Kultusminister BW: Lehrer sollen in den Ferien das wahre Leben (=Betriebe) kennenlernen!

  • Die harte Arbeit der grün-roten Landesregierung an der Zerstörung des Baden-Württembergischen Schulsystems kommt nicht recht voran. Nun hat die SPD - wohl aus nackter Überlebensangst - die Idee der einheitlichen Lehrerausbildung inkl. Abschaffung des sonderpädagogischen Studiums verworfen.


    Für Ausgleich sorgt Waldorfschul-Freund und Volljurist Andreas Stoch, der sich redlich bemüht, sein Personal zu demotivieren und das Ansehen der Lehrer in der Öffentlichkeit systematisch herabzusetzen. Da Stoch aufgefallen ist, dass Lehrer - und ganz besonders natürlich Gymnasiallehrer - das Leben nicht kennen, will er sie nun in den Ferien zu Betriebspraktika (!) verpflichten.


    http://www.google.com/hostedne…d3FA8w?docId=TX-PAR-HWB16


    Dazu wäre vieles zu sagen, was zu sagen ich mir erspare. Wirklich interessant ist die Frage, ob Stoch die Grenze der geistigen Zurechnungsfähigkeit mittlerweile erreicht hat oder ob es sich um ein kühl kalkuliertes politisches Manöver handelt.


    In letzterem Fall kann das Ziel wohl nur darin bestehen, durch die Inszenierung von Scheindebatten und die Diskreditierung der Lehrer die eigenen Vorhaben - inklusive der eigenen Sparvorhaben - zu stützen.


    Für mich persönlich ist BW bald Geschichte. Ich spreche allen KollegInnen, die bleiben, mein Beileid aus. Bildungspolitik war ja immer schon schwierig, aber eine Parade derart haltungs- und schamlosen Personals wie in BW zurzeit hat es in der Geschichte der Bundesrepublik wohl noch nicht gegeben.

  • Na das ist ja "interessant". Da bin ich doch sehr auf nähere Ausführungen gespannt. Wie oft? Wie lange?


    oh man... :autsch:


    Aber was soll ich euch sagen: in Hessen ist das sogar schon im Studium verankert. bzw. muss es vorher oder nebenbei/in den Ferien abgeleistet werden. Bezüglich "Betriebspraktika" (8 Wochen!) habe ich mich also schon vor einiger Zeit genügend aufgeregt. Natürlich kann es nicht schaden, mal über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, aber aus Zwang heraus? Super Idee! Bei uns ging es soweit, dass jegliche soziale Einrichtungen nicht genehm waren (Kindergarten etc.). Und was kommt dann dabei raus...? Man organisiert sich über zig Ecken eine Bescheinigung von jemandem, der jemanden kennt, der befugt ist o.ä. und hat die meiste Arbeit mit wikipedia, google und Co., wenn man den Praktikumsbericht verfassen muss. Nochmal: :autsch:

  • Man kann doch einen Gegenangebot formulieren: Der Kultusminister sollte mal in seinen Ferien das wahre Leben kennen lernen und in seinen Schulbetrieben ein Praktikum machen.

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • Das steht doch aber auch gleich in der Meldung, Thamiel ;)


    Zitat

    Die Gewerkschaft GEW warf Stoch "Stammtisch-Bildungspolitik" vor. "Wir empfehlen dem Minister, ausführliche Schulpraktika zu machen", sagte der Sprecher der GEW in Baden-Württemberg, Matthias Schneider, der Nachrichtenagentur AFP. Offensichtlich wisse Stoch nicht, wie es an den Schulen zugehe, und unterstelle den Lehrkräften, mit ihrer Arbeit nicht ausgelastet zu sein.

  • Oh Manno... es geht auf die Ferien zu. Da kann man einen drauf lassen, dass wie jedes Jahr einer das übliche Lehrer-Bashing lostritt.


    Die Idee mit den Betriebspraktika ist ja an sich ganz brauchbar - aber dann nicht in der unterrichtsfreien Zeit, sondern (wie in den Betrieben auch) als Ersatz für reguläre Arbeitszeit.
    Die unterrichtsfreie Zeit ist bereits für den Abbau geleisteter Überstunden und für die Vor- und Nachbereitung reserviert - sowie für den regulären, zustehenden Erholungsurlaub.


