Laptop statt Schreibheft in der Regelschule?

  • Liebe Leute,



    ich bin Klassen- und Deutschlehrer an einem Gymnasium in
    Hessen und kann zum vorliegenden Fall keine ganz genauen Angaben machen, um dem
    Persönlichkeitsschutz des Schülers Genüge zu tun. Es geht darum, dass einer
    meiner Schüler (6. Klasse) extreme Schreibprobleme hat und jetzt von einer
    Ärztin, die die Schnittstelle von Augenheilkunde und Bewegung als Schwerpunkt
    hat, eine Art Schreibbehinderung
    bescheinigt bekommen hat. Sie empfiehlt die Benutzung eines Laptops mit Drucker
    für längere Schreibaufgaben. Meine Frage: Kennt Ihr Fälle, entweder an Eurer
    Schule oder im weiteren Umfeld, wo es Schülern in einer Regelschule erlaubt
    ist, einen Laptop zu benutzen? Falls das zutrifft – wie wird das praktisch umgesetzt,
    z.B. in Klassenarbeiten?





    Mit fragenden Grüßen

  • Ja, wir haben eine körperbehinderte Schülerin, die sämtliche Schreibaufgaben am Laptop machen darf. Wo ist das Problem, wenn es ärztlich bescheinigt wird, dass der Schüler nur so sein vollständiges Leistungsvermögen abrufen kann? Die Klausuren (mittlerweile ist sie in der Oberstufe) schreibt sie auch am Laptop. Die werden auf USB-Stick oder ausgedruckt (abhängig vom Wunsch des jeweiligen Lehrers) abgegeben. Internet muss dann natürlich ausgeschaltet sein.

  • Internet muss dann natürlich ausgeschaltet sein.

    Rechtschreibprüfung dann wohl auch.
    Wie wird das kontrolliert, dass keine weiteren Hilfsmittel auf dem PC sind? Keine Dateien, die während des Schreibens einer Klausur geöffnet werden können?
    Geht doch eigentlich nur, wenn die Schule dann einen stellt. Also der Lehrer schleppt nicht nur Trennwände und Klausur, sondern auch Laptops für alle, die zu so einer Ärztin gehen?

  • Rechtschreibprüfung dann wohl auch.
    Wie wird das kontrolliert, dass keine weiteren Hilfsmittel auf dem PC sind? Keine Dateien, die während des Schreibens einer Klausur geöffnet werden können?
    Geht doch eigentlich nur, wenn die Schule dann einen stellt. Also der Lehrer schleppt nicht nur Trennwände und Klausur, sondern auch Laptops für alle, die zu so einer Ärztin gehen?


    Wie bist du denn drauf? Man geht doch nicht zum Spaß zu "so einer Ärztin", um am Laptop schreiben zu dürfen.


    Es dürfte auch nicht so viele Schüler geben, die so eingeschränkt sind.


    Barrierefreiheit hieße für mich hier: Ja, die Schule muss den Laptop stellen. Wo ist das Problem? Ich lasse ständig Klausuren am Rechner schreiben - auch Abschlussprüfungen. Und natürlich stellt die Schule die Geräte. In Informatik ist das nun mal so. Da gibt es genügend Mittel, unzulässige Hilfsmittel auszuschließen. Warum soll das nicht auch bei einer Deutschklausur gehen? Weil die Lehrkraft mit ihren Trennwänden überfordert ist?


    Die Rechtschreibhilfe schützt im Übrigen nicht wirklich vor Rechtschreibfehlern...

  • Danke erstmal bis dahin für die guten Anregungen, so ähnliche Gedanken haben wir uns im Kollegium auch gemacht. Es ist eben die Gefahr vorhanden, dass die (zweifellos vorhandenen) langsamen Fortschritte in der Handschrift jetzt nicht mehr weiter gefördert werden und stattdessen mit dem Rechner geschrieben wird - die Frage ist nur, wer den Laptop dann stellen soll... Es wird auch geäußert, dass die Zulassung eines Laptops zu einem "Dammbruch" führen wird, sodass etliche andere SchülerInnen mit schwer lesbarer Handschrift ebenfalls dieses Recht für sich in Anspruch nehmen wollen...

  • Ich hatte auch mal einen Schüler, der eine Feinmotorikstörung hatte und keine lesbare Schrift hinbekam.
    Deshalb wurde ihm für Unterricht und Klassenarbeiten auch ein Laptop gestattet.

  • Barrierefreiheit hieße für mich hier: Ja, die Schule muss den Laptop stellen. Wo ist das Problem?


