SPON: Schul-Klischees im Fakten-Check: Lehrer haben es leicht - oder doch nicht?

  • Das ist ein schwieriges Thema, auch unter Lehrern. Wir haben ja mittlerweile unter Lehrern eine Kultur, in der man sich rechtfertigen muss, wenn man seinen Beruf als recht entspannt und gut bezahlt erlebt und wenn man nicht 60 Stunden pro Woche arbeitet. Im Lehrerzimmer gilt: Je lauter das Jammern, desto besser. Mir geht das mächtig auf die Ketten.
    Ich liebe meinen Beruf. Ich arbeite nicht 60 Stunden pro Woche, ich arbeite nicht mal 50 und auch nicht immer 40. Aber sag das mal laut....!


    Und die Bezahlung: Als verbeamteter Lehrer bringst du netto 2700,- € nach Hause (KV schon abgezogen). Verheiratet und Kinder wird es noch mal mehr. Versuch mal, dieses Gehalt in der freien Wirtschaft zu erreichen. Da braucht es eine 60-Stunden-Woche plus Personalverantwortung. Kein Geschenk.


    Ich bin sehr dankbar dafür, diesen Beruf zu haben. Ich schätze mich glücklich und privilegiert. Aber es gehört zum guten Ton unter Lehrern, das Gegenteil darzustellen. The grass is always greener on the other side.

  • Ich finde mich ja auch eher privilegiert. Aber die Realität sieht für Lehrer doch wohl sehr unterschiedlich aus, je nach Schulform, Fach, persönlicher Eignung usw. Es gibt halt eine Menge Zeit, die nicht im Stundenplan steht und die entsprechende unterschiedlich ausgefüllt werden kann und ausgefüllt wird. Das hängt nicht nur vom Engagement ab, auch vom Zeitmanagement zum Beispiel. Mir sind Leute grundsätzlich suspekt, die lang und breit darüber jammern, wie schrecklich viel sie zu tun haben. Oft verplempern sie mit diesem Gejammer furchtbar viel Zeit. Während die Leute, die wirklich viel zu tun haben, oft erstaunlich präsent sind, auch in aller Hektik noch ruhig bleiben und zuhören etc.


    An das Zerrbild, was von Lehrern in der Öffentlichkeit herrscht, muss man sich wohl gewöhnen, mir persönlich ist es relativ egal, ich muss nicht über meinen Beruf lamentieren und fahre auch nicht im Sommer 6 Wochen nach Hawaii. Ich finde meinen Job manchmal sehr schön, lustig und abwechslungsreich, manchmal aber auch sehr anstrengend, und phasenweise voll stressig. Das ist im Grunde wie überall, bloß meinen bei Lehrern immer alle mitreden zu können.


    Aber noch nicht einmal das kann ich wirklich übelnehmen, ich kenne ja auch die Sicht als Schülerin und als Mutter ... da sieht man die Dinge halt oft anders, und außerdem gibt es ja wirklich doofe Lehrer. Umgekehrt erfahre ich auch viel Wertschätzung. Was die Öffentlichkeit wohl nicht so wahrnimmt, sind profane Dinge wie der ewige Geld- und Zeitmangel, die schlechte Ausstattung, die Lärmbelastung, die Stimmbelastung, das fehlende Büro, all die Sachen, die man privat finanziert. Und vor allem, dass man ständig Spielball von Bildungspolitikern ist, die sich alles Mögliche Halbgare ausdenken, und mit dem Regierungswechsel ist dann wieder alles anders.

    • Offizieller Beitrag

    Ich denke, solche Artikel über "die Lehrer" sind sinnlos.


    Der Autor schreibt ja, dass die Lehrerarbeitszeit zwischen 30 und 70 Stunden liegt - dass sich der Kollege mit den 30 Stunden unbelasteter fühlt, als der mit den 70 ist irgendwie klar. Je nach Schulform, Alter/Routine, Qualität der Organisation der Schule, eigener Organisiertheit und anderen Faktoren ist es halt so.


