Fähigkeiten von Erstklässlern

  • Eine ganz ernst gemeinte Frage an die Grundschulkollegen unter euch: Welche Fähigkeiten sollte ein Erstklässler mitbringen? / Was sollte er schon können um dem Unterricht erfolgreich folgen bzw. erfolgreich mitarbeiten zu können?

  • Eigentlich gibt's da ne ganze Latte..... Für mich wichtig: gewisses Maß an Konzentrationsfähigkeit , Frustrationstoleranzgrenze, emotionale Stabilität. Sprachlich sollte das Kind soweit fit sein. Grob- und Feinmotorik altersangemessen.
    Es gibt wie gesagt ganz viele Dinge, auf die man schauen kann/muss.
    Aber das sind diejenigen, welche mir sofort förmlich ins Auge springen, wenn was nicht in Ordnung ist.
    Kognitive Fähigkeiten (gerade auch in Mathe- mengenerfassung zb) dauern dann eine Weile der Überprüfung und Beobachtung.
    Panama

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • @ Panama: Danke für deine Antwort!


    Mein Zwerg ist noch nicht so weit ;)
    Ich habe gestern mit einer Mama diskutiert, die ihre Kleine ein Jahr früher einschulen lassen möchte, weil sie ja "schon sooo viel kann". Kognitiv ist das auch sicher richtig. Sie ist ganz "pfiffig", kann schon ein bißchen Lesen und Rechnen (hat einen großen Bruder...).
    Ich habe zu bedenken gegeben, dass das sicher stimme, aber für die Einschulung auch andere Dinge wie z.B. das Sozialverhalten, die emotionale Reife und die Konzentrationsfähigkeit wichtig seien. Daran hapert es bei der Kleinen meiner Meinung nach nämlich noch aber da wollte die Mama natürlich nichts von wissen... Aber ich bin ja auch keine Grundschullehrerin ;)
    Ich verstehe immer nicht, was die Eltern sich davon versprechen, ihre Zwerge früher einschulen zu lassen :autsch:

  • Ach, da gibt es noch mehr Argumente dagegen:
    1. die Kinder sind noch lange genug in der Schule.
    2. besonders bei Mädchen: diese "hinken" in der Entwicklung ewig hinterher. Spätestens in der Pubertät wird sich das rächen. Wenn die anderen Mädchen pubertieren, womöglich schon die Sek. Geschl.organe reifen.....
    3. selbst wenn das Kind kognitiv fit ist: die Kann-Kinder haben IMMER mit Tempo, oft mit Spieltrieb, Luststeuerung und Konzentration zu kämpfen


    Wenn Eltern meinem, ihr Kind sei im KiGa unterfordert, dann können sie es doch in der Freizeit fördern!!!!
    Oft zeigt es sich im dritten Schuljahr, meistens bis in die Pubertät rein, dass die frühe Einschulung nicht gut war. In den seltensten Fällen ....
    Das sage ich, als Kooperationslehrerin (Kindergarten) UND als Mutter eines Sohnes, der mit 5 Jahren fließend gelesen hat, und so fit war, dass die Erzieherinnen mir zur frühen Einschulung geraten haben!! Gott sei Dank habe ich das gelassen. Das wäre mal ordentlich in die Hose gegangen.
    Die kognitive Entwicklung bleibt ja zwischendrin auch mal stehen .... Jetzt ist er ein normaler, wenn auch sehr guter Viertklässler , der allerdings zwei Schuljahre mit seiner Frustrationstoleranzgrenze zu kämpfen hatte..... ;)


    Panama

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Ps. Alle Kann-Kinder, die ich im Klassenzimmer hatte, haben:
    1. entweder das dritte SJ wiederholt
    2. oder sind auf der weiterführenden Überfordert. Spätestens, wenn sie(dank G 8 )so früh Abi machen, dass sie noch nicht in der Lage sind, zu studieren.....


    Meine Güte, die Schule kommt doch früh genug!!!!!!
    Der Ehrgeiz mancher Eltern ist nicht zu fassen....


    Wenn das Kind 1 Tag nach Stichtag geboren ist.... Aber manche schulen ihr Kind ja mit knapp 5 1/2 ein.....

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Ach, noch was: finde ich voll gut, was du der Mama gesagt hast. Das zeigt doch, dass man keine GS-Lehrerin sein muss.... Der normale Menschenverstand reicht doch auch schon :) wobei du als Sek-Lehrerin ja auch noch mal nen anderen Blick hast.
    Naja, bei der von dir beschriebenen Mama ist halt eher der Ehrgeiz im Vordergrund.....

