Dienstliche Beurteilung in Baden-Württemberg (anhand eines konkreten Falles)

  • Hallo zusammen,


    als langjährig hier Mitlesender (aber noch nie Mitschreibender) möchte ich mich jetzt einmal zu Wort melden und Euch um Eure Meinung bitten.


    Es geht um das leidige Thema "dienstliche Beurteilung", genauer gesagt, um die sogenannte Anlassbeurteilung in Baden-Württemberg.


    Da läuft in den letzten Jahren auch nach Meinung vieler Juristen ganz viel schief.


    Konkret geht es um einen Kollegen (Studienrat, A13), der in einem anderen Regierungsbezirk an einem Gymnasium tätig ist und eine Beförderung nach A14.


    In BW ist es so, dass 50% der A14er Stellen mit einer teilweise höchst fragwürdigen Ausschreibung vergeben werden, und die restlichen 50% nach einer Anlassbeurteilung. Dieser Kollege ist seit vielen Jahren an der Schule tätig, hat als einer der letzten im Kollegium noch ein volles Deputat. Die meisten anderen Kolleginnen/Kollegen packen ein volles Deputat schon aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr.


    Dieser Kollege hat jedoch in all den Jahren diverse Zusatzaufgaben (ohne Stundenermäßigung!) übernommen, war oft an Wochenenden in der Schule und hat sich wirklich für die Schule alle Beine rausgerissen. Er hätte (nicht nur nach meiner Meinung) eine OStR-Stelle verdient.


    Was passiert jetzt? Genau zu dem Zeitpunkt, an dem sein Anstellungsjahrgang an der Reihe war, hat ein neuer Schulleiter das Regiment in der Schule übernommen. Das Problem: Schulleiter in BW dürfen Beurteilungen durch Unterrichtsbesuche erstellen, auch wenn sie von dem betreffenden Fach keine Ahnung haben. Früher war es in BW so, dass ein sogenannter Fachberater (ein vom Oberschulamt bestellter und fachlich kompetenter Studiendirektor einer anderen Schule) den Unterricht besuchte und dann eine Beurteilung erstellen musste.


    Das ist lange vorbei. Heute kann ein fachlich völlig inkompetenter Schulleiter den Unterrichtsbesuch durchführen und ein völlig falsches und ungerechtes Urteil fällen. Genau dies ist hier passiert. Der Schulleiter, von dem bekannt ist, dass er die von diesem Kollegen unterrichteten Fächer radikal ablehnt, hat eine völlig unzutreffende Beurteilung geschrieben, die eine Beförderung nach A14 faktisch ausschließt. Diese Beurteilung hat in Fachkreisen Empörung ausgelöst, aber es ist offensichtlich unmöglich, dagegen etwas zu unternehmen.


    Sowohl ein Vertreter des Bezirkspersonalrats als auch ein beauftragter Rechtsanwalt haben von schreiendem Unrecht gesprochen, gegen das sich aber nichts machen lasse. Die Macht der Schulleiter in Baden-Württemberg ist offenbar unbegrenzt. Von Seiten des Örtlichen Personalrats an dieser Schule ist leider auch nicht viel zu erwarten.


    Es gäbe vielleicht noch eine Möglichkeit, zu einem gerechteren Urteil zu kommen, nämlich den Besuch eines kompetenten Fachberaters zu verlangen. Ein solcher Fachberater, der das betreffende Fach auch selbst unterrichtet, hat in BW sogar Weisungsbefugnis gegenüber dem Schulleiter.


    Der betroffene Kollege, der natürlich weiß, was er in den letzten Jahren geleistet hat, ist jedoch mittlerweile so >>>verbittert<<<, dass er alles hingeschmissen hat. Er kommt nicht mehr bei Kollegenausflügen mit, meidet Feiern im Kollegium und Veranstaltungen in der Schule. Ebenso will er sich anscheinend auf eine Sperrliste setzen lassen, die in BW bei den Regierungspräsidien geführt wird. Die Kollegen, die sich auf diese Liste setzen lassen, erklären gegenüber der Schulbehörde, dass sie keinen Wert mehr auf eine Beförderung legen und diesbezüglich auch keine Unterrichtsbesuche mehr wünschen.


    Seine Kolleginnen und Kollegen machen sich mittlerweile ernsthaft Sorgen.


    Ich möchte Euch gerne um Eure Meinung zu diesem Fall bitten. Ebenso würde mich interessieren, wie solche Fälle in anderen Bundesländern geregelt werden.


    Freundliche Grüße


    Zollernalb

  • Rechtlich kann ich hier leider nichts beitragen - aber: Vielleicht macht der Kollege genau das Richtige - einen Gang bzw. einige Gänge runterschalten und die Schule nicht mehr als Lebensmittelpunkt sehen. :pfeifen:

    • Offizieller Beitrag

    In Hessen kann man zu jedem Schriftstück in der Personalakte eine Stellungnahme hinzufügen. Fall man die Schule wechselt und die Akte mit umzieht, ist das oft günstig.


    Ansonsten ist es schwierig für den Kollegen: eine dienstliche Beurteilung kann nur aus ganz wenigen Gründen als "ungültig" ausgewiesen werden: da müsse der Schulleiter schon nachweisbare Falschbehauptungen drin stehen haben. Also sowas wie "in dieser 8ten Klasse zeigte Herr X zu wenig fachlichen Anspruch ..." wenn es eine 6. Klasse war. Oder er müsste den formalen Ansprüchen an eine DB nicht gerecht geworden sein - was ja sicher schon geprüft worden ist, wenn der übergeordnete Personalrat und ein Rechtsanwalt eigeschaltet wurden.


