Kind kann Ende der 1. Klasse nichts lesen und schreiben

  • Hallo!
    Ich habe einen Jungen in meiner 1. Klasse, der nicht einmal ein Wort wie Tim selbst aufschreiben kann. Er wird grad von vorne bis hinten durchgetestet und ich frage mich derzeit, ob und wenn ja wie ich ihn in die 2. Klasse mitnehmen soll. Im Rechnen ist er mittelgut. Er kann Sätze fehlerfrei abmalen, kennt aber nicht viele Buchstaben sicher und weiß natürlich nicht, was er geschrieben hat. Bei Lernwörter Diktaten würde ich von ihm nur dieAnfangsbuchstaben erwarten, aber kein einziger kommt, nur xtgbjzrd oder ähnlich. Ich hoffe, es wird eine Empfehlung aus ärztlicher Sicht geben. Aber wenn nicht? Grüße, kitty.

  • Wurde seine Hörverarbeitung getestet?
    Wenn er das Prinzip von Laut-Buchstabenverarbeitung noch überhaupt nicht verstanden hat, denke ich, ist er in klasse 2 überfordert!
    Dann tust du weder ihm noch dir einen Gefallen wenn du ihn mitnimmst.
    Gruß

  • Ich hoffe, es wird eine Empfehlung aus ärztlicher Sicht geben. Aber wenn nicht? Grüße, kitty.


    Ich würde eher auf eine Empfehlung aus pädagogischer Sicht hoffen. Dafür sind wir doch die Fachleute und nicht Mediziner, oder?


    Ist der Junge denn motiviert, lesen und schreiben zu lernen? Weiß er, warum er das tun soll? Interessiert er sich für Bücher?


    Wenn nein, wäre das doch der erste Ansatzpunkt.

  • Hallo!
    Hast du denn gar keine Ahnung, woran es liegen könnte? Das ist dir doch bestimmt schon einmal aufgefallen.
    Ich würde auch sagen, das 2. Schuljahr macht keinen Sinn. Da wäre er überfordert und das frustriert ihn nur.
    Bekommt er denn eine sonderpädagogische Überprüfung? Wenn das Kind GAR NICHTS aufschreibt, ist das echt heftig. Sogar mein Schüler mit einem getesteten IQ von um die 70 mit leichter geistiger Behinderung kann einige Buchstaben benennen und schreibt in Skelettschrift.

  • Liebe Kirstie,
    in meinem letzten ersten Schuljahr hatte ich auch einen Schüler, der bereits die erste Klasse wiederholte und keinen einzigen Buchstaben kannte. Das Prinzip der Laut-Buchstabenzuordnung hatte er überhaupt nicht verstanden. Auch konnte er keine Laute raushören. Er konnte mir z.B. nicht sagen, was er bei dem Wort "Oma" am Anfang hört. Und das nach einem Jahr im ersten Schuljahr. Ich habe dann mit ihm (und auch der ganzen Klasse) alle Buchstaben mit Gebärden gelernt, und zwar die Gebären vom Mildenberger Verlag (ABC der Tiere). Beim Lautieren, Schreiben und Lesen hat er immer die Gebärden benutzt. Auch zu Hause haben die Eltern mit ihm nach diesem Prinzip geübt. Nun, Ende Klasse 2 (nach 3 Schulbesuchsjahren) kann er lautgetreu schreiben und relativ flüssig lesen.
    Vielleicht helfen diese Gebärden deinem Schüler auch?
    Wenn du bei google "Mildenberger Verlag Gebärden" eingibst, direkt der erste Link, dorst kannst du dir die Gebärdenbilder runterladen.
    Viel Erfolg!
    Brotkopf
    http://www.lehrerforen.de/index.php?page=User&userID=16148

  • Er erscheint grundsätzlich motiviert mit unglaublichem Durchhaltevermögen . Er mogelt sich durch so gut er kann, schreibt alles vom Nachbarn ab, damit sein Heft auch voll ist. Mit der Gebärdensprache, das ist sicher eine gute Idee, aber zu spät für dieses Schuljahr. Er scheint die Laute nicht herauszuhören, auch nicht am Anfang. Richtig, er hat die Laut-Buchstabenzuordnung höchstens im Ansatz verstanden. Die Mutter war schon im November überzeugt, dass er Legasthenie hat, wie schon in der Familie vorgekommen. Dadurch hat sie eventuell schon sehr früh aufgegeben?
    Erst seit ungefähr März bekomme ich Unterstützung 2mal die Woche von einer Förderlehrerin. Die aber oft vertreten muss...
    1mal die Woche nimmt sich jetzt die Förderschullehrerin Zeit, ca. 30 min. Über die Osterferien hab ich ihm ein kopiertes Geheft mitgegeben, um die Buchstaben nochmal grundlegend zu wiederholen:Wo hörst du...? Aufgaben
    Zum Ohrenarzt hab ich ihn schon bald geschickt, ohne Befund. Ich meine, dass er schon ein paar Fortschritte gemacht hat, aber minimal.
    Ich habe mir wirklich viel Zeit genommen für Buchstabeneinführung und Übung. Mit Stationentraining, Mund genau beobachten, Laute genau spüren, Buchstabenheft und allem. So eine auditive Verarbeitungsstörung kann aber kein Ohrenarzt feststellen, oder?
    Ich denke mir, das Argument der Mutter wird sein: Na, nur wegen Legasthenie kann man doch niemanden wiederholen lassen???
    Danke für Eure Antworten!
    Lg
    Kitty