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • @ Panama: Bei der Mama ist mit Argumenten leider nichts zu machen. Sie ist überaus ehrgeizig und sieht ihre Kinder als "Projekt". Jegliche Kritik oder sogar schon vorsichtiges Gegenargumentieren (mehr traue ich mich überhaupt nicht) wird entweder ignoriert oder mit "Ich bin aber die Mutter und weiß es besser..." abgewiegelt.
    Es steht ja auch schon seit der Geburt fest, dass sie (und der große Bruder selbstverständlich auch) auf jeden Fall Abi macht und studiert. Na ja, wenn Mama meint, muss die Kleine da wohl durch. Mir tut sie leid :(


    In der Freizeit wird ja auch gefördert. Das Kind bekommt z.B. schon "richtigen Reitunterricht" (natürlich Einzelstunden), von einer Trainerin, die "schon viele sehr gute Reiter hervorgebracht hat". Schwimmen geht sie auch und nun soll sie sich an der Musikschule noch ein Instrument aussuchen, das sie dann lernen soll. Nein, das will sie natürlich, weil der große Bruder auch ein Instrument spielt.
    Ach ja, sie ist im März erst vier Jahre alt geworden... Einschulung ist dann mit 5 1/2.

  • Ab heute am Kiosk:
    Spiegel 33/2013 mit dem Ttel: "Achtung!Eltern! Sie tun alles für ihr Kind - und schaden ihm"
    Untertitel: "Kampfauftrag Kind" :pfeifen:


    Zitat:

    Zitat

    "Kinder sind nicht mehr wichtig für die Altersvorsorge", sagt Seiffge-Krenke. "Man bekommt sie freiwillig, und sie sind wichtig für den Selbstwert der Eltern geworden." Das habe eine narzisstische komponente angenommen. Die Eltern schmückten sich mit ihren Kindern, sie seien zum Faktor der Repräsentation der Familie nach außen geworden."


    Da hast du wohl mit 'Helikopter-Ego-Eltern' zu tun. Für diese Eltern ist es überaus wichtig, dass das Kind als SEHR intelligent gilt. Denn damit wäre bewiesen, dass es prächtige Gene besäße - die man selbst vererbt hat. Und somit ist man auch selbst - 'q.e.d' - prächtigst ausgestattet.


    Ob es dem Kind gut tut, ist nebensächlich.


    BTW: Ich habe mehrere Bekannte, die ihre Kinder früher eingeschult hatten. Bei ALLEN war spätestens in Klasse 5 Schicht im Schacht.
    Ich habe auch Bekannte, die ihr Kind bewusst später (=regelhaft) eingeschult haben. Diese Kinder waren durchweg die "Überflieger". Ist auch logisch. Sie waren den anderen voraus....
    Piaget lag nicht falsch.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Ein langsameres Kind wird durch 1 Jahr Warten durch spätere Einschulung nicht schneller - aber ein schnelleres Kind wird auch nicht "dümmer". Man macht ihm durch eine deutlich frühere Einschulung nur eventuell unnötige Probleme - durch die es dann in höheren Klassen oft gar nicht so "gut" sein kann, wie es vielleicht bei normaler Einschulung "gewesen wäre".


    Vielleicht "zieht" diese Beobachtung, die ich schon mehrfach gemacht habe? (Nämlich, den Blick doch etwas weiter voraus zu lenken..)

  • Interessante Diskussion. Ich persönlich finde solche überehrgeizigen Eltern einfach albern. Sie lassen ihren Kindern anscheinend jetzt schon nicht genug Platz für eigene Entscheidungen (den Spiegel Artikel hab ich auch gestern gelesen :) ).
    Zumal früher (bzw. zu früh) eingeschulten Kindern meist einfach noch etwas fehlt; seien es psychische Fähigkeiten (geduld, Frustrationstoleranz und ein gewisses Sozialverhalten) aber auch phyisch (grade bei Jungs, die ja eh hinterher hinken.)

  • Wenn sich anscheinend die große Mehrheit der Lehrer darüber einig ist, dass eine vorgezgene Einschulung in der Regel eher nicht der günstigste Weg ist, warum dürfen dann noch so viele Kinder vorzeitig einggeschult werden? Man hört ja im Umkreis der KiTa immer wieder davon, dass Eltern das anstreben bzw. auch machen. Wer entscheidet denn letztendlich darüber, ob ein Kind früher eingeschult wird? Das kann doch eigentlich nicht ausschließlich Sache der Eltern sein, oder?


    Sorry, ich kenne mich damit wirklich überhaupt nicht aus...

  • Wer entscheidet denn letztendlich darüber, ob ein Kind früher eingeschult wird? Das kann doch eigentlich nicht ausschließlich Sache der Eltern sein, oder?


    Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, § 6 Abs.2

    Zitat

    Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht


    Eigentlich sollte man diesen Paragrafen auf einer Metalltafel am Eingang der Schule anbringen.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Bei uns in BaWü ebenfalls. Im Zweifel kann der SL eine Prüfung durch das Gesundheitsamt veranlassen. Entscheiden tut letztendlich der Schulleiter. Wobei ich schon Fälle erlebt habe, wo Eltern auf dem Schulamt Sturm liefen, und das Kind dann trotzdem eingeschult wurde. Naja, dann muss das eben so sein.......


