Geeignet als Lehrer?

  • Hallo,


    ich hoffe mal dass mir ein paar Lehrer in diesem Forum einen Ratschlag zu meiner aktuellen Problematik geben können.


    Ich bin 20 Jahre alt und habe im letzten Jahr mein Abitur gemacht und mich auch gleich darauf an einer Uni für das Studienfach Maschinenbau eingeschrieben. Diese Entscheidung entpuppte sich allerdings relativ schnell als Reinfall. Daraufhin kam ich auf die Idee einen Beruf zu ergreifen bei dem man mit Kindern arbeitet, da ich vor ein paar Jahren schon einmal ein Praktikum in einer Kita absolviert hatte, welches mir auch gut gefiel. Also absolvierte ich ein Praktikum an einer Grundschule für etwa 3 Monate. Ich durfte dabei im Unterricht einer ersten Klasse hospitieren und anschließend die Kinder in der Offenen Ganztagsschule betreuen was mir größtenteils viel Spaß machte. Ganz besonders gefiel es mir die Kinder bei ihren Hauasaufgabe zu betreuen oder ihnen bei ihren Aufgaben während des Unterrichts zu unterstützen.


    So, und was wäre da naheliegender als Lehrer an einer Grundschule zu werden? Leider bin ich ein äußerst ruhiger und zurückhaltender Mensch. Mir fällte es schwer Smalltalk zu halten und sonderlich gefallen tut es mir auch nicht, aber über Themen die mich interessieren kann man sich mit mir gut unterhalten. Diese Charaktereigenschaft ist vermutlich für einen Lehrer nicht gerade von Vorteil, allerdings mag ich es auch nicht besonders im Mittelpunkt zu stehen wie beispielsweise bei dem Vortrag eines Referates in der Schule. Ich krieg zwar keine panische Angst wenn ich vor Menschen sprechen muss, aber ich genießen tue ich es auch auf keinen Fall.


    Jetzt würde ich natürlich wissen ob jemand von euch die selben Probleme habt wie ich und ob sich diese Unsicherheit mit steigender Berufserfahrung wieder legt, oder ob diese Charaktereigenschaften für einen Lehren ein KO Kriterium sind.


    MfG

  • Hallo,
    bei Referaten und Vorträgen fühle ich mich auch nicht besonders wohl. Schätze ich bin vom Charakter her ähnlich wie du es beschreibst, bin aber trotzdem Grundschullehrerin geworden und komme da auch gut klar. Man wächst da rein. Klar, die Unterrichtsbesuche im Referendariat fand ich nicht besonders angenehm, aber da heißt es eben Augen zu und durch (wie bei Referaten und co auch). Vor der Klasse zu sprechen bereitet mir keine Probleme, sind ja Kinder (probiere aus, ob das bei dir auch so ist- hast du während des Praktikums mal selbst eine Stunde gehalten?). Ich mag es immer noch nicht besonders gerne, wenn jemand beim Unterricht dabei ist (z.B. Eltern oder Fachberater oder so). Da bekomme ich ein unwohles Gefühl, aber es ist schon auszuhalten.
    Mit den Kindern solltest du aber schon reden können - auch und gerade nicht nur über Unterrichtsthemen: Besonders die Kleinen werden dir immer mal wieder was erzählen, vom Wochenende, von ihrer Familie etc. , wobei dein Job da eher das Zuhören ist.

  • Leider bin ich ein äußerst ruhiger und zurückhaltender Mensch. Mir fällte es schwer Smalltalk zu halten und sonderlich gefallen tut es mir auch nicht, aber über Themen die mich interessieren kann man sich mit mir gut unterhalten. Diese Charaktereigenschaft ist vermutlich für einen Lehrer nicht gerade von Vorteil, allerdings mag ich es auch nicht besonders im Mittelpunkt zu stehen wie beispielsweise bei dem Vortrag eines Referates in der Schule. Ich krieg zwar keine panische Angst wenn ich vor Menschen sprechen muss, aber ich genießen tue ich es auch auf keinen Fall.


    Jetzt würde ich natürlich wissen ob jemand von euch die selben Probleme habt wie ich und ob sich diese Unsicherheit mit steigender Berufserfahrung wieder legt, oder ob diese Charaktereigenschaften für einen Lehren ein KO Kriterium sind.