    Einfluss hat man darauf in begrenztem Maße. Ich habe 8 Jahre gebraucht um mich langsam von den über 60 auf knapp unter 50 runterzuschaffen (und ich gehöre zu den hoch organisierten), das hängt mit meinen Fächern zuammen, mit der Tatsache, dass ich an einer reinen Oberstufe unterrichte und im Jahr zwischen 500 und 800 Stunden korrigieren muss, sicher auch an meinem Perfektionismus (den ich auch langsam runterdrehen musste) usw.


    An meiner Schule gibt es rein strukturell keinen Kollegen, der 30 Stunden arbeiten kann. 25 müssen sie alle unterrichten, Oberstufenklausuren korrigieren und Abiprüfungen erstellen/durchführen auch alle - selbst bei theoretisch völlig unvorbereitetem Unterricht, Konferenzschwänzen, Tutorenarbeitverweigerung und so weiter kommst du da dicke über 30.

    Ich kann mir aber vorstellen, dass es Schulformen gibt, wo man das nach ein paar Jahren anders gestalten kann. Und? Was sagt das jetzt über "die Lehrer"?


    Dasselbe wie über "die Ärzte", "die Politiker", "die Juristen" und "die Eltern". Es gibt solche und solche.


    What's new....

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Zitat Pieksieben :

    Zitat

    Ich finde mich ja auch eher privilegiert.

    Ich nicht, weil mir dabei zu wenig Geld rüberkommt. Das Ansehen/Wertschätzung/Image und auch Macht etc. werden in unserer Gesellschaft (fast) nur über das Geld definiert.


    Auf der anderen Seite schätze ich natürlich schon die Ünkundbarkeit als Beamter und die Kontinuitätsgarantie meines Arbeitsplatzes. Das kann in der ein oder anderen Situation erheblich zur inneren Ruhe und Gelassenheit beitragen.


    Ich muss natürlich auch gestehen, dass mir als bekennender Halbautist, die Arbeit hinter der verschlossenen Tür, wo kein anderer Kollege etwas zu bestellen hat, meiner genetischen Veranlagung und Mentalität sehr entgegen kommt. Ich denke, die meisten Kollegen und Kolleginnen sind schon deshalb Lehrer geworden, weil sie, wenn sie ehrlich zu sich selbst sind, für die Teamarbeit nicht richtig kompatibel sind, die in der Freien Wirtschaft, zumindest innerhalb der Führungsebenen, dauernd angesagt ist.


    Von den Formalien abgesehen ist der Lehrer schon so etwas wie ein freischaffender Künstler mit staatlicher Unterstützung, was aber nicht heißt, dass unser Job nicht anstrengend wäre, im Gegenteil.


    Dass wir den schwierigsten und anstrengendsten aller Berufe haben, liegt daran, dass unsere Klientel (Schüler/Eltern) immer schwieriger wird und uns gleichzeitig immer mehr Instrumente genommen werden, unsere Arbeit effektiv durchzusetzen. Insofern ist das Jammern in unserem Berufsstand berechtigt. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    • Offizieller Beitrag

    2 700 € netto als Anfangsgehalt? Ich hab mit 2 500 € angefangen und da wurde noch die KV von abgezogen. Dank irgendwelcher Erhöhungen, die ja auch immer mehr zusammengestrichen werden und weiteren Dienstaltersstufen bin ich davon jetzt weg.


    Klar hat unser Beruf Vor- und Nachteile. Die meisten Menschen sehen halt nur die Vorteile.

  • die vorteile.
    da meinte ein nachbar doch neulich (ich kam nach unterricht, teamsitzung und ag um 16.15 dahergeschlichen - die gut 2 stunden schreibtischarbeit am abend noch vor mir), ich hätte doch einen schönen beruf.
    "ja", sagte ich, "aber wie alle berufe hat er vorteile und nachteile."
    und mit diesem wissenden lächeln und kopfnicken "aber eindeutig viel mehr vorteile."
    ich fragte, wie viele lehrer er im direkten familien- und freundesumkreis hat. natürlich gar keinen.

