtern kann ein Kind sämtliche Buchstaben in groß und klein trainiert haben. Schnelle Kinder sind dabei schnell und langsame langsam. Das schnellste Mädchen brauchte für den Einstieg in die Schreibschrift 20 Minuten. Sie brauchte auch bis zum Abitur nur 17 Jahre. Die Schrift war leserlich, eigentlich bei Allen.


    Viel Arbeit für den Lehrer, dafür kein gleichzeitiger Unterricht bei dem viel zu Viele abgehängt werden.

  • Genau deshalb habe ich bewusst "Schrift" und nicht "Schreibschrift" geschrieben, aber meine haben persönlich für sich im Moment die Wahl zwischen einer unleserlichen und nicht mehr beherrschten Schreibschrift und einer zeitintensiv zu malenden Druckschrift, da läuft doch etwas falsch...


    Mal doof gefragt,...wieviel Zeit wird denn an deiner Schule fuers Handschreiben verwendet? Also, wie oft lasst ihr Schueler denn einfach mal nur Handschrift ueben?


    Die meisten meiner Schueler hatten am Anfang des Jahres eine absolute Sauklaue (und das ist etwas, was bei uns schulweit ein Problem ist), nicht nur meine Jungs. Bei uns muss Schrift zumindest teilweise verbunden sein, aber die meisten meiner Jungs haben nur Druckbuchstaben geschrieben,...mal gross, mal klein,...was einem grad so gefiel. :grimmig:
    Ist aber nicht so, als ob meine Schueler das nicht auch ordentlich koennten. Sie sind einfach nur zu faul gewesen. Ich hatte naemlich ihre Handschreibhefte aus der 4. und da konnten sie auch schoen schreiben. In ihren normalen Heften und im normalen Unterrichtsalltag haben sie das aber nicht umgesetzt (und ihre vorige Lehrerin sah das nicht als Problem an,...).
    Wir haben seit den Sommerferien nun mindestens dreimal pro Woche Handschreiben gebuebt. Sie bekommen also nen Text und den schreiben sie ab. Dabei hab ich drei meiner Jungs ein Heft mit Lineatur fuers 2. Schuljahr zum Ueben gegeben (gibt's bei uns hier in England neamlich nicht und sie finden's toll...). Mir ist es recht egal, ob nun der Buchstabe mit dem verbunden ist oder wie das kleine f geschrieben wird. Solange die Buchstaben gleichmaessig gross, unterscheidbar und zumindest teilweise verbunden sind, ist es mir schnuppe. Solange ich es lesen kann, geht's,...wenn's die Kollegen ebenfalls lesen koennen, noch besser.
    Ihre generelle Handschrift in allen Faechern hat sich verbessert. Allerdings lass ich sie auch nochmal neu schreiben, wenn's nicht gut genug ist und verdonner sie zu zusaetzlichen Handschreibeuebungen in der Pause. :teufel: Das hab ich bisher nur einmal mit ein paar meiner kleinen Chaoten machen muessen.


    (An der Rechtschreibung arbeiten wir noch ein bissl...)

  • Ganz ehrlich: Solche Handschriften schocken mich vollkommen! DAS hat nix mit VA; LA; SAS zu tun, sondern mit Gleichgültigkeit und m.E. fehlendem Problembewusstsein der vorhergehenden Lehrkraft! :staun:

  • Dejana: Genauso wie auf dem ersten Bild (Y4.jpg) sehen die Handschriften vieler unserer Jungs auch aus...... SCHAUDERHAFT. Und für Gymnasiasten sowieso.


    Es sind Beispiele vom gleichen Kind. Das aus der 4. Klasse (Y4) ist ausserdem sein Handscheibheft und ich haett's ihm fast um die Ohren gehauen. (Das geht doch nun wirklich nicht, sowas nach ner Stunde zum Schoenschreiben einzureichen. Ich kann seine alte Lehrerin da nicht ganz verstehen,...) In seinem eigentlichen Englischheft hat er nur Druckbuchstaben verwendet und auch kaum was geschrieben. In dem Fall weiss der Schueler aber, dass er an seiner Handschrift arbeiten muss und hat das in den letzten Wochen auch getan. Er ist sehr stolz auf die bisherige Verbesserung, da er sich schon damit abgefunden hatte, wohl den Rest des Jahres seine Pausen mit Handschreiben verbringen zu muessen... :angst: :D
    Das zweite Bild ist sein derzeitiges Schriftbild (nach ca. 6 Wochen in der 5.),...obwohl es in dem Fall eben auch noch etwas schluderig ist, einfach, weil wir Texte sprachlich verbessert haben und er Aenderungen vorgenommen hat. Aus meiner Sicht aber wesentlich besser, da die meisten Buchstaben nun wenigstens einheitliche Hoehen vorweisen (vorher war ein kleines 's' so hoch wie ein 'h' oder 'f' usw. und Gross- und Kleinbuchstaben waren nur schwer zu unterscheiden).

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