    Ein K.O.-Kriterium auf keinen Fall. Ich bin genau der gleiche Typ Mensch, weshalb mir damals nach einem mehrwöchigen Praktikum von meinen betreuenden Lehrerinnen davon abgeraten worden war Lehrerin zu werden. Ich habe es aber dennoch gewagt und habe in meinen 2 Jahren Ref und den weiteren 2,5 Jahren im Beruf gelernt, viel offener und redseliger zu werden (wenn auch Smalltalk immer noch nicht mein Ding ist, aber dafür bin ich ein guter Zuhörer). Es hat mir also im Gegenteil gut getan, wenn ich auch sagen muss, dass mir bestimmte Situationen immer noch unangenehm sind bzw. nicht leicht fallen (z.B. wenn Kollegen mit im Unterricht sind). Deswegen bin ich aber noch lange keine schlechte Lehrerin und ungeeignet für den Beruf. Meine Hauptseminarleiterin meinte damals zu mir, dass es sogar von Vorteil sei, wenn die Kinder einen "ruhigen Pol" in der Klasse hätten. Und bisher hat sich noch niemand über meine Art beschwert. ;)

  • Macht es einen Unterschied, ob du vor Peers (Erwachsenen) oder vor Kindern im Mittelpunkt stehst? Das zweite wäre ein Problem. Das erste ist auch eins, aber "nur" in Bezug auf die unweigerlichen Lehrproben, Seminar und Studienleistungen auf dem Weg dahin.

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • Ich denke, man kann Vorträge und Referate nicht mit Unterricht vergleichen. Ich vermute mal, dass deine Referate und Vorträge bis jetzt immer bei Professoren oder Lehrern (also an der Uni oder der Schule) stattgefunden haben. Da präsentierst du also Menschen etwas, die sich in dem Thema viel besser auskennen und die dich eventuell auch danach benoten werden. Bei Schülern ist dies ganz anders. Du hast einen Wissensvorsprung vor den Schülern, und das gibt dir ein ganz anderes Auftreten. Angst vor anderen Menschen zu reden hat man meiner Erfahrung nach oft, wenn man denkt, sich in dem Thema nicht so gut auszukennen wie die Zuhörer. Dies wird dir außer in Unterrichtsbesuchen nie passieren.

  • Also erst mal danke für die vielen Antworten.

    Macht es einen Unterschied, ob du vor Peers (Erwachsenen) oder vor Kindern im Mittelpunkt stehst? Das zweite wäre ein Problem. Das erste ist auch eins, aber "nur" in Bezug auf die unweigerlichen Lehrproben, Seminar und Studienleistungen auf dem Weg dahin.

    Während meines Praktikums hab ich zwar keine Stunde gehalten, allerdings musste ich mal kurz für fünf Minuten vorne stehen und den Unterricht fortsezten als die Lehrerin mal kurz weg musste und das war eigentlich kein Problem. Ich schätze ich absolviere erst einmal dieses Eignungspraktikum um vielleicht noch ein paar Eindrücke mehr zu gewinnen. Vielleicht darf ich ja auch mal eine Stunde unterrichten.


    MfG

  • Im Gegensatz zu vielen anderen Antwortgebern bin ich der Meinung, dass man es im Lehrerberuf einfacher hat, wenn man offen, redegewandt und gerne präsent ist. Das bedeutet nicht, dass nur diese Typen gute Lehrer sind, aber sie haben es leichter. Man ist nicht so gestresst vor einem Elterngespräch, einem Telefonat, in schwierigen Unterrichtssituationen usw.
    Und zum Thema Grundschule: In den meisten Fällen muss man damit rechnen, an einer Sek. 1 zu landen. Wenn das für dich schon Horror ist und du eigentlich NUR an die Grundschule möchtest, halte ich das auch schon für problematisch - zumindest birgt das Potenzial für Schwierigkeiten.


    Das einfachste ist ein Praktikum an einer GS und an einer weiterführenden Schule. Probier dich aus, dann bist zu schlauer. Die meisten Schulen sind bereit, Praktikanten zu nehmen.

