Unterschiede zwischen Seiteneinsteigern und "regulären" Lehrern?

  • Hoi zsämme!


    Kennt jemand von euch zufällig Fachliteratur zum o. g. Thema? Ich sollte zwar eigentlich nur eine nicht allzu grosse Studienleistung dazu erbringen, welche im konkreten Fall so aussieht, dass ich Interviews mit Lehrern mit bzw. ohne Doktorat führen werde um zu sehen, ob es da irgendwelche generellen Unterschiede in der Unterrichtsgestaltung gibt. Kleine Anmerkung am Rande: Ich studiere/arbeite in der Schweiz und da gibt es auf Sek II keine Seiteneinsteiger, wohl aber Kolleginnen und Kollegen mit sehr unterschiedlichen Ausbildungshistorien (eben promoviert/nicht-promoviert, jahrelang in der Forschung bzw. Industrie gearbeitet oder direkt nach dem Fachstudium als Lehrer angefangen).


    Jedenfalls sollte ich mich nun für die Studienleistung auch auf Fachliteratur berufen und musste dabei ganz erstaunt feststellen, dass zwar eine ganze Menge "gefühlter Realitäten" im Internet herumschwirren, jedoch scheint es keine empirische Studien direkt zum Thema geben. Ich hätte jetzt gedacht, dass sich zumindest in Deutschland, wo besagte "gefühlte Realitäten" über die angebliche pädagogische Inkompetenz von Seiteneinsteigern besonders zahlreich und hartnäckig kursieren, mal irgendjemand die Mühe gemacht haben müsste die didaktisch/pädagogischen Unterschiede zwischen Seiteneinsteigern und Kollegen, die direkt auf Lehramt studiert haben, empirisch zu untersuchen.


    Hier mal ein Beispiel der gefühlt erwiesenen pädagogischen Unzulänglichkeit von Diplomphysikern, damit ihr euch ungefähr vorstellen könnt, was ich meine: C. Fruböse Diplom-Physiker als Lehrer, Physik in unserer Zeit 2009, S. 261 + Anhang. Ich zitiere eine Textpassage, da es den Artikel nicht ohne Zugangsberechtigung zum Journal gibt.

    Zitat

    Unabdingbar für eine erfolgreiche Tätigkeit als Lehrer ist der angemessene Umgang mit Schülern verschiedener Altersgruppen. Auch mit Kollegen und mit wenig kooperativ handelnden Eltern muss man umgehen können. Insbesondere aber muss man Lerngruppen motivieren, disziplinieren, führen und auch beobachten können. Hierzu sind pädagogische, kommunikative, soziale, diagnostische und manchmal auch diplomatische Fähigkeiten gefragt, die nicht jeder Diplom-Physiker zu entwickeln vermag.

    Ich halte das für eine wirklich dumm-dreiste Unterstellung, dass ein Lehramtsstudium per se in "Empathie" qualifiziert wohingegen beim Diplom-Physiker offenbar die Nerd-Gefahr für nicht zu vernachlässigend und möglicherweise gefährdend für den Schulalltag gehalten wird.


    Für meine Studienleistung reicht das bisschen schon, was ich gefunden habe, aber jetzt ist es eben doch so, dass mich das Thema auch ganz persönlich interessiert. Deshalb meine Frage an euch, ob mir da jemand vielleicht aushelfen kann.

  • Es kommt auf die Person an und nicht was für ein Studium man hat - es gibt genug Fachidioten in jedem Bereich, Geschichte oder Lateinoder sonst was. Ich schätze mal so, daß man sich hier auf Physik-Seiteneinsteiger beruft, weil sie die Mehrheit der Seiteneinsteiger sind! Die Fachidioten in nicht Mangelfächern tauchen aber seltener in der Schule auf!

  • Das ist klar, war aber nicht die Frage ;) Die Frage ist, ob es irgendwo empirische Untersuchungen dazu gibt, die ich (noch) nicht gefunden habe.

  • Ich halte das für eine wirklich dumm-dreiste Unterstellung, dass ein Lehramtsstudium per se in "Empathie" qualifiziert wohingegen beim Diplom-Physiker offenbar die Nerd-Gefahr für nicht zu vernachlässigend und möglicherweise gefährdend für den Schulalltag gehalten wird.