    Bei uns an der Schule läuft es immer so:
    Die Eltern äußern den Wunsch. Daraufhin sorge ich dafür, dass das Kind zu mir in die Kooperation kommt. Ich arbeite also mit dem Kann-Kind genauso wie mit allen "normalen" Schulanfängern. Ich führe Gespräche mit den Erzieherinnen und den Eltern.
    IM Januar/Februar zeichnet es sich oft schon ab, dass man dem Kann-Kind besser noch ein Jahr Zeit geben sollte (NICHT immer - aber in 98% der Fälle.....)
    also wieder Gespräche mit Eltern, Erziehern.
    Ich informiere die Schulleitung.
    Dann kommt die Schulanfängeranmeldung. Dort können die Eltern bei mir oder beim Chef anmelden. Kann-Kinder schicke ich grundsätzlich zur Anmeldung zum Chef.
    Dieser entscheidet dann, ob das Gesundheitsamt eingeschaltet wird, oder eventuell unsere Beratungslehrerin.
    Unser Chef entscheidet dann, ob das Kind eingeschult wird. Und wir waren uns irgendwie noch nie uneins.


    Man versucht natürlich, im Einvernehmen mit den Eltern zu entscheiden. Gelingt natürlich nicht immer.


    Panama

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • alias:
    Schon mal was von der konkurrierenden Gesetzgebung gehört???


    ....in diesen abschließenden formulierenden Artikeln des Grundgesetzes ist jedoch unter anderem das Schulrecht nicht aufgeführt. IM Umkehrschluss lässt sich daraus folgern, dass das Schul- und Bildungswesen eine ausschließliche Angelegenheit der nachgeordneten Bundesländer ist.


    Die "Pflege und Erziehung" ist nicht gleichzusetzen mit der Bildung. Weswegen man zumindest bei uns auch sein Kind nicht zu hause unterrichten darf (um noch ein weiteres Bsp. zu nennen)


    Ergo entscheidet über Schulfähgikeit letztendlich die Schule, da es im Schulgesetz steht. Und da gibt es nichts zu rütteln dran und du kannst so viele Metalltafeln aufhängen, wie du möchtest ;)

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Interessante Diskussion. Ich persönlich finde solche überehrgeizigen Eltern einfach albern. Sie lassen ihren Kindern anscheinend jetzt schon nicht genug Platz für eigene Entscheidungen.


    (Oder zuviel - gerade in diesem Alter brennen gerade sehr wissbegierige Kinder geradezu darauf, in die Schule zu kommen - und nicht nur aus negativem "Überehrgeiz". Von den Kindern ist es aber natürlich zuviel verlangt, den Blick zu heben und abzusehen, worauf sie sich einlassen..)


    Aus meiner Sicht wird bei uns oft "wohlmeinend" versucht, die schon in diesem Alter evidenten großen Unterschiede zwischen den einzelnen Sechsjährigen durch früheres oder späteres Einschulen "anzugleichen" - meiner Meinung nach ist das eine Fehlentwicklung. Es "hilft" vielleicht in den ersten 2-3 Jahren, spätestens dann verwischt der kleine "intellektuelle Altersvorsprung". Im Gegenteil nimmt man später eingeschulten langsameren Kindern 1 Jahr "Luft" für eventuelle Klassenwiederholungen und weist ihnen außerdem eine Rolle als "Älteste" in der Klasse zu, der sie oft nicht gewachsen sind - für die früher eingeschulten Kinder ist das "wissensmäßige 1-Jahr-früher" kein großes Problem, sehr wohl aber oft das Soziale, das dann oft durch ungute Verhaltensmechanismen überspielt oder psychisch durch die Stellung als "Jüngere" besonders schwer genommen wird: Beides verursacht psychischen Stress.


    Schon im ersten Schuljahr ergeben sich nach dieser Methode Altersunterschiede von bis zu 2,5 (!) Jahren, durch Klassenwiederholungen u.Ä. wird diese Kluft mit den Jahren noch weiter aufgeweitet - das sich ergebende Alters-Leistungs-Spektrum ist bei Gruppen von Jugendlichen für alle (!) Beteiligten ungut.


    Kinder sind gleichwertig, aber eben nicht schulisch gesehen gleich schnell - die aktuell herrschende Tendenz, bei der Letzteres gern geleugnet wird, da scheinbar ausschließlich der "numerisch messbare Intellekt" zählt und dieser oft zwanghaft als potentiell gleich bei jedem Schüler "dargestellt" wird ("Mein Kind ist eigentlich hochintelligent, nur faul/zerstreut/psychisch beeinträchtigt.."), ist immens frustrierend für alle Beteiligten. Durchgehend wird auch an den vielgelobten bayerischen Gymnasiem ein Teil der Klasse über-, ein anderer jedoch systematisch unterfordert, beides führt zu Frustrationen. Ich wäre wahnsinnig gespannt, mal ein wirklich funktionierendes Prinzip von differenzierendem Unterricht, der zumindest fast allen gerecht wird, zu sehen..

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