  • Hallo,
    Es gibt nur eine Möglichkeit das herauszufinden. Mache noch ein Praktikum und erteile ein paar Stunden selbst!
    ich kann nicht verstehen, wieso du als Grundschullehrer in der Sek 1 landen solltest. Hier in NRW ist das definitiv nicht so!
    Alema

  • Also das Praktikum werde ich auf jeden Fall noch vorm Studienbeginn machen. Allerdings bin ich doch schon sehr hin und her gerissen. Einerseits bin ich ein geduldiger Mensch und denke ich auch dass ich gut darin bin Stoff zu vermitteln und während meines Praktikums habe ich ja auch Konflikte mit den Schülern gelöst, was mir auch gut gelang. Andererseits fällt es mir schwer einzuschätzen inwiefern meine Persönlichkeit es mir zulässt eine Klasse souverän zu unterrichten, oder ob ich einfach für diesen Beruf nicht gemacht bin.

  • Ich wäre das optimistischer. Man wächst mit seinen Aufgaben. Du musst als Lehrer kein Partylöwe sein, sondern mit den Kindern, Eltern und Kollegen klar kommen. Das Problem mit dem Small Talk stellt sich weniger, weil man ja meist ohnehin ein Thema hat.


    Sich nicht überall vordrängen ist doch eine gute Eigenschaft. Und die Professionalität, die lernst du ja erst.


    Aber es kann dir niemand definitiv sagen, ob das der richtige Beruf für dich ist, das zeigt sich erst noch. Hör auf dein Gefühl.

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe gerade eben den Test gemacht. Mir wurde geschrieben, dass der Beruf für mich vermutlich attraktiv sein könnte, aber dass es Diskrepanzen gibt.


    Ja, ich bin nämlich auch eher ruhig und war früher schüchtern und zurückhaltend. Das hat Nachteile, natürlich. Jedes Referat, jede Prüfung und jeder Unterrichtsbesuch waren der blanke Horror für mich.
    Manchmal bin ich auch heute noch zu ruhig und zurückhaltend.
    Aber: Wie Piksieben schrieb, man wächst mit den Aufgaben. Ich habe das Glück, in der Grundschule die jüngeren Schüler zu unterrichten - und die lieben und mögen mich (überwiegend) so wie ich bin, denen ist es egal, ob ich schüchtern, ruhig oder zurückhaltend bin - ich bin ihre (erste) Lehrerin. Meine ersten Bedenken, nicht kontaktfreudig genug zu sein oder nicht gut genug erklären zu können, wurden bald zerstreut. Ich rede zwar selber nicht viel über mich selber und erzähle keine langen und tollen Geschichten, aber ich bin in der Lage, ein Kind, dass ein Kuschelbedürfnis hat, mal in den Arm zu nehmen, Kinder zu ermutigen, mit Kindern über ihre Aufgaben zu sprechen, mir auch Erzählungen anzuhören und dazu Fragen zu stellen. Ich kann Streitenden geduldig zuhören, sie ausreden lassen und ihnen Vorschläge zur Streitschlichtung machen. In Lernarrangements, in denen ich eher Lernbegleiterin bin als "traditionelle Lehrerin", kann ich mich im Hintergrund halten, Kinder, die Fragen haben unterstützen und den Kindern den Raum lassen, in dem sie selber entdecken können. Das ist auch wichtig - und hier haben sehr kontaktfreudige und sehr kontrollierende Kolleginnen (die noch vor 30 Jahren die idealen Lehrerinnen waren) oft Probleme. Im Moment habe ich eine Referendarin, der ich auch den Raum zum Ausprobieren lassen kann. Das Bedürfnis einzugreifen musste ich wirklich nur eine Stunde unterdrücken, danach war ich sehr gelassen in diesen Situationen, der anderen Mentorin geht es völlig anders.
    Auch in Elterngesprächen ist es nicht nur von Nachteil, etwas ruhiger zu sein: Ich habe schon Eltern erlebt, die dann anfingen sich zu öffnen - und ich konnte besser verstehen, was bei dem jeweiligen Kind gerade zu Hause los ist und warum es eben in der Schule nicht so funktioniert, wie sich das alle Beteiligten wünschen.


    Was ich viel anstrengender fand war, dass ich an der Uni gelernt habe, jedem Kind seinen Raum zu lassen, jedes Kind selbstständig und selbststeuernd lernen zu lassen, nur freundlich und lieb zu sein. Das waren keine guten Ratschläge. Grenzen setzen gehört zum Beruf eindeutig dazu und zwar auch in offenen Lernsituationen.
    Anstrengend war es auch, sich bei Kolleginnen und Schulleitung Gehör zu verschaffen. Das habe ich schnell lernen müssen - und zugunsten der Kinder fällt es mir wesentlich leichter, als wenn es nur um meine persönlichen Interessen ginge.