    Ok, ich zähle mal ein paar Probleme auf:


    Wer bezahlt den Laptop? Die Schülerin (wie Papier, Stifte,...)? Deren Krankenkasse ("Hilfsmittel" wie Hörgerät, Brille,...)? Die Schule (aus welchem Etat)? Der Schulträger?


    Wer wartet den Laptop (Software, Hardware, Virenschutz) bzw. garantiert dessen Funktionsfähigkeit bei Klausuren u.ä.? Der Fachlehrer? Der Schul-Admin? Der Schulträger (ggf. Fremdfirma)? Die Schülerin selbst?


    Was passiert bei Beschädigung / Verlust / Diebstahl des Gerätes? Wer zahlt / haftet?


    Ist die Lehrkraft jetzt gezwungen vor jeder Klausur den Laptop zu inspizieren wegen möglicher Täuschungsversuche? Dürfte sie das überhaupt, falls der Laptop im Privateigentum der Schülerin ist (Wohl ein klares NEIN!)? Wird für Klausuren ein Extra-Laptop gestellt? Ist ein Ersatzgerät bei Klausuren ständig verfügbar und einsatzbereit?


    Die Schule sollte hier nicht in vorauseilendem Gehorsam ein "Rundum-Sorglos-Paket" anbieten. M.E. sind hier ersteinmal die Schülerin selbst bzw. der Schulträger in der Pflicht.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    Einmal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • Mhm. Einerseits gibt es den ärztlichen Rat, einem Schüler eine technische Hilfe zur Verfügung zu stellen, um eine körperliche Benachteiligung auszugleichen.
    Anderseits sieht sich die Schule logistischen Schwierigkeiten und administrativen Schwierigkeiten gegenüber.
    Drittens gibt es zahlreiche Präzedenzfälle (ich kenne auch den einen oder anderen.)


    Ich denke bei der Frage, ob die Bildungschancen für diesen Schüler gewährleistet oder ob der Schule erspart wird, sollte es wenig Entscheidungsschwierigkeiten geben. Probleme sind dafür da gelöst zu werden, da muss man eben einfach mal drüber nachdenken.


    Nele


    P.S. "Dammbruch"? WTF!?

  • Nele, dann ganz konkret: Wie würdest DU die Probleme lösen, die ich oben aufgezählt habe?

    Zitat

    Probleme sind dafür da gelöst zu werden, da muss man eben einfach mal drüber nachdenken.


    Vielleicht hättes du Bildungspolitiker werden sollen. Die reden nämlich immer GENAU SO.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Naja, mag sein, dass du bisher nur wirklich nachvollziehbare Atteste vorgelegt bekommen hast. Ich kriege hier ständig LRS-Bescheinigungen, die nicht tatsächlich begründet sind. Die sehen alle gleich aus. Bei den Gutachten ist jeweils nur ein anderer Name eingetragen, alle anderen Werte sind exakt gleich, wenn man zu so einem Arzt geht (bei uns sind zwei Praxen betroffen).
    Es entscheidet aber hier die Klassenkonferenz, wenn ein Nachteilsausgleich angemessen ist.


    Natürlich geht es auch bei uns, dass ausnahmsweise mal mit einem Laptop geschrieben wird. Hatte schon einige Schüler, die wegen eines gebrochenen Arms dieses Hilfsmittel brauchten. Die Arbeit wurde entsprechend gekürzt und die Lösungen musst der Schüler dann eintippen. Da musste ich aber nur EINEN Laptop tragen. Wenn man nun wegen schlechter Handschrift Laptops erlaubt, ist es nicht nur einer, den man organisieren/überprüfen/tragen muss. Und wenn die Schule nur zwei hat, beginnt hier schon das gezerre.
    Schön, wenn deine Schule so gut ausgestattet ist. Ich freue mich für dich! Ach ja, einen PC-Raum haben wir auch. Da passen 12 Schüler rein. Was mache ich mit den restlichen 20?

  • Zitat Mikael :

    Zitat

    Vielleicht hättes du Bildungspolitiker werden sollen. Die reden nämlich immer GENAU SO.

    Und bürden mit diesem Blabla den Lehrern vor Ort eine ganze Tüte voll Mehrarbeit auf ! 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Zitat Mikael :

    Und bürden mit diesem Blabla den Lehrern vor Ort eine ganze Tüte voll Mehrarbeit auf ! 8_o_)


    Und Mehrarbeit muss natürlich abgewehrt werden. Nee, is klar.


    Am besten denkt man auch nicht selbst, und wenn, dann nur, indem man schwierige Fragen stellt, die angeblich unlösbare Probleme aufwerfen. Damit man auch ja nichts ändern muss.