    Als Lehrer muss man sich ja auch lauter dummdreistes Zeugs gefallen lassen: keine Ahnung von echten Leben, nur Schule gesehen, in der oft bemühten freien Wirtschaft keine Chance. An der Uni, an der ich studiert habe, waren die Lehramtsstudenten in den Diplomstudiengängen auch immer ziemlich schlecht angesehen. Fragt sich jetzt, wer als erstes aufhört dummdreistes Zeugs zu erzählen?


    Gruß

  • Da hast Du jetzt eben auch nur die Vorurteile der Gegenseite aufgezählt, aber meine Frage ist immer noch nicht beantwortet - sind das alles nur Vorurteile, oder gibt es Belege dafür?

  • ohne es boese zu meinen, aber wer sollte empirische studien dazu gemacht haben und von wem sollten sie beantragt worden sein? woher sollen wir wissen, was du noch nicht gelesen hast?


    ich kenne keine studien zu seiteneinsteigern, hoechtens ein artikel vom schulministerijm aber das wars!

  • Ich schätze mal so, daß man sich hier auf Physik-Seiteneinsteiger beruft, weil sie die Mehrheit der Seiteneinsteiger sind!

    So weit mir bekannt ist, hat ein Didaktik der Physik - Lehrstuhl (Frankfurt?) bzgl. der Physiker im Lehrerseiteneinstieg umfangreiche Untersuchungen angestellt.

    "Der erste Schritt zum Lernen ist die Liebe zum Lehrer - weil man die Liebe zur Wissenschaft von Heranwachsenden noch nicht erwarten kann."


    Erasmus von Rotterdam




  • Hier mal ein Beispiel der gefühlt erwiesenen pädagogischen Unzulänglichkeit von Diplomphysikern, damit ihr euch ungefähr vorstellen könnt, was ich meine: C. Fruböse Diplom-Physiker als Lehrer, Physik in unserer Zeit 2009, S. 261 + Anhang. Ich zitiere eine Textpassage, da es den Artikel nicht ohne Zugangsberechtigung zum Journal gibt.

    Ich halte das für eine wirklich dumm-dreiste Unterstellung, dass ein Lehramtsstudium per se in "Empathie" qualifiziert wohingegen beim Diplom-Physiker offenbar die Nerd-Gefahr für nicht zu vernachlässigend und möglicherweise gefährdend für den Schulalltag gehalten wird.

    Gilt ja nicht für jeden Diplom-Physiker ... aaaaaber: Ich kann die Aussage nachvollziehen! Habe jahrelang mit Diplom-Physikern zusammen gearbeitet und kann sagen, dass da schon - menschlich gesehen - überproportional viele "Spezialfälle" drunter sind ... insbesondere was den zwischenmenschlichen Umgang / die Kommunikation miteinander / untereinander angeht.
    Und das höre ich heute noch von anderen Seiteneinsteigern ((promovierten) Diplom-Physikern)... habe ich während meiner Bewerbungszeit von vielen Schulleitern gehört ... und sogar die Schulsekretärinnen hatten häufig Stories parat. Und gerade in der Mischung im Fachseminar von Seiteneinsteigern und Referendaren sieht man das ansatzweise in einigen wenigen Fällen auch während der Ausbildung noch ... wobei das mit Sicherheit "extrem harmlose Fälle" sind. Die meisten Diplom-Physiker, die ich im Schulbereich als Seiteneinsteiger kennengelernt haben, würde ich im fraglichen Punkt als "normal" bezeichnen.


    Ich bin übrigens von Hause aus kein Diplom-Physiker ;)

    "Der erste Schritt zum Lernen ist die Liebe zum Lehrer - weil man die Liebe zur Wissenschaft von Heranwachsenden noch nicht erwarten kann."


    Erasmus von Rotterdam



  • ohne es boese zu meinen, aber wer sollte empirische studien dazu gemacht haben und von wem sollten sie beantragt worden sein?

    Gehe ich recht in der Annahme, dass Du denkst, eine derartige Studie sei überhaupt nicht nötig? Wenn ja, dann würde mich das doch sehr wundern. Es gibt einiges an Material, wo sich einige Leute schrecklich besorgt darüber zeigen, dass immer mehr nicht regulär ausgebildete Lehrer an deutschen Schulen unterrichten. Um darüber aber überhaupt besorgt sein zu können, müsste man doch mal wissen, ob das eben nicht nur gefühlt sondern aber tatsächlich ein Problem darstellt. Sollte letzteres zutreffen, müsste man wohl ernsthafte Massnahmen dagegen ergreifen, oder nicht?


