Ein Plädoyer für "Schreiben durch Lesen"?


  • Unter http://www.grundschulservice.de/ ist es der Elterbrief Nr. 22

  • Für mich liegt es ganz klar an der Umsetzung. Ich kann mich als Lehrkörper nicht darauf ausruhen, dass die Kids ja nun schreiben dürfen, wie sie wollen. Das ist ein Missverständnis.


    Meine ehemaligen 2. Klässler konnten ableiten, verlängern, Silben klatschen, kannten Silbenkapitäne, kannten Ausnahmen, kannten Vor- und Nachsilben, kannten gewisse Rechtschreibregeln und waren zum Nachschlagen im Wörterbuch angeregt. Sie wussten was Nomen, Verben und Adjektive sind. (Nicht alle, aber ca. 70%) Trotzdem durften/mussten sie ständig eigene Texte verfassen. Es gab keinen Silbenlehrgang, aber regelmäßig themenabhängige Merkwörter. Lesetexte wurden von mir in Silbenschrift herausgegeben. Meine jetzigen 5er wurden nach dem selben "System" unterrichtet (nicht von mir) und können gar nix. Im Schnitt haben wir in dem Duisburger Sprachstandstest 50% erreicht :staun: :schreien: Da lief wirklich etwas falsch...
    Ich wiederhole gerade mit den 5ern, was ich mit meinen 2. Klässlern schon durch hatte. Dementsprechend kann ich inzwischen die Kollegen der Sek 1 (wozu ich nun auch gehöre) und ihre Kritik an dem "System" verstehen. Nur ist meiner Ansicht nach nicht das System das Problem...

  • Frau/Herr Asfaloth,


    vielen Dank für den Tipp mit dem Verweis „Unter http://www.grundschulservice.de/ ist es der Elterbrief Nr. 22“. Ich hätte nicht gedacht, dass sich inzwischen das Gros der Fachwissenschaftler und Hirnforscher gegen die Didaktik des Unterrichts nach „Lesen durch Schreiben“ und die daraus abgeleiteten ähnlichen Methoden positioniert hat. Wie an dem Fundort schon angesprochen, könnte das m. E. tatsächlich zu einem großen Problem für die an Grundschulen Unterrichtenden werden. Bei dieser Sachlage könnten Eltern - mit Bezug auf die in dem Aufruf genannte Professorin Röber - durchaus zunächst einmal die Lehrerinnen und Lehrer für das Versagen ihrer Kinder im Anfangsunterricht für verantwortlich halten und daraus Konsequenzen ziehen. Wie würden sich bei einer eventuellen Klage die Rechtsschutz- und Berufshaftpflichtversicherung verhalten? Ich mag und kann das gar nicht zu Ende denken – vor einigen Jahren noch gab es solche Probleme nicht.

  • Ein großes Problem liegt schon in der Lehrerbildung...


    Ich selbst habe Lehramt GHR/GE mit Schwerpung G studiert (bin nun an der Grundschule tätig). Im Studium waren Mathematik und Gesellschaftswissenschaften "meine Fächer".


    Gezwungenermaßen mussten wir damals das DGD (Didaktische Grundlagenstudium Deutsch) besuchen. Was wir dort gemacht haben, hat niemals irgendetwas mit dem zu tun gehabt, was nun von mir verlangt wird.... nämlich Kindern lesen und schreiben beizubringen.


    Klar Im Referendariat hat man dann mal hospitiert und setzt das nun nach bestem Wissen und Gewissen um... aber das reicht nicht. Die (durchaus ernstgemeinte) Frage ist jetzt, wo soll MIR als Lehrerin beigebracht werden, wie ich lesen und schreiben beibringen soll, wenn es in der Uni nicht geschehen ist????


    Mini-Fortbildungen von wegen "Ich setz mich am Nachmittag mal zwei Stündchen in den Verlag" reichen mir da nicht.


    Vor einem Jahr war ich auch noch so, dass ich Eltern zu Beginn der ersten Klasse aufgefordert habe, die Schreibweisen ihrer Kinder NICHT zu korrigieren, weil es mir im Referendariat so vorgelebt wurde.


    Heute als Mutter würde ich einen Teufel tun, mein KInd nicht zu berichtigen... hier wurde ja bereits gesagt, dass korrigieren durchaus im Sinne von "ermutigen" möglich ist.


    Zu meiner Berufspraxis: Ich würde es gern anders machen und hätte sogar in meiner Schule die Handhabe darüber, ABER ich weiß nicht wie :(

  • Pensionist; gern geschehen :)


    Ich habe mich damit beschäftigt weil mein Sohn jetzt in die 1.Klasse kam. Ich habe zu meiner Zeit noch ganz klassisch mit einer Fibel gelernt und empfinde dadurch keinerlei Nachteile. Wenn es mal bei ihm soweit ist, werde ich auch nicht nichts tun. Srprich, eingreifen, aber nicht alles zerstören. Diese Art der Reformpädagogik zeigt für mich persönlich, dass nicht alle schulischen Neuerungen sinnvoll bzw. ausgereift bzw. angepasst ans System sind.

  • Zitat

    Ich würde es gern anders machen und hätte sogar in meiner Schule die Handhabe darüber, ABER ich weiß nicht wie


    Ich finde das sog. --> Basiskonzept sehr eingängig, wenngleich es etwas der Einarbeitung bedarf. Ich arbeite damit seit dem letzten ersten Schuljahr.
    Weiteres auch auf meiner Seite --> "Fela" korrigieren und --> Basisgrapheme/Orthographeme


    Aber egal wie man es dreht und wendet: Bei der aktuellen Diskussion über "Lesen und Schreiben" im Netz und in den Massenmedien macht man es sich seeehr einfach, wenn man die Ursache für schwache Rechtschreibleistungennur auf EINE Methode reduziert! Diese Tendenz ist im übrigen hier auch zu erkennen. Irgendetwas / irgendjemand MUSS ja letztendlich immer schuldig sein - im Zweifel ist es, wie sonst auch, "die Schule". Dass die Ursachen --> ein ganz klein wenig komplexer sind, wird auch von den Kritikern an "Lesen durch Schreiben" betont, z.B. Steinig, Thomé, Eichler uvam. - ich reihe mich übrigens da auch ganz hinten ein. Genauso betonen sie aber auch, dass Kinder freie Texte schreiben sollen! Und ja, Rechtschreibung lernt man am Anfang über das Hören, weshalb das differenzierte Hören nicht verlernt werden darf. Und eben das differenzierte Hören beherrschen Kinder vor Eintritt in die Schule und verlernen es leider viel zu häufig im Laufe von Klasse 1.


    Was wir bräuchten, sind, Lehrerinnen und Lehrer, die sich zutrauen mehrere Rechtschreiberwerbsmethoden in einer Klasse nebeneinander zu fahren. Die starken Kinder scheinen ja von "Lesen durch Schreiben" zu profitieren, allerdings kommen die schwachen damit nicht sehr weit. Es wird in einer Klasse niemals DIE eine selig machende Methode für ALLE Kinder einer Klasse geben. Dafür sind Kinder, das mag man bedauern oder auch nicht, letztendlich einfach zu verschieden.

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