    Gibt es an euren Schulen keine Laptops? Oder werden sie aufgrund der unermesslichen Probleme nicht eingesetzt? Diese Probleme sind doch nicht neu. Gibt es bei euch auch niemanden, der für die Computer zuständig ist und sich um die Software kümmert?


    Aber ich verstehe auch die ganze Polemik nicht. Hier geht es doch um einen einzigen Fall. Der wird nicht zum "Dammbruch" führen, welch Verfolgungswahn.


    Die Antworten sind doch klar: Ja, das gibt es, dass Schüler am Laptop schreiben, etwa bei gebrochenen Armen. Idealerweise stellt die Schule den Laptop. Ist das nicht möglich, findet man eine individuelle Lösung.


    Und ja, irgendwann werden Schüler vielleicht nur noch auf Tablets schreiben und nicht mehr in ihre Hefte. Hat Vor- und Nachteile wie die Verwendung von Autos, Taschenrechnern, Navigationsgeräten und Smartphones.

    • Offizieller Beitrag

    vor 6 Jahren fragten mich zwei damals Zehntklässler, ob sie im Geschichtsunterricht auf Laptops schreiben dürften. Die Nachfrage bei Kollegen (damals war ich ref und wollte nichts falsch entscheiden) ergab, dass das auch ohne Attest erlaubt worden war.
    Ich war zunächst skeptisch und machte zur Bedingung, dass der Unterricht und nicht die Laptoptechnik (hakt, stürzt ab, laaaaangsam ect.) auch bei diesen Schülern und ihren Banknachbarn im Vordergrud stehen müsse.
    Und es lief bestens: die Schüler beteiligten sich super am Unterricht, gingen verantwortungsvoll m it der Technik um, und nie stellte sich die Frage, was passiert bei einem Defekt. Es waren ihre Privatgeräte, ich nehme an, dass die Eltern selbst dafür hafteten. Wie beim teuer gekauften grafikfähigen Taschenrechner auch.
    Einen "Dammbruch" hatte das nicht zur Folge.


    Man sollte also nicht immer gleich den Untergang des Abendlandes vorhersehen.....,
    meint die ansonsten durchaus kulturtechnikkonservative Friesin

  • Die Frage kann aus meiner Sicht nicht sein: Laptop ja oder nein? sondern muß lauten: Ab welchem Entwicklungsstadium ist die Koordination Hand - Auge beim Schreiben nicht mehr für die kognitive Entwicklung wichtig?
    Ab dann gehts auch mit 'nem Laptop ohne Probleme.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Die Antworten sind doch klar: Ja, das gibt es, dass Schüler am Laptop schreiben, etwa bei gebrochenen Armen. Idealerweise stellt die Schule den Laptop.


    Ich bin ja bei solchen Dingen immer schwer von Begriff, deshalb frage ich immer gezielt nach:


    Im vorliegenden Fall ging es um eine medizinische Indikation (ärztlich bescheinigte Schreibbehinderung). Wieso stellt die Schule in so einem Fall (und vergleichbaren Fällen) "idealerweise den Laptop"? Stellt die Schule bei Schülern mit ärztlich bescheinigter Sehschwäche dann auch "idealerweise die Brille"? Oder bei Schülern mit ärztlich bescheinigten Hörproblemen "ideralerweise das Hörgerät"?


    Und was ist hierbei eigentlich die Rolle des Schulträgers? Dieser ist doch primär dafür verantwortlich, dass die Schule in einem baulichen und technischen(!) Zustand ist, so dass Schüler unabhängig von ihren persönlichen Voraussetzungen dem Unterricht folgen können. Gerade in Zeiten der "Inklusion" sollte man das nicht vergessen! Ist die Lehrkraft nicht primär dafür verantwortlich, den Unterricht durchzuführen? Oder ist sie jetzt der "Technikassistent" und "Laptop-Träger" für Schüler mit bestimmten Bedürfnissen?


    Zitat

    Gibt es bei euch auch niemanden, der für die Computer zuständig ist und sich um die Software kümmert?

    Ist diese Person bei euch an der Schule so unterbeschäftigt, dass sie sich noch um den "persönlichen" Laptop-Bedarf einzelner Schüler kümmern kann? Bekommt sie für diese Mehrarbeit eine Entlastung? Wem wird die Entlastung dafür entsprechend weggenommen? Dem Personalrat? Dem Beratungslehrer? Der Frauenbeauftragten? Oder hofft man hier wieder auf den unbezahlten Idealismus Einzelner, ohne den der Schulbetrieb mittlerweile zusammenbrechen würde? Und ist nicht gerade der Schulträger eigentlich für die Wartung (und nicht nur für die Anschaffung!) der technischen Geräte zuständig?