    Ich habe mich ja, als ich meinen Entschluss gefasst habe, Lehrer zu werden, durchaus auch in BaWü erkundigt, wie ich da an einen Referendariatsplatz rankommen würde. Zur Info: Ich habe ein Diplom in Chemie und ein Doktorat in Physikalischer Chemie, hätte mich also für die Fächerkombi Chemie/Physik interessiert. Mit einiger Verwunderung musste ich dann feststellen, dass man mir ernsthaft eine Kenntnisstandprüfung im Fach Chemie aufgedrückt hätte weil mein Diplom zum damaligen Zeitpunkt schon älter als 5 Jahre alt war. Das Doktorat zählt nämlich nicht als höchster erworbener Fachabschluss und da packe ich mir dann doch schon mal an den Kopf und frage mich, wem so etwas eigentlich einfällt. Weiterhin wurde mir dann mitgeteilt, dass sich die formalen Zugangsbedingungen für Nicht-Lehrämtler ohnehin jedes Jahr ändern und man mir deshalb jetzt gerade keine Auskunft geben könnte, welche Unterlagen ich sinnvollerweise zwecks Anerkennung des Zweitfachs Physik einreichen sollte. Das kann's ja irgendwie nicht sein.


    woher sollen wir wissen, was du noch nicht gelesen hast?

    Wenn ich schreibe, ich habe nichts konkretes dazu gefunden, dann habe ich offenbar nichts konkretes gelesen. Beantwortet das die Frage?


    So weit mir bekannt ist, hat ein Didaktik der Physik - Lehrstuhl (Frankfurt?) bzgl. der Physiker im Lehrerseiteneinstieg umfangreiche Untersuchungen angestellt.

    Von denen habe ich mittlerweile tatsächlich einen Artikel gefunden. Allerdings wurden da nur erste Voruntersuchungen ausgewertet, mit dem Hinweis darauf, dass es eben weitere, umfangreiche Studien geben soll. Deren Ergebnisse wiederum habe nicht gefunden. Möglicherweise ist die Studie noch nicht abgeschlossen, bzw. die Ergebnisse sind noch nicht publiziert.


    Habe jahrelang mit Diplom-Physikern zusammen gearbeitet und kann sagen, dass da schon - menschlich gesehen - überproportional viele "Spezialfälle" drunter sind

    Das kommt natürlich ganz darauf an, wie man den "Normalfall" definiert ;) Aber ich weiss prinzipiell was Du meinst, ich habe selbst auch viele Jahre mit Physikern zusammen gearbeitet und die sind im Schnitt tatsächlich anders als z. B. Chemiker. Biologen sind auch wieder anders, die Mathematiker auch, etc. etc. - ich glaube man nennt das "Fachsozialisation" :) Allerdings kann ich aus meiner persönlichen Erfahrung überhaupt nicht erkennen, dass dieses "anders sein" unter den Physiklehrern schwächer ausgeprägt ist, als unter den Diplomphysikern. Ich bin sogar der Meinung, dass das spezielle "anders sein" unabdingbar für den Lehrerberuf ist, insofern haben da die Physiker ja wohl die allerbesten Voraussetzungen!


    Ich erspare es euch an dieser Stelle jetzt, von meinen speziellen Erfahrungen mit Chemie-Lehrämtlern zu berichten, denn es geht mir ja gerade nicht um die Klischees, sondern um die Fakten.

  • Das Doktorat zählt nämlich nicht als höchster erworbener Fachabschluss und da packe ich mir dann doch schon mal an den Kopf und frage mich, wem so etwas eigentlich einfällt.


    Die Promotion alleine war in Deutschland noch nie ein "berufsqualifizierender Abschluss". Berufsqualifizierende Abschlüsse an der Universität sind Diplom, Staatsexamen, Magister, Bachelor und Master.


    Eine Promotion weist (nur) die Fähigkeit nach, in einem Bereich selbstständig wissenschaftlich zu forschen. Mehr nicht.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Die Promotion alleine war in Deutschland noch nie ein "berufsqualifizierender Abschluss".