  • Ich finde in den Leserreaktionen die Annahme interessant, dass Pause für die Schüler auch Pausen (= Nichtarbeitszeit) für die Lehrer wären.
    Derartige Annahmen können nur von Leuten kommen, die keine Ahnung haben, die sollten aber mal den Nuhr machen.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Und hier der zweite Teil im "Faktencheck": Lehrer werden lohnt sich - oder?


    Einige der "Skandale", die Spiegel online aufdeckt:


    Zitat

    Wer verbeamtet ist, dem bleibt mehr Netto vom Brutto, er ist praktisch unkündbar und günstig privat krankenversichert. Denn der Dienstherr erstattet einen Teil der Arztkosten und den Rest deckt die Versicherung über spezielle Beamtentarife ab.

    "Der Dienstherr erstattet einen Teil der Arztkosten"... Wenn das der gemeine Arbeitnehmer aus der freien Wirtschaft wüßte...


    Zitat

    Demnach bekommen Lehrer, die an öffentlichen Haupt- und Realschulen unterrichten, am Berufsanfang durchschnittlich 45.000 Euro brutto, nach 15 Jahren im Dienst knapp 55.000 Euro und am Ende ihrer Laufbahn fast 60.000 Euro. Deutschland liegt damit deutlich über dem Durchschnitt der OECD-Länder, aber unter dem in Luxemburg und der Schweiz.

    Ob SPON-Journailisten auch mehr verdienen als der OECD-Durschschnitt? Wer weiß das schon. Nicht ganz unwahrscheinlich, immerhin sind Mexiko, die Türkei, Slowenien und einige andere mehr auch OECD-Mitglieder.


    Zitat

    In Berlin bekommen angestellte Lehrer, die gerade in den Beruf einsteigen, zum Beispiel die höchste Tarifstufe, die man sonst erst nach mehreren Jahren im Job erreicht. Das sind für Grundschullehrer in der Tarifgruppe E11 3940 Euro brutto - statt der 2640 Euro, die für Einsteiger in dieser Gehaltsgruppe eigentlich vorgesehen sind.

    Und wieder eine ungerechtfertigte Bereicherung durch die Lehrerschaft. Das "marktwirtschaftliche Prinzip" von Angebot und Nachfrage darf doch nicht zu höheren Lehrergehältern führen. So war das aber nicht gedacht...


    Gut, dass SPON wieder einmal die "Fakten" aufdeckt.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Zur Arbeitszeit nochmal, und da ganz speziell die Zeit zur Unterrichtsvorbereitung:
    Ich verstehe auch immer nicht, wie irgend jemand zu der Annahme kommen kann, dass man irgendwann nicht mehr vorbereiten muss... Vielleicht bin ich auch nur noch so weit weg von diesem Zustand, dass ich mir das nicht vorstellen kann. Aber es ist doch so: AUch wenn ich davon ausgehe, in meinen Fächern schon lauter fertige Stunden für alle Klassenstufen im Ordner zu haben, muss ich doch mindestens am nachmittag 1.) zurückblicken, wie weit ich in der letzten Stunde gekommen bin und ob noch etwas fertig gemacht werden muss (meist schon letzte Woche bei meinen Kurzfächern), 2.) die richtigen Blätter aus dem Ordner nehmen und kopieren bzw. mir die Buchseite aufschreiben,3.) Überlegen wie weit ich in der nächsten Stunde kommen möchte und was gemacht wird, falls wir doch schneller sind. Sogar wenn ich NUR SO vorbereiten würde, sind das schon mal 10 min. pro Stunde des nächsten Tages. Bei einem 6 Stunden Tag also schon eine Zeitstunde Vorbereitung, obwohl ich schon alles fertig habe und nichts vorbereiten muss. :aufgepasst:
    In der Praxis sind doch die Klassen so unterschiedlich, dass ich nie ein und die selbe Stunde exakt zwei mal halten kann. Nicht jede Methode passt zu jeder Klasse und das Tempo kann auch sehr unterschiedlich sein. Außerdem wechselt ca alle 3 - 5 Jahre das Lehrwerk, also kann ich dann schon mal per se nicht die selben Materialien verwenden und muss zumindest schauen, ob die Inhalte der Buchseiten mit meinen "seit 10 Jahren fertigen" Blättern übereinstimmen und ggf. anpassen. Manches an Material geht auch einfach mal kaputt (laminierter Kram aus dem Ref ...) oder verloren (wenn man statt der letzten Kopie das Original austeilt ;) ) und muss neu gemacht werden. Differenzierung mal ganz außen vor gelassen, denn was das betrifft unterscheiden sich die Klassen ja noch viel mehr! Und dann habe ich immer noch nichts eingesammelt und korrigiert. Und keiner kann mir erzählen, dass er außer der Klassenarbeit nichts absammelt!
    Und von dem eigenen Anspruch, nicht 20 Jahre die gleichen Stunden zu halten rede ich jetzt überhaupt gar nicht, bestimmt sind es ja nur ganz wenige von uns, die Lust haben, Neues aus Fachzeitschriften einmal in ihrem Unterricht umzusetzen. :pfeifen:
    Also falls es unter euch den Lehrer gibt "der nichts mehr vorbereiten muss" dann bitte melden - es würde ich sehr interessieren, wie er das macht!
    :engel:

  • ...am Ende ihrer Laufbahn fast 60.000 Euro.


    Das hatte ich in der freien Wirtschaft als Systemingenieur vor 11 Jahren auch, und das ohne Uni-Diplom, sondern mit 'ne FH-Abschluß und in der Mitte meiner beruflichen Laufbahn, nicht am Ende.
    Insofern sehe ich da keinen Skandal.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • A 13, höchste Dienstaltersstufe: knapp 55.000 brutto in NRW! Dafür bekommen wir für zwei Jahre keine Gehaltserhöhung!

  • Das hatte ich in der freien Wirtschaft als Systemingenieur vor 11 Jahren auch, und das ohne Uni-Diplom, sondern mit 'ne FH-Abschluß und in der Mitte meiner beruflichen Laufbahn, nicht am Ende.
    Insofern sehe ich da keinen Skandal.

    So ein "Leistungsträger" aus der freien Wirtschaft arbeitet doch wohl auch etwas mehr als 25 mal 45 Minuten pro Woche und hat auch keine drei Monate Urlaub, oder? :P


    A 13, höchste Dienstaltersstufe: knapp 55.000 brutto in NRW! Dafür bekommen wir für zwei Jahre keine Gehaltserhöhung!

    Ach komm, wenn man die ganzen "Extras" wie Arbeitgeberanteil zu den Krankheitskosten, die "großzügige" steuerliche Absetzbarkeit des Arbeitszimmers sowie Zuschüsse zu "Urlaubsreisen" (Klassenfahrten) dazurechnet, darf man doch auch etwas aufrunden!


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Schreckliches Klima, das durch Eintracht des demographischen Hochs mit dem geistigen Tief entsteht.



    Verschwörungstheorie:


    Das Leistungsschutzrecht hätte von NRW im Bundesrat verhindert werden können. Frau Kraft hat ein Machtwort gesprochen und die SPD ist umgefallen. Der Spiegel bedankt sich nun mit flankierenden Maßnahmen und mobilisiert den Stammtisch. Dadurch wird eine vernünftige Diskussion über die Geringschätzung von Bildungsarbeit (und nichts anderes sind zwei Nullrunden) erheblich erschwert.


    Das schöne an Paranoia ist, dass man sich nie alleine fühlt :)

    --

    Keine Daten, keine Quellen? Kein Interesse.

  • So ein "Leistungsträger" aus der freien Wirtschaft arbeitet doch wohl auch etwas mehr als 25 mal 45 Minuten pro Woche und hat auch keine drei Monate Urlaub, oder?


    Sicher habe ich zu dieser Zeit länger gearbeitet, permanente Verfügbarkeit, Kontrollanrufe, Abmahnungsmobbing (einige Zeit davon) inklusive.Heute habe ich keine Kontrollanrufe und kein Mobbing und von allem anderen (einschließlich Gehalt) etwas weniger, in aber auch zufriedener. :-))

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

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