    Wie gesagt. Ich bin bei solchen Sachen immer schwer von Begriff und dankbar für Aufklärung!


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Wieso stellt die Schule in so einem Fall (und vergleichbaren Fällen) "idealerweise den Laptop"? Stellt die Schule bei Schülern mit ärztlich bescheinigter Sehschwäche dann auch "idealerweise die Brille"? Oder bei Schülern mit ärztlich bescheinigten Hörproblemen "ideralerweise das Hörgerät"?



    Wieso "die Schule"? Der verantwortungsvolle Lehrer sollte das höchstpersönlich tun. Alles andere hieße (ich zitiere eine werte Kollegin) doch "den Schüler aufzugeben". Das soll es uns doch wert sein, oder?


    Just for fun. *g*


    Raket-O-Katz

  • Wieso "die Schule"? Der verantwortungsvolle Lehrer sollte das höchstpersönlich tun. Alles andere hieße (ich zitiere eine werte Kollegin) doch "den Schüler aufzugeben". Das soll es uns doch wert sein, oder?


    Ja, das gebietet sich natürlich als politisch korrektes Handeln alleine aus Gründen der "sozialen Gerechtigkeit". Und als "höchstbezahlter Beamter" (O-Ton NRW-Regierung) finanziert man solche Kleinigkeiten natürlich aus eigener Tasche und belästigt nicht den armen Steuerzahler in Form des Schulträgers...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Was sagt denn eigentlich nun die Schule zu dem Thema? Es muss doch bei einem Schüler mit medizinischer Indikation dann doch eigentlich einen s.g. "Förderschwerpunkt" geben, oder? Dann muss man das in der Klassenkonferenz beschliessen, wie es gemacht wird. Am besten der Schüler geht auf die Förderschule (falls es eine in eurem Bundesland noch gibt). Die wissen am besten Bescheid, welche Regelungen angewendet werden müssen bzw. können.
    Und was sagt die Schulleitung? Die muss doch vor allem über die rechtlichen Aspekte Bescheid wissen.

  • Das wird ja wirklich sehr kontrovers gesehen und spiegelt auch ein bisschen die Ansichten in unserem Kollegium wider.


    Jetzt würde mich aber doch interessieren, wie die Benutzungserlaubnis konkret umgesetzt wurde,
    falls der Rechner dem jeweiligen Schüler gehörte - wer hat wie überprüft, inwieweit
    Hilfsmittel benutzt werden konnten? Eigentlich müsste der Laptop ja
    komplett "clean" sein, d.h. ohne Dateien usw., in denen Spicker usw.
    abgelegt werden konnten, vom Internetzugang ganz zu schweigen. Auch in
    dieser Hinsicht herrschen an unserer Schule Bedenken, v.a. unter den
    etwas älteren Kollegen(-innen), die sich mit der modernen Technik nicht
    ganz so auskennen...
    Wer kann mir diese Frage konkret beantworten?

  • Ich konnte erst heute eure vielen Antworten lesen, deshalb auch erst jetzt meine Antwort - sorry!


    Die Schülerin, die bei uns alles am Laptop schreiben darf ist körperbehindert. Das hat mit LRS nichts zu tun. Dürfte sie nicht am Laptop arbeiten, könnte sie ihr Abi (und auch ihren FOR-Q davor) vergessen, da sie motorisch einfach nicht in der Lage ist, in einigermaßen angemessenem Tempo und lesbar zu schreiben.
    Für den "normalen" Unterrichtsgebrauch benutzt sie einen privaten Laptop. Ob sie da Zuzahlungen von der Krankenkasse bekommen hat, weiß ich nicht. Das ist, denke ich, eine Einzelfallentscheidung. Klausuren schreibt sie an einem Notebook von der Schule, das unser Schuladmin extra für solche Fälle eingerichtet hat. Außer einem Textverarbeitungsprogramm ist da nichts drauf. Sie hat in den Klausuren ihren Mitschülern gegenüber keine Vorteile.
    Es gab bei uns auch keine "Welle" von ominösen Bescheinigungen, die besagen, dass plötzlich andere SuS auch am Notebook schreiben müssen/dürfen.


    Insgesamt sollte es möglich sein, solche relativ einfachen Barrieren zu beseitigen, damit die Kinder ihr volles Leistungspotenzial ausnutzen können. Ob jemand mit der Hand nun gut schreiben kann oder nicht ist doch letztendlich relatv egal, oder?

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