    Es geht nicht um "berufsqualifizierend", es geht um die Kentnisstandprüfung im Fach. Genau weil die Promotion für sich alleine kein berufsqualifizierender Abschluss ist, halte ich diese Regelung für absurd. Ohne Fachstudium keine Promotion (abgesehen von h. c. oder so nem Quatsch) also kann man wohl davon ausgehen, dass jemand, der gerade die Promotion abgeschlossen hat, wohl auch Ahnung von seinem Fach hat.

  • Ich vermute jetzt mal nur so ... Oder denke laut: wenn es Untersuchungen geben würde, diese würden genannte Vorurteile bestätigen ... müßte dagegen etwas unternommen werden ... Was ja wiederum Geld kosten würde .... Wenn man es aber nicht untersucht, gibts sozusagen keine Beweise ... Und man muss nichts unternehmen, also auch kein Geld ausgeben ... Zumal ja Seiteneinsteiger oft Mangelfächer abdecken ... Was wäre denn die Konsequenz ... Dass Fachunterricht unbesetzt und damit nicht erteilt wird?
    Also ... Wer sollte solche Untersuchungen in Auftrag geben wollen ... Die Frage ist nicht ganz unberechtigt ...

  • Zitat

    Ich halte das für eine wirklich dumm-dreiste Unterstellung, dass ein Lehramtsstudium per se in "Empathie" qualifiziert wohingegen beim Diplom-Physiker offenbar die Nerd-Gefahr für nicht zu vernachlässigend und möglicherweise gefährdend für den Schulalltag gehalten wird.


    Ich halte das für eine ziemlich zugespitzte Interpretation des von Dir gegebenen Zitats. Vom Lehramtsstudium ist dort nicht die Rede, sondern nur davon, dass ein Diplom alleine für Arbeit in der Schule womöglich nicht reicht.


    Zitat

    Es geht nicht um "berufsqualifizierend", es geht um die Kentnisstandprüfung im Fach.


    Die Kenntnisstandsprüfung in BW hat nichts mit Lehramtsstudium oder Seiteneinstieg zu tun, sondern betrifft alle Menschen, deren Studienabschluss länger als fünf Jahre zurück liegt. Also auch Lehrämtler. Ob das immer sinnvoll ist, sei dahingestellt.


    Abgesehen davon halte ich einen Vergleich der zwei Gruppen für ein interessantes Forschungsprojekt, das aber sicher sehr aufwändig wäre. Studien dazu kenne ich keine und bezweifle auch, dass es sie gibt.

  • Wenn ich mir überlege, wie viel Geld das BMBF für mein Promotionsprojekt hat springen lassen, welches (unter uns gesagt) ausschliesslich dafür gut war, dass 2 Menschen in Deutschland einen Dr. rer. nat. dafür bekommen haben, finde ich diese Gedankengänge erschreckend. Aber vermutlich ist das so, es könnte ja versehentlich das deutsche Bildungssystem verbessert werden, wenn man ein bisschen Geld für eine solche Studie ausgibt.

  • Mal eine ganz dumme Frage an unter uns: für welche Berufszweige muss man sich denn noch einer Kenntnisstandprüfung unterziehen, wenn man nicht gerade Lehrer werden will? Wer eine Lehre abgeschlossen hat, der bewirbt sich doch mit seinem Zeugnis bei der entsprechenden Firma (bzw. im ÖD) und muss dann ggf. einen Einstellungstest absolvieren. Das ist eine ernst gemeinte Frage, mir fällt sonst kein Bereich ein, bei dem so etwas verlangt werden würde. Im Übrigen hätte ich die Prüfung vllt. sogar noch gemacht wenn sie denn gebührenfrei wäre. Soweit ich mich erinnere, hätte ich dafür aber auch noch 200 € berappen sollen und das fand ich dann doch einigermassen unverschämt.


    Was die Interpretation des Zitats aus dem Artikel von C. Fruböse betrifft - der ganze Artikel ist ja in diesem Tonus geschrieben. Daher meine Interpretation ;)

  • Zitat

    Mal eine ganz dumme Frage an unter uns: für welche Berufszweige muss man sich denn noch einer Kenntnisstandprüfung unterziehen, wenn man nicht gerade Lehrer werden will?


    Woher soll ich das wissen? Keine Ahnung.