  • Hallo,
    für eine vertiefende medizinische Untersuchung würde ich die Eltern an einen Pädaudiologen verweisen oder sogar an ein Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ). Bei uns in der Gegend wird das in der Regel schlicht "Kinderzentrum" genannt. Bei derart gravierenden Auffälligkeiten würde ich die Förderschullehrerin aber auch fragen, ob nicht die sonderpädagogische Fachrichtung "Hören" hinzugezogen werden sollte. Manchmal reicht schon eine sogenannte "FM-Anlage" damit das Kind gezielt die Lehrersprache wahrnimmt und nicht mehr den Störschall und Nebengeräusche. Bei uns in Niedersachsen sind dafür die Landesbildungszentren zuständig.
    LG
    Cyan

  • Das klingt schon mal gut: Pädaudiologe. Innerhalb welches Berufsbildes gibt es denn diese Spezialisierung? Von Förderschule möchte die Mutter natürlich gar nichts hören. Ich bekäme allenfalls dem MSD (mobilen sonderpädagogischen Dienst). Was bedeutet FM-Anlage?
    Danke, Kirstie

  • Pädaudiologie ist eine medizinische Disziplin, der Pädaudiologe ein Facharzt für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen. Im Zweifel ginge auch auch ein 'normaler' HNO-Arzt, aber der Pädaudiologe ist eben noch spezialisierter. Eine entsprechende Abteilung sollte es in jeder Uni-Klinik und jedem SPZ geben, denke ich.


    Eine FM-Anlage ist eine Art Hörgerät, bei der du als Lehrerin z.B. ein kleines Mikrophon tragen würdest, so dass deine Stimme dann am Empfänger-Teil am Ohr des Schülers wiedergegeben würde und für ihn dann besser zu hören wäre. Sollte aber wirklich nur bei diagnostizierten Schwierigkeiten im Bereich des Hörens angewandt und dann fachmännisch angepasst werden; wird sonst vermutlich aber auch nicht genehmigt/finanziert.


    Wenn du der Mutter das Konzept der Förderschule Sprache (oder evtl. Förderschule Hören) als Durchgangsschule, mit Regelschullehrplan etc. näher erläuterst, wäre sie vielleicht offener dafür. Müsste natürlich auch erst geklärt werden, ob das wirklich das richtige für den Schüler ist.

  • Hallo noch mal,
    ich hatte mit dem Hinweis auf die Fachrichtung "Hören" weniger an einen Wechsel auf eine Förderschule gedacht. Ich kenne hier halt Kinder, die mit deutlichen Hörverarbeitungsschwierigkeiten inklusiv beschult werden und durch eine FM-Anlage unterstütz werden. Die Klassenräume wurden dafür mit Teppichboden und einer Akustikdecke ausgestattet und die Kinder erhalten Unterstützung durch den mobilen Dienst. Wie das in Bayern gehandhabt wird kann ich natürlich nicht sagen.
    An einen normalen HNO Arzt würde ich (nach meiner (!) Erfahrung) nicht verweisen. Wenn die Eltern die Schwierigkeiten nicht ausdrücklich und genau beschreiben können wird dort häufig nur das periphere Hören überprüft, also die grundlegende Hörfähigkeit. Ich habe vom HNO Arzt schon Kinder ohne Befund "zurückbekommen". Der Pädaudiologe hat einen differenzierte Diagnostik im Bereich Zentrale Hörverarbeitung und die ist häufig der Knackpunkt.
    Aber wie schon gesagt, ob das überhaupt das Problem ist muss geklärt werden.
    Gruß
    Cyan

  • Das liest sich schon ein wenig nach Hörverarbeitungsstörung und schreit ganz dringend nach Frühförderstelle, Pädaudiologisches Zentrum oder einer Schule für Sprachförderung, die in Kooperation Wahrnehmungsstörungen abgleicht.
    Ein HNO bringt da nix. Der kann das Organ überprüfen, aber nicht die Verarbeitung im Gehirn. Da gehört ja auch Verarbeitungsgeschwindigkeit etc. dazu. Das muss separat getestet werden.
    Das Kind ist jetzt schon total überfordert und der Frust wird nur noch größer. Mit in Klasse 2 würde ich ihn nicht nehmen.
    Panama

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

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