    So wie sich die SPD mittlerweile präsentiert, wird das Debakel im Herbst absehbar. Die Lehrerschaft ist traditionell in der Mehrheit eher grün-rot-affin.
    Wenn die so weitermachen, verlieren sie ein großes Päckchen Stammwähler - so die einhellige Meinung in der heutigen Pause.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Zu Zeiten der DDR hieß es noch "Lehrer in die Produkton." Hier einmal ein "historischer" Rückblick in die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte zu jener Zeit:

    Zitat

    Zwar wird in der DDR die Lehrerschaft mehr noch als mancher andere Berufszweig mit Ansehen und Auszeichnung versorgt. Aber dafür müssen die Lehrer auch, wie DDR-Umfragen ergaben, länger und härter arbeiten als andere Werktätige: Pro Tag haben sie nur viereinhalb Stunden Freizeit, und ihre wöchentliche Arbeitszeit beträgt 63 Stunden. Westdeutsche Lehrer dagegen arbeiten nach eigener Einschätzung zwischen 49 und 52 Stunden pro Woche.

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42645461.html
    Das mit der Arbeitszeit bekommen wir sicherlich noch hin, aber das mit "Ansehen und Auszeichnung"? Naja, man kann halt nicht alles haben...


    Aus der weiter oben verlinkten AFP-Nachricht:

    Zitat

    Handwerk und Mittelstand klagten, dass es an Schulen an Wirtschaftsverständnis mangele, erklärte Stoch seinen Vorstoß. Vor allem Gymnasiallehrer sollten sich deshalb durch Einsätze in Unternehmen weiterbilden.

    Vielleicht auch nur ein Trick, um den propagierten "Fachkräftemangel" zu bekämpfen. Aber warum dann nicht gleich Ernteeinsätze beim Bauern, dort fehlen bekanntermaßen wegen der schlechten Bezahlung auch "Fachkräfte".


    Wenn, dann aber bitte ein qualifiziertes Praktikum in einem Export-Unternehmen mit IG Metall-Tarifvertrag. Dann besteht zumindest die Chance, dass man in einen gut dotierten Posten mit weniger Arbeit als im Schulbetrieb abgeworben wird. :cash: Aber nein, solche Praktika werden sicherlich aus genau diesem Grund nciht erlaubt werden. Sollen ja "Handwerk und Mittelstand" sein. Und vielleicht demnächst auch die Ernteeinsätze...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    Einmal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • Die Lehrerschaft ist traditionell in der Mehrheit eher grün-rot-affin.
    Wenn die so weitermachen, verlieren sie ein großes Päckchen Stammwähler - so die einhellige Meinung in der heutigen Pause.


    Da irrst du dich aber gewaltig! Bevor die gemeine Lehrkraft von ihrer Gutmenschen-Ideologie abrückt und vielleicht eine Partei wählt, die ihre Interessen vertritt, geht sie lieber in die Nicht-Wähler-Schmollecke...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Mikael: Besser hätte ich es nicht formulieren können! :top: Ein Besuch in unserem Lehrerzimmer kostet in dieser Hinsicht Nerven!!! Keine Ahnung haben, aber "aus Prinzip" eine Partei wählen :autsch:

  • Zitat

    ...und vielleicht eine Partei wählt, die ihre Interessen vertritt...


    Du schreibst so, als ob du eine kennst. Momentan fällt mir keine ein - welche meinst du denn? :ohh:

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll


  • Also wenn ich mir anschaue, welches Programm die CSU und die SPD so auf Lager haben in Bayern und dann immer wieder die Meldungen aus dem einst schwarzen und jetzt grün-roten BW lese, dann fällt mir die Entscheidung schon nicht so schwer. Keine Partei ist perfekt, schon klar. Versprechungen vor der Wahl sollte man nicht zu ernst nehmen, aber größere bildungspolitische Aktionen, die ich für höchst fragwürdig halte, schon.

  • "Ist der Lehrer ein Handwerker, kann er sich schon ernähren. Ist er es nicht, wird ihm erlaubt in der Ernte sechs Wochen auf Tagelohn zu gehen" Friedrich der Große

  • Als ich mein BWL-Studium begann, war der Nachweis eines sechsmonatigen Betriebspraktikums vor Studienbeginn noch eine der Eingangsvoraussetzungen. Nachdrücklich empfohlen wurde jedoch eine kaufmännische Lehre. Kurz danach wurde das Pflichtpraktikum als Eingangsvoraussetzung abgeschafft. Hauptgründe waren:


    Es wurden häufig fingierte Gefälligkeitsbescheinigungen vorgelegt.
    Es wurden nur stumpfsinnige Hilfsarbeiten (z. B. Registratur von Belegen) ausgeführt.
    Wurde der Praktikant wirklich in ein interessantes Projekt eingebunden, bekam der dadurch noch lange nicht den Blick auf die Vielfalt und Zusammenhänge betrieblicher Abläufe und auf andere Betriebsarten.