    Zitat

    Es gäbe vielleicht noch eine Möglichkeit, zu einem gerechteren Urteil zu kommen, nämlich den Besuch eines kompetenten Fachberaters zu verlangen. Ein solcher Fachberater, der das betreffende Fach auch selbst unterrichtet, hat in BW sogar Weisungsbefugnis gegenüber dem Schulleiter.

    Wenn das eine Möglichkeit ist, sollte der Kollege es - auch für's eigene Empfinden (manchmal trügt das ja auch) tun.


    Das Gerechtigkeitsempfinden allein reicht nicht und ist auch nicht wirklich ein Kriterium: wir kennen es ja nicht nur von den Schülern, dass schlechte Beurteilungen grundsätzlich immer auch ungerechte Beurteilungen sind.


    Ich finde, dass Tina durchaus recht hat: es ist gut, wenn man sich auch noch über andere Dinge definiert, als über Schule. Ich finde die Strategie des Kollegen daher gar nicht verkehrt.


    Alternativ könnte man sich nach einer anderen Schule umgucken.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Zur Versachlichung sind einige Anmerkungen zu Neckaralbs Darstellung notwendig:

    1. Schulscharfe A-14-Stellenausschreibungen sind mitbestimmungspflichtig, das heißt der ÖPR muss der Stellenausschreibung zustimmen.


    2. Die verschiedenen Änderungen des Beamtenrechtsrahmengesetzes (bis 2009) und das Beamtenstrukturgesetz haben dazu geführt, dass es keine Regelbeförderung mehr gibt. Das bedeutet, dass eine Höhergruppierung mit einer erweiterten Aufgabenstellung verbunden sein muss. Es ist der Erfolg der Arbeit des HPR, dass ein jährlich neu ausgehandelter Anteil der zur Verfügung stehenden Beförderungsstellen nach dem alten Verfahren, dem "Treppchenmodell", einer Mischung aus Anciennität und Leistung, vergeben wird.


    3. Bei allen Beförderungsverfahren ist eine Anlassbeurteilung zu erstellen. Diese war früher zweistufig. Der Schulleiter schrieb die formulargebundene Anlassbeurteilung, ein Fachberater schrieb einen formlosen Bericht über einen Unterrichtsbesuch über zwei Stunden in zwei verschiedenen Klassen, und das Oberschulamt setzte auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilung und des Besuchsberichts die Endnote fest. - Seit einigen Jahren gibt es nur noch einstufige Beurteilungen. (Das Für und Wider lasse ich jetzt außen vor.) Der Schulleiter muss sich dabei an die Verwaltungsvorschrift "Beratungsgespräch und dienstliche Beurteilung..." halten


    4. Das gesamte Verfahren ist in der Verwaltungsvorschrift "Beförderung zum Oberstudienrat" geregelt. (Von "unbegrenzter Macht" kann bei baden-württembergischen Schulleitern keine Rede sein.)


    5. Die Anlassbeurteilung geht weit über die Beurteilung einer Einzelstunde hinaus. Sie ist eine Beurteilung der gesamten dienstlichen Leistungen, und sie wird durch eine Befähigungsbeurteilung ergänzt. (Falls gewünscht, kann ich die gesamten vorgeschriebenen Beurteilungskriterien auflisten.)


    6. Dass eine dienstliche Beurteilung "in Fachkreisen" (?) Empörung auslöst, ist ungewöhnlich. Dienstliche Beurteilungen sind vertraulich zu behandeln.


    7. Die Behauptung, dass in Baden-Württemberg ein Fachberater einem Schulleiter gegenüber weisungsbefugt wäre, ist absolut unwahr.


    8. Die "Sperrliste" hat eine ganz andere Bewandtnis: Der Schulleiter erhält vom RP eine Liste mit den Namen derjenigen Kolleginnen und Kollegen, die die formalen Bedingungen für die Beförderung erfüllen. Der Schulleiter führt mit jeder Person auf der Liste ein Gespräch und fragt, ob sie am Verfahren teilnehmen will oder nicht. Eine negative Antwort gilt nur für das aktuelle Verfahren, aber niemals für längere Zeit.


    9. Wie Meike schon geschrieben hat: Jeder Beurteilte hat das Recht, eine schriftliche Stellungnahme zur Beurteilung abzugeben. Auf Seite 6 des Beurteilungsformulars wird dokumentiert, ob eine Stellungnahme abgegeben wird oder nicht. Die Stellungnahme kommt zu den Akten.


    10. Bei Versetzungen wurde früher die Personalakte (strenggenommen ist die an der Schule geführte Akte die "Personalhilfsakte", denn die eigentliche Akte wird im RP geführt) an die neue Schule geschickt. Seit einigen Jahren ist dies abgeschafft. Die Hilfsakte wird an der alten Schule ein Jahr lang aufbewahrt und ist dann zu vernichten.


    11. Die Beförderung wird vom Regierungspräsidium durchgeführt und ist dort mitbestimmungspflichtig. Der BPR bekommt detaillierte Informationen über die Entscheidungen.


    12. Wenn ein Schulleiter so unangemessen beurteilt, wie Neckaralb darstellt, bleibt das der vorgesetzten Behörde - der Abt. 7 im RP - nicht auf Dauer verborgen.

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