    Was ich immer noch anstrengend finde:
    - der Lärm in den Pausen und im Musikunterricht (hallige Räume, halliges Schulhaus, unerträglich klingende Metallophone),
    - die geforderte Multitaskingfähigkeit:7 Mitteilungshefte werden unter meine Nase gehalten, einer erzählt von der Magen-Darm-Grippe am Wochenende, eine zeigt ihr Pflaster, 2 Kinder husten mir etwas vor, 2 hauen sich, 2 probieren währenddessen aus, ob sie sich WC herunterspülen können, 5 Kinder erzählen mir, dass sich X und Y im WC herunterspülen wollen, 3 möchten wissen, was sie auspacken sollen (klar, das Heft steht vorne, man müsste nur schauen), eine Kollegin kommt herein und möchte mir die Ohren volljammern, bis zur ersten Pause will die Konrektorin irgend eine schriftliche Info von mir, ein Geschwisterkind betritt den Klassenraum und will Aufgaben für sein krankes Geschwister aus meiner Klasse holen und gleichzeitig müssen die Fenster geöffnet werden, weil die Luft unmöglich ist (die Kinder kommen an die Griffe nicht heran).
    - schnelles Umstellen auf ungewohnte Situationen, z.B. Vertretung in fremden Klassen,
    - Umgang mit bestimmten Kolleginnen und mit meinem Chef - aber das wäre auch in jedem anderen Beruf so.


    Und deshalb: Probiere es aus. Als Mann an einer Grundschule hast du zusätzlich immer einen Bonus - vor allem bei den Kindern.

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Punkt 1: Ich denke, man kann erst rausfinden, ob man für den Beruf geeignet ist, wenn man eigenverantwortlich mehrere Lerngruppen gleichzeitig unterrichtet. Beim Praktikum ist immer ein Lehrer mit dabei (zumindest war es bei mir so) und es sind in der Regel nur einzelne Stunden, die man unterrichtet. Man kennt die Lerngruppe nicht richtig, führt keine Elterngespräche usw.


    Punkt 2: ich bin ein ziemlich offener und kommunikativer Mensch. Ich halte das auch durchaus für einen Vorteil as Lehrerin, andererseits gehört zum Lehrerberuf soo viel mehr als kommunikativ und redegewandt zu sein: gutes Selbst- und Zeitmanagement, Durchsetzungsvermögen, Empathie, Gelassenheit, solides Fachwissen (zumindest wenn man in der Sek II unterrichtet) etc. etc.
    Gerade in den unteren Klassen kann es ein großer Vorteil sein, ein ruhiges Auftreten zu besitzen (daran musste/muss ich z.B. hart arbeiten).
    Ich habe nie Probleme gehabt, vor einer Gruppe von Menschen zu reden oder Referate zu halten, aber die Unterrichtsbesuche im Referendariat (seit ein paar Wochen vorbei, juhu :victory: ) waren für mich der blanke Horror!! :grimmig:


    Punkt 3: Ich unterrichte wesentlich lieber in der Oberstufe. ich bin fachlich gut und habe einfach einen "Draht" zu 16-19jährigen. Der Unterricht bei den Jüngeren fällt mir schwerer. Das heißt aber nicht, dass ich für den Unterricht in der Sek-I völlig ungeeignet bin. Was ich sagen will: Es ist doch ok, lieber in der Grundschule zu unterrichten als in der Sek I, solange man in beiden Stufen unterrichten kann.


    Konklusion: Ob du wirklich geeignet bist für den Beruf, merkst du erst, wenn du im Referendariat bist (oder vielleicht sogar erst, wenn du eine fester Stelle hast) - das ist m.E. auch ein großes Problem der Lehrerausbildung... Wenn du merkst, dass du es absolut nicht aushältst vor einer Gruppe von Schüler zu stehen, dann ist das schon ein schlechtes Zeichen. Wenn du hingegen ein etwas mulmiges Gefühl hast, wenn dir (wie beim Unterrichtsbesuch) 5 Erwachsene beim Unterrichtenen zuschauen, oder du nicht sofort pubertierende Kinder im Griff hast, dann ist das m. E. kein Hinderungsgrund Lehrer zu werden.


    Viel Erfolg bei deiner Entscheidung :)


    Sofie

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