    Zitat

    Wer eine Lehre abgeschlossen hat, der bewirbt sich doch mit seinem Zeugnis bei der entsprechenden Firma (bzw. im ÖD) und muss dann ggf. einen Einstellungstest absolvieren.


    Gut. Aber was ist jetzt der substantielle Vorteil dieses Verfahrens?


    Zitat

    Im Übrigen hätte ich die Prüfung vllt. sogar noch gemacht wenn sie denn gebührenfrei wäre. Soweit ich mich erinnere, hätte ich dafür aber auch noch 200 € berappen sollen und das fand ich dann doch einigermassen unverschämt.


    Ich hab's damals für lau bekommen. Aber die Anfahrtskosten musste ich selbst tragen, das stimmt. Ich fand es auch unverschämt, aber im Endeffekt ist es eine Kosten-Nutzen-Abwägung.


    Was das Grundproblem angeht: Die (manchmal vorhandenen) Bedenken gegenüber Diplomern sind sicher in vielen Fällen Unsinn und in einer Welt (angeblich) "lebenslangen Lernens" auch nicht mehr zeitgemäß. Ich denke, der Grund dahinter ist die Furcht davor, Leute zu bekommen, die nur aus Not in die Schule drängen, ohne dort eigentlich hinzuwollen. Vermutlich werden dabei allerdings mehrere Denkfehler gemacht, denn (a) wollen ja auch nicht alle Lehramtsstudenten wirklich und mit ganzem Herzen in die Schule und (b) ist man bei Studienbeginn ja noch recht jung und kann sich weiterentwickeln. Letztlich aber bräuchte man die von Dir angeregte Studie, um hier besser diskutieren zu können.


    Übrigens könnten manche Klischees auch einfach darauf beruhen, dass sich Lehramtsstudenten und Seiteneinsteiger gewöhnlich bezüglich des Alters unterscheiden dürften, an dem sie in der Schule ankommen. Es ist ja ein eigenes Thema, dass jüngere Menschen für ihre Ausbilder manchmal angenehmer zu handeln sind als ältere - zumindest ist das auch so ein Klischee. Wäre eine Studie wert.

  • Gut. Aber was ist jetzt der substantielle Vorteil dieses Verfahrens?

    Das Verfahren an sich hat einen völlig anderen Zweck. Ein Einstellungstest dient als Vorstufe zum persönlichen Gespräch und erleichtert bei einer grossen Anzahl an Bewerbern erheblich das Auswahlverfahren. Würde die besagte Kentnissstandprüfung denselben Zweck erfüllen wollen, müsste man ja sie ja absolut JEDEM, der im Land BaWü Lehrer werden will, aufdrücken, also müssten auch Lehramtsstudenten da noch mal durch. Wäre dann halt noch absurder.


    Aber abgesehen von der Kentnissstandprüfung hat mich die Aussage, dass die Zugangsbedingungen jedes Jahr andere sind, noch viel mehr gestört. Bzw. in der Summe fühlte ich mich dadurch einfach noch mehr für blöd verkauft. Will man mit einer Kentnissstandprüfung Qualität sichern, müssten ja auch die Zugangsbedingungen zum Ref einem einheitlichen Standard entsprechen. Meine Überlegung war damals dann einfach, dass ich aus dem Grossraum Basel eh nicht weg will und es damit für mich persönlich viel geschickter ist, die Lehrerausbildung in der Schweiz zu machen. Zumal der bürokratische Aufwand für mich als Diplomer noch dazu erheblich kleiner war und ich am Ende der Ausbildung jedem schweizer Lehrer vorbehaltslos und in allen Kategorien gleichgestellt bin.

    Ich denke, der Grund dahinter ist die Furcht davor, Leute zu bekommen, die nur aus Not in die Schule drängen, ohne dort eigentlich hinzuwollen.

    Die Furcht ist wiederum nicht unberechtigt. Ich habe den Spruch "zur Not werd ich halt Lehrer" leider selbst viel zu oft von frustrierten Mitdoktoranden gehört. Mindestens ebenso oft habe ich aber auch den Spruch "meine Eltern wollten halt, das ich IRGENDWAS studiere" von Lehrämtlern gehört. Beides gleichermassen beunruhigend. Genau deshalb gefällt mir das schweizerische System der Leherausbildung auf Sek II auch erheblich besser, als das deutsche.