    Daran dürfte sich bis heute nichts geändert haben. Wo sollten denn diese Praktika für Lehrer stattfinden? Bei ALDI an der Kasse, in der Vorstandsetage einer Bank, beim Friedhofsgärter mit 10.000 Mann ‚unter sich‘, in der Massentierhaltung oder an Bord einer Lufthansamaschine?


    Neulich beim Frisör kam ich mit einer Schülerin ins Gespräch, die dort ein Berufsfindungspraktikum absolvierte, und erkundigte mich, ob es da ein Programm gebe, welche Arbeiten (z. B. Haare waschen) sie ausführen müsse. Da schaltete sich der Chef ein: ‚Nein, die lasse ich den ganzen Tag nur stehen. Wer nicht stehen kann, taugt nicht für diesen Beruf.‘


    Wollte man mir solches demnächst auch antun wollen, würde ich mich wegen des Fremdsprachenunterrichts für ein von Baden-Württemberg finanziertes Praktikum in einem Hotel in Spanien bewerben, selbst auf die Gefahr hin, dass mir der Hotelier erklärt, am nächsten Tag Insolvenz anzumelden, damit ich den Bezug zur Praxis bekomme.


    Alternativ könnte ich mir vorstellen, an einer der von den Kindern unseres Kultusministers besuchten Waldorfschulen zu lernen, meinen Namen zu tanzen. Vielleicht entspannt das etwas.


    Die Schule soll auf das Leben vorbereiten. Wie dieses jedoch im Einzelfall verläuft, ist im Voraus nicht zu sagen. Aus der Vielzahl der Kulturgüter werden exemplarisch nur wenige als Bildungsgüter ausgewählt, die je nach Schulart unterschiedlich sein können. So mag ein Gymnasiast nicht gerlernt haben, seine Einkommensteuererklärung auszufüllen und welcher Unterschied zwischen Einnahmen, Einkünften, Einkommen und zu versteuerndem Einkommen besteht. Ein Berufsschüler mag auf die Frage: ‚Kennst du Goethe?‘ antworten: ‚Nein, wie macht man das?‘ Alles kann und soll die Schule nicht vermitteln. Dazu gibt es genügend Möglichkeiten auch außerhalb.


    Die Landesregierung Baden-Württemberg behauptet in einem Werbespot: ‚Wir können alles, außer Hochdeutsch.‘ Wozu dann Praktika für Lehrer?

  • Das ist doch lustig. Es wird ja auch immer mal wieder gefordert, dass Ingenieure und Physiker an die Schulen kommen und den Schülern mal zeigen, wie Physik geht, oder Maschinenbau. Man könnte ja einfach mal während der Schulzeit für ein paar Wochen die Arbeitsplätze tauschen. Könnte für alle Teile amüsant werden.


    Ich denke das auch immer, wenn morgens der Berufsverkehr von A nach B und B nach A pendelt: Tauscht doch die Wohnungen!


    Nun finde ich allerdings auch die Praktikumsbesuche, die ich bei meinen Schülern durchführe, meistens sehr interessant, weil ich da tatsächlich durch die Betriebe geführt werde und oft interessante Gespräche führe. Aber mein Berufsfindungspraktikum habe ich schon abgeleistet, drei Wochen in einer Gärtnerei (damals übrigens in den Schulferien, nach der 12. Klasse und ganz freiwillig).


    Hm... bei den Geschehnissen in der Welt kann im Moment von einem Sommerloch eigentlich keine Rede sein ... vielleicht hat sich Herr Stoch über seinen Schwager geärgert, der am Gymnasium unterrichtet und jetzt in den Genuss der großen Ferien kommt ... oder so ... ich kann mich da nicht drüber aufregen, ist doch eh Quatsch.

  • Nun finde ich allerdings auch die Praktikumsbesuche, die ich bei meinen Schülern durchführe, meistens sehr interessant, weil ich da tatsächlich durch die Betriebe geführt werde und oft interessante Gespräche führe.