    Es ist ja an sich schon total Banane, dass es in Deutschland Studiengänge gibt, die nur für einen einzigen Beruf - nämlich den des Lehrers - qualifizieren. Ich meine, wir sprechen da ja von einer akademischen Ausbildung und nicht von einer Berufslehre! Wenn ich mich für den Masterstudiengang Chemie einschreibe, dann habe ich hinterher vielfältige Möglichkeiten bezüglich der Berufswahl. Ich kann in die industrielle Forschung oder Produktion gehen, ich kann aber genauso gut Verkauf und Vertrieb oder meinetwegen auch Qualitätssicherung, Materialprüfung oder Arbeitsschutz machen. Wähle ich den Lehramtsstudiengang, dann werde ich eben Lehrer. Wenn ich während des Studierens merke, dass mir das doch nicht gefällt und ich lieber den "regulären" Master machen würde, dann trifft mich mit voller Härte die babylonische Bürokratie der deutschen Universitäten.


    Die Bologna-Reform wäre echt eine gute Gelegenheit gewesen, diesen Unsinn endlich mal zu beenden. Ich habe das alles nur noch am Rande mitbekommen und habe mich noch gefreut, als ich gehört habe, man braucht in D jetzt einfach zwei Fach-Bachelor + pädagogischen Krams um Lehrer zu werden. Ja, das wäre doch sinnvoll gewesen, die pädagogische Ausbildung einfach komplett vom Fachstudium abzutrennen. Aber nein, man muss ja unbedingt an den Lehramtsstudiengängen festhalten ... warum auch immer. Es ist ja genau so, wie Du (unter uns) schreibst: man ist zu Beginn des Studiums doch noch furchtbar jung und soll sich dann schon für den Rest seines Lebens auf einen Beruf festlegen - bekloppt!

  • dass immer mehr nicht regulär ausgebildete Lehrer an deutschen Schulen unterrichten.


    Wo ich herkomme, Großbritannien, ist die Lehrerausbildung so: BA/MA machen, dann ein Jahr berufsbegleitend Referendariat.
    Also wieso die Deutschen sich "sorgen machen", finde ich, ehrlich gesagt, lächerlich.


    Ich kenne einige Referendare, die sagen, daß das, was sie an der Uni bzgl. Didaktik usw. gelernt haben, sei realitätsfern und entspricht nicht dem realen Leben. Das ist ebenfalls meine Meinung.

  • Ist in der Schweiz eben auch so. Die Qualität der Didaktik-/Pädagogik-Seminare hängt aber sicher schwer vom jeweiligen Dozenten ab. Da ist auch ein konsekutiver Aufbau der Ausbildung kein Garant dafür, dass man da was Vernünftiges lernt. Ich hatte z. B. Glück mit meinen Fachdidaktikern, aber was ich in Erziehungswissenschaften gelernt haben soll, das ist mir leider nicht ganz klar geworden.

  • Vielleicht kannst Du Dich ja an den Studienseminaren bzw. den "Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung" (wie sie neuerdings heißen) in NRW nach den durchschnittlichen Abschlussnoten im Zweiten Staatsexamen der SE und der normalen Referendare erkundigen. Ich habe zwar keine Ahnung, ob die die Daten herausgeben bzw. wie repräsentativ solche Abschlussnoten für "guter Lehrer/ schlechter Lehrer" sind aber immerhin umfasst das Abschlusszeugnis neben der unterrichtspraktischen Prüfung ja auch 2-3 Langzeitgutachen der Seminarausbilder und ein Schulleitergutachten. Das wäre doch schon mal ein Anfang. Wobei es sicher interessant wäre, auch Unterschiede in den Fachrichtungen zu betrachten. Um bei dem typischen "bösen" Diplom Physiker zu bleiben: Es gibt ja auch die Gegenseite... Der Sportwissenschaftler, der meist viel Erfahrung im Umgang mit Kinder- und Jugendgruppen mitbringt und auch ansonsten vor dem SE eher kommunikative Tätigkeiten ausgeübt hat. Das müssten ja alles Top-Lehrer sein ;) Wäre schon interessant zu wissen, inwiefern sich diese Vorurteile bestätigen!
    Übrigens: In meinem Abschlussjahrgang hat ein SE die beste Prüfung hingelegt...

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