    Das ist ja auch durchaus sinnvoll. Es wäre jedoch schon sehr hilfreich, wenn die Schüler in der Zeitung nicht nur das läsen, was sie interessiert, sondern auch den Wirtschaftsteil. Wir mussten als Schüler am (altsprachlichen!) Gymnasium für den Gemeinschaftskundeunterricht jede Woche einen Kurzbericht über aktuelle Wirtschaftsfragen sowie über eine Branche unserer Wahl anfertigen und am Montag vortragen. Der Referent wurde jeweils ausgelost. Da es noch kein Internet gab, war tägliches Schnipseln von Artikeln aus der Tageszeitung angesagt. Einige Mitschüler verdienten sich ein kleines Taschengeld, indem sie Kopien ihrer Berichte an Klassenkameraden verkauften, die sich am Prinzip 'Management by delegation' orientierten. Dennoch belebten diese Kurzreferate deutlich die Diskussionen im Unterricht und förderten Einblicke in die Wirtschafts- und Arbeitswelt.


    Themenvorschläge für Abschlussprüfungen wie: 'Erläutern Sie ausführlich, wie es zur Euro-Krise/zu Problemen bei den (Landes-)Banken/bei der Stahlindustrie u. a. kam und machen Sie drei sinnvolle, begründete Lösungsvorschläge!' habe ich mir bisher verkniffen. Vielleicht kann ich mich nach einem Praktikum in den Ferien und anschließender Einbringung der Erkenntnisse in den Unterricht an derartige Themen wagen. Vamos a ver. :grins:


    Ich erinnere mich aber noch gut an ein Seminar an der Uni, in dem wir Ursachen und Folgen der Weltwirtschaftskrise von 1929 behandelten. Unser Professor (später einer der 'Wirtschaftsweisen', welche die Regierung berieten) versicherte uns damals, dass es zu weltweiten Wirtschaftskrisen niemals mehr kommen könne, da die Wissenschaft inzwischen die geeigneten Gegenmittel entwickelt habe und - dank seiner Mithilfe' (auf Honorarbasis) den Regierungen ein geeignetes Instrumentarium zur Verfügung stehe. Im Übrigen kann man im Unterricht zur Belustigung beitragen, wenn man aus alten Aufzeichnungen aus Uni-Zeiten zitiert wie: 'Wenn die Aktienkurse sinken, steigen gleichzeitig die Zinsen für festverzinsliche Wertpapiere.'

  • Zitat

    Themenvorschläge für Abschlussprüfungen wie: 'Erläutern Sie ausführlich, wie es zur Euro-Krise/zu Problemen bei den (Landes-)Banken/bei der Stahlindustrie u. a. kam und machen Sie drei sinnvolle, begründete Lösungsvorschläge!' habe ich mir bisher verkniffen. Vielleicht kann ich mich nach einem Praktikum in den Ferien und anschließender Einbringung der Erkenntnisse in den Unterricht an derartige Themen wagen.


    Die Wirtschaft, von der Du hier redest, ist nicht die Wirtschaft, von der Stoch redet. Wenn Stoch von "Betrieben" fabuliert (in die er selbst wohl nie einen Fuss gesetzt hat), geht es primär um den baden-württembergischen Mittelstand.


    Die implizite Annahme ist daher nicht, dass Lehrer den Wirtschaftsteil nicht verstehen. Sie lautet, dass Lehrer zu abgehoben und gleichzeitig zu beschränkt sind, um zu kapieren, wie man Kaffee kocht, den Hof fegt und das Backblech aus dem Ofen zieht. Dass die GEW den Kultusminister - der letztlich ja auf jeden Fall "ihr" Kultusminister ist - für "Stammtischpolitik" kritisiert, ist daher schon treffend. Wir reden hier vom "Kampf mit der Brotschneidemaschine" auf RTL-Niveau: http://www.rtl.de/cms/sendunge…life/undercover-boss.html


    Im Übrigen ist ein einmonatiges Betriebspraktikum schon seit Jahren zwingende Voraussetzung für die Zulassung zum baden-württembergischen Referendariat, was Herr Stoch aber sicher nicht weiss.


    Letztlich geht es vermutlich vor allem darum, davon abzulenken, dass Herr Stoch dabei ist, sich in eine Reihe von Versagern einzuordnen. Wir erinnern uns gerne an:


    - Shopping-Queen (sorry, war nur ein Gerücht) Gabriele Warminski-Leitheußer,


    - Pädagogik-Revoluzzer Peter Fratton
    (http://www.stuttgarter-zeitung…77-8e17-23f402cc0505.html)


    - und ganz aktuell: Ministerialdirektorin Margret Ruep, bei der Stoch and friends allerdings - allen Sparvorhaben zum Trotz - noch für eine kräftige Pensionserhöhung vor dem Abgang gesorgt haben...
    ( http://www.presseportal.de/pm/…hert-ruep-hoehere-pension)

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